Sven Millischer: «Früher war alles schlechter»

Publiziert am 20. Mai 2020 von Matthias Zehnder

Bei der «Handelszeitung» leitet Sven Millischer das Finanzressort. Im Fragebogeninterview über seinen Mediengebrauch outet er sich als Fan von SRF 4 News und sagt: «Mindestens was die Verfügbarkeit und Qualität von Medien anbelangt, war früher alles schlechter.» Tageszeitungen gebe es nur noch, bis die Druckmaschinen ersetzt werden müssen. Er findet, auch digital sei die Jugend gut informiert: Dass früher in jedem Haushalt eine gedruckte Tageszeitung gelegen habe, bedeute noch lange nicht, dass sie auch gelesen worden sei. «Vor dem Internet hatten die Leserinnen und Leser schlicht keine Alternative zur Massenpresse.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

SRF4 News.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Twitter schätze ich als «Nachrichtensnack» zwischendurch und als guten Gradmesser dafür, was in meiner Follower-Bubble gerade diskutiert wird. Mit Facebook bin ich nie warm geworden: zu viel Nabelschau für meinen Geschmack. Da ich lieber klassisch fotografiere und kaum jemals die Handykamera zücke, nutze ich Instagram nicht.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Zumindest zu Beginn der Pandemie habe ich häufiger Primärquellen konsumiert wie YouTube-Streams von Bundesrats-PKs und dergleichen.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Mindestens was die Verfügbarkeit und Qualität von Medien anbelangt, war früher alles schlechter. Ob alle Medienkonsumenten das heutige «All-you-can-eat-Angebot» zu schätzen wissen beziehungsweise zu verdauen vermögen, sei mal dahin gestellt.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Auf jeden Fall, nach journalistischen Kriterien sowieso: Der Grad der Informationsverdichtung ist ungleich viel höher als bei Bewegtbildern oder Ton.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

«Eines Menschen Herz» von William Boyd.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich kämpfe, bis die Bücher irgendwann – wie von Zauberhand – halbgelesen im Regal landen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Beim Durchswipen diverser E-Paper-Ausgaben verschiedener Tages- und Wochenzeitungen.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

In der Schweiz wohl mindestens solange, bis die Ersatzinvestition für die heute jüngste Zeitungsdruckanlage zwingend nötig wird.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Sie sind dann eine Chance, wenn das Publikum die Arbeit und den geschaffenen Mehrwert professioneller Journalisten anerkennt und entsprechend vergütet.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Radio höre ich gerne auch linear, Fernsehen praktisch nie. Ausser es ist Fussball-WM.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ja, regelmässig. Ich habe sogar zwei: «Ada. Heute das Morgen verstehen» und unseren «HZ Insights».

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Es ist kein Grund zur Besorgnis: Als notorischer Kulturoptimist würde ich jetzt einfach mal behaupten, dass die wachsende Zahl an News-Deprivierten immer noch besser und breiter informiert ist als ihre deprivierten Pendants, nur schon vor 25 Jahren. Weil damals gedruckte Tageszeitungen in fast jedem Haushalt lagen, bedeutet dies noch lange nicht, dass sich zu jener Zeit alle wie wild auf den Feuilletonteil gestürzt oder Bleiwüsten aus Bundesbern gewälzt hätten. Vor dem Internet hatten die Leserinnen und Leser schlicht keine Alternative zur Massenpresse.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Ja, aber nur für simple Vollzugsmeldungen wie Sportresultate, Abstimmungsergebnisse, Quartalszahlen. Klassische journalistische Formate wie Porträts, Gespräche, Reportagen oder Hintergrund-Recherchen lassen sich – Stand heute – nicht automatisieren.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Weder noch. Die Gesellschaft wandelt sich. Die Technik auch. Und mit ihr der Journalismus, wenn er relevant bleiben will.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Absolut. Menschen sind Geschichtenwesen. Und irgendjemand muss ihnen die Geschichten erzählen. Die Kardinalfrage bleibt aber, wie sich professioneller Journalismus künftig finanzieren lässt.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja, Notizen.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Keine Ahnung.

Wem glaubst Du?

Glauben und Journalismus vertragen sich schlecht.

Dein letztes Wort?

Alles wird besser.


Sven Millischer
Sven Millischer (41) hat ursprünglich Geisteswissenschaften an der Uni Basel studiert, später ein Nachdiplom in Wirtschaft gemacht und arbeitet nun seit über zehn Jahren als Wirtschaftsjournalist. Nach einer Stage bei Radio SRF hat er zunächst für «Cash», dann für die «Aargauer Zeitung» geschrieben. Bei der «Handelszeitung» ist er Mitglied der Chefreaktion und leitet das Finanzressort.
https://www.millischer.ch


Basel, 20. Mai 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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2 Kommentare zu "Sven Millischer: «Früher war alles schlechter»"

  1. Optimistinnen meinen: Gegenüber früher wird alles immer noch besser. Und Pessimisten sagen: Alles bleibt gleich wie früher, und manches wird nur noch schlimmer. Vielleicht stimmt beides. Und vielleicht auch keines. Weil ich weder ein Prophet noch ein Wahrsager bin, weiss ich es nicht. Wie viele andere fühle ich eine radikale Ungewissheit.

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