Abschied aus der hypermoralisierten Mediengesellschaft

Publiziert am 15. November 2024 von Matthias Zehnder

Ganz egal, ob es um Donald Trump und Kamala Harris geht, um den Ausbau von Autobahnen und den Mieterschutz oder um das Bündnis Sarah Wagenknecht und die AfD – die moralische Aufregung ist immer maximal gross. Willkommen in der hypermoralisierten Mediengesellschaft. Der Grund ist simpel: Dringlichkeit, Gefahr und der ultimative Appell an die Moral holen viel mehr Aufmerksamkeit als nüchterne Analysen und eine sachliche Auseinandersetzung. Das Problem dabei ist, dass die Realität mit der Aufregung kaum mithalten kann. Erstens kommt es anders und zweitens meist langsamer, als die Medien warnen. In der Bevölkerung löst die überhandnehmende Moral-Kommunikation deshalb vor allem Misstrauen aus. Die chronische Moralisierung von Politik und Medien führt zur Demoralisierung der Gesellschaft. Gerade angesichts des Aufschwungs extremer Parteien, angesichts der problematischen Ministerkandidaten in den USA und vor schwierigen Abstimmungen in der Schweiz sollten wir dringend moralisch abrüsten und uns mit der Sache auseinandersetzen. Analytisch scharf, gedanklich durchdringend, aber ohne moralische Appelle. Es ist Zeit für einen Abschied aus der hypermoralisierten Mediengesellschaft.

Letzte Woche hat mir ein Freund ein Buch in die Hand gedrückt: «Die Humanisierung der Organisation» von Kai Matthiesen, Judith Muster und Peter Laudenbach. Der schmale Band hat sich als etwas vom Besten erwiesen, was ich in den letzten Jahren über Unternehmensführung gelesen habe. Dabei ist mir ein Abschnitt besonders aufgefallen. Im Kapitel «Warum sachlich, wenn es auch persönlich geht» beschreiben die drei Autoren, wie Unternehmen dazu neigen, Fehler bei Personen statt in der Struktur und der formalen Organisation zu suchen. So neigen viele Unternehmen zur Psychologisierung und glauben, sie könnten persönliche Eigenschaften ihrer Mitglieder an die Bedürfnisse der Organisation anpassen. Sie neigen zur Überdehnung formaler Pflichten und fordern von ihren Angestellten, dass sie Aufgaben bewältigen, ohne dass ihnen die Organisation die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellt. Und, bei diesem Punkt bin ich hängen geblieben, Organisationen neigen zur Moralisierung. Das heisst: Unternehmen appellieren an die Moral ihrer Mitarbeiter.

 

Matthiesen, Muster und Laudenbach schreiben: «Nach unserer Beobachtung nutzen Organisationen moralische Appelle, wenn ihnen keine Möglichkeiten zur Verfügung stehen, gewünschtes Verhalten formal einzufordern – etwa weil sich ihre Begehrlichkeiten schlecht als Pflichten im Arbeitsvertrag fixieren lassen. Deswegen benötigen Moral-Appelle meist eine ausseralltägliche Herleitung. … Moral-Kommunikation braucht den Moment der Dringlichkeit.» (Seite 42) Nur wenn es brenzlig wird, kann die Organisation oder das Unternehmen an die Moral der Mitarbeiter appellieren. Die drei schreiben deshalb: «Wenn nicht vorhanden, muss die Brenzligkeit der Situation zumindest dargestellt werden, etwa mit der Behauptung, dass das Wohl und der Weiterbestand des Unternehmens vom richtigen Handeln derjenigen abhängt, an die sich der Appell richtet.»

Moralischer Druck statt sachliche Anleitung

Die Mitarbeitenden müssen demonstrieren, dass sie die Arbeitsleistung um ihrer selbst willen erbringen und nicht nur deshalb, weil das ihre Aufgabe ist, für die sie bezahlt werden. «Der dabei entstehende Druck, persönliche Identifikation (oder auch Commitment) zumindest zu simulieren, führt zu seltsamen Blüten im Theater der Organisation: Es genügt nicht, die Arbeit zu machen, man muss auch zeigen, dass man an sie glaubt.» Eine Arbeit muss also nicht bloss gut gemacht, sondern auch gut gemeint sein. Bei einer Notärztin oder einem Mitarbeiter von Greenpeace mag das funktionieren, bei einem Bäcker oder der Mitarbeiterin einer Versicherung wirkt es hohl und aufgesetzt. Natürlich kann sich ein Bäcker von sich aus zum Backen berufen fühlen. Wenn sein Arbeitgeber diese Berufung aber mit moralischem Druck einfordert, wirkt es nicht nur lächerlich, sondern führt zur Demoralisierung.

Zumal Appelle an die Moral immer der Dringlichkeit bedürfen: Unternehmen simulieren den chronischen Notfall, um sich mit moralischen Appellen an ihre Mitarbeiter wenden zu können. Das hat, erst recht bei inflationärem Einsatz, die gegenteilige Wirkung. Matthiesen, Muster und Laudenbach schreiben: «Deshalb löst überhandnehmende Moral-Kommunikation bei erfahrenen Organisationsmitgliedern keine Motivationsschübe, sondern Misstrauen aus.»

Genau diese Moralisierung lässt sich in der politischen Kommunikation und in den Medien zunehmend feststellen. Es geht dabei um jene drei Aspekte, wie sie Matthiesen, Muster und Laudenbach beim Missbrauch von Moral in Organisationen feststellen:

  1. Der Verweis auf die hohe Dringlichkeit, ja Brenzligkeit der Situation
  2. Der Druck auf die persönliche Haltung, das moralische Commitement
  3. Das Ausserkraftsetzen von sachlichen oder formalen Rahmenbedingungen

1) Die chronische Brenzligkeit

brenzlig ist ein schönes Wort. Es kommt von brenzen und das bedeutet verbrannt riechen. Eine Situation ist brenzlig, wenn sie brandgefährlich ist. Ein Brand war früher die grösste anzunehmende Katastrophe: Erdbeben zum Beispiel führten weniger durch das Beben zu grossen Schäden in den Städten, sondern durch die Brände, die sie auslösten. Wenn die Lage brenzlig ist, dann ist sie so kritisch und gefährlich, dass die Bürgerinnen und Bürger alarmiert werden und alles stehen und liegen lassen müssen. Es gilt, die brenzlige Situation einzudämmen, weil das Risiko besteht, dass sie ausser Kontrolle gerät. Die Existenz steht auf dem Spiel, die Lage erfordert schnelles Handeln, ohne Rücksicht auf persönliche Neigungen und Interessen.

Das ist uns allen nicht nur bewusst, sondern genetisch eingepflanzt. All jene Menschen, die auf einen Alarm nicht reagiert haben, konnten ihre Gene nicht weitergeben. Wir Menschen schenken einem Alarm deshalb höchste Aufmerksamkeit. Das nutzen Boulevardmedien aus: Sie operieren immer auf der höchsten Alarmstufe. So erobern die Russen nicht nur eine Stadt, die «metzeln» sie nieder («Blick»). Deutschland hat nicht einfach fiskalische Probleme, sondern treibt laut «Bild»-Zeitung ein «Mieses Spiel mit unseren Steuern». Und dann natürlich: «Drama in Dubai», schreibt «20 Minuten»: «Anna-Maria Ferchichi bricht ein Wattestäbli im Ohr». Schlimm!

Die Folge einer alarmistischen Berichterstattung ist Abstumpfung. In meinem Buch über die «Aufmerksamkeitsfalle», in der die Medien stecken, nenne ich das den «Hirtenjungeneffekt». Vielleicht kennen sie die Fabel von Äsop über den Hirtenjungen, dem es langweilig war beim Schafe hüten auf der Alp. Also rief er: «Der Wolf! Der Wolf!» Sofort bewaffneten sich die Dorfbewohner mit Mistgabeln und Dreschflegeln und eilten den Berg hoch. Doch da war kein Wolf. Der Hirtenjunge amüsierte sich köstlich. Ein paar Tage später war dem Jungen wieder langweilig. Wieder rief er: «Der Wolf! Der Wolf!» Wieder griffen die Bauern nach Dreschflegeln und Mistgabeln, wieder eilten sie den Berg hoch, wieder fanden sie nur den lachenden Hirtenjungen und keinen Wolf. Ein paar Tage später kam der Wolf. Wieder rief der Hirtenjunge: «Der Wolf! Der Wolf!» Doch, Sie ahnen es: diesmal kam kein einziger Bauer. «So frass der Wolf die Schafe und riss den Jungen in Stücke», schreibt Äsop recht unzimperlich. Nach dieser Fabel nenne ich es «Hirtenjungeneffekt», wenn aufmerksamkeitsorientierte Medien die Aufmerksamkeit des Publikums verscherzen, weil die Inhalte der Berichterstattung die Dringlichkeit der Schlagzeilen kaum je einlösen. Der chronifizierte Notfall führt zu Ermüdung, Ermattung und Langeweile.

2) Das moralische Commitement

In der Politik und in der politischen Berichterstattung verbindet sich diese Dringlichkeit zunehmend mit einem Appell an die Moral. Es geht nicht mehr um sachliche Auseinandersetzungen, sondern darum, den Planeten zu retten, die Artenvielfalt, das Klima, aber auch die Vielfalt der Lebensentwürfe. Es geht um die Rettung der Nation, des Abendlandes, der Kultur, der Bevölkerung. Wer sich dafür einsetzt, ist ein weisser Ritter oder eine weisse Ritterin, ja der Erlöser, wer anderer Ansicht ist, verkörpert das Böse auf Erden und ist moralisch schlecht, ja verwerflich, eine Hexe, verrückt, senil oder gleich der leibhaftige Teufel.

Diese Art der hypermoralisierten Auseinandersetzung haben wir in den letzten Monaten in den USA erlebt. Da ging es nicht nur um die Wahl von Republikanern und Demokraten, um Donald Trump und Kamala Harris, sondern um die Rettung vor dem ultimativ Schlechten, ja Bösen – und zwar auf beiden Seiten. Ähnliches ist jetzt in Deutschland zu beobachten, wo wahlweise die AfD und die Grünen als das Böse und den direkten Weg in den Abgrund bezeichnet werden. In der Schweiz sind es, bedingt durch die anstehenden Abstimmungen, gerade eher Sachfragen, die Fronten zwischen Gut und Böse bilden: Autobahnen führen, je nach Sichtweise, zur Rettung des Verkehrs oder zur Vernichtung der Schweiz. Mieter sind Opfer von bösen Wohneigentümern und Krankenkassen sind miese Abzocker. Oder umgekehrt.

Appell an die Moral

Wählerinnen und Wähler sind in diesem Kontext nicht mehr einfach Stimmbürger, die eine Wahl treffen. Politik und Medien appellieren an ihre Moral. Aufrechte Amerikaner wählen Trump, wer auch nur über einen Hauch von Menschlichkeit verfügt, kann nur Harris wählen. Dasselbe für AfD und Grüne, Autobahnen und Mieterschutz. Politik und Medien geht es nicht um die Sache, sondern um die Moral. Es findet kaum mehr ein sachlicher Diskurs statt, sondern nur noch moralische Verurteilung, die, weil es in der Politik ja meist um Prognosen geht, oft ein moralisches Vorurteil ist. In höchster Gefahr ist diese Art des Kurzschluss-Urteils überlebenswichtig. Im Alltag haben die hypermoralisierten Medien fatale Folgen.

Matthiesen, Muster und Laudenbach beschreiben in ihrem Buch, welche Folgen die Moralisierung in Unternehmen hat, welche Folgen es also hat, wenn die Organisation das Wohl und den Weiterbestand des Unternehmens ständig vom moralisch richtigen Handeln der Mitarbeiter abhängig macht. Sie sagen, dass «überhandnehmende Moral-Kommunikation bei erfahrenen Organisationsmitgliedern keine Motivationsschübe, sondern Misstrauen» auslöse. Genau das ist heute in der Gesellschaft feststellbar: die überhandnehmende Moral-Kommunikation durch Politik und Medien löst in der Gesellschaft verbreitet Misstrauen aus.

3) Das Ausserkraftsetzen von sachlichen oder formalen Rahmenbedingungen

Ein Misstrauen, das sich berechtigt sieht, weil in Organisationen und in der Gesellschaft unweigerlich der dritte Punkt folgt: das Ausserkraftsetzen von sachlichen oder formalen Rahmenbedingungen. Weil die Situation so dringlich ist und weil es dabei um die ultimative Wahl zwischen Gut und Böse, zwischen Heil und Abgrund geht, ist es nicht nur vertretbar, sondern geradezu angebracht, sachliche Rahmenbedingungen ausser Kraft zu setzen. Der Lastwagenchauffeur verstösst gegen die Ruhezeitregelung und fährt zu schnell, schliesslich geht es um die Rettung des Unternehmens. Die Politik verstösst gegen Anstandsregeln oder die Geheimhaltungspflicht, schliesslich geht es um die Rettung des Landes, Parteien werden verboten, Politiker moralisch angeklagt.

Jetzt sagen Sie vielleicht: Schon, aber Donald Trump ist wirklich furchtbar. Seine Beleidigungen, seine Lügen, seine Verachtung der Institutionen, seine Misogynie, sein Rassismus – das können wir doch nicht so stehen lassen. Und dann die Wahl seiner Minister. «Könnte nicht gefährlicher sein», schreibt Watson über Robert F. Kennedy Jr, den Trump zum Gesundheitsminister machen will. Als «Bombenwerfer vom Dienst» bezeichnet die «Süddeutsche Zeitung» den designierten Justizminister Matt Gaetz. Die designierte Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard ist eine «Russlandfreundin» und dass Fox-News-Moderator Pete Hegseth Verteidigungsminister werden soll, darüber sind «alle nur geschockt», wie der «Spiegel» schreibt. All die Urteile haben ihre Gründe, das Problem ist, dass es moralische Urteile sind und dass die moralische Aufregung eine sachliche Auseinandersetzung mit der Politik von Donald Trump verhindert.

Zur Sache statt zum Glauben

Der ständige moralische Alarmismus führt nur zu Frustration und Enttäuschung. Weder wird die Welt gleich untergehen, noch wird Donald Trump sein Amerika im Handumdrehen «Great» machen können. Der hypermoralisierte Diskurs operiert mit dem scharfen Kontrast von gut und böse, schwarz und weiss. Die Realität ist meistens viel komplexer. Wir sollten uns deshalb angewöhnen, Populisten nicht bloss an ihrem Stil zu messen, sondern vor allem an ihren Versprechen. Mich macht der hasserfüllte, misogyne Stil von Trump traurig. Effektiver ist es aber, wenn wir genau beobachten, ob er die versprochenen Importzölle einführt und welche Folgen sie haben werden. Zölle führen zu steigenden Verbraucherpreisen und deshalb zu Inflation. Genau dagegen will Trump aber vorgehen. Höhere Importzölle und tiefere Verbraucherpreise kann es nicht gleichzeitig geben. Statt den Stil von Trump und seine Wählerinnen und Wähler moralisch zu verurteilen, sollten wir uns deshalb sachlich mit seinen Entscheidungen und ihren Auswirkungen beschäftigen.

Nein, das ist keine Absage an die Moral. Im Gegenteil. Wenn Sie meine Kommentare öfter lesen oder hören, wissen Sie, dass ich die Moral des Menschen für seine grösste Stärke halte. Gerade weil Moral und ethisches Denken so wichtig sind, sollten wir uns dringend von den hypermoralisierten Medienurteilen verabschieden und zu einer sachlichen, analytischen Berichterstattung zurückkehren. Denn die chronische Moralisierung von Politik und Medien führt letztlich zur Demoralisierung der Bevölkerung.

Was heisst das konkret?

Schlucken Sie bei den nächsten Schlagzeilen über Trump oder Meloni, über Linksaussen oder Rechtsaussen ihre Empörung herunter. Versuchen Sie kühl und sachlich hinter die emotionalisierenden Moralappelle der Medien und der Politiker zu sehen. Was steckt dahinter? Was ist Sache? Was passiert genau? Fragen Sie sich nicht: Ist das gut? Muss ich mich aufregen? Sondern vielmehr: Wem nützt das? Was ist sachlich die Konsequenz davon? Politiker und Medien arbeiten zu einem grossen Teil für die Galerie: also für den Effekt. Lassen Sie sich deshalb von Pulverdampf und Pistolenrauch nicht ablenken. Versuchen Sie, weniger zu verurteilen und mehr zu beurteilen. Natürlich wünsche ich mir genau das von den Medien und ihrer Berichterstattung. Auch da: Regen Sie sich nicht darüber auf. Ständiges Moralisieren ist kontraproduktiv. Auch die Medien merken das und werden zur Sachlichkeit zurückkehren. Das ist kein frommer Wunsch, sondern eine sachliche Folgerung. Und meine Hoffnung: Wir müssen uns vom Moralisieren verabschieden, damit wir wieder zu Moral finden.

Basel, 16. November 2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Bild: KEYTONE/AP Photo/Evan Vucci
Donald Trump am 2. November an einer Wahlveranstaltung in Salem, VA

van Ackeren, Marcel (2011): Die Philosophie Marc Aurels. De Gruyter. doi:10.1515/9783110255560. [http://dx.doi.org/10.1515/9783110255560].

Bardt, Ulrike (2020): Philipp Hübl: Die aufgeregte Gesellschaft. Wie Emotionen unsere Moral prägen und die Polarisierung verstärken. In: Philosophischer Literaturanzeiger 73/1 (März). S. 57–63. doi:10.3196/219458451973199. [http://dx.doi.org/10.3196/219458451973199].

Hübl, Philipp (2024): Moralspektakel: Wie die richtige Haltung zum Statussymbol wurde und warum das die Welt nicht besser macht.

Lapsley, Daniel (2015): Moral Identity and Developmental Theory. In: Human Development 58/3. S. 164–171. doi:10.1159/000435926. [http://dx.doi.org/10.1159/000435926].

Matthiesen, Kai; Muster, Judith und Laudenbach, Peter (2021): Die Humanisierung der Organisation: Wie man dem Menschen gerecht wird, indem man den Großteil seines Wesens ignoriert. München: Franz Vahlen Verlag.

Sauer, Hanno (2023): Moral. Die Erfindung von Gut und Böse. München: Piper.

Zehnder, Matthias (2017): Die Aufmerksamkeitsfalle. Wie die Medien zu Populismus führen. Basel: Zytglogge-Verlag

4 Kommentare zu "Abschied aus der hypermoralisierten Mediengesellschaft"

  1. Und die Moral von der Geschichte…
    In Unternehmen wird von „Moral“ gesäuselt, in den Schulen steht es im „Verhaltenskodex“… doch wie es in der Realität dann aussieht, wissen all jene, welche ein bisschen genauer hinschauen. Das Gegenteil wird oft praktiziert…
    Und bei den Medien? Dort muss die Moral als „Etikett“ für einseitige Berichterstattungen und ideologischer Journalismus herhalten.
    Zu diesem Schluss kommen auch Nick Lüthi und Matthias Ackeret im Podcast 37 der Medienmagazin „Persönlich.com“–Webseite.
    Man nehme „der Spiegel“, jene Zeitschrift, welcher M. Ackeret schon seit 40 Jahren die Treue hält und ihn auch genau so lange abonniert habe. Ihm ist nicht nur die Ungenauigkeit der „Der Spiegel“-Artikel, in diesem Falle über die Wahl D. Trumps aufgefallen (Ackeret war selbst an der Wahlnacht in Florida und bemerkte Ungereimtheiten vor Ort des Geschehens und der „Der Spiegel“-Artikel, welche in der Autorenzeile bis zu 14 Autoren aufgelistet hatten…) sondern auch die hochgespielte Moral, im „Der Spiegel“-Fall = ALLES über, unter, neben, um Trump ist schlecht; ALLES über Harris ist perfekt und Makel-los. Sie hat, läse man „nur“ „der Spiegel“ noch NIE „Dreck am Schuh“. Nie, nie, niemals.
    Die neutralen Schweizer Medienexpertenmänner Lüthi und Ackeret kommen zum Schluss, dass beim „Der Spiegel“ zu diesem Thema geradezu eine Obsession festzustellen ist. Über Jahre schiesst das Qualitätsblatt gegen die „Reps’s“, gegen Trump: „Das neue Gruselkabinett“ heisst es; über den neuen Justizminister Matt Gaetz heisst es: «Der Teufel in der Gestalt eines 42-jährigen», allgemein «Wenn man einen Clown wählt, bekommt man einen Zirkus», ALLE seien «Rechte Eiferer und unerfahrene Selbstdarsteller»…
    So geht wohl Moral-Journalismus Made by «Leserschwund»-«Der Spiegel»….
    «Die Zeit» schrieb zur Wahl Trumps: «Fuck». (Quelle Persönlich-Podcast 37) Journalismus-Moral Made by serbel-abstiegs-selbstzerfleischung-Deutschland der «Die Zeit» – Zeitung, welche so (wen wunderts) gnadenlos abläuft…
    Tja, wie schreib M. Zehnder so richtig = «…und meine Hoffnung: Wir müssen uns vom Moralisieren verabschieden, damit wir wieder zu Moral finden»
    Copy-Paste mit dem an alle Journalisten-Stuben (sorry News-Rooms)
    – würde es so Bessern bei Funk, Fernseh’ und Blätterwald?…
    …um den es, jetzt mal ganz ohne Moral dafür mit Tacheles, «suboptimal» steht, und die Gründe bei den Medienschaffenden glasklar selbst zu suchen sind, wie es Rene Zeyer, der Doyen Nr. 1 der Schweizer Medien, welcher bei der «NZZ», dem «Stern», beim «Ringier-Verlag», der «Schweizer Illustrierten» und auch bei «Tamedia» arbeitete (weiss also «es Bitzeli was») und heute den bekannten Medienblog «Zack-Bum» betreibt, im hoch aufschlussreichen Interview mit Roman Zeller aufzeigt… – und bei mir die Frage aufwirft, ist «Klartext» nicht moralischer wie dieses «moralinsaures» Handeln, Denken, Reden + Schreiben ?!?

    1. Ich habe den Eindruck, Thomas Zweidler verwechselt Moral und Moralisieren – vielleicht geht es ihm ja eigentlich „nur“ um journalistische Ethik? Die gibt es ja auch, wie in den meisten anderen Berufen. Das hier eingefügte Interview Roman Zellers mit René Zeyer (ich kenne beide Herren nicht), ich habe es mir geduldig angehört, hat aus meiner Sicht weder mit dem einen noch mit dem anderen Thema zu tun, geschweige denn mit Matthias Zehnders Wochenkommentar: Da schwätzen zwei über ihre politischen Gegner, das kann man irgendwo auch andersherum zwischen anderen Interviewpartnern haben…

  2. Nach einer alten Sufi-Geschichte lebte einst im Orient ein König der ständig zwischen Glück und Kummer hin- und herschwankte. Die kleinste Kleinigkeit regte ihn auf oder brachte ihn völlig aus der Fassung, und dann schlug sein Glück sofort in Enttäuschung und Verzweiflung um. Es kam soweit, dass der König seiner selbst und seines Lebens müde wurde und nach einem Ausweg zu suchen begann.
    Er liess nach einem Weisen schicken, der in seinem Königreich wohnte und in dem Ruf stand, erleuchtet zu sein. Als der Weise kam, sagte der König zu ihm: „Ich möchte wie Du sein. Kannst Du mir etwas geben, das meinem Leben Ausgeglichenheit, Gelassenheit und Weisheit verleiht? Ich bezahle Dir jeden Preis, den Du verlangst.“
    Der Weise sagte: „Vielleicht kann ich Dir helfen. Aber der Preis ist so hoch, dass Dein gesamtes Königreich nicht reichen würde, ihn zu bezahlen. Darum sollst Du es als Geschenk erhalten, sofern Du es zu würdigen weisst.“ Dies versicherte ihm der König, und der Weise ging.
    Einige Wochen später kehrte er zurück und überreichte dem König ein mit reichen Schnitzereien verziertes Kästchen aus Jade. Der König öffnete das Kästchen und fand darin einen einfachen goldenen Ring. Auf dem Ring war eine Inschrift sie lautete: «Auch dies geht vorbei.» „Was bedeutet das?“, fragte der König. Der Weise erwiderte: „Trage diesen Ring immer. Sobald etwas geschieht, berühre ihn, und lies seine Anschrift, bevor Du es gut oder schlecht nennst. Dann wirst Du immer in Frieden sein.“ (aus: Eine neue Erde – Bewusstseinssprung anstelle von Selbstzerstörung, Eckhart Tolle, 2005, arkana). – Moralisieren ist ein Teil des Ablenkungsmanövers, das bewusst oder unbewusst dazu dient, die Realität nicht so zu sehen, wie sie ist. Mögen Du und ich und wir alle von ganzem Herzen und aus Liebe auf unserer Erde bestmöglich im Frieden leben und uns am Gold in unseren Seelen freuen: frei von Hass, von Resignation, von Angst, von Verzweiflung und ohne Illusionen.

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