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König der Welt

Publiziert am 24. November 2022 von Matthias Zehnder

Wenn wir an Ludwig XIV. denken, sehen wir ihn als Sonnenkönig in Versailles. Doch das Prunkschloss vor den Toren von Paris war nicht einmal für die Hälfte seiner Regierungszeit seine Hauptresidenz und nie die einzige. Philip Mansel rückt das Bild zurecht: In seiner Biografie des grossen Königs zeichnet er das Bild eines Herrschers mit globalen Ambitionen unter anderem aus der Perspektive von Lille, Besançon und Strassburg sowie von London, Madrid, Konstantinopel und Bangkok. Denn Ludwig arbeitete nicht nur daran, Frankreich am Rhein, am Mississippi und am Mekong zu vergrössern, er zog auch auf andere Weise die Fäden im Sinne Frankreichs. Dazu gehörte die Wiedereinsetzung seiner Cousins, der Stuarts, auf die Throne Englands, Schottlands und Irlands; die Wahl eines französischen Prinzen zum König von Polen und Grossfürst von Litauen und die Bewahrung des Grossmachtstatus für die französischen Verbündeten, das Osmanische Reich und Schweden. Sein grösster Fehler war die Widerrufung des Edikts von Nantes, das die Ausübung des Protestantismus in Frankreich erlaubt hatte. Seine Stärke beruhte auf dem Militär: Ludwig XIV. war auch militärischer Führer. Die königliche Macht beruhte auf der militärischen Durchschlagskraft.

Philip Mansel erschüttert das Bild, das wohl die meisten von uns von Louis Quatorze haben, eins über das andere Mal. Wir kennen den König als auf Samt und Seide gebetteter Herrscher. Mansel präsentiert ihn uns als zähen, selbstbeherrschten Mann, der Krankheiten stoisch ertrug und sich in der Öffentlichkeit nichts anmerken liess: «Nur ein äusserst selbstbeherrschter und mutiger Mensch konnte es wie er im Jahr 1685 ertragen, sich alle Zähne von unbeholfenen Zahnklempnern ziehen zu lassen und dann in einer zweiten fürchterlichen Operation ein rotglühendes Eisen auf den Kiefer gedrückt zu bekommen, um die Wunden der Extraktion zu kauterisieren.»

Gleichzeitig war er ein emotionaler Familienmensch. «Als einer der wenigen Monarchen seiner Zeit, die mit ihrer Frau das Bett teilten, war er auch da, wenn sie ihre Kinder gebar oder krank war», schreibt Mansel. Der König trauerte intensiv, wenn ein Kind starb. Zur Familie gehörten übrigens auch die Mätressen des Königs, die er in aller Öffentlichkeit mit Freundlichkeiten überschüttete und die ganz offiziell zum Machtgefüge des Hofs gehörten.

Ludwig XIV. war aber auch ein professioneller Herrscher. Er verbrachte laut Mansel «ebenso viel Zeit mit seinen Ministern wie mit seiner Familie, seinen Hofbeamten oder seinen Mätressen.» Das Schloss von Versailles, das wir uns wohl vor allem als Lustschloss vorstellen, beschreibt er in seinem Buch als «Arbeitsschloss». Es verfügte über einen Ministerflügel mit Wohnungen und Büros für die Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, des königlichen Haushalts und der Marine. Das Ratskabinett, in dem Ludwig XIV. mit seinen Ministern zusammenkam, war wichtiger als das sich anschliessende Schlafzimmer, in dem er auch das Lever und das Coucher abhielt. Der König liess sich auch brieflich von Ministern und Militärs über alle Vorgänge im Land auf dem Laufenden halten. Mansel schreibt, er habe dafür gesorgt dass er «der bestinformierte Mann im Lande war». Er wollte, dass seine Minister frei mit ihm sprachen, doch sobald er einmal eine Entscheidung getroffen hatte, sollte sie nicht mehr hinterfragt werden. Allerdings neigte der König auch zu einem narzisstischen Absolutismus. Er kontrollierte alles in Versailles, sogar die Musik.

Spannend am Buch ist, dass Mansel zeigt, wie stark der französische Hof mit der ganzen Welt verknüpft war. Mansel schildert Ludwigs Politik und Strategie im Umgang mit dem Osmanischen Reich, aber auch mit Siam, China und Marokko. Diese strategische-politische Seite des Sonnenkönigs wirft ein anderes Licht auf seine Herrschaft. So entsteht das fesselnde Porträt eines Mannes, der auch mehr als 300 Jahre nach seinem Tod die Idee des grossen Monarchen verkörpert wie kein anderer. Nach der Lektüre wissen Sie auch, warum.

Philip Mansel: König der Welt. Das Leben von Ludwig XIV. Propyläen-Verlag, 944 Seiten, 76.50 Franken; ISBN 978-3-549-10023-3

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783549100233

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