Esther Schneider: «Ich glaube nie nur einem Medium»

Publiziert am 23. Dezember 2020 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute: Esther Schneider, Leiterin der Literaturredaktion von SRF. Sie sagt, sie gebe einem Buch maximal 80 Seiten, «wenn ich es dann immer noch schlecht finde, lege ich es weg.» Sie ist überzeugt, dass es noch lange gedruckte Zeitungen geben wird: «Es ist einfach sinnlicher, zum Morgentee eine Zeitung in den Händen zu halten.» Sie findet, professioneller Journalismus sei «nötiger denn je». Die Informationsflut werde immer unübersichtlicher. Fakenews grassieren. «Da braucht es gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten mit hohem Ethos.» Und dann sagt Esther Schneider noch, welche fünf Bücher man unbedingt lesen muss.

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Ich höre Radio SRF2 Kultur zum Aufwachen und beim Frühstück SRF News um 6:30 und dann werfe ich einen Blick in die «Republik» und die NZZ.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Ich nutze Facebook und Instagram regelmässig.  Mir persönlich gefällt Instagram besser, weil stärker bildorientiert.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Ich lese noch mehr als vor Corona und ich nutze vor allem öfter Streaming-Plattformen wie Filmingo, Netflix, Sky und Apple-TV.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Ich bin kein Mensch, der denkt, früher war alles besser. Es war einfach anders.  Etwas Sorgen bereitet mir, dass die Vielfalt in der Schweizer Medienszenen abnimmt.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Auf jeden Fall.

Was muss man unbedingt gelesen haben?

Uff, sehr vieles… «Schneeland» von Yasunari Kawabata, die Trilogie von Hilary Mantel über Heninrich VIII., «Sarah» von Scott Mc Clanahan, «GRM Brainfuck» von Sybille Berg, Nathalia Ginzburg «Familienlexikon», …

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich gebe einem Buch etwa 80 Seiten, wenn ich es dann immer noch schlecht finde, lege ich es weg.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Von meinen beiden Söhnen, im Gespräch mit guten Freunden, auch bei meiner täglichen Arbeit im Kulturjournalismus und natürlich (wenn das hoffentlich bald wieder möglich ist) bei Ausstellungen und anderen Kulturveranstaltungen.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Noch lange. Es ist einfach sinnlicher, zum Morgentee eine Zeitung in den Händen zu halten. Vor allem am Sonntag, wenn ich mehr Zeit habe.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eher eine Gefahr.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich höre nur am Morgen und beim Kochen, wenn es gerade passt, live Radio. Und zwar Info- oder Hintergrundsendungen. Ab und zu Musik, zum Beispiel Virus Snooze oder Couleur 3. Alle anderen Sendungen, seien es Audioinhalte oder TV-Inhalte konsumiere ich zeitversetzt, wenn ich Zeit und Lust habe.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ja, ich höre oft und gerne Podcasts. Neben unseren eigenen Podcasts von SRF habe ich aus dem englischen Sprachraum ein paar Lieblingspodcasts wie etwa: «Books and Authors» (BBC4), «My Dad wrote a Porno», «Backlisted» und «The Guardian Book Podcast».

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Bis zu einem gewissen Punkt bestimmt. Alles was kurze, aktuelle und datenbasierte Informationen betrifft, etwa Sportresultate oder Wirtschaftsdaten. Aber da, wo es darum geht, etwas kritisch einzuordnen und in einen Kontext zu stellen oder mit Menschen zu reden (Portraits, Interviews) oder Stimmungen, Emotionen einzufangen, da kann ich mir den automatisierten Journalismus nicht vorstellen. Maschinen haben keine Emotionen und sind nicht kreativ im Schreiben.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Weder noch. Allerdings: Falls die Digitalisierung bewirkt, dass die JournalistInnen mehr Zeit für Recherche und Kreativität haben, dann kann sie mehr Freiräume bringen.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Unbedingt. Nötiger denn je. Die Informationsflut wird immer unübersichtlicher. Fakenews grassieren. Da braucht es gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten mit hohem Ethos.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Ja. Notizen schreibe ich von Hand, auch Gedanken, Ideen. Ich habe immer Notizbücher dabei.

Ist Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Schlecht.

Wem glaubst Du?

Hm, schwierige Frage. Ich glaube nie nur einem Medium. Ich vergleiche, lese und konsumiere verschiedene Medien. Und bilde mir dann ein Urteil. Aber SRF-Infos sind für mich zum Beispiel immer noch glaubwürdig.

Dein letztes Wort?

Viel Zeit mit Freunden verbringen.


Esther Schneider
Esther Schneider leitet seit 10 Jahren die Literaturredaktion von SRF. Davor war sie als Radiojournalistin in verschiedenen Funktionen und Programmen tätig. So hat sie unter anderem in der SRF-Informationsabteilung in Bern und in Aarau gearbeitet und jahrelang die Sendung «Persönlich» auf SRF 1 moderiert.  Sie hat Geschichte und Ethnologie an der Universität Zürich studiert sowie Kulturmanagement an der Universität Basel. Sie hat zusammen mit zwei Archäologen den Archäologiepark Vindonissa konzipiert und umgesetzt.
https://www.srf.ch/kultur/literatur


Basel, 23. Dezember 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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