
Felix Straumann: «Medien müssen sich mit fundierten Informationen profilieren.»
Das 353. Fragebogeninterview, heute mit Felix Straumann, stellvertretender Ressortleiter Wissenschaft/Medizin beim «Tages-Anzeiger» und den Tamedia-Zeitungen. Er sagt, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seien medienbewusster geworden. «Mitreden wollen heute immer öfter auch die Kommunikationsabteilungen der Hochschulen. Manchmal unterstützen sie, nicht selten bremsen sie aber leider oder schirmen ab.» Er könne nachvollziehen, dass «der stete Fluss von schlechten Nachrichten manchen Menschen zu viel» werde. «Komplette Abstinenz finde ich jedoch bedenklich und schlecht für Demokratie und Gesellschaft.» Interessant sei, dass Medienverweigerer glauben, dass sie «wichtige Informationen dann schon irgendwie mitkriegen. Wenn man mit ihnen spricht, merkt man jedoch schnell, dass sie das nicht tun.» «Fake-News-Diskussionen» würden «dafür verwendet, die Glaubwürdigkeit von Medien zu untergraben.» Er glaube aber, dass «besonders krude Manipulationsversuche es heute schwerer haben, auf Resonanz zu stossen.» Die KI könne heute beliebig «Inhalte zusammenschreiben». Medien müssten deshalb «einen Mehrwert liefern, wenn sie bestehen möchten. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass gut gemachter, klassischer Journalismus nicht durch KI ersetzt werden wird.»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Medien gibt es nur, wenn ich alleine frühstücke. Oft höre ich dann SRF4, um mich rasch auf den Stand zu bringen, bevor mein eigentlicher Arbeitstag beginnt und ich mich durch die Portale und Newsletter klicke.
Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, X, Bluesky, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?
Als Journalist bin ich mehrheitlich Passivmitglied und als solches unregelmässig unterwegs – vorwiegend auf LinkedIn, Bluesky und selten auf X. Während der Pandemie war Twitter ein guter Informationskanal, auf dem sich – neben allem Unsinn – auch nützliche Beiträge und Hinweise auf Studien und andere Veröffentlichungen finden liessen. Das ist leider vorbei. Etwas Gleichwertiges ist nicht entstanden.
Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?
Im Bereich Wissenschaftsjournalismus hat sich in den gut 20 Jahren, in denen ich dabei bin, einiges verändert. Abgesehen von der fortschreitenden Digitalisierung und in der letzten Zeit der KI, die natürlich auch meine tägliche Arbeit beeinflussen, sind insbesondere die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler medienbewusster geworden. Mitreden wollen heute immer öfter auch die Kommunikationsabteilungen der Hochschulen. Manchmal unterstützen sie, nicht selten bremsen sie aber leider oder schirmen ab. Geblieben ist, dass ich nach wie vor versuche, im direkten Kontakt mit Forscherinnen und Forschern zu meinen Informationen zu kommen.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Lange führte die Medienkonzentration zwar zu weniger Redaktionen, die aber dennoch schlagkräftig blieben und eine gewisse Themenkompetenz pflegen konnten. Es ist kein Geheimnis, dass inzwischen bei allen Medien – nicht nur in der Schweiz – der Druck gestiegen ist und alle mit ihren Geschäftsmodellen ringen.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Unbedingt.
Was soll man heute unbedingt lesen?
Gedrucktes: Bücher, Romane, Zeitungen, Zeitschriften.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Ich gebe dem Buch (und mir) meistens eine zweite Chance. Wenn es dann nicht besser wird, ist es allerdings nicht selten zu spät, um aufzuhören.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Überall. Bei der Arbeit, Zuhause, auf Reisen, in Gesprächen, beim Lesen, beim Surfen im Internet etc.
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
Keine Ahnung. Ich vermute noch länger. Gedruckte Zeitungen wird es so lange geben, wie es Leserinnen und Leser dafür gibt.
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Beides. Medien haben deswegen die Möglichkeit, sich mit fundierten Informationen zu profilieren. Gleichzeitig werden Fake-News-Diskussionen dafür verwendet, die Glaubwürdigkeit von Medien zu untergraben. Bei manchen fruchtet das. Doch generell glaube ich, dass besonders krude Manipulationsversuche es heute schwerer haben, auf Resonanz zu stossen.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Ich bin ein Fan von linearem (gesprochenem) Radio.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Nur sehr sporadisch und eher zufällig. Oder als Teil des linearen Radios (heute ist ja praktisch jede Sendung, die etwas auf sich hält, auch ein Podcast).
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?
Ich kann nachvollziehen, dass der stete Fluss von schlechten Nachrichten manchen Menschen zu viel wird. Komplette Abstinenz finde ich jedoch bedenklich und schlecht für Demokratie und Gesellschaft. Interessant dabei ist, dass die News-Deprivierten glauben, dass sie wichtige Informationen dann schon irgendwie mitkriegen. Wenn man mit ihnen spricht, merkt man jedoch schnell, dass sie das nicht tun.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Ob in zehn Jahren so viele Artikel beim Tages-Anzeiger oder auch anderen Medien automatisiert geschrieben werden, muss sich zeigen. Es könnte auch viel schneller gehen. Allerdings kann die KI auf Google oder wo auch immer bereits heute News und andere Inhalte zusammenschreiben. Medien müssen da einen Mehrwert liefern, wenn sie bestehen möchten. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass gut gemachter, klassischer Journalismus nicht durch KI ersetzt werden wird.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
Weder noch. Sie hat zu den bekannten Veränderungen im Journalismus geführt. Der Prozess geht weiter – mit positiven und negativen Folgen.

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
Ich fürchte, dass es sie braucht, und zwar stärker als heute.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Ja, zum Beispiel bei Recherchegesprächen oder Interviews.
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Die erste Amtszeit hat wegen der grossen Aufmerksamkeit für Trump vielen Medien wohl geholfen. Bei der zweiten könnten jedoch insbesondere die wirtschaftlichen Folgen seiner Politik auch für die Medien hierzulande bitter werden.
Wem glaubst Du?
Allen, aber nur, wenn eine zweite Quelle die Aussage bestätigt.
Dein letztes Wort?
Ich habe mich noch nicht festgelegt und hoffe, dass ich dafür noch etwas Zeit habe.
Felix Straumann
Felix Straumann ist stellvertretender Ressortleiter Wissenschaft/Medizin beim «Tages-Anzeiger», bei der »SonntagsZeitung÷ und den anderen Tamedia-Zeitungen. Er hat den Master in Mikrobiologie der Universität Zürich und verbrachte viele Jahre in Labors am Unispital und in der Privatwirtschaft, bevor er Journalist wurde. Nach dem Zusatzstudium Wissenschaftsjournalismus in Berlin startete er vor 20 Jahren auf der Mantelredaktion der «Aargauer Zeitung» sowie «Schweiz am Sonntag» und baute dort die Wissenschaftsberichterstattung auf. Seit 2010 ist er bei Tamedia.
Basel, 01.10.2025, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Bild: zvg
Seit Ende 2018 sind über 330 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/
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2 Kommentare zu "Felix Straumann: «Medien müssen sich mit fundierten Informationen profilieren.»"
Ist es heute nicht so, dass wenn ich wissenschaftliche News erfahren möchte, mich dem Internet zuwende und auf (auch offizielle) wissenschaftliche Seiten meine korrekten Informationen erhalte. Suche ich etwas Spezifisches, z.B. über eine Krankheit, erhalte ich neue (und hergebrachte) wissenschaftliche Information ebenda.
Es ist doch nicht mehr so, dass man in die Zeitung schaut, wartet und hofft, in irgendeiner Ausgabe das persönlich Interessante dann kommt.
Genau so wie ich nicht mehr auf 19.30 Uhr warte bis die Tagesschau kommt, der Moderator sich fein herausgepützerlt hat und dann irrelevante Meldungen vorliest, bis vielleicht (mein) Wetter drankommt. Ich sehe für solche Zeitungsseitzen schwarz. Ich glaube – und das zu recht – diese Zeiten sind passe.
Die Zeit der geschützten Luxus Werkstätten für Journalisten (privat etwas minimalistischer, bei SRG etwas oppulenter) neigen sich dem Ende – das hört man ja von vielen Medien-Menschen. Warum soll es dieser Zunft denn anders ergehen? Auch vielen anderen Menschen – z.B. Büroangestellte, Krämerläden, Coiffeure, Kurierfahrer geht es gleich…. Die Gürtel müssen enger geschnallt werden – wer bekommt da noch Luft? Jene mit den stärksten Ellbogen? Oder jene mit dem meisten Grips? Die wissenschaftl, Zukunftsforscher zucken mit den Schultern – und liegen oft daneben….
Übrigens: „Wissenschaftler haben herausgefunden….“ – aber danach fanden sie auch wieder rein 🙂…..
Welche „geschützten Luxus-Werkstätten für Journalisten“ meint Herr Zweidler eigentlich? „Die Gürtel müssen enger geschnallt werden“ – seit zwanzig Jahren werden laufend Journalisten entlassen, je nach Jahreskonjunktur gleich dutzendweise. Herr Zweidler behauptet immer wieder, dass Journalisten besonders viel verdienen, aber das wird durch ständiges Wiederholen nicht richtiger: Journalistinnen und Journalisten haben unregelmässige Arbeitszeiten, abends werden Veranstaltungen und Gemeinderatssitzungen besucht, die Kollegen vom Sport müssen nach 22 Uhr die Ergebnisse aus mehreren Sportarten verarbeiten, dazu kommen regelmässige Wochenend- und Sonntagsdienste. Diese werden in vielen Berufen (zu recht!) übertariflich bezahlt, bei Journalistinnen und Journalisten ist das quasi selbstverständlich im Lohn mit enthalten. Na ja, so viel wie UBS-Chef Sergio Ermotti kann natürlich kein Journalist arbeiten…