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Ephraim Kishon
Ephraim Kishon war für Jahrzehnte einer der beliebtesten Autoren im deutschsprachigen Raum. Seine Bücher ermöglichten es, mit gutem Gewissen über den Alltag in Israel zu lachen. Obwohl Kishon ein jeder gut sortierten Bücherwand mit einigen Titeln vertreten war, ist der Mann hinter den Schmonzetten weitgehend unbekannt. Ich erinnere mich, dass bei uns zu Hause zum Beispiel «Der seekranke Walfisch» im Büchergestellt stand und ich als Kind die Geschichten lustig fand. Ich habe aber erst aus dieser Biographie vom Schicksal des ungarischen Juden Ferenc Hont erfahren. Nur knapp entging der jüdische Autor im Zweiten Weltkrieg der Vernichtung im Konzentrationslager in Ungarn. Nach dem Krieg emigrierte er nach Israel und nannte sich fortan Ephraim Kishon. Er brachte sich mit eiserner Disziplin Hebräisch bei und wurde innert weniger Jahre zum prägenden humoristischen Autor im jungen Staat Israel. Indem er die Einwanderer über die Situation in ihrem neuen Heimatland lachen liess, gab er ihnen die Würde zurück. Über eine englische Übersetzung und dank vieler Zufälle gelangten Kishons Satiren in den deutschen Sprachraum. Ausgerechnet in Deutschland, dem «Land der Täter» wurde ein Autor aus Israel zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller der Nachkriegszeit. Von seinen weltweit rund 40 Millionen verkauften Büchern gingen rund 34 Millionen in den deutschsprachigen Ländern über den Ladentisch. In ihrer Biographie erzählt Silja Behre nicht nur das Leben von Ephraim Kishon, sondern versucht auch, dessen eigentümlichen Erfolg in Deutschland zu ergründen.
Ephraim Kishon ist kein Kind Israels, sondern der untergegangenen Donaumonarchie: Literarisch ist er mit Prag, Wien und Budapest verbunden. Sein Humor, schreibt Silja Behre, sei ohne die Kaffeehausliteratur seiner Heimat nicht denkbar. Bereits in Ungarn hatte er erste publizistische Erfolge. Nach seiner Emigration nach Israel brachte er sich von schier «übermenschlicher Arbeit» Hebräisch bei. In einer kleinen Kammer büffelte er zwölf bis sechzehn Stunden am Tag Vokabeln und diese seltsamen Schriftzeichen, die das Hebräische ausmachen. Neun Jahre nach seiner Ankunft in Israel hatte Ephraim Kishon eine eigene Zeitungskolumne, war 1955 mit dem vom Verband der ungarischen Einwanderer in Israel ausgelobten Nordau-Literaturpreis und 1958 mit dem Sokolov-Preis für Journalismus geehrt worden. Laut einer Umfrage der «Jerusalem Post» gehörten 1959 Kishons englische Versionen seiner Kolumnen zur Lieblingslektüre ihrer Leser.
Bald erschien eine Buchfassung seiner englischsprachigen Kolumnen: «Look back, Mrs. Lot!» Seine Frau Sara war ein Fan des amerikanischen Satirikers Art Buchwald. Sie schickte Art ein Buch ihres Mannes. Wie Kishon hatte auch der ein Jahr jüngere Buchwald eine eigene Kolumne in der «New York Times». Art Buchwald antwortete prompt per Telegramm: «Ich freue mich, den zweitbesten Humoristen der Welt kennenzulernen.» Buchwald vermittelte Kishon einen amerikanischen Verlag und der Satz landete auf dem Umschlag. Dieses Buch las ein Hotelier in Israel. Bei der Lektüre lachte er so laut, dass ein Gast auf das Buch aufmerksam wurde. Der Gast stammte aus Österreich und war überzeugt, dass die Geschichten auch auf Deutsch funktionieren könnten. So landeten Kishons Satiren auf dem Pult von Friedrich Torberg, der sie jahrelang genial ins Deutsche übertrug.
Aber warum waren die Deutschen so wild auf die Satiren aus Israel? Ein Punkt, sagt Biografin Silja Behre, war sicher, dass Kishon mit seinen Satiren Israel der Welt näherbrachte, weil der jüdische Staat und seine Bewohner in diesen Geschichten so alltäglich erschienen. Der zweite Punkt könnte die Beziehung zwischen den Deutschen zu ihrer Vergangenheit und zur Judenverfolgung sein. Gerade weil der Holocaust in Kishons Geschichten nicht vorkam, hätten die deutschen Leser die Kishon-Lektüre ohne moralische Bedenken oder Gewissenbisse geniessen können, sagt etwa der Historiker Gabriel N. Finder. Andere behaupteten, die Deutschen könnten sich beim Lesen der Humoresken durch Lachen erleichtern, sich quasi die Schuld von der Seele lachen. Sicher ist: «Kishon brachte das Land Israel der Gegenwart den Deutschen näher als die wohlmeinenden deutschen Versöhnungsinitiativen, darunter die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, nämlich ohne Bezug auf die Vergangenheit», schreibt Behre.
Silja Behre: Ephraim Kishon. Ein Leben für den Humor – Biographie. Langen/Müller, 416 Seiten, 35.9 Franken; ISBN 978-3-7844-3716-3
Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783784437163
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