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Durstiges Land
Ohne Wasser ist kein Leben möglich. Nicht auf fernen Planeten und auch nicht auf unserer Erde. Es stellt sich deshalb die Frage, ob wir künftig ausreichend Wasser zur Verfügung haben werden – und wenn nicht: wie wir mit der Wasserknappheit umgehen können. Es ist eine Frage, die wir uns in der Schweiz nicht stellen, weil wir ja das Wasserschloss Europas sind. Aber auch in der Schweiz kommt es immer häufiger vor, dass das Wasser ausgeht. Was dann? In ihrem Buch erzählen Annika Joeres und Susanne Götze die Geschichten von sechs Menschen in Mitteleuropa und zwar jeweils in zwei Versionen: in einer dystopischen Version, in der das Wasser knapp ist und Dürre herrscht, und in einer optimistischeren Version. In der ist das Wasser zwar immer noch knapp, aber es wurden Möglichkeiten für eine gerechte Verteilung gefunden. Die Szenarien basieren auf dem Weltklimabericht. Bloss sind sie nicht trocken in Tabellen und Grafiken ausgeführt, sondern in Szenen aus der Perspektive von Paula, Feti, Georg, Miriam, Romain und Alina. Mit ihnen erlebt die Leserin, der Leser, wie sich existenzielle Wassernot anfühlt und was das für den Alltag, unseren Wohlstand und den Zusammenhalt der Gesellschaft bedeutet.
Für ihre Recherche sprachen Annika Joeres und Susanne Götze mit Expertinnen und Experten. Sie sprachen nicht nur mit Klimawissenschaftlern, sondern auch mit Hydrologen: Wie die Wissenschaftler in der Klimaforschung verfolgen sie seit Jahren mit Sorge die steigenden Temperaturen, Dürren und Starkregenereignisse. «Sie wissen, wie es um unsere Wasservorräte bestellt ist, wo das kühle Nass entlangfliesst, wie wir es schützen und nachhaltig nutzen können. Dass sie bislang weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit forschen, zeigt, wie sehr das Thema noch vernachlässigt ist», schreiben die beiden Autorinnen.
Gerade in der Schweiz unterschätzen die Menschen die Gefahr einer Dürre: Die Schweiz gilt als wasserreiches Land. Doch das kann sich als gefährlichen Irrtum herausstellen. Bereits heute herrscht in vielen Weltregionen Wassermangel. Wissenschaftler prognostizieren, dass sich in europäischen Ländern die Situation besonders stark verändern wird: «Zwar nimmt der Niederschlag durch die höhere Verdunstung weltweit zu – doch noch stärker die Verdunstung selbst, und auch darum wird es laut Klimaforschern in Europa über lange Zeiten trockener werden.» Ein Grund dafür sind «persistentere Wetterlagen», also zum Beispiel langanhaltende Trockenwetterlagen oder Hitzeperioden, die sich wochen- oder sogar monatelang über grosse Teile des Kontinents erstrecken. Als ich diese Zeilen schreibe, leidet Mitteleuropa unter einer aussergewöhnlichen Hitze: Seit vielen Tagen liegt die Schweiz unter einem starken Hochdruckgebiet. Es ist trocken und für die Jahreszeit viel zu heiss.
Packend ist das Buch von Annika Joeres und Susanne Götze, weil sie nicht einfach Forschungsresultate referieren, sondern anhand von Szenen aus dem Leben von sechs Protagonisten zeigen, was es konkret bedeutet, wenn auch bei uns das Wasser knapp wird. Paula lebt in Berlin, die Spree stinkt, wer kann, flüchtet aus der Stadt. Feti aus Duisburg arbeitet als Schiffer auf dem Rhein. Das ist schwierig, weil dr kaum noch Wasser führt. Georg ist Förster in Mitteldeutschland und da brennt der Wald. Miriam arbeitet für eine Pharmafabrik, die ihr Abwasser nur in der Best-Case-Version wirklich sauber hält. Romain führt in Crans-Montana ein Hotel, – allerdings kommen kaum mehr Gäste, weil es nie mehr schneit. Alina war Bäuerin, bis es nicht mehr ging. Jetzt beschafft sie Nahrungsmittel für ein Luxushotel. Sie alle müssen erfahren, wie gnadenlos und hart die Wasserkrise eine Gesellschaft trifft, in der keine Vorkehrungen getroffen wurden: in der die Ressource vornehmlich Wohlhabenden zugutekommt, die Flüsse zu stinkenden Rinnsalen zusammenschrumpfen, die Wälder brennen, die Äcker vertrocknen und Entsalzungsanlagen das Meerwasser vergiften.
Die dystopischen Versionen der Szenen gehen einem richtig unter die Haut. Die Autorinnen entwerfen zusätzlich eine radikal andere, positive Version der Zukunft. Es ist eine Welt, in der Wasser gerecht verteilt ist, in der Flüsse renaturiert sind und auf Äckern Bäume wachsen, die das Wasser im Boden halten. Die Autorinnen haben für alle Kapitel Expertinnen und Experten aus den Bereichen Hydrologie, Chemie, Agrarwissenschaften interviewt und sie den Text kritisch überprüfen lassen. Sie haben Kläranlagen, Industriehäfen und Wälder besucht, Klimaberichte geprüft. Sie können daher versichern: «All das, was Sie in diesem Buch lesen, kann zur Realität werden.» Erschreckend – und spannend.
Annika Joeres, Susanne Götze: Durstiges Land. Wie wir leben, wenn das Wasser knapp wird. DTV, 288 Seiten, 28.90 Franken; ISBN 978-3-423-26372-6
Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783423263726
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