Samira Zingaro: «Wir haben unseren Fernseher verschenkt»
Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit Samira Zingaro, «Lead Digital Creative» für die digital-audiovisuelle Kommunikation des WWF. Sie vermutet, dass die Medien früher mehr «Zeit und Geld» zur Verfügung hatte, «somit war viel mehr möglich. Als Mediennutzerin hingegen muss ich sagen: Das Angebot ist heute viel breiter, innovativer und niederschwelliger zugänglich.» Von sich selbst sagt sie, sie habe in der Corona-Zeit die «grossartige Welt der Podcasts» entdeckt. Sie ist überzeugt, dass die Medien «News anders erzählen müssen», um junge Menschen besser zu erreichen. Das ist wichtig, denn «Fake News sind immer schneller als die Faktenchecker.»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Ich versuche neuerdings, erst nach dem Frühstück News zu konsumieren – aus Gründen des Digital Detox. Danach dafür umso dichter mit «Heute Morgen», Schlagzeilen-Scanning aller grossen Tageszeitungen und einer Übersicht auf Twitter. Auf dem Weg zur Arbeit höre ich meist «Echo der Zeit».
Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?
Facebook nur beruflich, Twitter für Information und Netzwerk, gerade auch für Auslandthemen, Instagram zur Prokrastination, ab und zu für Recherchen. Seit dem neuen Job alle drei Kanäle intensiver beruflich.
Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?
Ich habe die grossartige Welt der Podcasts entdeckt.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Beides – je nach Blickwinkel: Als Medienmacherin sage ich: Zeit und Geld waren früher viel mehr vorhanden und somit war viel mehr möglich. Als Mediennutzerin hingegen muss ich sagen: Das Angebot ist heute viel breiter, innovativer und niederschwelliger zugänglich.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Selbstverständlich!
Was soll man heute unbedingt lesen?
Jedes neue Werk von Jonathan Franzen.
Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Ich habe keine Zeit für schlechte Bücher. Aber bevor ich aufgebe, lese ich die letzten Seiten des Buches, damit ich weiss, wie es endet. Dies übrigens oft auch bei guten Büchern.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Dort, wo jeder Journalist, jede Journalistin sein sollte: Bei Menschen, die sich ausserhalb der eigenen Blase, bewegen.
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
Länger als wir sie alle totgesagt haben.
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Semper aliquid haeret. Deshalb glaube ich, dass sie eher eine Gefahr sind, gerade, wenn sie viral gehen. Fake News sind immer schneller als die Faktenchecker.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Wir haben unseren Fernseher einer syrischen Flüchtlingsfamilie verschenkt. Ich finds auch ästhetisch kein schönes Möbelstück. Ich schaue also nicht linear, sondern ganz gezielt auf meinen mobilen Geräten. Radio hingegen meist live.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Ja, immer mehr. Ich empfehle: «Klimabericht – der Spiegel-Podcast zur Lage des Planeten» und «Das Feature» von Deutschlandfunk. Schon älter, aber toll gemacht: «Faking Hitler» und «Cui Bono – WTF happened to Ken Jebsen?»
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?
Dass wir News anders erzählen müssen.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Schlagzeilen ja. Nie aber Vertiefung, zwischenmenschliche magic moments, Emotionen und Miterleben. Davon lebt gutes Storytelling und letztlich auch der Qualitätsjournalismus.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
Das ist mir zu absolut. Aber wir erleben zweifelsohne eine Revolution mit neuen Spielregeln.
Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
Ja, um Medienvielfalt, Grundversorgung und journalistische Ausbildung zu fördern. Aber nur, wenn sie transparent ist.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Einkaufszettel, Gedankennotizen und To-do-Listen mit dem täglichen Ärger, dass ich mein Gekritzel nicht mehr entziffern kann.
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Unter dem Strich: Schlecht. Sein Stil hat die Parameter für respektvolle, gesellschaftliche Umgangsformen verschoben.
Wem glaubst Du?
Ich hinterfrage lieber.
Dein letztes Wort?
Journalismus ist einer der wichtigsten Berufe der Welt – und ein grosses Privileg. Ich hoffe, weder Medienmacher:Innen noch Mediennutzer:innen vergessen das je.
Samira Zingaro
Samira Zingaro hat an der Universität Fribourg Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Religionssoziologie studiert. Ihre journalistische Brutstätte ist die «Berner Zeitung», später schrieb sie unter anderem für den Tagesanzeiger, bevor sie 2011 das trimediale Stage beim Schweizer Radio und Fernsehen absolvierte. Sie arbeitete für «Kassensturz», «10v10» und ab 2014 als Reporterin für die «Rundschau». Seit April 2022 ist sie als «Lead Digital Creative» für die digital-audiovisuelle Kommunikation des WWF, der grössten Umweltorganisation der Schweiz, verantwortlich.
www.samirazingaro.com
Basel, 27. April 2022, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Seit Ende 2018 sind über 170 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier:
https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/
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Ein Kommentar zu "Samira Zingaro: «Wir haben unseren Fernseher verschenkt»"
…..Lead Digital Creative…..
Jetzt weiss ich wenigstens, wohin meine WWF Spende hingehen WÜRDE…..
……wäre ich nicht nach meiner Kinderzeit (herzige WWF-Tiermalbüechli) als Jugendlicher (der den Durchblick bekam) aus diesem Verein ausgetreten.
Spätestens als ein Exklusiv-Private-Lear-Jet, welche hochrangige WWF-Delegierte zu einem Besichtigungstrip zu gefährdeten Tieren ins bettelarme Afrika jetten sollte abstürzte, öffneten sich mir meine Augen über diesen Club….
Manchmal bringen ungeplante Ereignisse die Tatsachen ans Licht.
Da gebe ich lieber meinem Tamilischen Nachbar, welcher die https://www.dogcare-clinic.com/ persönlich kennt und welche Tieren in Sri Lanka hilft, meinen Schweizer Franken.
Und dies alles ganz ohne
…..Lead Digital Creative…..