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Natur aus den Fugen

Publiziert am 5. Oktober 2018 von Matthias Zehnder

Dieses Buch handelt von der Migration. Aber nicht von der Migration der Menschen, sondern von eingewanderten Tieren und Pflanzen. Die können der heimischen Fauna und Flora ganz schön zusetzen. Doch es gibt auch nützliche Einwanderer-Pflanzen.

Es gibt ein riesiges Umweltproblem, das auf den ersten Blick oft wie das Gegenteil aussieht: invasive Arten. Diesem neuen Problem hat der Schweizer Biologe Atlant Bieri sein neues Buch gewidmet. Es dreht sich also um Pflanzen und Tiere, die aus anderen Erdgegenden, oft von anderen Kontinenten stammen. Weil sie hier bei uns oft keine natürlichen Feinde haben, können sie sich ungehindert vermehren. Auf diese Weise bedrohen sie die hier heimischen Arten. Sie überwuchern die Ufer von Flüssen, fressen sich durch das mannigfaltige Leben eines Sees, ersticken das Unterholz eines Waldes, nagen an Häusern, Schienen und Stromverteilerkästen oder machen Menschen und Tiere krank. Dass Pflanzen und Tiere von reisenden Menschen eingeschleppt werden, ist kein neues Phänomen. Zu den ältesten, eingeschleppten Arten in Mitteleuropa gehören die Kirsche, die Walnuss und die Ratte. Die Kirsche reiste mit den Römern aus dem Gebiet des Schwarzen Meeres nach Mitteleuropa. Walnuss und Ratte gelangten mit dem Handel zwischen Asien, Vorderasien und Ägypten nach Europa. Weil sie seit der Antike in Mitteleuropa anzutreffen sind, gelten sie als heimisch. Als «Schallgrenze» für invasive Arten gilt die Entdeckung Amerikas 1492: Was vorher eingeschleppt wurde, wird als heimisch bezeichnet, was nachher in Europa Fuss fasste, gilt als exotisch. Ein Teil dieser exotischen Arten breitet sich in ihrer neuen Heimat unkontrolliert aus und verdrängt die einheimischen Arten. Das sind invasive Arten. Diesen Arten also hat Atlant Bieri sein neues Buch gewidmet. Er gibt darin einen guten Überblick darüber, welche Pflanzen und Tiere unsere heimische Fauna und Flora bedrohen. Von den Grundeln aus dem Schwarzen Meer, die unsere Fische bedrohen, über den Laubholzbockkäfer, der Laubbäume frisst, bis zum Riesenbärenklau, der bei Berührung starke Hautreizungen verursacht. Bieri stellt aber nicht nur die Arten vor, die nach Europa eingewandert sind, er stellt auch europäische Arten vor, die von Europa aus die Welt bedrohen. Der Rothirsch etwa ist in Australien und Neuseeland zum Schrecken der Bauern geworden. Der europäische Rotfuchs ist für die vielen, am Boden lebenden Beuteltiere Australiens eine Katastrophe. Die Gemeine Wespe ist in Neuseeland zu einer Bedrohung für viele einheimische Arten geworden. Auf den Galapagos ist die europäische Brombeere zum Problem geworden, weil sie da keine Fressfeinde hat. Der Blutweiderich ist in Nordamerika, Ostasien, Australien und Neuseeland eine invasive Pflanze. Doch invasive Arten müssen nicht immer schädlich sein. Gerade in Zeiten des Klimawandels gibt es Arten, deren Resistenz und Resilienz gewünscht sind. Ein Beispiel für eine nützliche, invasive Art ist die Robinie. In normalen Wäldern sind Robinien gefährliche Unkräuter, die rasch Überhand nehmen können. In den ehemaligen Kohleabbaugebieten im Osten Deutschlands sind Robinien dagegen als Erstbesiedler und Bodenaufbauer geschätzt. Atlant Bieri setzt sich in seinem Buch sachlich und fundiert mit den eindringenden Arten auseinander und zeigt differenziert, welche Schäden oder auch welcher Nutzen die invasiven Tiere und Pflanzen anrichten. Ein Buch, nach dessen Lektüre man die Natur mit anderen Augen sieht.

Atlant Bieri: Natur aus den Fugen. Die Verbreitung invasiver Arten – Gefahr & Chance. Orell Füssli, 240 Seiten, 26.90 Franken; ISBN 978-3-280-05680-6

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783280056806

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 5. Oktober 2018: Fünf Denkanstösse an Stelle eines Wochenkommentars

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/category/buchtipp/