Fabian Eberhard: «Die Arbeitsbedingungen waren besser, die Inhalte nicht unbedingt.»

Publiziert am 27. November 2024 von Matthias Zehnder

Das 309. Fragebogeninterview, heute mit Fabian Eberhard, stellvertretender Chefredaktor und Recherche-Chef beim «SonntagsBlick». Er bezeichnet sich selber als «Newsjunkie». Trotzdem (oder vielleicht deswegen) empfiehlt er, «einen Longread pro Tag neben all dem Kurzfutter» zu lesen – und dazu «Dinge, die die eigene Perspektive infrage stellen». Twitter nutzt er immer weniger, «dafür zunehmend Bluesky und LinkedIn» und dazu«TikTok zur Unterhaltung – ein schrecklicher Zeitfresser!» Obwohl er die Methodik hinter den viel zitierten fög-Zahlen zur News-Deprivation nicht kenne, seien sie sicherlich keine gute Nachricht: «Ich würde grundsätzlich aber behaupten, dass die Jungen durchaus interessiert sind am Weltgeschehen und sich ihre Informationen holen. Wenn vielleicht auch anders als früher.» Zur Medienförderung in der Schweiz sagt er: «Wir müssen auf jeden Fall darüber diskutieren.» Und dann findet er, man sollte die Fragen im Fragebogeninterview «mal wieder updaten». Was bei zeitlosen Fragen nicht ganz einfach ist. Beantwortet hat er sie trotzdem.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Ich bin ein Newsjunkie: Unter der Woche blättere ich die E-Paper von «Blick», «Tagi», NZZ und CH Media durch und scanne dann verschiedene Online-Portale. Am Wochenende die Sonntagszeitungen und am Donnerstag: «Weltwoche» und WoZ.

Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, Twitter/X, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?

Twitter immer weniger (leider), dafür zunehmend Bluesky und LinkedIn. TikTok zur Unterhaltung – ein schrecklicher Zeitfresser!

Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?

Weniger Print, mehr digital – mittlerweile fast alles am Smartphone.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Die Arbeitsbedingungen waren besser, die Inhalte nicht unbedingt.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Natürlich.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Dinge, die die eigene Perspektive infrage stellen. Und einen Longread pro Tag neben all dem Kurzfutter.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Zählt einschlafen als weglegen?

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im persönlichen Gespräch mit Menschen.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Solange sie Geld abwerfen.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eine Gefahr.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Radio ab und zu, lineares Fernsehen vielleicht mal in einem Hotel. Sonst nur on demand.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Neu entdeckt: Der Podcast «Alles gesagt» von der «Zeit». Die Journalisten befragen Menschen so lange, bis sie selbst erklären, dass jetzt «alles gesagt» sei. Eine Folge kann also zehn Minuten oder acht Stunden dauern. Das Gespräch mit dem Astronauten Matthias Maurer dauerte kürzlich mehr als neun Stunden.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?

Ich kenne die Methodik hinter den viel zitierten fög-Zahlen nicht. Eine gute Nachricht sind sie sicherlich nicht. Ich würde grundsätzlich aber behaupten, dass die Jungen durchaus interessiert sind am Weltgeschehen und sich ihre Informationen holen. Wenn vielleicht auch anders als früher.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Ob es den «Tages-Anzeiger» in zehn Jahren überhaupt noch gibt? Wenn ja – was ich sehr hoffe – dann wird er Geschichten erzählen müssen, die die KI nicht selbst recherchieren kann.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Tod oder Befreiung erscheinen mir beide etwas zu apodiktisch. Grundsätzlich überwiegen die Vorteile der Digitalisierung. Sie birgt aber natürlich auch Gefahren.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Wir müssen auf jeden Fall darüber diskutieren.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Notizzettel und Nachrichten an meine Kinder.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Längerfristig gesehen schlecht.

Wem glaubst Du?

Meinen Kindern.

Dein letztes Wort?

Ein Vorschlag: Die Fragen hier mal wieder updaten.


Fabian Eberhard
Fabian Eberhard ist stellvertretender Chefredaktor und Recherche-Chef beim «SonntagsBlick» und Experte für Extremismus. 2023 wurde er zum «Journalisten des Jahres» gekürt, 2022 zum «Recherchejournalisten des Jahres». 2019 gewann er den Zürcher Journalistenpreis für seine Serie über Schweizer Waffen in Kriegsgebieten. Eberhard studierte Geschichte an der Universität Bern und absolvierte die Schweizer Journalistenschule MAZ.


Basel, 27.11.2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Seit Ende 2018 sind über 300 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/

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Ein Kommentar zu "Fabian Eberhard: «Die Arbeitsbedingungen waren besser, die Inhalte nicht unbedingt.»"

  1. Ein Zeitgenosse mit Vogelperspektive, wenn er unter der Woche die E-Paper von «Blick», «Tagi», NZZ und CH Media durchgeht und dann verschiedene Online-Portale scannt. Am Wochenende die Sonntagszeitungen und am Donnerstag: «Weltwoche» und WoZ. Er nimmt sich die Mühe, breit informiert zu sein. Bravo. Eine Antwort, die man hier viel zu selten findet.
    Aber eigentlich für einen Journalisten in solcher Postition immer noch zu wenig…

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