Remo Uherek: «Ich mache seit zehn Jahren eine Mediendiät»

Publiziert am 16. Februar 2022 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit dem Basler YouTuber, Investor und Unternehmer Remo Uherek. Er sagt: «Mein Fokus und meine Produktivität sind signifikant gestiegen, nachdem ich die Apps für Facebook und Twitter vom Handy entfernt habe.» Medien gegenüber ist er generell sehr skeptisch. Vor allem in algorithmischen Newsfeeds sieht er «eine grosse gesellschaftliche Herausforderung». Als «besten Deal, den es überhaupt gibt,» bezeichnet er das Buch: «Für 15 Franken bekommt man die Weisheit eines ganzen Menschenlebens.» Insgesamt versucht er «sehr sorgsam mit einem der wertvollsten Rohstoffe überhaupt» umzugehen – mit seiner Aufmerksamkeit.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Ich esse zwar nie Frühstück. Nach dem Aufwachen, meist noch im Bett oder auf dem Thron, checke ich WhatsApp, Kommentare auf meinem YouTube-Kanal, E-Mails und Twitter.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram? 

Meine Twitter- und Facebook-Sucht habe ich erst in den Griff bekommen, nachdem ich die Apps vom Handy gelöscht habe. 

Twitter nutze ich am aktivsten, einfach nur noch am Laptop oder im Handy-Browser. Ich möchte nicht in Versuchung kommen, die App ständig zu öffnen. Mein Fokus und meine Produktivität sind signifikant gestiegen, nachdem ich die Apps entfernt habe.

Instagram habe ich nie aktiv genutzt, und Facebook habe ich 2018 aufgehört zu nutzen. Ich habe weiterhin meine Accounts und poste ab und zu, ich konsumiere aber keinen Content.

Generell versuche ich das zu praktizieren, was in «Digital Minimalism» von Cal Newport beschrieben wird.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Ich mache eine Mediendiät und habe zehn Jahre lang keine News auf News-Plattformen gelesen. Seit Corona schaue ich ab und zu bei SRF.ch vorbei. Am Anfang der Pandemie fast täglich, jetzt vielleicht einmal pro Woche. Ansonsten beziehe ich all meine «News» von Twitter, YouTube und Newslettern.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter? 

Gibt es sowas überhaupt wie «Medien in der Schweiz»? Ich bin ein global denkender Mensch und konsumiere seit vielen Jahren nur noch internationalen Content, auf Twitter, YouTube, Blogs und Co. Von klassischen News-Plattformen, Zeitungen oder Fernsehsendern habe ich mich schon vor vielen Jahren verabschiedet.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Definitiv. Jedoch ist Audio und Video stark im Aufstieg. Ich höre seit sieben Jahren alle Bücher nur noch als Audiobuch. Und mein Podcast- und YouTube-Konsum steigt jedes Jahr ein bisschen mehr.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Wenn ich nur noch ein Format lesen dürfte, dann wären es Bücher. Ein Buch ist der beste Deal, den es überhaupt gibt. Für 15 Franken bekommt man die Weisheit eines ganzen Menschenlebens. Wenn es um spezifisches Wissen geht, oder Probleme die man lösen will, dann via Google die entsprechenden Blogs oder Foren.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich muss alles zu Ende lesen. Wenn es zu schlecht ist, lese ich oft einfach nicht weiter, aber es ist keine aktive Entscheidung.

Aktuell lese ich nur Bücher, die mir empfohlen wurden. Und deshalb ist die Chance, dass ein Buch wirklich schlecht ist, sehr gering.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Twitter, YouTube, und von anderen Menschen im persönlichen Gespräch.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Je mehr Leute sterben, die sich Tageszeitungen gewohnt waren, desto mehr wird die Auflage sinken. Eine gewisse Gruppe, auch an jungen Menschen, wird gedruckte Medien bevorzugen. Wie gross diese sein wird, und ob sich das für die Verlage lohnt, steht in den Sternen.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Fake News, aber auch algorithmische Newsfeeds, sind eine grosse gesellschaftliche Herausforderung. Das Buch «Ten Arguments for Deleting Your Social Media Accounts Right Now» hat mir in dieser Hinsicht die Augen geöffnet. Ob dies nun eine Gefahr oder Chance für Medien ist, kann ich aber nicht beurteilen.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen? 

Wurde komplett ersetzt durch Spotify, YouTube und Co.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich höre sehr viele Podcasts, aber immer nur einzelne Episoden die mir empfohlen wurden, oder die ich thematisch ausgesucht habe.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Ich praktiziere seit über zehn Jahren Medien- und News-Diät. Gehöre ich damit ebenfalls zu den News-Deprivierten? Ich habe nicht das Gefühl, dass ich irgendetwas verpasst habe. Im Gegenteil, ich gehe sehr sorgsam mit einem der wertvollsten Rohstoffe überhaupt um, und zwar meiner Aufmerksamkeit.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Wenn es um reinen Kommunikation von Informationen geht, definitiv. Wenn es um investigativen Journalismus geht, wahrscheinlich nicht. 

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Die Welt ist digital und wer sich darauf nicht einstellen kann, wird untergehen. Und diejenigen, welche die digitalen Tools zu beherrschen wissen, werden ganz neue Möglichkeiten finden,  um echten Mehrwert zu schaffen.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ich sehe definitiv einen Wert in echtem, ethisch fundiertem, investigativem Journalismus. Dafür wird es aber neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle benötigen.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja. Liebesbriefe, Karten, mein Weekly Schedule, Notizen.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Dazu müsste man «gut» oder «schlecht» genauer definieren. Falls es um mehr Klicks und mehr Werbeeinnahmen geht, dann wahrscheinlich ja. Aber war dies wertvoll für die menschliche Zivilisation? Da bin ich nicht so sicher.

Wem glaubst Du?

Ich habe ein grundsätzliches Urvertrauen in andere Menschen. Deshalb wohl ziemlich vielen. Eine wichtige Fähigkeit in der heutigen Zeit ist es, Dinge zu hinterfragen und selber zu recherchieren. Dies mache ich immer mehr.

Dein letztes Wort?

Ich kann jedem ans Herz legen, «Digital Minimalism» von Cal Newport zu lesen. Digitale Medienkompetenz ist in der heutigen Zeit zentral und in meinen Augen noch viel zu wenig gut entwickelt. 


Remo Uherek:
Remo Uherek ist YouTuber, Investor, und ehemaliger Startup-Unternehmer aus Basel. Er hat im Jahr 2006 Trigami mitgegründet, eine der ersten Influencer Marketing Unternehmen in Europa (akquiriert von Teads, der Erfinderin von Outstream Video Advertising). Er hat verschiedene Internet-Unternehmen als Mitgründer und/oder CEO geführt, unter anderem die Tauschbörse Exsila und das Bitcoin-Automaten Netzwerk Värdex Suisse. Heute ist er ein privater Investor und betreibt einen YouTube Kanal zum Thema Investieren, Innovation und persönliches Wachstum. Er bloggt seit 15 Jahren unter https://remo.org und ist auf Twitter aktiv: https://twitter.com/remouherek.


Basel, 16. Februar 2022, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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2 Kommentare zu "Remo Uherek: «Ich mache seit zehn Jahren eine Mediendiät»"

  1. …menschenmedien…. so steht es stark im Titel des Fragebogens: Nur – was sind Menschenmedien?
    Nichts persönliches gegen diesen Start-Upper, Geldvermehrer, Investor und You-Tuber.
    Aber wird hier der Kreis nicht ein weinig zu weit geöffnet?
    https://www.youtube.com/watch?v=5IZQf9bbKsY
    ?
    https://www.youtube.com/watch?v=-pBZa3I8vyo
    ? Oder gar
    https://www.youtube.com/watch?v=7OuQgyDlK3g
    Dann sind wir ja irgendwie alle Menschenmedien. Also, ab auf die Strasse – ab an den Claraplatz – allüberall viele Menschenmedien…
    „Machet den Zuun nit zuwyyt“ – dieser Ausspruch von Niklaus Von Flüeh sollte auch hier bei der Auswahl gelten.

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