Alessandra Paone: «Das Ziel der Medien muss die Selbstfinanzierung sein.»

Publiziert am 7. Mai 2025 von Matthias Zehnder

Das 332. Fragebogeninterview, heute mit Alessandra Paone, Mitinhaberin und Co-Chefredaktorin von «OnlineReports». Sie hat zusammen mit Jan Amsler das älteste verlagsunabhängige Onlinemedium der Schweiz übernommen und setzt online vor allem auf Geschriebenes: «Kein Film, Video oder Podcast packt mich so sehr wie ein gut geschriebener Text. Ich tauche ein und bin weg.» Ausserdem könne sie ihr Lesetempo selbst bestimmen und den «Text auch mal zur Seite legen, um eine Pause einzulegen». Mit Social Media kann sie «nicht viel anfangen». Facebook und Instagram nutze sie nur beruflich. «Twitter habe ich früher regelmässig als Informationsquelle genutzt, aber X finde ich nur noch gruusig.» LinkedIn sei für sie «eine Art Ersatz für Twitter» geworden. Die Basler Medienunternehmerin ist überzeugt, dass das Ziel der Medien die Selbstfinanzierung sein müsse. Der Staat könne helfen, «indem er Mittel für die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten zur Verfügung stellt.» Oder Werbung in den Medien schalte. Sie störe sich aber oft daran, dass «die Kantone zu Medienkonferenzen einladen, obwohl es eigentlich reine PR-Veranstaltungen sind».

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Als Lokaljournalistin muss ich unbedingt wissen, was in der Region passiert. Noch im Bett verschaffe ich mir kurz nach 6 Uhr mit dem «Basel Briefing» von «Bajour» eine Übersicht. Wenn mein Sohn am Frühstückstisch keine Lust hat, mit mir zu reden, überfliege ich den Mantelteil und lese den Regionalteil von «BaZ» und «bz». Ist er in Plauderlaune, hole ich die Lektüre der beiden Tageszeitungen im Zug nach und schaue noch bei «Prime News» vorbei. Das Regi begleitet mich vom Bahnhof bis zu unserem Büro am Münsterplatz. Neuerdings lese ich noch den NZZ-Newsletter «Guten Morgen Schweiz». Der ist cool! Und wenn ich Zeit habe, höre ich beim «Tagi»-Podcast «Apropos» rein.

Wie hältst Du es mit Facebook und Instagram, X, Bluesky, Threads und Mastodon, LinkedIn, YouTube und TikTok?

Ich kann mit Social Media nicht viel anfangen. Bei Facebook habe ich nur einen Account, um Inhalte von «OnlineReports» zu verbreiten. Mit Instagram verhält es sich ähnlich. Twitter habe ich früher regelmässig als Informationsquelle genutzt, aber X finde ich nur noch gruusig. LinkedIn ist für mich eine Art Ersatz für Twitter, und zum Rest habe ich keinen Zugang.

Wie hat sich Dein medialer Alltag seit Deinem Berufseinstieg verändert?

Der ist schon eine Weile her … Als Journalistin kommt man nicht darum herum, viele und auch verschiedene Medien zu konsumieren. Ich würde mich dennoch nicht als News-Junkie bezeichnen. Wenn ich in den Ferien bin, komme ich gut ein paar Tage ohne aus.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Weder noch; es war anders. Das gilt aber nicht nur für die Medien. Die Gesellschaft wandelt sich, die Technik ebenso, und die Digitalisierung schreitet rasant voran. Da ist es völlig normal, dass sich Dinge und damit auch unsere Gewohnheiten ändern. Ob zum Besseren oder zum Schlechteren, muss jeder für sich bestimmen.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Davon bin ich überzeugt. Kein Film, Video oder Podcast packt mich so sehr wie ein gut geschriebener Text. Ich tauche ein und bin weg. Ausserdem kann ich mein Lesetempo selbst bestimmen und den Text auch mal zur Seite legen, um eine Pause einzulegen.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Es gibt kein Muss bei Büchern oder Magazinen, genauso wenig bei Filmen. Die Interessen und Geschmäcker sind zum Glück verschieden. Zuletzt habe ich «Melody» von Martin Suter, «Gli anni veloci» von Carmine Abate und «Das Geheimnis von Zimmer 622» von Joël Dicker gern gelesen.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Ich kann sie gut weglegen. Leider liegen auf meinem Nachttisch aber nicht nur an-, sondern auch einige ungelesene Bücher. Als Staubfänger und stiller Vorwurf.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

Bei Gesprächen mit Freunden, Kolleginnen oder der Familie.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Solange es Leute gibt, die bereit sind, eine Zeitung zu abonnieren und dafür zu bezahlen. Ich glaube, dass sich das Bedürfnis, auch mal etwas auf Papier statt nur am Bildschirm zu lesen, lange hält.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Fake News machen Medien unverzichtbar. Selten war es so wichtig, dass möglichst viele Menschen Zugang haben zu seriösem, unabhängigem und gut recherchiertem Journalismus.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Ich höre morgens das Regionaljournal auf SRF 1 und beim Kochen, Abwaschen und Putzen hin und wieder SRF 3. Ich schaue selten fern und wenn, dann ist es oft etwas Belangloses zum Abschalten. Ich bin allerdings oft froh um die Replay- oder Streaming-Funktion.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Ich lese lieber. Aber wenn, dann höre ich «Apropos» und das «Politbüro» des Tages-Anzeigers.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 56 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehören?

Man muss aufpassen, dass man News-depriviert nicht mit desinformiert gleichsetzt. Wenn ich mit jungen Menschen spreche, staune ich oft, wie gut informiert sie sind. Wobei mir auffällt, dass sie das Weltgeschehen deutlich mehr interessiert als die Referendumsabstimmung in ihrer Wohngemeinde. Sie nutzen aber andere Kanäle als die klassischen Medien, um sich zu informieren. Was auch okay ist. Mit dem Einstieg in die Berufswelt ändert sich der Medienkonsum, weil plötzlich andere Themen wie die Steuerreform, die Wohnsituation oder die Qualität der Kita-Betreuung an Bedeutung gewinnen. Ein Zeitungsabo kommt dann eher infrage.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Schnelle Meldungen, bei denen es primär darum geht, kurz und knapp die wichtigsten Fakten zusammenzufassen – auf jeden Fall. Was darüber hinausgeht, lässt sich hingegen nicht automatisieren: Recherchen, die Gespräche mit Quellen erfordern, Reportagen, für die man vor Ort sein muss, oder Einordnungen.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Muss der Journalismus befreit werden?

Brauchen wir in der Schweiz eine Medienförderung?

Das Ziel der Medien muss die Selbstfinanzierung sein. Der Staat kann aber helfen, dieses Ziel zu erreichen. Zum Beispiel, indem er Mittel für die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten zur Verfügung stellt. Oder die Verwaltung in den Medien Werbung schaltet. Ich störe mich oft daran, dass die Kantone zu Medienkonferenzen einladen, obwohl es eigentlich reine PR-Veranstaltungen sind.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Oft sogar. Notizen, Einkaufszettel, Glückwunschkarten und Briefe an meinen Sohn.

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Trump schadet den Medien nicht, vielmehr fordert er sie heraus. Durch ihn sind Fake News salonfähig geworden. Umso wichtiger sind seriöse Medien, die Trumps Worte und Taten einordnen und der Gesellschaft eine wahrheitsgetreue Alternative bieten können.

Wem glaubst Du?

Meiner Familie und meinen Freunden. Und manchmal meinem Bauchgefühl.

Dein letztes Wort?

Danke!


Alessandra Paone
Alessandra Paone ist Mitinhaberin und Co-Chefredaktorin von «OnlineReports». Bevor sie im Juli 2023 zusammen mit Jan Amsler das älteste verlagsunabhängige Onlinemedium der Schweiz übernahm, war sie Inlandredaktorin beim «Tages-Anzeiger». Zuvor war sie während zehn Jahren als Lokalredaktorin bei der Basler Zeitung und während vier Jahren auf der Redaktion der «bz» tätig. Paone hat an der Universität Basel Italienisch und Französisch studiert und mit dem Lizentiat abgeschlossen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Baselbiet.


Basel, 07.05.2025, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

Bild: Pino Covino

Seit Ende 2018 sind über 300 Fragebogeninterviews erschienen – eine alphabetische Liste mit allen Namen und Interviews gibt es hier: https://www.matthiaszehnder.ch/aktuell/menschenmedien-die-uebersicht/

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Ein Kommentar zu "Alessandra Paone: «Das Ziel der Medien muss die Selbstfinanzierung sein.»"

  1. „Die Welt, von der uns Medien berichten, nehme ich immer öfter als verrückt wahr. Es wird viel kaputt gehen. Und dies nicht nur dort, wo Kriege herrschen. Möglich ist dies unter anderem mit einer Bevölkerung und ihrer Politik, wenn sie von einer Mehrheit von Dummen (die nicht wissen, was sie tun), Gleichgültigen (denen eh alles Wurst ist), Schlauen (die nur das wollen, was ihnen selber nützt) und intelligenten Gemeinen (die dafür auch noch andere über denTisch ziehen) dominiert wird. Mir selber tut es gut, wenn es mir gelingt, diese Welt nicht mehr hoffnungslos ernst zu nehmen. Froh und glücklich von Herzen sowie zuversichtlich im Kopf bin ich für und mit Projekten engagiert, die in einer anderen Welt für eine andere Welt unterwegs sind: Es freut mich, dass und wie es immer mehr werden!“ – Dieser Kommentar – er wurde von «OnlineReports» publiziert – setzt einen Kontrapunkt zu dem, was Medien aller Art beispielsweise in und um Basel aktuell im Zusammenhang mit dem ESC und dem FCB massengeil und unreflektiert zelebrieren.

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