Sabine Meyer: «Wir können uns der Veränderung nicht widersetzen.»

Publiziert am 4. Juni 2025 von Matthias Zehnder

Das 336. Fragebogeninterview, heute mit Sabine Meyer, freie Journalistin, Podcasterin und Audio-Biografin. Sie ist mit dem «Beziehungskosmos» eine der erfolgreichsten Podcasterinnen der Schweiz und hört deshalb selbstverständlich Podcasts. Sie sagt aber: «Ich habe keinen absoluten Lieblingspodcast.» Von den sozialem Medien halte sie «Abstand, wo es geht. Gleichzeitig schätze ich es, via Instagram und LinkedIn mit Menschen ausserhalb meiner Bubble in Kontakt sein zu können.» Als Podcastern sieht sie die Digitalisierung der Medien durchaus positiv: Die Digitalisierung habe «neue Formate geschaffen und eine Zugänglichkeit möglich gemacht.» Wie alles habe es auch seine Schattenseiten: «Wer fühlt sich noch dem Journalist:innen-Kodex verpflichtet?» Sie findet, dass wir uns der Veränderung «nicht widersetzen» können: «Im Gegenteil, wir müssen sie bewusst angehen.» Punkto Finanzierung mache sie sich aber «tatsächlich Sorgen». Sie ist überzeugt, würden die Medien nur noch auf eine Automatisierung des Journalismus setzen, dann «ist das, als würden wir uns selbst beerdigen.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Unter der Woche höre ich meist SRF4 News. Am Wochenende gibt es ein Drei-Minuten-Ei und die «NZZ am Sonntag».

Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, X, Bluesky, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?

Ich halte Abstand, wo es geht. Gleichzeitig schätze ich es, via Instagram und LinkedIn mit Menschen ausserhalb meiner Bubble in Kontakt sein zu können.

Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?

Ich habe schon immer regelmässig Zeitung gelesen und Radio gehört. Seit ich selbst als Journalistin arbeite, lese ich vielleicht noch vermehrt zwischen den Zeilen und schaue bewusster, wer der oder die Macher:in ist.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Es war anders. Ich mag dieses Vergleichen nicht. Ich glaube, wir können uns der Veränderung nicht widersetzen. Im Gegenteil, wir müssen sie bewusst angehen. Punkto Finanzierung und technologischer Entwicklung mache ich mir aber tatsächlich Sorgen.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Absolut. Beim Schreiben ist ein Denkprozess möglich, der extrem relevant ist. Ebenso beim Lesen. Ich glaube auch, dass es immer ein Publikum geben wird für das geschriebene Wort.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Ich glaube, es ist bereits wertvoll, wenn die Leute überhaupt lesen. Und ich finde es immer auch sinnvoll, dass man verschiedenen Quellen nutzt. Wobei es ja immer schwieriger wird, die Quellen zu erkennen…

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich habe es in der Zwischenzeit gelernt, schlechte Bücher zur Seite zu legen. Es fällt mir aber tatsächlich immer noch schwer. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Im Dialog mit Menschen aus ganz verschiedenen Lebenswelten und manchmal tatsächlich auch via Instagram 🙂.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Ich bin zuversichtlich, dass sich die noch eine Weile halten werden, auch wenn vieles dagegen spricht. Aber ich mag die Hoffnung nicht verlieren. Das würde sich nach Aufgeben anfühlen.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Aktuell noch eine Gefahr. Vor allem auch, weil die klassischen Medien an Gewicht verlieren und eine Sparrunde, die nächste jagt.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Lineares Fernsehen schau ich nicht, abgesehen von Fussballspielen. Radio gehört für mich immer noch zum Alltagsritual. Ich schalte automatisch um halb Eins für das «Rendez-Vous» ein oder um 18 Uhr für das «Echo». Das ist irgendwie in meiner DNA drin.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich höre Podcasts. Selbstverständlich. Ich habe aber keinen absoluten Lieblingspodcast.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?

Das ist deprimierend und verheerend. Ich glaube, die Gründe sind aber zu komplex, um sie kurz und knapp zu umreissen – ebenso die Lösungen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Gewisse Prozesse und Zusammenfassungen lassen sich bestimmt automatisieren, ob das aber noch als Journalismus gewertet werden kann? Und ja, setzt man im Journalismus nur noch auf solche Produkte, ist das, als würden wir uns selbst beerdigen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Die Digitalisierung hat neue Formate geschaffen und eine Zugänglichkeit möglich gemacht. Das begrüsse ich sehr. Die Medien haben ihre exklusive «Gatekeeper»-Funktion verloren. Aber wie alles, hat auch das Schattenseiten. Stichwort Fake News oder wer fühlt sich noch dem Journalist:innen-Kodex verpflichtet?

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Ja, das brauchen wir. Gewisse Inhalte sind ohne Förderung nicht möglich. Ich erlebe es aktuell im Audiobereich. Komplexe Audioformate finden kaum Förderung. Sie fallen durch die Raster der Stiftungen oder Kulturförderungen der öffentlichen Hand.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Immer wieder. Vom Einkaufszettel über die Postkarten bis zu seitenlangen Briefen.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Er schafft es ja sogar in diesen Fragebogen. Unglaublich. Ob gut oder schlecht. Er nimmt definitiv viel zu viel Platz ein.

Wem glaubst Du?

Meinem Kater. Der meint, was er miaut.

Dein letztes Wort?

Ich wünsche mir, dass wir Journalist:innen uns noch etwas mehr Gedanken über unser eigenes Verhalten und unsere Arbeitsweise machen. Ich bin immer wieder erstaunt und erschüttert, wie Berufskolleg:innen mit Menschen, die sich interviewen oder mit Inhalten, die sie verarbeiten, umgehen.


Sabine Meyer
Freie Journalistin, Podcasterin und Audio-Biografin. Sabine Meyer hat in Freiburg Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert und während eines Praktikums beim Bundeshausradio die Liebe zu Audio entdeckt. Über 16 Jahre lang hat sie beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) als Redaktorin, Produzentin und Moderatorin gearbeitet, zuerst im Nachrichtenjournalismus und später in der Hintergrund- und Podcastredaktion. Seit 2023 ist sie selbstständig als Journalistin und Podcasterin. Bekannt ist ­sie in der Schweiz für «Beziehungskosmos»: Gemeinsam mit Psychotherapeutin Felizitas Ambauen redet sie darin seit 2020 alle zwei Wochen über Beziehungen. 2022, 2023 und 2024 ­war das der meistgehörte Podcast auf Spotify in der Schweiz. 2023 wurde «Beziehungskosmos» zum «Suisse ­Podcast of the Year» gekürt. https://www.sabinemeyer.ch


Basel, 04.06.2025, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Bild: Raphaela Graf

Seit Ende 2018 sind über 300 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/

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Ein Kommentar zu "Sabine Meyer: «Wir können uns der Veränderung nicht widersetzen.»"

  1. Frage: „Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?“
    Antwort: „Ja, das brauchen wir.“
    Antwort: „Komplexe Audioformate finden kaum Förderung.“
    Frage: …..Brauchen wir „Komplexe Audio-Formate?“

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