Maurice Thiriet: «Früher war das meiste schlechter. Teilweise grottenschlecht sogar.»

Publiziert am 29. Mai 2019 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview mit Maurice Thiriet, Chefredaktor von «watson», über seinen persönlichen Mediengebrauch, seinen Umgang mit sozialen und anderen Medien sowie Zustand und Zukunft des Journalismus in der Schweiz. Er sagt, früher seien die Inhalte der Medien schlecht gewesen, dafür die Arbeitsbedingungen in den Medien gut – heute sei es umgekehrt. Eine Gefahr für die Medien seien «Journalisten, die politisch motiviertes Framing übernehmen, mit dem sie sich selbst diskreditieren.» Junge Menschen hätten schon immer zu den Newsdeprivierten gehört: «Das neue Problem ist, dass diese Generation Social Media, wenn sie die journalistische Grundversorgung dann irgendwann Mitte der Zwanziger bräuchte, diese nicht in einer sie ansprechenden Form findet.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Mein Twitter-Feed mit allen grossen US-Medien und LateNight-Shows, Radio 24, «Blick», «Tages-Anzeiger», «Aargauer Zeitung». Samstags: «Spiegel». Und natürlich immer «watson».

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Facebook zur Kontaktpflege, Twitter zum News-Junken, Instagram zur Zerstreuung.

Es passiert etwas ganz Schlimmes wie 9/11. Wie informierst Du Dich?

Twitter, CNN, BFMTV.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Vom Output her: Bis 2000 in der Tendenz das meiste schlechter. Teilweise grottenschlecht sogar. Ausser Viktors Spätprogramm und Radio Basilisk. Von den Arbeitsbedingungen her: Bis 1990 alles besser (besonders für die Brauereien, Destillerien, Winzer und das «Chez Donati»).

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Ja.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Ilias, Script Avenue und die Tweets von Gabriel Vetter.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Kommt auf den/die AutorIn an. Wenn ich sie/ihn kenne, geb ich ihr/ihm bis zur letzten Seite eine Chance.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In der «Gala».

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

40 Jahre.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Fake News gibt es nicht, Fake News ist eine Wortschöpfung von Donald Trump. Eine Gefahr für die Medien sind Journalisten, die politisch motiviertes Framing übernehmen, mit dem sie sich selbst diskreditieren. Die sind dumm.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Radio 1 morgens und im Auto. TV bei der Tour de France und an Abstimmungs- und Wahlsonntagen.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Nein.

Welche App auf Deinem Handy nutzt Du am häufigsten (ausser Watson natürlich)?

Twitter.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 53 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

16- bis 29-Jährige haben schon immer zu den Newsdeprivierten gehört. Das neue Problem ist, dass diese Generation Social Media, wenn sie die journalistische Grundversorgung dann irgendwann Mitte der Zwanziger bräuchte, diese nicht in einer sie ansprechenden Form findet: Sprich mobile-konzipiert, social-media-optimiert, community-fokussiert. Deshalb ist unsere Mission bei watson, der Generation Social Media ein journalistisches Vollprogramm anzubieten, in einer Umgebung, einer Form und auf Distributionskanälen, die sie kennt und in der sie sich zu Hause fühlt.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Gewisse datenbasierte Inhalte lassen sich automatisch in Sprache übersetzen und publizieren, ja. Abstimmungsresultate, Sportresultate. Aber das wird austauschbar und niemand bezahlen wollen. Alles, was guten Journalismus ausmacht – Dossierkenntnis, gesunder Menschenverstand, Humor, Neugier, Empathie, Narzissmus – können Maschinen nicht ersetzen.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ja.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Wirtschaftlich ist Donald Trump ist ein Segen für die Medien. Die Online-Subscriptions bei WaPo und NYT sind seit seiner Wahl explodiert, ebenso die Quoten des bis dahin in Richtung Insolvenz serbelnden CNN. Für die Glaubwürdigkeit der Medien ist Donald Trump eine Katastrophe.

Wem glaubst Du?

Meinem Stellvertreter.

Dein letztes Wort?

Von Nichts kommt Nichts.


Maurice Thiriet

Maurice Thiriet ist Chefredaktor des Newsportals «watson». Thiriet ist in Basel aufgewachsen hat an der Universität Zürich Geschichte studiert und danach bei «20 Minuten» und dem «Tages-Anzeiger» die Sporen abverdient. 2014 gehörte er zum Gründungsteam von «watson». Nach dem Abgang von Hansi Voigt übernahm Thiriet im Juli 2016 die Redaktionsleitung des Newsportals.

https://www.watson.ch/


Basel, 29. Mai 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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