Martin Aldrovandi: «Die Pressefreiheit ist ein unglaublich hohes Gut»

Publiziert am 7. Juli 2021 von Matthias Zehnder

Die Fragebogeninterview-Sommerserie mit Schweizer Korrespondent:innnen über ihre Mediennutzung – heute mit Martin Aldrovandi, China-Korrespondent für Radio SRF. Er bedauert, dass er des Corona-Virus wegen viel weniger reisen kann. Er müsse «für Interviews vermehrt auf Skype, Whatsapp und Co. ausweichen. Da fehlt mir der direkte und persönliche Austausch mit dem Interviewpartner sehr.» Er ist sich heute nicht mehr so sicher, ob sich Journalismus nicht doch automatisieren lässt und findet, die Medien hätten Trump zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. In seinem Berichtsgebiet wird Aldrovandi immer wieder bewusst, wie wichtig die Meinungs- und Pressefreiheit sei, ein «Gut, dem wir Sorge tragen müssen».

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

News Updates auf Twitter und Weibo und das «Echo der Zeit» vom Vortag.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Twitter nutze ich vor allem beruflich, Instagram eher privat. Auf Facebook bin ich immer seltener anzutreffen.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Als Nutzer eigentlich nicht gross. Beruflich hat es meinen Alltag aber stark verändert. Ich kann leider viel weniger reisen, und muss für Interviews vermehrt auf Skype, Whatsapp und Co. ausweichen. Da fehlt mir der direkte und persönliche Austausch mit dem/der Interviewpartner:in sehr.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

«Früher» kenne ich nur aus Konsumentensicht. Und da war vieles nicht besser. Im Gegenteil. Zuhause gab es zwei Mal die Woche die Dorfzeitung. Um Sendungen im Fernsehen nicht zu verpassen, musste man den Videorecorder programmieren. Den «Tages-Anzeiger» oder die «NZZ» gab es von den Nachbarn, wenn diese in den Ferien waren.

Heute dagegen habe ich von überall Zugriff auf Schweizer und auf internationale Medien und kann Video und Audio konsumieren, wann ich Zeit habe.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Und ob.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Das soll jeder für sich entscheiden. Ich lese gerade «Décadence Mandchoue – The China Memoirs of Sir Edmund Trelawny Backhouse». Faszinierend und ziemlich verstörend.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich kann sie weglegen, aber mit einem schlechten Gewissen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Oft aus dem Alltag von Freunden und Bekannten, die nicht im Journalismus tätig sind.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Solange Leute dafür bezahlen.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Beides.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich höre ab und zu lineares Radio per App, zum Beispiel SRF 4 News oder Radio Swiss Jazz. Meistens konsumiere ich aber gezielt Beiträge on Demand.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich habe viele Lieblingspodcasts. Zu meinen Favoriten gehören die «Zeitblende» und «Kontext», auch «NZZ Akzent» und «This American Life» von NPR höre ich gerne.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Ich hoffe sehr, dass sie noch auf den Geschmack kommen werden.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Vor ein paar Jahren hätte ich dies absolut verneint. Inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Ich denke die Vorteile überwiegen, zumindest in einer freien Gesellschaft wie jener der Schweiz.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Unbedingt.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja. Leider habe ich danach oft grosse Mühe, meine Notizen zu entziffern.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Das weiss ich nicht. Wir haben ihm aber definitiv zu viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Wem glaubst Du?

Engen Freunden.

Dein letztes Wort?

Die Meinungs- und Pressefreiheit ist ein unglaublich hohes Gut, dem wir Sorge tragen müssen. Das wird mir in meinem Berichtsgebiet immer wieder bewusst.


Martin Aldrovandi
Martin Aldrovandi arbeitet seit 2016 als China-Korrespondent für Radio SRF. Er lebt in Shanghai. Studiert hat er chinesische Kommunikation in Taipeh, Taiwan und Journalismus in Hamburg und Luzern. Vor seiner Festanstellung bei SRF war er als Redaktor bei Radio Taiwan International tätig und berichtete als freier Journalist für Medien in der Schweiz und in Deutschland.
https://www.torial.com/martin.aldrovandi


Basel, 7. Juli 2021, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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2 Kommentare zu "Martin Aldrovandi: «Die Pressefreiheit ist ein unglaublich hohes Gut»"

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