Dominik Landwehr: «Vertrauen ist die wichtigste Währung»

Publiziert am 24. Juli 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Dominik Landwehr, Publizist und Kulturmanager, über seinen persönlichen Mediengebrauch, seinen Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Er sagt, gerade im Zeitalter der Fake News sei klar: «Wir brauchen zuverlässige und vertrauenswürdige Medien.» Er plädiert dafür, «mehr längere Texte und auch Bücher zu lesen» – wobei ein längerer Artikel aus einem Magazin wie «The Atlantic» oder «The New Yorker» ihm die Lektüre eines langen Buches ganz gut ersetzen kann. Für gedruckte Tageszeitungen sieht Landwehr schwarz: «Herstellung und Distribution von Print für nur einen Tag ist einfach sehr aufwendig».

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Mein Handy oder mein iPad.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Facebook und Instagram gehören zu meinem Alltag. Mit Twitter bin ich immer noch nicht warm geworden.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Ich höre Radio, gucke TV und klicke mich durch die entsprechenden News-Seiten und versuche dann möglichst schnell eine Seite aus der entsprechenden Region zu finden. Das ist oft «Guardian», «NY Times», «Haaretz» für den Nahen Osten etc. Oft ist eine gute Zusammenfassung mit vertrautem Absender mehr wert als der letzte atemlose Update.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Ich bin 1980 zum Journalismus gekommen. Das war eine andere Zeit: Telefon, Publicus, Staatskalender und die wichtigsten Tageszeitungen waren unsere wichtigsten Informationsquellen. Damals gab es noch nicht mal Privatradios. Seither ist das Informationsangebot bekanntlich explodiert. Besser oder schlechter – ich denke, in diesen Kategorien lässt sich der Wandel nicht beschreiben. Es ist eigentlich alles anders.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Auf jeden Fall. Gerade im Zeitalter der Fake News ist klar: Wir brauchen zuverlässige und vertrauenswürdige Medien. Vertrauen ist die wichtigste Währung und das kann nur ein Qualitätsmedium aufbauen. Gleichzeitig muss genau das auch eine Verpflichtung für die so genannten Qualitätsmedien sein.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Generell plädiere ich dafür, mehr längere Texte und auch Bücher zu lesen. Ich lese zur Zeit zum Beispiel «Licht aus dem Osten» von Peter Frankopan oder «Maschinen wie ich» von Ian McEwan. Peter Frankopan ist eine Weltgeschichte aus der Perspektive des Ostens. Iam McEwans Buch eine gute Story zum Thema Künstliche Intelligenz. Eines der besten Bücher der letzten Jahre war für mich Philipp Bloms Buch «Der taumelnde Kontinent» über die Zeit der Jahrtausendwende 1900 – 1914. Ich bin Sachbuchfan, habe aber festgestellt, dass ein längerer Artikel aus einem Magazin wie «The Atlantic» oder «The New Yorker» mir die Lektüre eines langen Buches ganz gut ersetzen kann.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Besser müsste man fragen: Warum lese ich schlechte Bücher manchmal bis zum Ende und gute lege ich schnell weg?

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Meine Frau Susanna hat einen besseren Radar als ich und ist viel weniger impulsiv. Da kommen wichtige Impulse. Auch durch Hinweise von Facebook-Bekannten erfahre ich von Texten, auf die ich nie gekommen wäre.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Noch lange aber das Hauptgeschäft wird schon bald elektronisch sein. Herstellung und Distribution von Print für nur einen Tag ist einfach sehr aufwendig.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Ich erkenne eigentlich darin keine Gefahr für die Medien.  Ein kritischer Umgang mit Quellen gehört seit je zum journalistischen Handwerkszeug. Was mir mehr Sorgen macht, sind die Leserinnen und Leser: Es gibt eine Gruppe von Menschen, die partout nur das glauben, was ihnen gefällt, respektive was in ihr Schema passt. Sie benutzen Social Media als Lautsprecher. Ob das früher wirklich besser war, wage ich zu bezweifeln. Heute sind einfach auch die Idioten vernetzt unterwegs und schaukeln sich gegenseitig hoch.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Lineares TV und Radio hat eine eigenartige Magie. Ich höre fast jeden Tag das «Echo der Zeit» von Radio SRF beim Kochen. Natürlich könnte ich das auch als Podcast hören. Und ich gucke mir «Tagesschau» und «10vor10» an – vielleicht ein wenig später, aber doch mehr oder weniger zur gewohnten Zeit. Und zum Sonntagabend gehört der «Tatort» (leider gibt es da im Sommer nur Wiederholungen), den ich mir am liebsten genau dann ansehe, wenn er gesendet wird…

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Asche über mein Haupt: Ich produziere seit 2006 selber Podcasts (siehe www.digitalbrainstorming.ch), aber ich höre mir fast nur Sendungen von Radio SRF an.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Das ist für mich eine grosse, gesellschaftliche Challenge. Ich stelle auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis fest, dass Jugendliche sich über andere Kanäle informieren als wir. Klagen hilft da wohl wenig und ob es ein ausgebauter Medienunterricht in der Schule richten kann, wage ich zu bezweifeln.

Interessant: Es gibt aber komplett neue Formen und Formate, zum Beispiel Comedy – Böhmermann macht das ja ganz gut. Oder Epic Rap Battles of History. Ich denke da ist einiges Potential auch für die Medienmacher – die mögen das wohl nicht so. Ich hab mal zwei jugendliche Youtuber dazu interviewt: Sie fanden klassische News langweilig, weil man die Meinung des Absenders nicht spürt. Da sind mir natürlich die Haare zu Berg gestanden…

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Da sind wir bei einer der grossen Kränkungen der Gegenwart und diesmal hat es die Journalisten erwischt. Es gibt tatsächliche Leistungen, die das Etikett «kreativ» tragen, die sich automatisieren lassen. Das passiert im Bereich der Text-Verarbeitung: Bei den letzten eidgenössischen Wahlen wurden über 2000 Texte von einem Programm geschrieben. Die schwedische Wikipedia hat eben die deutschsprachige Wikipedia in Bezug auf die Anzahl Artikel überholt. Sie generiert eine grosse Anzahl von Texten automatisch – aus WikiData.

Man muss wohl unterscheiden zwischen einfachen Service-Texten und Analysen, respektive Reportagen. Service-Texte wie sie etwa bei Abstimmungen, Ratsberichten oder im Sport anfallen, lassen sich sicher automatisieren. Analytische Texte oder Reportagen nicht.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Natürlich. Journalismus ist Analyse, Aufbereitung und Vermittlung von aktueller Information. Das ist eine Schlüsseldisziplin der Zukunft. Aber es sind viele neue Fähigkeiten gefragt – zum Beispiel Analyse und Aufbereitung von Daten. Das ist ein komplett neues Berufsfeld, von dem auch ich selber wenig Ahnung habe.

Wenn es um die digitale Zukunft geht – über- oder unterschätzen wir den Wandel, der uns durch die fortschreitende Digitalisierung noch bevorsteht?

Wir haben ihn in der Vergangenheit bestimmt unterschätzt. Egal was wir tun, wir liegen immer daneben. C’est la vie und das ist auch nicht schlimm. Ich mag die wiederkehrende Klage darüber, dass wir den Anschluss verpassen, auch nicht. Wichtiger ist wohl, dass wir uns nicht auf langfristige Prognosen verlassen.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Unbedingt: Meinen Einkaufszettel mach ich von Hand. Persönliche Grüsse und Glückwünsche auch. Aber ich schreibe kaum noch Briefe von Hand. Das hat aber auch mit meiner unleserlichen Handschrift zu tun.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Er ist wohl gut, weil er den kritischen Medien in den USA Aufwind gebracht hat. Aber er ist schlecht für das Land und schlecht für uns alle, das scheint mir wichtiger zu sein.

Wem glaubst Du?

Menschen, denen ich vertrauen kann. Medien, denen ich vertrauen kann.

Dein letztes Wort?

Tempora mutantur et nos mutamur oder: Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen. Oder in den Worten eins Vorsokratikers: Alles fliesst.


Dominik Landwehr
Dominik Landwehr (*1958) ist Publizist, Kulturmanager und Dozent. Seit Sommer 2019 frühpensioniert und unterwegs zu neuen Ufern. War während über 20 Jahren Abteilungsleiter im Bereich Pop und Neue Medien beim Migros-Kulturprozent. 2014 – 2019 Herausgeber der Reihe Edition Digital Culture (erschienen im Christoph Merian Verlag Basel). Langjähriger Journalist für Radio, TV und Print, einige Jahre auch als IKRK-Delegierter in Asien und Osteuropa.
www.sternenjaeger.ch


Basel, 24. Juli 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Kostet nichts, bringt jede Woche ein Mail mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar und einen Buchtipp. Einfach hier klicken.

Ein Kommentar zu "Dominik Landwehr: «Vertrauen ist die wichtigste Währung»"

  1. „Trump sei schlecht für das Land und für uns alle.“
    Kann ich diesen Satz einfach so stehen lassen – habe lang überlegt.
    Dieser Satz geht nicht. „Schlecht für uns alle“. Woher weiss Herr Landwehr das? Unnachvollziehbar diese Aussage. Lassen wir sie stehen.
    „Schlecht für das Land / die USA“. Vor den Wahlen der einzige Lichtblick vieler EINFACHEN US-Bürger. Unvergessen die Flaggen, die Buttons, die vielen Stickers auf den alten Chevis in den trostlosen, EINFACHEN Gebieten.
    Bald vier Jahre später: Vieles wurde gut, besser! In den USA darf z.B. mehr Eingewandert werden. Unter Bush (2001-2009) kamen 1040951 legale Immigranten. Unter Obama (2009-2017) nur 1063590 legale Immigranten. Unter Trump war die legale Einwanderung in seinem Amtsjahr sogar höher als im Durschnitt und er Bush und Obama (1128195 legale Immiganten) Quelle: US Departement of Homeland and Security/US Departement of State.
    Dank der jetzigen klugen US-Politik brummt der Wirtschaftsmotor. Die Schaffung von Arbeitsstellen hat einen historischen Höchststand erreicht. Die Arbeitslosigkeit ist unter vier Prozent gefallen und liegt damit auf dem tiefsten Niveau seit 2000. Vom Boom profitieren alle Teile der Gesellschaft. Die Arbeitslosigkeit unter AFOR-AMERIKANER und Schwarzen ist seit Trumps Regierungsantritt auf ein Rekordtief gesunken. Und dies nicht, weil sich viele Beschäftigte mit mehreren Billig-Jobs abrackern. Auch die Zahl der ARBEITER mit Mehrfachjobs ist auf einem der tiefsten Werte seit dreissig Jahren. Positiv. (Stellenausschreibungen in Tausend: 2008 = 2200, 2018 = knapp 7000. Quelle US Bureau of Labor Statistics). Grossartig. (Afroamerikaner: Arbeitslosigkeit auf Rekordtief: Trump im Vergleich mit Bush und Obama in Prozent: 2010 16,0%, 2015 10%, 2018 6% Quelle US Bureau of Labor Statistics) Phänomenal. (Amerikaner mit mehreren Jobs auf Langzeittief in Prozent: 1996 6.5%, 2014 5,6%, 2018 4,8% Quelle US Bureau of Labor Statistics). Wundervoll. Klar ist die Zustimmung im US-Volk gleichauf wie damals bei Obama (Zustimmung im Volk in Prozent kurz vor den Zwischenwahlen: Obama 2010: 45%, Trump 2018: 44% Quelle: Gallup). Hoffen wir dass die guten Leistungen des jetzigen US-Präsidenten auch WEITERHIN anhalten. Und das er wiedergewählt wird, ist so gut wie sicher.
    WEIL ER GUT IST FÜR DAS LAND. Fahren Sie durch die USA, erleben Sie selbst die Stimmung und an wie manchen Orten schon jetzt wieder die Trump-Fahnen gehisst werden.
    DIE EINFACHEN GEBIETE, DIE EINFACHEN MENSCHEN HABEN WIEDER ZUKUNFT.
    Fahren Sie aber nicht durch New York, wo die höchstbezahlten US-Intelektuellen murren, fahren Sie nicht durch Hollywood, wo die Stars und Sternchen mit Millionengagen wegen Trump schwarz tragen, und ausser Show und Zappel fürs Land noch keinen Finger krümmten – dies ist alles nicht der springende Punkt. Für den einfachen „forgotten man” wird viel getan und geschaut. Die Stütze des Landes. Der Mittelstand. Nicht die obere Hollywood-Glamur Industrie mit der grossen Show-Klappe.
    Jetzt ist der Afroamerikaner dran, der Stahlarbeiter, der Landwirt, der Burgerbrater….
    Auf das der “frogotten man” nie vergessen wird: Trump ist gut für „das Land“.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.