
Nina Mavis Brunner: «Ich mag Magazine als kuratierte Wundertüten.»
Das 320. Fragebogeninterview, heute mit Nina Mavis Brunner, Journalistin und Moderatorin beim 3sat-Magazin «Kulturzeit». Sie sagt, sie nutze die sozialen Medien «von beruflich folgenreich zurückhaltend bis privat radikal inaktiv». «Als Medienschaffende können wir uns diesen Kanälen nicht verschliessen», die Aufgabe und Rolle sei dabei aber «nicht trivial». «Im Übrigen ist mir bewusst, dass ich als Moderatorin ein Risiko eingehe, indem ich keine Community aufbaue. Vielleicht hab’ ich Glück und mein Umgang gilt dereinst als avantgardistisch». Sorgen machen ihr die Veränderungen in der Medien- und Politlandschaft: «Die hohe Taktung, die Tendenz zum Kurzfutter haben dazu geführt, dass die Vielfalt zurückgegangen ist und in manchen Bereichen fundierte Kenntnisse und Einordnungen fehlen.» KI-generierte Deepfakes findet sie gefährlich: Der Glaube, dass gerade Fake News der breiten Masse beweise, «wie wichtig journalistische Medien sind, scheint frommer Wunsch oder gar Hybris». Aufgeben sei aber keine Option: «Shout out an alle Faktenchecker!»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Digitalradio. Deutschlandfunk, Open Broadcast Radio, SRF4 News. Bloss plappern parallel einige am Frühstückstisch.
Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, X, Bluesky, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?
Von beruflich folgenreich zurückhaltend bis privat radikal inaktiv.
Bei aller Kreativität, den Möglichkeiten zur Meinungsbildung, dem Unterhaltungsfaktor und anderen Vorteilen – noch fehlt neben weitreichenderen Regulierungen die demokratietaugliche, die nicht werbegetriebene Plattform ohne Dark Patterns usw. Als Medienschaffende können wir uns diesen Kanälen nicht verschliessen, jedoch ist unsere Aufgabe und Rolle dabei nicht trivial. Im Übrigen ist mir bewusst, dass ich als Moderatorin ein Risiko eingehe, indem ich keine Community aufbaue. Vielleicht hab’ ich Glück und mein Umgang gilt dereinst als avantgardistisch …
Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?
Als ich angefangen habe, schulterte ich monströse VJ-Kameras oder moderierte jeweils Freitagnachmittag in Zürich fünf Studiosendungen live on tape. Diese wurden mittels einer ebenfalls monströsen Kassette physisch nach Mainz geschickt, wo sie in der Folgewoche aus dem ZDF-Sendezentrum für 3sat ausgestrahlt wurden. Haha. Noch Fragen?
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Kurz: Weder noch
Lang: «Alles» ist keine dienliche Kategorie. Generell neigen wir wohl dazu, Vergangenes zu verklären, statt uns konstruktiv mit der Gegenwart und der Gestaltung möglicher Zukünfte auseinander zu setzen. Die Spielwiese ist gewachsen, leider aber bei parallelem Einbruch der Medienvielfalt. Wie kommen wir von der Fett- zurück zur Magerwiese?
Die Veränderungen in der Medien- und Politlandschaft, die hohe Taktung, die Tendenz zum Kurzfutter haben dazu geführt, dass die Vielfalt zurückgegangen ist und in manchen Bereichen fundierte Kenntnisse und Einordnungen fehlen. Tiefgreifender Wandel bringt aber auch Innovation und neue Möglichkeiten im Journalismus.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Womöglich überdauern sie unsere Spezies.
Was soll man heute unbedingt lesen?
Gerade jetzt empfehlenswert: «Kontinent ohne Eigenschaften» und «Falls Europa erwacht» von Peter Sloterdijk. «Das aufgeklärte Europa ist so lange am Leben, wie die schöpferischen Leidenschaften die des Ressentiments in Schach halten.»

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Beruflich zieh’ ich durch und werde doch oft dafür belohnt. Privat bin ich nicht zwanghaft: «Ist das Kunst oder kann das weg?» Da lese ich auch leichte Kost, aber ungern schlechte.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Jeden Wochentag beim Moderieren für oder Zuschauen bei der «Kulturzeit» von 3sat. Ich mag Magazine als kuratierte Wundertüten.
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
Solange ausreichend Geld dafür fliesst?
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Der Glaube, gerade Fake News illustrierten der breiten Masse, wie wichtig journalistische Medien sind, scheint frommer Wunsch oder gar Hybris. Spätestens mit den KI-generierten Deepfakes ist es eine allzu riskante Wette. Aufgeben aber ist keine Option. Shout out an alle Faktenchecker!
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Auch wenn ich oft nichtlinear konsumiere, bleibt die Magie, dass ich hier sehen und hören kann, was genau jetzt dort jemand erzählt oder tut. Ich mag Livesendungen auch aus Macherperspektive – mit allen Höhenflügen und Abstürzen. Pannen beleben das Geschäft.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Den einen Lieblingspodcast gibt’s nicht, aber beim Blick auf meine Mediathek wohl zwei Lieblingskategorien: Zeitgeschehen und Politik einerseits, politisch nicht korrekter Humor andererseits. Gern auch kombiniert in qualitativ guten «Laberformaten» wie etwa «Apokalypse & Filterkaffee». Und neu abonniert: das Kunst- und Kulturformat «Art Juice». Bislang interessant.
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?
Für die Gesellschaft ist es besorgniserregend, um nicht zu sagen verheerend. Für uns Medienschaffende bedeutet es, dass wir die Leute dabei aber nicht unterschätzen dürfen. Ich ermahne mich jeweils selbst: Wir haben das Publikum, das wir verdienen.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Nicht vollumfänglich. Der Faktor Mensch bleibt ja bestehen. Vorerst.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
Die Digitalisierung ist disruptiv und was dabei alles auf der Strecke bleibt, ist schlicht noch nicht absehbar. Ich neige wohl gerade zum Kulturpessimismus, hoffe aber, dass sich Menschen auch künftig in irgendeiner Form fundiert informieren wollen – und dürfen.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
Ja.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Ja, aber wenn’s schnell gehen muss, erinnert die Sauklaue an Steno und ist mir selber rätselhaft.
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Als der Fragebogen entwickelt wurde, war diese Frage wohl noch ernst gemeint?
Wem glaubst Du?
Dem Ehrlichen. Unter Vorbehalt.
Dein letztes Wort?
Im Zweifel für den Zweifel, oder?
Nina Mavis Brunner
Nina Mavis Brunner ist Journalistin und Moderatorin beim 3sat-Magazin «Kulturzeit» sowie beim SRF Kulturplatz. Aufgewachsen im Kanton St.Gallen absolvierte sie die Wirtschaftsmatur in Sargans und studierte in Zürich Ethnologie und Filmwissenschaft. Seit 2005 arbeitet Brunner als Redakteurin, Produzentin und Moderatorin für SRF und den Dreiländersender 3sat in unterschiedlichen Formaten der Bereiche Kultur, Politik, News und Gesellschaft.
Basel, 12.02.2025, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Bild: ZDF/Markus Hintzen
Seit Ende 2018 sind über 300 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/
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Ein Kommentar zu "Nina Mavis Brunner: «Ich mag Magazine als kuratierte Wundertüten.»"
Wenn Frau Niva Mavis Brunner auf die Frage: „Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?“ antwortet: „Als der Fragebogen entwickelt wurde, war diese Frage wohl noch ernst gemeint?“ stuft sie gerade etwa 170 republikanisch gesinnte TV- und Radiostationen herunter, welche in Trump sehr viel Gutes sehen und 77’303’482 wahlberechtigte Wählende Menschen, welche am 5. Nov. 2024 dem amerikanischen Präsidenten D. Trump ihre Stimme und ihr Vertrauen schenkten.
Ich empfinde es als eine sehr mokante, verächtliche und sarkastische Antwort.
Ähnlichkeiten beim Ergehen des Konsumes vom Sender 3-Sat sind in meiner Gefühlswelt nicht von der Hand zu weisen.
Zudem fällt die Antwort auf die Frage „Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?“ mit einem banalen „Ja“ sehr kurz aus. Interessiert hätte mich noch, weshalb das „Ja“ zustande kam. Ist es im Grosszusammenhang zu sehen oder ist es ein „Ja“ zur Sicherung des eigenen Jobs, des eigenen Lohnes (legitim), des eigenen Senders, welcher sich voll aus Gebührengeldern aller dreier Länder finanziert.
(Gebühren werden bei der Standortwahl von Expats, Firmen und allg. Steuerpflichtigen in die Gesamt-Staats-Abgaben miteinberechnet. Denn was nutzt einem KMU, einer Familie ein tiefer Steuersatz dafür exhorbitante Gebühren für Abfall, Regenwasserabfluss, Pferdehaltung, Schulzusatzgebühren usw…. teilte mir die Firma Santa-Fe Relocation https://www.santaferelo.com/de/ oder auch die Firma Engels und Völkers Immo mit).