Susanne Eberhart: «Radio – das ist bei mir eine lebenslange Liebesbeziehung»

Publiziert am 15. April 2020 von Matthias Zehnder

Sie ist eine der bekanntesten Radiofrauen der Schweiz. Im Fragebogeninterview sagt Susanne Eberhart, welche Medien sie selber nutzt. Sie erklärt, wie wichtig gerade heute guter und unabhängiger Journalismus ist und betont, dass sich Journalismus «nicht nur mit Werbung finanzieren» lasse. «In einer Demokratie ist es eine Grundvoraussetzung, dass die Leute gut informiert sind. Wie sollen wir sonst kompetent entscheiden können?»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Radio – seit ich denken kann! Das war schon im Elternhaus so.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Auf Facebook und Instagram bin ich selbst aktiv. Youtube und Twitter konsumiere ich nur.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Mein Medienkonsum auf allen Kanälen ist förmlich explodiert.

Am Anfang habe ich auch News auf Live-Tickern vor allem von SRF gelesen. Ich musste mich dann aber wieder einschränken, sonst hätte ich nicht mehr vom Homeoffice aus für die Genossenschaft arbeiten und meinen im Anfangschaos komplizierter gewordenen Alltag bewältigen können.

Bei der Eisenbahner Baugenossenschaft sind wir in verschiedenen Bereichen vom Corona-Virus betroffen – Stichworte dazu: Versammlungen, Miete, Wohnen (wenn «alle zuhause» sind), Zügeln, Spielplätze. Die Informationsbeschaffung ist aufwändig, aber auch sehr wichtig, um entsprechend reagieren und selbst informieren (Personal, GenossenschafterInnen) zu können.

Um die Lage selbst einschätzen zu können, war ich auch froh, um Facebook-Links von FreundInnen zu interessanten Inhalten internationaler Medien. Unterdessen bin ich nach langer Pause wieder zur traditionellen Tagesschau- und 10vor10-Seherin – allerdings zeitversetzt – geworden. Da bekomme ich eine gute Zusammenfassung der Ereignisse des Tages. Ich habe meinerseits aber auch ehemalige KollegInnen vor allem vom Kinderprogramm SRF Zambo und SRF mySchool auf interessante Themen und Informationen, auf die ich beim Surfen u.a. bei Social Media gestossen bin, aufmerksam gemacht und habe ihre journalistische Arbeit dann bei mir auf Facebook verlinkt.

Speziell erwähnen möchte ich auch noch den täglichen Newsletter mit regionalem Medienspiegel von «Bajour». Dieses Projekt stand am Anfang der Corona-Krise selbst mitten in den Startlöchern. Die Leute von «Bajour» haben via Facebook die Gruppe «Gärn gscheh – Basel hilft» initiiert. Diese Community hat unterdessen über 15’000 Mitglieder und organisiert Hilfsangebote in der Region Basel und stellt auch eine Online Plattform für Geschäfte zur Verfügung, die unter den Corona-Einschränkungen leiden. Es ist zu hoffen, dass «Bajour» durch Mitglieder-Beiträge auch in der Nach-Corona-Zeit überleben kann.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Es war anders – weder besser noch schlechter. Medien sind wie Instrumente oder Werkzeuge  – sie sind so gut oder so schlecht, wie man sie auswählt und einsetzt. Heute ist der Informations-Strom dank Internet viel grösser, vielfältiger und internationaler. Die Herausforderung besteht im Auswählen und Kuratieren – dafür ist guter und unabhängiger Journalismus wichtig. Der lässt sich nicht nur mit Werbung finanzieren. Zum Glück wurde bei uns vor einem Jahr die «No Billag»-Initiative mit über 70% Nein-Stimmen wuchtig verworfen. Öffentlich-rechtliche Medien dürfen nicht kaputt gespart werden.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

JA!

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Harry Potter – und ich meine das absolut ernsthaft! Shakespeare. Mark Twain. Astrid Lindgren. Peter Bichsel. Und Jean Paul Friedrich Richter – aber da bin ich ein Nerd 😉

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Leider kann ich begonnene Geschichten kaum weglegen.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im Gespräch mit Menschen. Zum Glück kenne ich viele verschiedene Menschen – alt und jung – aus unterschiedlichen Bereichen. Mich interessiert grundsätzlich gerade auch, was ich nicht verstehe oder was mich auf den ersten Blick nervt. Ich wechsle gerne die Perspektive – und überlege, was wäre, wenn es doch nicht so wäre, wie ich im Moment denke?

Da ich im realen Leben viele unterschiedliche Menschen kenne, hoffe ich auch, dass meine Bubble auf Social Media nicht allzu eng ist.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

5 Jahre?

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Beides – aber die Chance besteht nur, wenn Medienerziehung ein Pflichtfach wird für alle – und wenn sich guter Journalismus weiter finanzieren lässt (siehe oben).

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Radio ja – das ist bei mir eine lebenslange Liebesbeziehung 😉 Fernsehen teilweise – und eher zeitversetzt. Viele ursprünglich fürs Fernsehen produzierte Inhalte konsumiere ich online.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ja. SRF Zambo. Aber auch SRF3 Input.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Das ist nicht gut.

In einer Demokratie ist es eine Grundvoraussetzung, dass die Leute gut informiert sind. Wie sollen wir sonst kompetent entscheiden können? Nicht ohne Grund gelten die Medien neben Regierungen, Parlamenten und Gerichten als 4. Gewalt im Staat.

Und zudem – es geht ja nicht nur um News, sondern auch um Vertiefung und Reflexion.

Frage: war es früher besser? (siehe oben)

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

News eventuell teilweise schon. Aber Vertiefung und Reflexion eben nicht – und gute Geschichten und lebensnahe Reportagen übrigens auch nicht.

A propos Tamedia – oder neu TX Group AG – da scheint Journalismus je länger, desto deutlicher eine geschäftliche Randerscheinung zu werden – ganz im Sinne von «Business first».

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Es kommt auf die Finanzierungsmodelle an. «It’s the economy, stupid!» – Oekonomie im umfassenden Sinn verstanden.

Ich hoffe, dass immer mehr Menschen – ergänzend zu öffentlichen Fördergeldern – bereit sind, für guten Online-Journalismus auch etwas zu zahlen. Da gibt es unterdessen interessante Projekte und auch Modelle, um für journalistische Leistungen online bezahlen zu können.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

JA!

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja – Tagebuch und Notiz-Zettel.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Er ist generell nicht gut – weder für die Medien, die USA noch für den Rest der Welt. Er ist aber nicht der einzige Politiker mit diesem Status in meiner persönlichen Einschätzung.

Wem glaubst Du?

Glauben ist etwas sehr Persönliches. Vertrauen habe ich zu Menschen, die ich gern habe. Vertrauen basiert aber auch auf Erfahrung. Deshalb müssen sich Instanzen, zum Beispiel auch Medien, Vertrauen zuerst verdienen – letztere mit konstant gutem Journalismus.

Dein letztes Wort?

Wahrheit kannst du nicht besitzen – Wahrheit musst du suchen.


Susanne Eberhart
Susanne Eberhart (61) hat in Basel Germanistik und Geschichte studiert und dann die Regionalstelle Basel des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes (SAH) aufgebaut und geleitet. Danach hat sie zu Schweizer Radio DRS gewechselt und war da zunächst Redaktorin der Morgensendung «Vitamin-3» auf DRS3, dann Redaktorin/Moderatorin «Looping – Die Sendung für Kinder und andere gescheite Leute». Ab 2003 war sie verantwortlich in verschiedenen Leitungsfunktionen für interaktive Multichannel-Programme für Kinder («Pirando», «Zambo») und junge Zielgruppen bei DRS/SRF. 2008 erhielt sie den Zürcher Radiopreis für die Kindersendung «Pirando» und deren multi-mediales Angebot. Seit 2019 ist sie bei SRF pensioniert. Seither konzentriert sie sich auf ihr Amt als Präsidentin der «Eisenbahner Baugenossenschaft beider Basel (EBG)», das sie seit 16 Jahren ausübt. Davon abgesehen war und ist sie alleinerziehende Mutter einer unterdessen erwachsenen Tochter.


Basel, 15. April 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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PPS: Offenlegung – ich bin Mitgründer und Präsident von «Bajour». Dass Susanne Eberhart auf «Bajour» zu sprechen kommt, hat mich sehr gefreut – sie hat das aber völlig freiwillig und aus eigenen Stücken getan.

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