Elon Musk, der Staat und das grosse Missverständnis

Publiziert am 28. März 2025 von Matthias Zehnder

Ich verfolge Elon Musk seit Jahren als Tech-Journalist und als Weltraum-Enthusiast. Als er 2022 Twitter übernahm, war ich gespannt darauf, ob er der Medienbranche neue Impulse verleihen könnte. Als er politisch immer weiter nach rechts abdriftete, war ich enttäuscht. Dass er Verschwörungstheorien verbreitet, hat mich entsetzt. Als Person hat er sich für mich von einem schrägen Daniel Düsentrieb zu einer bedrohlichen Lex-Luthor-Figur entwickelt. In den letzten Wochen hat Elon Musk nicht mehr als Erfinder und Manager Schlagzeilen gemacht, sondern als Chef von Doge, dem Department of Government Efficiency in den USA. Auch bei uns werden Stimmen laut, die sich einen Elon Musk in der Regierung wünschen, einen genialen Manager, der den Staat auf Effizienz trimmt, den Bürokratiedschungel lichtet und die Verwaltung zurückschneidet wie einen lästigen Strauch im Garten. Bloss: Kann das funktionieren? Lassen sich die Managementmethoden von Elon Musk auf den Staat übertragen? Sind seine Führungsprinzipien auch für die Verwaltung geeignet? Ich habe mir noch einmal die verfügbaren Bücher über Elon Musk und seine Arbeitsweise vorgenommen, die Berichterstattung analysiert und daraus den Algorithmus des Elon Musk destilliert. Und dann habe ich diesen Algorithmus mit den Aufgaben des Staates verglichen. Das Resultat: Die Sehnsucht nach Elon Musk ist ein gigantisches Missverständnis.

SVP-Nationalrat Mike Egger sucht den Schweizer Elon Musk. So titelt jedenfalls die Zeitung «Blick». Egger verlangt in einem Vorstoss vom Bundesrat die Einrichtung einer Kommission, die unnötige Bürokratie und Regulierungen abschaffen soll. Sein Vorbild: Elon Musk und das «Doge», das Department of Government Efficiency in den USA. Mit der Kettensäge will der Multimilliardär der Bürokratie in Washington auf den Leib rücken. Am Gerät fehlt es nicht: Der argentinische Präsident Javier Milei hat ihm am 20. Februar eine silbern glänzende Kettensäge geschenkt. Vor dem Publikum der CPAC-Konferenz hat Elon Musk mit der Kettensäge posiert wie ein Rockstar mit seiner Gitarre. Das hat auch in Europa vielen Politikern imponiert. Sie wünschen sich auch für Deutschland und die Schweiz eine Kettensäge, mit der sie die Bürokratie niederholzen können. Vor allem wünschen sie sich jemanden wie Elon Musk, der die Kettensäge bedient.

 

Elon Musk hat unbestritten grossartiges geleistet: Er hat die Raumfahrt revolutioniert und das Elektroauto neu erfunden und ist so zum reichsten Mann der Welt geworden. Er gilt als Genie, als unerbittlicher (und deshalb unglaublich erfolgreicher) Manager und Unternehmer. Er ist nicht etwa ein realer Iron Man, es ist umgekehrt: Die Figur von Tony Stark und Iron Man wurde nach dem Vorbild von Elon Musk gestaltet. Robert Downey Jr., der die Rolle des Iron Man spielt, sagte nach einer Begegnung mit Elon Musk, er lasse sich nicht leicht beeindrucken. Aber Elon Musk und seine Arbeit seien erstaunlich. Downey bat darum, einen Tesla Roadster in die Kulissen von Tony Starks Werkstatt stellen zu dürfen. Und in «Iron Man 2» hatte Musk später sogar einen kurzen Gastauftritt.

Elon Musk – der Iron Man von SpaceX und Tesla. Jahrelang war Elon Musk ein Unternehmer-Held, der Science Fiction Realität werden liess. Und dann kaufte er im Oktober 2022 für 44 Milliarden Dollar den Kurznachrichtendienst Twitter. Lassen wir einmal ausser Acht, dass er in seinen Tweets und Äusserungen immer stärker nach rechts abdriftete. Dass er Verschwörungstheorien verbreitet, rechte Parteien fördert und immer wieder schlicht Blödsinn twittert. Schauen wir nur und ausschliesslich darauf, wie er Twitter führte und die Plattform zu X umbaute. Elon Musk ging dabei vor wie bei Tesla und bei SpaceX. Er hat dafür Prinzipien entwickelt, die Walter Isaacson in seiner Musk-Biografie als Elon-Musk-Algorithmus bezeichnet.

Der Elon-Musk-Algorithmus

Walter Isaacson schreibt, dass Elon Musk an jeder Produktionsbesprechung bei Tesla oder SpaceX früher oder später wie ein Mantra seinen Algorithmus aufsagt. Es ist ein Regelwerk, das er entwickelte, als er mit den Produktionsproblemen der Teslafabriken in Nevada und Fremont kämpfte. Isaacson schreibt, es komme vor, dass «seine Führungskräfte die Lippen bewegen und lautlos mitsprechen, als begleiteten sie die Liturgie ihres Priesters». Musk selbst sagt laut Isaacson: «Der Algorithmus mag inzwischen wie eine alte Leier klingen. Aber ich glaube, es ist wichtig, ihn so oft zu wiederholen, bis es nervt.» Der Elon-Musk-Algorithmus umfasst fünf Schritte.

1) Hinterfrage jede Vorschrift.

Egal ob militärische Spezifikation, gesetzliche Regelung oder sonstige Vorschrift: Elon Musk akzeptiert Vorschriften nicht. Unabänderlich sei nur, was die Gesetze der Physik vorgeben, schreibt Walter Isaacson. Seinen Leuten sagt Musk, dass sie jede Vorschrift und jede Regel hinterfragen sollen, egal, von wem sie kommt.

2) Lass so viel wie möglich weg.

Streiche Prozesse und lass möglichst viele Teile weg. Mit diesem Prinzip hat Elon Musk die Tesla-Produktion radikal vereinfacht und die Raketen von SpaceX massiv günstiger gemacht. Seinem Team schrieb er einmal: «Nichts ist heilig. Alle auch nur im Entferntesten fragwürdigen Schläuche, Sensoren, Krümmer usw. werden heute Abend gestrichen. Bitte geht bei dem Weglassen und Vereinfachen äusserst rabiat vor.» Als Regel gilt für ihn: «Wenn du am Schluss nicht mindestens 10 Prozent wieder ergänzen musst, hast du nicht genug gestrichen.»

3) Vereinfache und optimiere.

Erst dann, so Musk, gilt es, das Produkt oder das Bestandteil zu optimieren. «Ein häufiger Fehler besteht darin, Prozesse oder Teile zu optimieren, die ohnehin überflüssig sind», zitiert Walter Isaacson Elon Musk.

4) Verkürze die Zyklusdauer.

«Jeder Vorgang lässt sich beschleunigen», ist Elon Musk überzeugt. In der Tesla-Fabrik von Fremont liefen zu Beginn pro Woche nur 2000 Exemplare des Model 3 vom Band. Musk hatte der Wall Street aber versprochen, dass das Werk binnen weniger Monate 5000 Exemplare pro Woche produzieren werde. Walter Isaacson beschreibt, wie Elon Musk sich in die Fabrik einquartierte und wie im Fieber Tag und Nacht an der Optimierung der Produktion arbeitete. An einer Station schraubte zum Beispiel ein Roboter Karosserieteile zusammen. Der Roboter arbeitete Musk zu langsam. Er forderte die Arbeiter auf, die Einstellungen zu überprüfen. Sie stellten fest, dass der Roboter auf 20 Prozent seiner Maximalgeschwindigkeit konfiguriert war. «Werkseinstellungen sind immer idiotisch», befand Musk, änderte den Code des Roboters und stellte die Geschwindigkeit auf 100 Prozent. Weil das die Gewinde zu sehr strapazierte, musste das Tempo schliesslich auf 70 Prozent verringert werden. Das war aber immer noch viel schneller als zu Beginn.

5) Automatisiere.

Dieser Schritt kommt erst am Schluss. Das sei, sagt Musk, der grosse Fehler gewesen, den er in den Tesla-Fabriken von Nevada und Fremont gemacht habe: Er habe zu früh automatisiert.

Manchmal ergänzt Musk diese fünf Regeln mit Zusätzen. Etwa: Alle führenden technischen Angestellten müssen praktische Erfahrung sammeln. Kameradschaft sei gefährlich. Sie erschwere es Menschen, die Leistung anderer infrage zu stellen. Überhaupt sei Empathie eine Schwäche und dem Erfolg nur hinderlich. Und dann noch die Sache mit der Einstellung. Walter Isaacson zitiert Elon Musk so: «Stell Leute mit der richtigen Einstellung ein. Fähigkeiten kann man vermitteln. Die Einstellung zu verändern, kann eine Hirntransplantation erfordern. Unser Arbeitsprinzip besteht in einem irrsinnigen Dringlichkeitsbewusstsein. Die einzig wahren Regeln sind die Regeln der Physik. Alles andere sind nur Empfehlungen.»

Elon Musk kauft sich Twitter

Bei SpaceX und bei Tesla hat der Algorithmus von Elon Musk funktioniert. Mehr noch: Weil er seine Prinzipien radikal anwendete und er selber dabei mit fast schon manischer Energie in den Produktionshallen das letzte Quentchen Optimierung herausholte, schaffte Musk mit beiden Firmen den Turnaround. Und dann kaufte er 2022 für 44 Milliarden Dollar Twitter. Der Kurznachrichtendienst war zwar wichtig als Austauschmedium für Journalisten und Politiker, aber er rentierte nicht. Die Welt, insbesondere die Medienwelt schaute deshalb gespant nach San Francisco: Würde es das Fabrikations-Genie Elon Musk schaffen, auch die Medienwelt zu revolutionieren?

Die kurze Antwort: Nein. Elon Musk reduzierte die Belegschaft der Firma um gut 75 Prozent, er entliess also drei von vier Mitarbeitenden. Er verwandelte die Wohlfühlfirma Twitter in die erbarmungslose Firma X, in der alle «Hardcore arbeiten» sollen. Gemessen an seinen Zielen ist er bisher aber gescheitert. Ein Beispiel dafür ist der Umgang von Elon Musk mit dem blauen Haken, mit Twitter blue. Ursprünglich war das blaue Häkchen das Zeichen für einen verifizierten Account. Es war Prominenten, Politikern und anderen bekannten Personen und Organisationen vorbehalten und zeigte an, dass der Account echt war. Elon Musk hasste das System. Vor allem ärgerte ihn, dass Journalisten, mit denen er sich so oft stritt, die blauen Häkchen so leicht erhielten. Er wollte Twitter blue in ein Abomodell verwandeln: Jeder sollte sich ein blaues Häkchen kaufen können. In seiner Präsentation für Investoren hatte Elon Musk prognostiziert, dass Twitter mit einem Abomodell bis 2028 zehn Milliarden Dollar erwirtschaften könne.

Das Fiasko mit Twitter blue

Die Mitarbeiter von Twitter, die sich mit Twitter blue beschäftigten, warnten Elon Musk, dass es zu Betrügereien im grossen Stil kommen werde, wenn man Twitter blue kaufen könne. Elon Musk wollte nicht auf sie hören – die meisten entliess er kurzerhand. Wir erinnern uns: «Die einzig wahren Regeln sind die Regeln der Physik. Alles andere sind nur Empfehlungen.» Also setzte er mit einem Rumpf-Team in Rekordzeit Twitter blue als Abomodell um – und es wurde zu genau dem Fiasko, vor dem die Fachleute ihn gewarnt hatten. Eine Flut von scheinbar verifizierten Fake-Accounts twitterten Falschmeldungen. Ein Blue-Verified-User, der sich als offizieller Account des Pharmakonzerns Eli Lilly ausgab, meldete: «Wir freuen uns mitzuteilen, dass Insulin jetzt kostenlos ist.» Die Meldung erhielt über 3000 Retweets und war über sechs Stunden lang abrufbar. Das echte Unternehmen musste eine Berichtigung herausgeben, die Aktie von Eli Lilly brach um mehr als 5 Prozent ein.

Kate Conger und Ryan Mac schreiben in ihrem Buch «Elon Musk und die Zerstörung von Twitter»: «Je länger das Blue-Team unter der direkten Führung von Musk arbeitete, desto klarer wurde ihnen, dass er sich bei seinen Entscheidungen ausschliesslich von seinem Instinkt leiten liess. Musks beispielloser Erfolg beim Aufbau zweier weltbewegender Unternehmen hatte ihn – und seine Gefolgschaft – zu der Überzeugung geführt, dass er der Champion sei, wenn es um Produktentscheidungen ging. Niemand sei besser oder qualifizierter als er, und das liess er auch alle Welt wissen.»

Trial und Error

Wie bei Tesla und SpaceX wandte er auch bei Twitter einen radikalen Trial and Error-Ansatz an. Bei SpaceX hatte das funktioniert: Statt lange am Computer zu rechnen oder im Labor zu pröbeln, starten Musk und seine Leute eine neue Rakete, bevor sie ausgereift ist. Die Rakete explodiert dann zwar, aber sie merken auf diese Weise schneller, was funktioniert und was nicht. Diesen Ansatz wendete Musk auch bei Twitter an. Er schrieb selbst: «Bitte macht euch darauf gefasst, dass Twitter in den kommenden Monaten viele dumme Sachen machen wird. Wir werden behalten, was funktioniert, und ändern, was nicht funktioniert.»

Das Problem ist: Twitter ist keine Rakete, sondern ein Medium. Es gelten deshalb nicht die Gesetze der Physik, sondern der Psychologie. Und das ist keine Stärke von Elon Musk. Wenn eine Rakete explodiert, kostet das Geld, es regnet Trümmer und SpaceX lernt etwas dabei. Wenn ein Medium einen ähnlich kapitalen Fehler macht, entsteht der Schaden nicht an einem Bauteil, sondern in den Köpfen der Benutzer, beim Image. Deshalb brachen die Werbeerlöse von Twitter rasch ein. Bis heute hat sich das Abomodell Twitter Blue, das heute «X Premium» heisst, nicht durchgesetzt. Schätzungen vom November 2024 deuten darauf hin, dass die Zahl der Abonnenten maximal 1,4 Millionen beträgt. Das ist weniger als 1 % der gesamten Nutzerbasis von X – und weit entfernt von den Zielen von Elon Musk.

Elon Musk und die Verwaltung

Und jetzt hat sich Elon Musk also die Verwaltung der amerikanischen Regierung vorgenommen. Es sieht so aus, dass er seinen Prinzipien treu bleibt. Er hinterfragt jede Vorschrift, er lässt so viel weg wie möglich, streicht möglichst viele Prozesse (und Stellen) und versucht zu vereinfachen. Dabei will er vor allem Betrug und Missbrauch aufdecken und der Verschwendung von Steuergeld einen Riegel schieben. Eine Billion Dollar will Elon Musk sparen. Auf einer «wall of receipts» gibt Elon Musk täglich neue Erfolge bekannt. Bisher sollen seine Leute 130 Milliarden Dollar eingespart haben. Überprüfen lässt sich das nicht.

Eine kürzlich aufgeführte Einsparung von 8 Milliarden Dollar bei der Zollverwaltung entpuppte sich als 8 Millionen Dollar. Eine andere Einsparung von 655 Millionen Dollar wurde gleich dreimal gezählt – Doge hatte nicht gemerkt, dass es sich dreimal um denselben Vertrag handelte. Elon Musk ist vor allem die Social Security ein Dorn im Auge. Er behauptete, dass «tens of millions of dead people» Sozialleistungen ausbezahlt erhalten. Experten fragen sich, was er meint: Insgesamt haben die Sozialversicherungen in den USA 67 Millionen Leistungsbezüger. Vielleicht hat es einige «Datenleichen» dabei, aber sicher nicht «tens of millions». Fachwissen scheint keine Stärke von Doge zu sein. Musk sprach von einem riesigen Betrug, weil Sozialleistungen an Elfjährige ausbezahlt würden – das sind Waisenrenten. Vor allem aber streichen Musk und seine Leute Stellen wie damals bei Twitter und Leistungen wie damals Teile bei SpaceX. Dieses Vorgehen hinterfragen mittlerweile nicht mehr nur die Demokraten.

Das grosse Missverständnis

Darin steckt das grundsätzliche Missverständnis. Eigentlich beginnt es schon beim Namen der Behörde von Elon Musk, die übrigens keine offizielle Behörde ist: Department of Government Efficiency. Was ist mit dieser Efficiency, also mit der Effizienz, genau gemeint? Effizienz bedeutet, ein Ziel mit möglichst geringem Ressourceneinsatz zu erreichen. Bei Tesla meint das zum Beispiel: Mit möglichst wenig Material, Energie, Zeit und Geld möglichst viele Autos zu produzieren. Nun sind wir uns in einem allgemeinen Sinn alle einig, dass der Staat und seine Verwaltung sorgfältig mit Steuergeldern umgehen und effizient arbeiten sollte. Aber was genau meint Effizienz bei der Sozialhilfe, beim Grenzschutz, bei Universitäten oder im Militär? Meint das: Möglichst wenig Sozialhilfe auszahlen? Möglichst wenig Geld ausgeben für Bildung und Sicherheit? Die Ziele dieser Bereiche sind höchst unterschiedlich – vor allem ist es nicht die Verwaltung, die diese Ziele festlegt, sondern die Politik.

Das ist vielleicht das grösste Missverständnis, das in der Bewunderung von Elon Musk und seiner Kettensäge steckt: Für das Auslichten der Bürokratie und die Abschaffung unnötiger Ausgaben ist in den meisten Fällen nicht die Verwaltung zuständig, sondern das Parlament. Die allermeisten Ausgaben eines Staatswesens sind an Gesetze gebunden. Wer die Bürokratie auslichten will, muss da ansetzen. Das geht aber nicht mit der Kettensäge. Das ist mühsame, politische Kleinarbeit.

Die Aufgabe des Parlaments

Die Arbeitsprinzipien von Elon Musk würden bei uns in direktem Konflikt zu den Regeln und Gesetzen des Staates stehen. «Hinterfrage jede Vorschrift» – das ist Aufgabe des Parlaments, also der Legislative. Die Regierung ist die Exekutive: Sie hat den Auftrag, zusammen mit der Verwaltung die Gesetze auszuführen. Sie kann wohl Vorlagen ins Parlament einbringen, aber sie kann nicht von sich aus und über Nacht die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern.

«Lass so viel wie möglich weg», lautet das Credo von Elon Musk. «Wenn du am Schluss nicht mindestens 10 Prozent wieder ergänzen musst, hast du nicht genug gestrichen.» Bei SpaceX merken die Ingenieure sofort, wenn sie zu viel weggelassen haben: Dann explodiert die Rakete. Aber wie ist das beim Staat? Staatliche Leistungen sind verrechtlicht. Ich habe ein Recht darauf, korrekt besteuert zu werden. Ich habe ein Recht auf eine korrekte Baubewilligung. Ich habe ein Recht auf ein korrektes Gerichtsverfahren. Ein privates Unternehmen kann sich auf einen bestimmten Bereich konzentrieren, auf die häufigsten 80 Prozent der Fälle. Der Staat kann das nicht, weil seine Leistungen verrechtlicht sind und es ein «ausserhalb» gar nicht gibt. Wenn man die Unterstützung von Arbeitslosen kürzt, steigen die Ausgaben bei der Sozialhilfe. Wenn man die Polizeikontrollen zurückfährt, steigen die Ausgaben im Krankenhaus.

Sehnsucht nach dem Alleinherscher

Vor allem aber: In einem demokratischen Staat entscheidet nicht ein einzelner Mensch über Staatsausgaben, Staatsangestellte, Departemente und Ämter. In einem Unternehmen ist das anders: Bei Tesla, bei SpaceX und bei X ist Elon Musk der Alleinherrscher. Hier gibt es (neben den Gesetzen der Physik) nur seine Regeln. In einer Demokratie ist das anders. Es gibt eine Regierung aus Vertretern verschiedner Parteien, es gibt ein Parlament, es gibt Gerichte, es gibt Wählerinnen und Wähler und in der Schweiz alle drei Monate auch noch eine Volksabstimmung. Und wenn das Parlament oder die Stimmbevölkerung ein neues Gesetz beschliesst, dann kann es noch so dumm und ineffizient sein – Regierung und Verwaltung haben den Auftrag, das Gesetz anzuwenden. Das ist manchmal mühsam, es ist umständlich – aber es ist demokratisch.

Die Sehnsucht nach Elon Musk und der Kettensäge ist in einer Demokratie deshalb ein grosses Missverständnis. Oder es ist die Sehnsucht nach der Abschaffung der Demokratie.

Basel 28. März 2025, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Bild: Elon Musk hält am 20. Februar 2025 an der Conservative Political Action Conference (CPAC) die Kettensäge in die Höhe, die ihm der argentinische Präsident soeben geschenkt hat. (KEYSTONE/AP Photo/Jose Luis Magana)

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Berman, Russell (2025): Musk Comes for the ‘Third Rail of American Politics’, in: The Atlantic, 2025, https://www.theatlantic.com/politics/archive/2025/03/trump-musk-doge-social-security/682131/ [23.03.2025].

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5 Kommentare zu "Elon Musk, der Staat und das grosse Missverständnis"

    1. Mit dem Beitrag „Demokratie im Umbruch“ habe ich meine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, es möge sich in der Krise, in der die Demokratie steckt, zum Guten für alle wenden. Inzwischen hat mein Autoren-Kollege Felix Feistel mit seinem Beitrag „Die Demokratiefalle“ noch sozusagen einen drauf gelegt. Indem er aufzeigt, wie der Glaube an die Demokratie von wahrhaftig Mächtigen schamlos für ihre Interessen missbraucht wird. Hier dazu der Link: https://www.manova.news/artikel/die-demokratiefalle

  1. Wer Musk und weniger Staat gut findet sitzt einem Missverständnis auf… Na dann spricht hier das Missverständnis. Musste schmunzeln, als ich den Mann mit der Kettensäge auf dem «Cover» von MZ fand (analog Argentiniens Präsident Javer Milei, welcher z.Z. beim Volk ungeahnte Beliebtheit erfährt und grosse Erfolge für Argentinien verbuchen kann).
    Gut, dachte ich stand Musk mit der Kettensäge auf der Bühne und noch besser drückte auch gleich ein Kameramensch auf den Auslöser, ein solches «Cover» wäre sonst MZ entgangen…
    Der sehr gut gewählte und fest im Volk verankerte SVP-Nationalrat M. Egger zeigt auch in der Schweiz auf die (oft) unnötigen Regulierungen und Vorschriften. Ein gutes Ansinnen. Dass die Presse, diesmal der (linke) «Blick» bei einem SVP-Parlamentarier sofort ein anmassender Titel «Egger sucht Schweizer Musk» bringt ist ja klar, kommt hingegen ein Vorstoss von SRF-Tagesschau-Dauergast, von SP-Fabian Molina würde der Titel anmutend, behaglich softig-positiv gezimmert…
    Jede Vorschrift hinterfragen – ja, alles ist zu hinterfragen (von Zeit zu Zeit auch die «Wissenschaft»). Alles ändert sich, und oft hinken die Gesetze, Vorschriften und Abgaben hinterher. Stichwort: (um bei Musk zu bleiben=) Autonomes fahren läuft – doch Versicherungsfragen, Gesetz, Recht bremst klar aus… Optimieren und vereinfachen – geht auch in Verwaltung und staatlichen Einrichtungen. Dort erst recht… Weglassen – oft ist der Wasserkopf (Baudep. BS) grösser als die Abteilungen der praktisch ausführenden Arbeiter… Auch Vereinfachen und optimieren – ob Albert Rösti in seinem UVEK (Bundesbehörde) oder Susanne Wille beim SRG/SRF-Gigant, beide – und da sind sie sich einig sehen (wenn man hinschauen WILL und nicht Tomaten auf den Augen trägt) viel Potential…. Erfreulich… Und das die Automatisierung fortschreitet ist gegeben im 2025, wenn man weltweit schaut. Automatisieren, Digitalisieren – unglaublich viel liegt auch da noch beim «Staat» brach – die «Digitalisierungsstrategie von Baselland» wurde aufgegleist (mit Zustimmung aller Parteien), weil noch zu viel in «Sichtmäppli», Ordner, Archiven und manuell – kompliziert (in allen Direktionen) gehandhabt wird…
    SVP-Egger macht sich zu recht Sorgen. Unglaublich wächst der Staat. Sei es bei Kantonen oder auch beim Bund. Ausdehnen, vergrössern, das Staatswachstum ist gigantisch. Gerade im Kanton BS wimmelt es nur so von Staatsbediensteten im Vergleich zur Bevölkerungszahl. Es gibt also richtigerweise noch viel zu tun.
    Musk sei ein Demokratiezerstörer…. Ein wilder, böser, ein «Rechter» halt…. Wenn man sich so die letzte Woche im deutschen Bundestag anschaute, merkt man aber auch, dass die SPD, die CDU, die Grünen nicht viel von Demokratischer Grundordnung halten….
    Die AfD (und damit über 10 Millionen Wählende, Steuerzahlende, Arbeitende) wird von allen Gremien ausgeschlossen. Nicht mal den Vizebundestagspräsidenten darf die zweitgrösste Kraft stellen. Alles abgelehnt. Alle Anträge. Die Schrumpf SPD (Fraktion halbiert) will ihren (riesig und jetzt zu grossen) Fraktionssaal, den Otto-Wels-Saal nicht an die AfD abgeben, welche mit ihrer Riesenfraktion in einem viel zu kleinen Raum schmachten muss; man hat schnell die Geschäftsordnung des Bundestags geändert, damit A. Gauland (der Älteste im Bundestag wie es die Väter und Mütter des Grundgesetzes vorsahen) nicht die Eröffnungsrede halten durfte; man will die Statuten des FC Bundestags ändern, so das dort keine AfD abgeordneten mitkicken können; man will der AfD, also der grössten Opposition im Lande, die staatl. Parteienfinanzierung entziehen, man will die AfD «verbieten» (Grüne) und man hat der sich verdoppelten, neuen, grossen AfD Fraktion im Bundestag nicht genug Stühle hingestellt. Die Abgeordneten mussten sich mit Klappstühlen behelfen, während es bei den anderen Parteien und ihren zugewiesener Bestuhlung bequem und formidabel klappte….
    Wer ist hier ein Demokratiezerstörer…. Die feinen «Etablierten»….. Doch dies geht, wie man sieht, ob in der neuen oder der alten Welt auf die Dauer nicht gut (SPD halbierten sich, die US Demokraten kommen laut CNN Umfrage auf hist. Tiefstand von 29%)…
    Wie wärs mal, hüben wie drüben, mit «besserer» Politik anstatt hacken auf Trump, Musk, Meli, Meloni, Weidel und die AfD…. Diese Worte richten sich an Scholz, Eskens, Starck-Zimmermann, Freifrau Von der Leyen, an Biden und Harris…. Doch wenn der Dünkel, Adel, Elite, Sturheit, Verbissenheit gepaart mit matterhorngrossem Ego ohne Einsicht alles überstrahlen, nützt eben alles nichts…
    Nur noch zur Vollständigkeit (vor 8 Stunden)
    In einem TV-Interview mit dem Sender Fox stellte Elon Musk über einen möglichen Rückzug von der Spitze der DOGE-Leitung in Aussicht. Mit der Kritik an seinem Vorgehen habe dies jedoch nichts zu tun, sagte er….
    Also: An die MZ-Gemeinde: Alles wird (wieder) gut – oder etwa doch nicht….

    1. Hallo Herr Zweidler, könnten Sie nicht ab und zu meinen Kommentar lesen, bevor Sie Ihre Textbausteine einfügen? Ich finde jede Vereinfachung von Verwaltung und Bürokratie super. Darum geht es aber gar nicht. Es geht um das WIE. Die Verwaltung führt aus, was das Parlament oder das Volk ihr in Form von Gesetzen in Auftrag gibt. Das Parlament und die Stimmbevölkerung haben es in der Hand, Gegensteuer zu geben. Was Musk macht, ist weder demokratisch abgestützt, noch juristisch haltbar und wird den USA so was von brutal auf die Füsse fallen. Siehe Entlassungen bei CDC, FDA, IRS etc. Noch einmal zum Mitschreiben: Parlament = Legislative = Auftrag, Regierung = Exekutive = Ausführung. Wenn das Parlament etwas beschliesst und die Regierung sich weigert, es umzusetzen, ist das nicht demokratisch, sondern anmassend.

  2. Ich habe dasselbe Problem wie Matthias Zehnder: Herrn Zweidlers Beiträge haben kaum je etwas mit dem jeweiligen Wochenkommentar zu tun. Das vernichtendste Urteil in so einem Fall stammt von meinem Deutschlehrer: „Thema verfehlt!“

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