Thomas Benkö: «Ist der Journalismus in den letzten Jahren zu brav geworden?»
Das 359. Fragebogeninterview, heute mit Thomas Benkö, AI Innovation Lead beim «Blick». Er sagt, seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk stecke er «in einer Twittlife-Crisis. Alle normalen Menschen flüchteten, und mein Resonanzboden ist weg.» Weder Bluesky noch Threads hätten die Lücke füllen können. «Ich bin jetzt auf LinkedIn aktiver – so schlimm ist es schon. Sad!» Er erinnert sich an die Zeiten, als es beim Umstieg auf Windows 3.11 «für die älteren Kollegen eine Maus-Schulung (sic!)» gab. Er selbst konnte sich den Maus-Kurs sparen, «weil ich schon mit Mac arbeitete und zu Hause einen Amiga500 hatte.» Mittlerweile kümmert er sich beim «Blick» um die Integration von Künstlicher Intelligenz und sagt, es «bräuchte eine Wasserzeichen-Pflicht für KI-generierte Bilder». Nicht für Journalisten, weil die «immer noch mitdenken». Vielmehr gehe es um Betrüger, die dorthin gehen, «wo Geld zu holen ist.» Zum Beispiel mit einem Deepfake-Videos von Karin Keller-Sutter. «Das Blöde ist: Die Masche funktioniert wie geschmiert, weil die Leute naiv sind und die Justiz nix tut.» Insgesamt sei die Digitalisierung fantastisch» um «Inhalte ans Publikum zu bringen». Aber: «Sie lässt das Geschäftsmodell erodieren.» Und jetzt «schicken uns Google, ChatGPT & Co. wegen AI auch weniger Leser auf die Medienseiten.»
Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?
Meine Push-Meldungen von der Nacht und mein Twitter- bzw. X-Feed – für News ist er immer noch gut.
Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, X, Bluesky, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?
Seit der Übernahme durch Elon Musk stecke ich in einer Twittlife-Crisis. Alle normalen Menschen flüchteten, und mein Resonanzboden ist weg. Weder Bluesky noch Threads konnten die Lücke füllen. Ich bin jetzt auf LinkedIn aktiver – so schlimm ist es schon. Sad!
Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?
Ich habe noch die ratternden Telexe mit Nadeldrucker und Traktorpapier erlebt. Infos suchten wir in gedruckten Enzyklopädien und Sachbüchern im Schrank. Beim Umstieg auf Windows 3.11 gab es für die älteren Kollegen eine Maus-Schulung (sic!) – die ich mir sparen konnte, weil ich schon mit Mac arbeitete und zu Hause einen Amiga500 hatte.
Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?
Ich möchte nicht in falscher Nostalgie schwelgen. Klar hatte man mehr Zeit für Artikel, die Pressereisen waren opulenter – und die Einnahmen höher. Was wirklich gelitten hat, ist die Lokalberichterstattung. Dafür ist dank Internet alles schneller und transparenter. Wer will, kann sich unglaublich breit informieren. Weltweit.
Haben geschriebene Worte noch Zukunft?
Ja. Obwohl ich eine kurze Zeit dachte, dass die Voice-Funktion von ChatGPT ein neuer Weg für die Zukunft sein könnte. Seit Version 5 nervt sie aber nur noch.
Was soll man heute unbedingt lesen?
Bücher sind mir in den letzten Jahren ein wenig verleidet. Immerhin wollte ich ein Manko beheben und habe kürzlich «Stiller» im Kino geguckt. Ich war der Einzige im Saal.
Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?
Ja, weglegen. Und seit ich «Tele»-Filmkritiker war, laufe ich auch aus schlechten Kinofilmen raus. Bei «Stiller» bin ich aber trotzdem sitzen geblieben.
Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?
Durch den TikTok-Algorithmus (Schreiner-Tricks, Weltraum-Rabbitholes, Expat-Erlebnisse, Drain-Unclogging, Decora-Mode, Indogermanische-Linguistik-Nerds und aktuell mongolische Oberton-Gesänge).
Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?
Früher habe ich gedacht, bis der letzte Print-Abonnent gestorben ist. Aber wahrscheinlich werden die serbelnden Druckereien und der hohe Papierpreis das Ende vorher besiegeln.
Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?
Gefahr! Im Mindesten bräuchte es eine Wasserzeichen-Pflicht für KI-generierte Bilder etc. – so wie Google das mit Synth-ID versucht. Medien sind aber gar nicht so schlimm dran, weil Journalisten immer noch mitdenken. Vielmehr gehen Betrüger dorthin, wo Geld zu holen ist. Mit KI erstellen sie Deepfake-Videos bspw. von Karin Keller-Sutter, zimmern gefälschte Artikel im Look bekannter Medienmarken mit geklauten Logos zusammen, verbreiten dies mit Unterstützung der Ad-Netzwerke von Google und Meta und verleiten naive Bürger so zu Krypto-Investitionen. Und das Geld ist weg. Das Blöde ist: Die Masche funktioniert wie geschmiert, weil die Leute naiv sind und die Justiz nix tut.
Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?
Im Fernsehen gucke ich höchstens noch ab und zu Live-Sport. In der Küche läuft SRF4, trotz der penetranten Wiederholungen. Wahrscheinlich hole ich meine Serafe-Gebühren so nicht raus.
Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?
Fun Fact: Ich habe schon im Januar 2006 in der damaligen SRF-Sendung «MTW» mal den Begriff Podcast erklärt. Nicht nur deshalb: Ja! Und ich höre sie immer noch – meistens auf dem Velo und beim Wandern/Skitouren. Momentan vor allem den Tech-/AI-Podcast «Hardfork», weil er aktuell und witzig ist. Und ich habe eben fünf Staffeln «Klenk & Reiter» nachgeholt, den «Falter»-Podcast aus der Gerichtsmedizin. Und natürlich «Ronzheimer», an dem kommt man nicht vorbei. Zudem habe ich nun mit «Prompt Zero» selber einen Podcast.
Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?
Als Erstes sollten wir dieses hochgestochene Wort «depriviert» nicht mehr verwenden. Zweitens habe ja als Jugendlicher Zeitungen nicht gelesen, weil das so lässig war – sondern weil es nichts anderes gab. Man muss als Medium dorthin, wo sich die Leute tummeln. Bedauerlicherweise sind Plattformen wie TikTok schlecht monetarisierbar.
Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?
Die AI ist gut im remixen des bestehenden Contents, nicht darin, neue Themen zu finden oder vor Ort nachzuhaken. Wenn sich Journalisten künftig aufs Recherchieren konzentrieren können und der Roboter das zusammenschreibt, ist das auch eine Chance.
Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?
Um Inhalte ans Publikum zu bringen, ist die Digitalisierung fantastisch. Aber sie lässt das Geschäftsmodell erodieren. Werbung im Print bringt pro Leser mehr Geld als Online als Mobile als im Social Web – und jetzt schicken uns Google, ChatGPT & Co. wegen AI auch weniger Leser auf die Medienseiten.
Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?
Wohl oder übel ja (siehe vorangehende Frage). Irgendjemand muss dem Staat auch künftig auf die Finger klopfen.
Schreibst Du manchmal noch von Hand?
Viel zu wenig. Ich fürchte, ich verlerne es ganz.
Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?
Leider ist sein Aktivismus gut für die Klicks – und schlecht für die Welt.
Wem glaubst Du?
Eigentlich niemandem, bevor ich es nicht geprüft habe.
Dein letztes Wort?
Täuscht es mich, oder ist der Journalismus in den letzten Jahren zu brav geworden?
Thomas Benkö
Thomas Benkö hat das KV absolviert und ist dann als Redaktion-Assistent bei der Fernsehzeitschrift «Tele» in den Journalismus eingestiegen. Nach Stationen als Tele, Multimedia-Redaktor bei «ClickBlick», «Blick»-Reporter, Nachrichten-Chef «Heute», stv. Chefredaktor «Blick am Abend» und Co-Leiter «Blick-Online» arbeitet er jetzt als AI Innovation Lead beim «Blick».
Basel, 12.11.2025, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
Bild: zvg
Seit Ende 2018 sind über 350 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/
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Ein Kommentar zu "Thomas Benkö: «Ist der Journalismus in den letzten Jahren zu brav geworden?»"

Thomas Benkö sagt: „Seit der Übernahme durch Elon Musk stecke ich in einer Twittlife-Crisis.“ Aber er ergänzt: „Alle normalen Menschen flüchteten, und mein Resonanzboden ist weg“ – was mich beruhigt. Er als totaler AI-Mensch steckt nicht primär wegen Elon Musk in einer Krise, sondern weil bei seinem Haus-Social-Media die andern Menschen flüchteten, und deshalb sein Umfeld, oder wie er sagt Resonanzboden entfällt.
Twitter oder X wie es heute heisst, hat immer noch viele „normale“ Menschen an Bord: Viele CH-Politiker von FDP bis „Die-Mitte“-Partei (ehem. „CVP“-Partei) zwitschern weiter; und für was sie stehen, kann Musk wirklich nichts dafür. Auch der (ultra-) links – gewordene Meteo-Jünger Jörg Kachelmann veröffentlicht seine Posts noch dort. Primär hat Musk Twitter neu aufgestellt und noch internationaler gemacht.
Gegen Musk – welcher sich von der Politik wieder entfernte (seine eigene Parteigründung ist auch nicht mehr aktuell) ist ein Genie unserer Zeit. Wir alle wissen, was er schuf, begonnen mit Zip2 (1995), einem Online-Stadtführer und frühem Internetunternehmen, bei dem er schon die richte Nase hatte, es folgte der Schachzug X.com/PayPal (1999), ein Online-Bezahldienst, der zu PayPal fusionierte und später von eBay übernommen wurde. Weiter SpaceX (seit 2002): Ein Luft- und Raumfahrtunternehmen, das sich auf Raketen und Raumfahrzeuge spezialisiert hat. Es spielt bei der Ortung und Kommunikation ebenfalls die Trümpfe aus, hilft den Ukrainern im Krieg und kann (ohne 3,4,5 G Sendemasten) Satelitentelefonie von überall aus ermöglichen. Sei es in der Wüste, im Eis, in Frankreich oder auf dem Ozean. Er realisierte den Wegbereiter für alle kommenden E-Fahrzeuge namens Tesla (seit 2004), welches nebst Auto auch Batteriespeichern und Solarenergieprodukte fabriziert. Weiter auch SolarCity (2006): Ein Unternehmen, das sich auf Solarenergie-Dienstleistungen konzentriert… Das führende OpenAI (2015) ist ein Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz, ebenfalls in den Bereich fällt Neuralink (2016) welches als Unternehmen Gehirn-Computer-Schnittstellen entwickelt. Doch dies ist noch nicht alles, denn auch die The Boring Company (2017) welches Tunnelbautechnologien für den Transport entwickelt, wie z. B. den Hyperloop gehört dem breitaufgestellten Musk wie auch X.AI Corp., ein Unternehmen, das sich auf künstliche Intelligenz spezialisiert hat.
Um so ein Mann kommt die Welt nicht herum, was auch den Erfolg der neuen Welt (ohne endlos EU-Regulierungen, teuren Strom und schlechten Unis auf diesem Gebiet) begründet – und auch den Erfolg Trump, welches dieses Genre fördert. Deshalb kränkt mich die Pauschal-Antwort „Trump – schlecht für die Welt“, welche einem so intelligenten „Menschen&Medien“-Gast nicht würdig ist. Amerika wurde so links in den letzten Jahren, die Unis in Amerika sind extrem links – und wenn der linksextreme Zohran Mamdani, Bürgermeister von New York vor der Wahl Sachen verspricht, welche er wissentlich nie wird halten können (Neubau staatlicher Supermärkte und weitere unbezahlbare Schwarmgeistereien) nur um gewählt zu werden, schlägt das Pendel manchmal halt auch auf die andere (teils extreme) Seite.
Gleicher Meinung bin ich beim Wort „Depriviert“, ein Ausdruck, welchen sie sich an der «Universität Zürich» ausdachten, genauer auf den sie – nach langem „studieren“ (und einigen Bieren?!?) – im «Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft» gekommen sind… Irgendwie – und auch da Übereinstimmung wie Th. Benkö herrlich formulierte „hochgestochen“.
Ja – die Welt ist nicht nur schwarz/weiss, sie ist differenzierter, und da langt manchmal der längste Fragebogen nicht dafür….