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Eine kurze Geschichte der AfD

Publiziert am 5. September 2024 von Matthias Zehnder

In der Schweiz neigen wir dazu, die Aufregung der Deutschen im Umgang mit der AfD zu belächeln. Schliesslich lebt die Schweiz seit Jahren mit der SVP. In diesem Buch erzählt Eva Kielholz kurz und nüchtern die Geschichte dieser Anti-Parteien-Partei. Und es zeigt sich: Ganz unberechtigt ist die Aufregung der Deutschen nicht. Gestartet als professorale Anti-Euro-Partei hat die AfD schon früh ihr Themenspektrum erweitert: um Ausländerfeindlichkeit und Anti-Multikulti, Deutschtümelei und ein Flirten mit dem braunen Rand. Die letzten Jahre mit der Flüchtlingskrise, der Coronakrise und dem Ukrainekrieg haben der AfD in die Hände gespielt. «Nicht, weil sie taugliche Ideen hatte, sondern weil sie vermeintlich einfache Lösungen für all die komplexen Probleme der vergangenen Jahre präsentierte», schreibt Kienholz. Der Kampf gegen offen rechtsextreme Positionen der Partei haben eine «Jetzt-erst-recht-Mentalität» gefördert. Die AfD und ihre Anhänger sehen sich in einem Kampf gegen «das System», das sie, wie einst die Diktatur in der DDR, ganz einfach stürzen würden. Die schleichende Radikalisierung hat der Partei nicht geschadet. Anders als die SVP in der Schweiz, deren Politiker auf allen Ebenen auch konstruktiv mitarbeiten, hat sich die AfD in einen Schützengraben zurückgezogen, aus dem sie unverdrossen gegen alles ballert, was links von ihr steht. Also gegen alles.

Dabei hat alles einigermassen harmlos angefangen: 2013 wurde in einem kleinen Ort namens Oberursel im Taunus eine neue Partei gegründet. Sie nannte sich «Alternative» aus Protest zu einem Diktum von Angela Merkel: Die hatte nämlich das Rettungspaket für Griechenland (und damit für den Euro) als «alternativlos» bezeichnet. Die Wortwahl der Kanzlerin wurde so heftig und so breit kritisiert, dass die Gesellschaft für deutsche Sprache «alternativlos» sogar zum Unwort des Jahreswählte. Es sorgte für eine verstärkte Politikverdrossenheit in der Bevölkerung. Die neue Partei rund um den Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke wollte sich gegen die Wirtschaftspolitik der Kanzlerin wenden und «die Zwangsjacke der erstarrten und verbrauchten Altparteien sprengen», wie er in einer Rede erklärte.

Er ist der erste einer ganzen Reihe von Parteichefs, die sich die Klinke in die Hand gaben. Die meisten stolperten früher oder später über den unbezähmbaren rechten Flügel der AfD: Die Parteichefs wollten die AfD Richtung Mitte ausrichten, so, wie das Marine Le Pen und Giorgia Meloni mit ihren Parteien in Frankreich und Italien gemacht haben. Sie bissen dabei aber einer nach dem anderen auf Granit bei den unversöhnlich Rechten der Partei. Bern Lucke, der Wirtschaftsprofessor im Strickpullover war der erste von ihnen. Es folgte die ehrgeizige Chemikerin Frauke Petry. Sie trimmte die Partei auf den Schutz der  Grenzen. Volkswirt Jörg Meuthen beerbte Petry, als ihr die Partei zu extrem wurde. Doch auch Meuthen stolperte über einen Rechtsextremen und so führte der bodenständige Malermeister Tino Chrupalla die Partei durch die Coronakrise bis die AfD schliesslich in den Händen von Alice Weidel landete. In den Kulissen immer zugegen: Björn Höcker und Alexander Gauland.

Eindrücklich ist, wie früh die Partei an völkisches Gedankengut anknüpfte und wie enge Kontakte sie zu Bewegungen am äussersten rechten Rand knüpfte. Schon als Bernd Lucke nach der Gründung rief: «Wir wollen der Regierung sagen, meine Damen und Herren, jetzt ist sie da, die Alternative. Die Alternative für Deutschland.» gehörte die Verachtung der politischen Konkurrenz zum programmatischen Kern der AFD – und die harten Töne kamen gut an. So gut, dass die Sprache immer härter und extremer wurde. Schon kurz nach ihrer Gründung sprach die AfD von einer Neuordnung des Einwanderungsrechts, Deutschland brauche qualifizierte und integrationswillige Zuwanderung nach kanadischem Vorbild. Eine «ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme» sollte unterbunden werden. «Diese ungeordnete Zuwanderung fand derweil bei der AfD selbst statt», schreibt Eva Kienholz: Die Partei integrierte nahezu alle Bewegungen am rechten politischen Rand.

Auch Björn Höcke stimmte von Anfang an grosse Töne an: «Die politische Korrektheit liegt wie Mehltau über unserem Land. Ich bin angetreten, um diese politische Korrektheit wegzuräumen.» Er wolle «den politischen Sumpf austrocknen» und «preussische Tugenden» wiederbeleben. Schon vor zehn Jahren sprachen die Exponenten der Partei von einer «Überfremdung Deutschlands und Europas». In ihr erstes Grundsatzprogramm schrieb die AfF: «Der Islam gehört nicht zu Deutschland.» Von Beginn weg positionierten sich ostdeutsche Mitglieder radikaler: «Westdeutsche Landesverbände hielten eher zu den Eurokritikern um Bernd Lucke, ostdeutsche eher zu den völkischen Kräften um Frauke Petry und Björn Höcke, der vielen aber weiterhin als zu radikal erschien, um in der ersten Reihe zu stehen. Doch das musste er auch gar nicht. Seine Zeit sollte auch so kommen.»

Nein, die Radikalität der AfD ist keine Überraschung. Sie steckte von Anfang an in der Partei. Wer zuhörte und die Politiker, auch die extremen, beim Wort nahm, wusste, was kommen wird. Eva Kienholz öffnet uns diesbezüglich die Augen.

Eva Kienholz: Eine kurze Geschichte der AfD. Von der Eurokritik zum Remigrationsskandal. Rowohlt, 272 Seiten, 26.50 Franken; ISBN 978-3-498-00734-8

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783498007348

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