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Lob des Fatalismus

Publiziert am 20. März 2019 von Matthias Zehnder

Dieses Buch ist kein Ratgeber. Ein Ratgeber nimmt den Leser an der Hand und zeigt ihm, wo es lang geht. Matthias Drobinski schreibt im Gegenteil, er sei kein Freund von Ratgebern und warnt, die Umsetzung der Gedanken ins konkrete Leben erfolge auf eigene Gefahr. Quasi ein Buch mit Beipackzettel also. Es ist mehr Essay, also mehr Versuch, als konzises Gedankengebäude. Eine Intervention zu Gunsten des Fatalismus. Drobinski bricht eine Lanze für die Schicksalsergebenheit. Was hilft es, zu grübeln oder sich aufzuregen, wenn man nichts ändern kann? Der Fatalismus, schreibt er, sei eine Gegenmacht gegen alle, die die Welt im Griff haben und jede Unsicherheit im Keim ersticken wollen. Im Zeitalter der gnadenlosen Selbstoptimierung ist Fatalismus ein schierer Akt der Subversion gegen die Dauerfröhlichkeit der Berufsoptimisten. Wer sich, wie Drobinski, dem Fatalismus über die Philosophiegeschichte nähert, merkt rasch, dass die Schicksalsergebenheit die grundsätzliche Frage nach der Freiheit des Menschen stellt: Wie frei ist der Mensch in seinen Entscheidungen? Muss er nicht vielmehr wieder lernen, sein Schicksal zu akzeptieren, sich mit seinem Fatum abzufinden?

Das sind ketzerische Gedanken in einer Zeit, in der ein Leben geplant, optimiert und abgesichert wird. Heute gilt die Devise, dass man die Zügel seines Lebens in der Hand halten und beweisen muss, dass man Herr der Lage bleibt. Doch bei Lichte besehen erweist sich ein grosser Teil der Planungen als Makulatur: Die Welt ändert sich in atemberaubendem Tempo. Wer weiss schon, wohin die Zeit uns führt. Diese grosse Unvorhersehbarkeit verträgt sich schlecht mit der Ansicht, man müsse die Zügel seines Lebens in der Hand behalten. Man kann sich nun abrackern und sich nach allen Seiten absichern – oder man kann den positiven Fatalismus für sich entdecken, die Schicksalsergebung als Tugend und als Möglichkeit, das Leben gut zu leben: Es kommt, wie es kommt. Fatalismus, schreibt Drobinski, befreit von der Pest der Glückssuche und der Lebensoptimierung. Es befreit davon, der Schmid des eigenen Glücks sein zu müssen. Es befreit das Glück aus der Sklaverei der Verzweckung, dem goldenen Käfig der Ökonomisierung.

Mit diesen Gedanken stellt sich Matthias Drobinski definitiv gegen die Glücksapostel und die Optimierungsapologeten unserer Zeit. Entspann Dich!, ruft er uns zu. Entspann Dich und geniess auch mal das Leben. Zu Ende geht es so oder so. Mit diesen Ansichten passt Drobinski ganz und gar nicht in die ausufernde Ratgeber-Landschaft. Gerade deshalb lohnt die Lektüre.

Matthias Drobinski: Lob des Fatalismus. Claudius Verlag, 132 Seiten, 21.50 Franken; ISBN 978-3-532-62811-9

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783532628119

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 15.3.2019: Der Computer ist (nicht) schuld

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/category/buchtipp/