Ein kleiner Nachruf auf die Tageswoche

Publiziert am 5. November 2018 von Matthias Zehnder

Die Stiftung für Medienvielfalt hat entschieden, die «TagesWoche» einzustellen. Das ist nicht überraschend und trotzdem ein Schock für die Basler Medienszene. Auch wenn die Zahl der Menschen, denen die «TagesWoche» fehlen wird, überschaubar ist, wird die Zeitung in Basel eine Lücke hinterlassen. Deshalb: Ein kleiner Nachruf auf einen ungebärdigen Patienten.

Es war heute, wie wenn einen die Todesnachricht eines Menschen erreicht, von dem man schon lange weiss, dass er schwer krank ist: Obwohl man es schon lange hat kommen sehen und eigentlich auf den Tod vorbereitet ist, bleibt die Nachricht doch ein Schock. Der Stiftungsrat der Stiftung für Medienvielfalt hat also entschieden, die «TagesWoche» einzustellen. Oder, wie die Stiftungsräte Andreas Miescher und Franz-Xaver Leonhardt euphemistisch schreiben: der Stiftungsrat sei zum Entscheid gekommen, dass das Medienprojekt TagesWoche nach sieben Jahren seinen Abschluss findet (siehe hier). Man könnte auch sagen: Die Verantwortlichen haben das Projekt an die Wand gefahren.

Die Reaktionen fallen vorhersehbar aus: Die Leserinnen, die Leser und die Fans bedauern, Beobachter aus der rechten politischen Hälfte triumphieren und sagen, es sei von Anfang an klar gewesen, dass «missionarischer Linksaussenjournalismus» nicht überlebensfähig sei. Das ist gut so: Die «TagesWoche» wollte eine Zeitung mit Haltung sein, also hat sie Fans und Gegner. Ihr wirkliches Problem ist, dass sie den allermeisten Menschen in und um Basel völlig egal geblieben ist. Das ist aber längst nicht mehr nur das Problem der «TagesWoche», es ist auch das Problem der «bz» und mittlerweile auch der «BaZ».

Warum hat die «TagesWoche» nicht funktioniert?

it’s the economy stupid.

Die Idee, ein aktuelles Onlineangebot mit einer Wochenzeitung zu ergänzen, war 2011 bestechend. Ich vermute, dass früher oder später die meisten Schweizer Tageszeitungen auf dieses Modell umsteigen werden. Warum also hat die «TagesWoche» nicht funktioniert? Ich glaube, es sind (abgesehen von der Medienökonomie) drei Dinge.

Das Geld: Die «TagesWoche» war (zumindest in den ersten Jahren) grosszügig mit Geld ausgestattet. Insgesamt hat das Projekt wohl rund 20 Millionen Franken Stiftungsgeld verbrannt. Zu Beginn war das nicht einfach Seed-Money, das es zu vervielfachen galt. Die «TagesWoche» sagte von sich selbst: Wir sind finanziert. Statt sich hungrig und aufmerksam einen Markt zu erobern, umwehte die «TagesWoche» von Anfang an eine gewisse Sattheit. Das ist für ein Medien-Startup tödlich. Dass die «TagesWoche» dann auch noch mit der Auflage trickste, passte ins Bild.

Das Konzept: Weil sich die «TagesWoche» gegen die «BaZ» von Markus Somm stellte und also einen guten Zweck verfolgte, hat sie wohl zumindest zu Beginn die konzeptuelle Schärfung vernachlässigt. Doch nicht die «BaZ» zu sein, ist noch kein Konzept. Ich meine, sie hätte sich von Anfang an viel schärfer auf die Region Basel konzentrieren müssen. Und sie hätte sich jenseits der politischen Haltung überlegen müssen, wie sie den Menschen in Basel einen Nutzen schaffen kann, für den die bereits sind, etwas zu bezahlen. Die «TagsWoche» hat das Konzept zwar später nachgeschärft, aber das war too little und too late.

Die Mitarbeiter: Die «TagesWoche» war zu Beginn so etwas wie ein Auffangbecken für Journalistinnen und Journalisten, die bei der «BaZ» von Markus Somm rausflogen oder nicht für Blocher arbeiten wollten. Ich glaube, das hat der TagesWoche geschadet. Für ein Onlineprojekt waren zu viele Menschen an Bord, die von online kaum etwas verstanden. Und für ein Startup waren zu viele Menschen bestimmend, die vom alten Platzhirsch kamen und sich die Arbeitsweise eines Internet-Startups nicht gewohnt waren.

Und jetzt?

Was bedeutet die Einstellung der «TagesWoche» für Basel und für die Medienlandschaft hier in der Region, ja in der Schweiz? Zunächst gibt die Einstellung all jenen recht, die es schon immer gewusst haben, dass so linkes Zeugs nicht funktioniert. Doch das Scheitern der «TagesWoche» hat wenig mit ihrer politischen Haltung zu tun (siehe oben), es waren wohl eher handwerkliche Fehler.

Das Scheitern wird Auswirkungen auf die ganze Medienszene haben. Motto: Wenn nicht einmal 20 Millionen reichen, um so etwas in Fahrt zu bringen, dann haben viele andere erst recht keine Chance. Das ist fatal, weil es der Medienbranche möglicherweise zu einem Zeitpunkt den Schneid abkauft, zu dem Schneid bitternötig wäre.

Die «TagesWoche» ist in Basel zwar nicht mehr von vielen wahrgenommen worden – fehlen wird die Stimme trotzdem. Sie hat, gerade in letzter Zeit, ihr Profil geschärft und war oft unbekümmert anders. Das war vielleicht für manchen ab und zu eine Zumutung, aber genau diese Zumutung wird uns noch fehlen in Basel.

Ich persönlich werde die FCB-Berichterstattung von Christoph Kieslich und Samuel Waldis vermissen, die Kulturstücke von Dominique Spirgi und die Illustrationen von Hans-Jörg Walter und Nils Fisch – und so manche textliche Zumutung im besten Sinn.

Trotz allen Fehlern, die den TagesWöchelern angelastet werden müssen, zeigt das Scheitern der «TagesWoche» aber vor allem, wie schwierig es ist, im winzigen Markt Schweiz Journalismus zu finanzieren. Die Stiftung für Medienvielfalt schreibt, sie möchte im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten eine neue Initiative unterstützen mit dem Ziel, dass im besten Fall schon im Jahre 2019 ein neues Medienprodukt für die Region Basel lanciert werden kann. Das ist, immerhin, ein Hoffnungsschimmer. Es braucht Anschubfinanzierung durch eine Stiftung. Aber bitte vergesst beim zweiten Versuch die Konsumentinnen und Konsumenten nicht: Langfristig kann heute ein Medienprodukt nur überleben, wenn die Menschen bereits sind, dafür etwas zu bezahlen.

Und an alle Leserinnen und Leser, Nutzerinnen und Nutzer geht die Erinnerung, dass es Gratis-Journalismus nicht gibt. Bitte bezahlt für die Inhalte, die ihr konsumiert. Das kann ein Abo sein oder eine freiwillige Spende, egal. Langfristig geht es nur, wenn die Inhalte entlohnt werden.

Basel, 5. November 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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14 Kommentare zu "Ein kleiner Nachruf auf die Tageswoche"

  1. Für mich als Nicht-Basler war das Scheitern schon in den ersten Jahren absehbar. Es sind genau die Punkte, die Matthias Zehnder auflistet: Anfangs zu viel Geld und dann vor allem das fehlende Konzept. Beim wöchentlichen Durchblättern fiel mir von Anfang an auf, dass das Blatt inhaltlich weder Fisch noch Vogel war. Statt sich auf die Region Basel zu fokussieren, gab es Beiträge über alles und aus allen Regionen der Welt. Ich hatte den Eindruck, dass der Inhalt einfach in erster Linie den Vorlieben der einzelnen Mitarbeitenden in der Redaktion entsprach. So etwas kann langfristig einfach nicht funktionieren. Und der Auflagenbschiss war dann auch noch das Todesurteil im Anzeigenmarkt.

  2. Nicht nur die «TagesWoche» ist ins Leere gesprungen. Wie beispielsweise die Aufklärung und die Demokratie kolportieren auch die Medien die Freiheit nur noch als Simulation. Die digitale Transformation – im Wesentlichen ein sozialer Prozess – sehe ich für diese Entwicklung als Katalysator und nicht als Ursache. Auf dem Karussell, das sich immer noch schneller in einem rasanten Stillstand dreht, scheint von grösserem Interesse nur noch, was Geld, Macht und immer noch mehr Wohlstand bringt – und vor allem und immer wieder: was satten Spass macht.

  3. Ich bin sehr traurig über das Ableben von der Tageswoche. Auch wenn sie absolut nicht auf meiner politischer Richtung war.
    Nun – ein bisschen haben wir das Medien-Desaster (Tageswoche = weg, BaZ = neu Tamedia – Tagesanzeiger – gehörend; BZ = Aargau-gesteuert, Wanner-Gruppe gehörend) auch dem „RettetBasel“-Club zu verdanken. Sie wetterten gegen die (alte) BaZ, sie jubelte die Tageswoche hoch.
    Nur LESEN taten sie nie, die Rettungsfreunde. Oft auf Reisen, oft in Berufs oder Kunstprojekte involviert, konnten sie keine regelmässigen Zeitungsleser sein. Denn Zeitungslesen braucht Zeit. Zeit die man sich nehmen muss. Und das tun, wir wissen es alle, heute immer weniger.
    Starke Leistung von den selbsternannten Heilsbringer, welche so sozial, liberal und menschlich sind. Wieso nicht mehr Abos gelöst; wieso nicht mehr Sponsoring für ihr Ideal…. Parole, Parole… Worte, Worte, nichts als Worte….
    Schade – früher hatte ich an BaZ und BZ meine 2 Stunden – so spannend, so interessant. Heut bin ich meistens in 20 Minuten durch….
    Meldungen analog SRF-News-Seite, analog Gratis-Blättli bringen kaum noch Mehrwert.
    Gebt euch einen Ruck: Nennt doch die zwei verbliebenen Balsler-Blätter ehrlich so, was sie auch sind:
    BZ = neu: Aargauer Zeitung Lokalausgabe Basel
    BaZ = neu: Tagesanzeiger Lokalausgabe Basel
    WAS SOLL MAN HEUT´IN BASEL DENN NOCH LESEN?

  4. Ich kann ungefähr allem zustimmen was hier im Text und einem Teil der Kommentare steht, aber ich glaube man muss noch einen Punkt ehrlicherweise hinzu fügen, der im Hintergrund natürlich allen auch klar ist: Die noch immer sich vollziehende Transformation der Medienwelt durch das Internet. Der Punkt ist dass zwar alle dazu eine Meinung haben, aber trotzdem ja keiner wirklich weiss wohin die Reise in 5, 10, 20… Jahren gehen wird!

    Und unter diesen Umständen hätte die TW nicht einfach nur die genannten Fehler vermeiden müssen (die alle auch im Nachhinein klarer sind als vorher), sondern sie hätte noch einen zusätzlichen Schuss „Genialität“ gebraucht, vor allem im Onlinebereich. Um auf diesem Feld wirklich etwas zu bieten wo die Leute sagen: Ja, so KÖNNTE ich mir die Zukunft der Medien vorstellen – das muss ich haben, da muss ich mit dabei sein!

    Unter diesem Aspekt muss man den Machern der „TW der ersten Stunde“ also einfach vorwerfen dass sie „gewöhnliche, engagierte Menschen“ und nicht „Genies“ waren. Und da ich das auch nicht bin bin ich doch geneigt, diesen Leuten auch mit einer gewissen Nachsicht und dem gebührenden Respekt für das Wagnis zu begegnen.

    Grundsätzlich fragt sich natürlich auch ob „Nachrichten“ in Zukunft auch ein wenig in der gleichen Kategorie verstanden werden müssen wie „Grundlagenforschung“, „Kunst“ und „Kultur“ ganz allgemein: Wirtschaftlich rentieren kann da fast garnichts – und gerade die besten Bemühungen sind auf freie Unterstützung angewiesen: Spenden, Sponsoren, Stiftungen usw. usw. Das war anfangs bei der TW gegeben, und dann eben nicht mehr. Das wäre bei einem Forschungsinstitut, Museum, Konzertsaal, Musikschule, Theater usw. auch nicht anders!

    Nur dass wir’s da halt schon lange wissen.

  5. Ich wundere mich über so viele Rechtschreib-, Grammatik- und Zeichenfehler in einem Artikel von einem Journalisten und Medienwissenschaftler.

    Weiterhin sind Ausdruck und Verständlichkeit schwierig. Und es handelt sich um einen verschraubten, unklaren Schreibstil. Botschaften sind teilweise unklar: „Was möchte der Autor ausdrücken?“

    Syntax-, Bezugs- und Sprachfehler reihen sich aneinander. Beispiel: Ich esse ein Brötchen und ich lese Artikel…aber sicherlich konsumiere ich keine Inhalte. Oder: Es geht die Erinnerung…gibt es im Deutschen nicht. Oder: Fans einer Zeitung…gibt es nicht. Es gibt allenfalls Leser, Interessenten, Abonnenten, Anhänger einer politischen Richtung. Fans kommen im Show- und Sportbereich vor. – Und ein Nachruf wird geschrieben, wenn die Verdienste eines Verstorbenen gewürdigt werden. Nicht etwa, wenn eine Zeitung eingestellt wird. Und ein „kleiner Nachruf?“ Ein Kind ist klein, ein Stuhl kann klein sein…

    Es fehlen auch unbestimmte Artikel in Ihrem Text. Schon bizarr, Ihr Text, Herr Zehnder.

    Bin gespannt, welchen Journalisten Sie als Chefredaktor der BZ die „Ehre“ erweisen und diese fest einstellen. – Vermutlich sind Seilschaften der wahre Grund dafür, dass Journalisten und Chefredaktoren eingestellt werden.

    Wo ist hier die Moral, Herr Zehnder?

    Mfg von Rolowskaja

    1. Liebe Annabelle von Rolowskaja, ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht ganz, was Sie mir sagen wollen. Wenn Sie Fehler gefunden haben – schön. Ein rasch geschriebener Blogtext ist kein sorgfältig edierter Artikel, der zweimal durch eine Korrektur läuft. Mit Ihren Bemerkungen (zB. Fans einer Zeitung gibt es nicht) bin ich nicht einverstanden, aber ich bin ursprünglich ja nur Linguist, da kann man sich auch mal irren. Was mich wunder nehmen würde: Was genau finden Sie bizarr? Und Warum soll ich wo jemanden einstellen und welche Seilschaften soll ich wie pflegen? Ich bin selbstständig, ich habe keine Mitarbeiter und plane auch nicht, welche einzustellen… Und welche Moral vermissen Sie genau? ich stelle mich sehr gerne einer Diskussion oder einer Auseinandersetzung, wenn ich wüsste, um was es genau geht…

  6. Mir geht es ähnlich wie Matthias Zehnder – ich verstehe Frau von Rolowskaja nicht. Erstens – „So viele Rechtschreib-, Grammatik- und Zeichenfehler “ sehe ich in dem Artikel nicht, obwohl ich nebenberuflich Korrektorin bin. Und zweitens, wichtiger – ich find seinen Schreibstil und Inhalt völlig klar, Ihren Text dagegen mit Verlaub bizarr, Frau von Rolowskaja.

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