Nora Bader: «Es arbeiten noch immer viel zu wenig Frauen in den Medien»

Publiziert am 13. Mai 2020 von Matthias Zehnder

Nora Bader, noch bei Telebasel, bald bei «20 Minuten», sagt im Fragebogeninterview, für eine ausgewogene Berichterstattung brauche es Redaktionen mit grosser Diversität. Es brauche deshalb mehr Frauen in den Medien. Bedenklich sei, dass Frauen auf Redaktionen «im Schnitt 700 Franken weniger» verdienen als ihre männlichen Kollegen. Sie findet, durch die «Digitalisierung eröffnen sich für die Medien viele neue Welten».

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Die hiesigen Lokalmedien sowie die Mantelteile von «NZZ» und «Tagesanzeiger».

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich konsumiere, bin selber aber eher passiv unterwegs.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Auf «Telebasel» berichten wir täglich über das Corona-Virus. Das Thema ist omnipräsent, was dazu führt, dass ich privat nur noch sehr bewusst News konsumiere. Vermehrt nehme ich mir wieder ein Buch vor, schaue einen Film oder eine Serie.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Heute fehlt oftmals die Zeit für intensive Recherchen und somit die Tiefe der Storys. Die neuen technischen Möglichkeiten bieten aber auch viele Chancen. Gerade in der Konvergenz öffnen sich neue Wege, eine viel breitere Leser- und Zuschauerschaft auf unterschiedlichen Kanälen zu erreichen.

Und: mittlerweile arbeiten mehr Frauen in der männerdominierten Medienszene, aber noch immer viel zu wenige. Für eine ausgewogene Berichterstattung braucht es aber Redaktionen mit grosser Diversität. Darüber haben Andrea Fopp und ich gerade ein Buch geschrieben: «Frau Macht Medien». Entstanden ist ein Querschnitt der Schweizer Medienlandschaft aus Frauensicht. Bedenklich: Noch immer verdienen Frauen im Schnitt 700 Franken weniger auf Redaktionen als ihre männlichen Kollegen und sind in Teams untervertreten.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Auf jeden Fall. Es gibt doch nichts Schöneres.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Jeden Tag mindestens eine Zeitung. Und ich mag Ken Follett.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ein Buch weg zu legen, egal wie schlecht es ist, bricht mir das Herz. Ich habe grossen Respekt vor Büchern.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In den Medien, oftmals aber auch, wenn ich durch die Stadt laufe und von jungen Mitarbeitenden, die mit dem Puls der Zeit gehen.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Noch lange. Bereits vor 15 Jahren sagte mein damaliger Chefredaktor beim Oltner Tagblatt, in fünf Jahren gebe es keine Zeitungen mehr. Nichts ersetzt aber den Akt, sich beim Frühstück durchs Papier zu wühlen und sich darin zu verlieren.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Sie schaden vor allem der Glaubwürdig der Medien, stärken aber auch das Bewusstsein der Verantwortung, das dem Job des Journalisten anhaftet. Es muss noch kritischer hinterfragt und überprüft werden, als das vielleicht früher der Fall war.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Live schaue ich manchmal die «Tagesschau» oder «10 vor 10». Ansonsten bediene ich mich des Replay.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Leider bleibt mir viel zu wenig Zeit dafür. Wenn, dann «Echo der Zeit», «Sternstunde Philosophie» oder SRF «Input».

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Ich habe das Gefühl, dass 16- bis 29-Jährige einen anderen, aber nicht geringeren News-Konsum haben. Infos kommen vermehrt von Social Media oder Gratis-Plattformen. Kaum jemand bezahlt für Artikel – für den hintergründigen Qualitätsjournalismus eine Gefahr.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Der Sport- und Wirtschaftsjournalismus teilweise, ja. Im Lokaljournalismus, wo ich seit 15 Jahren tätig bin, auf gar keinen Fall. Da geht es um Menschen, um ihre Emotionen und um Schicksale. Den Politiker, den man heute in die Pfanne haut, muss man morgen wieder für ein Statement zu etwas anderem anfragen. Das menschliche und journalistische Feingefühl kann nicht automatisiert werden.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Befreiung ist ein grosses Wort. Fakt ist: Durch die Digitalisierung eröffnen sich für die Medien viele neue Welten. Es entstehen neue Formate, von denen Konsumenten wie auch Medienkonzerne nur profitieren können. Was momentan alles entsteht ist wahnsinnig. So gross wie jetzt gerade war der Wandel in der Medienbranche noch nie.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ja. Natürlich. Es wird immer ein Bedürfnis nach qualitativer und hintergründiger Information bestehen.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja. Ich mache bei Interviews Notizen von Hand. Und ich schreibe meinen Liebsten Briefe oder Postkarten.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Die ganze Fake-News-Causa hat viele Menschen an der Glaubwürdigkeit der Medien zweifeln lassen. Dadurch ist aber auch das Bedürfnis nach qualitativ hochstehendem Journalismus gewachsen, was gut ist für viele Medien, die dadurch neue Leser gewonnen haben.

Wem glaubst Du?

Meinen Freunden.

Dein letztes Wort?

Ich bereue nichts.


Nora Bader
Nora Bader (1986 in Olten), aufgewachsen in Laupersdorf SO, studierte am Medienausbildungszentrum MAZ in Luzern, arbeitet als Stv. Leiterin News beim Basler Lokalsender «Telebasel», vorher als Journalistin beim Oltner Tagblatt und Zofinger Tagblatt. Auf Juni 2020 wechselt sie als Videojournalistin zu «20Minuten». Im Mai erscheint «Frau Macht Medien» von Andrea Fopp und Nora Bader im Zytglogge Verlag.


Basel, 13. Mai 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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