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Einfach nicht altern?

Publiziert am 20. Oktober 2025 von Matthias Zehnder

Der amerikanische Unternehmer Bryan Johnson will sein Leben so weit optimieren, dass er nicht nur hundert Jahre alt, sondern sogar unsterblich würde. Kann das gehen? In ihrem Buch gehen die beiden Journalisten Jennifer Sieglar und Tim Schreder dieser Frage auf den Grund. Sicher ist: Unsere Gene erklären nur zu etwa 20 bis 30 Prozent, wie alt wir werden und wie lange wir gesund bleiben. Neuere Studien gehen sogar von einem noch geringeren Anteil aus. Das bedeutet: Entscheidend ist der Lebensstil. Aber was genau? In Ihrem Buch versuchen die beiden Journalisten zuerst einmal zu verstehen, was Altern bedeutet. Was passiert in unserem Körper, wenn wir älter werden? Was davon können wir beeinflussen und wie? Dann klopfen sie anhand von wissenschaftlichen Studien und im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern den Alltag ab: Sie zeigen, welchen Beitrag Faktoren wie Ernährung und Sport, Schlaf und Stress, aber auch Freundschaften und der Sinn des Lebens auf die Langlebigkeit haben. Schliesslich zeigen sie praxisnah und mit vielen Tipps und Optionen, wie sich die Erkenntnisse aus der Longevity-Forschung im Alltag umsetzen lassen. Dabei ist eine Erkenntnis zentral: Am biologischen Alter lässt sich nicht rütteln. Niemand kann die Zeit zurückdrehen. Das biologische Alter zeigt, wie viel Verschleiss sich im Körper bereits angesammelt hat. Das Alter zeigt also, «in welchem Zustand du heute bist. Je mehr Schaden der Körper angesammelt hat, desto höher ist das biologische Alter. Wenn du gut gelebt hast, wird dein biologisches Alter vermutlich etwas niedriger sein als dein chronologisches Alter. Hast du eher schlecht gelebt, kann dein biologisches Alter entsprechend auch höher sein als dein chronologisches Alter.»

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«Doch mit einem kleinen n ändert sich alles: Aus dem Alter wird das Altern» – und das ist der Teil, den wir alle beeinflussen können. Die beiden schrieben: «Je besser du lebst, desto langsamer alterst du, biologisch gesehen. Auf diesen Wert hast du massiven Einfluss. Wer mit Langlebigkeitsprinzipien lebt, kann seinen biologischen Alterungsprozess verlangsamen – zum Beispiel kannst du dann biologisch nur noch um 0,8 Jahre pro Jahr altern. Deine Aussichten auf ein langes, gesundes Leben steigen dadurch deutlich.»

Siel selbst haben, während sie das Buch geschrieben haben, ihr Leben «ziemlich auf den Kopf gestellt», wie sie erzählen. «Das war nicht immer einfach. Aber es hat sich gelohnt.» Epigenetische Tests und Gesundheits-Tracker hätten gezeigt, dass sie beide «biologisch mehrere Jahre jünger sind als chronologisch». Die Tests zeigten auch, dass «wir beide jedes Jahr um deutlich weniger als ein Jahr altern.» Die beiden sind deshalb überzeugt: «Es funktioniert also.» Jeder, der auch nur Bruchstücke aus dem Buch umsetze, könne «mehrere Jahre gesunde Lebenszeit hinzugewinnen».

Die gute Nachricht: «Die allermeisten Menschen können von heute auf morgen die Geschwindigkeit ihres Alterns verringern, indem sie Dinge bleiben lassen.» Die vier Todsünden (fast schon im wörtlichen Sinn) sind Rauchen, Alkohol, Übergewicht und Risikoverhalten. Diese vier Dinge wegzulassen, hat von allen Massnahmen den grössten Effekt. Die beiden schreiben deshalb: «Bevor wir also damit anfangen, unserem Körper ‹etwas Gutes zu tun›, sollten wir zunächst aufhören, ihn mit bestimmten Verhaltensweisen zu sabotieren und zu schädigen.»

Ans Eingemachte geht es bei der Ernährung: Eine typische westliche (oder besser: US-amerikanische) Ernährung ist reich an rotem Fleisch, stark verarbeiteten Lebensmitteln, raffiniertem Zucker, Weissmehl und gesättigten Fetten. Gleichzeitig enthält die Ernährung zu wenig Obst, Gemüse und Ballaststoffe. Gegenentwurf zum amerikanischen Lebensstil ist die mediterrane Diät: Sie basiert auf viel Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkorn, Fisch, Olivenöl und moderatem Weinkonsum. Sie liefert mehr ungesättigte Fettsäuren, Antioxidantien und entzündungshemmende Nährstoffe.

Das ist nichts Neues. Spannend sind aber die Studien, die die beiden Journalisten zitieren. Sie kommen zu einem spannenden Ergebnis: «Sogar wenn man erst im Alter von sechzig Jahren seine Ernährung von westlich auf mediterran umstellt, kann man noch etwas mehr als acht Jahre Lebenszeit gewinnen. Selbst mit achtzig Jahren gewinnt man noch etwa drei bis vier Jahre hinzu.»

Ernährung sei «die grösste und wissenschaftlich am besten belegte Stellschraube, an der wir drehen können, um aktiv länger und gesünder zu leben. Und deshalb erfordert dieser Lebensbereich auch besondere Aufmerksamkeit und Priorität.» Deshalb widmen sie in ihrem Buch der Ernährung das längster Kapitel. Ihr Buch geht aber weit über einen Ernährungsratgeber hinaus. Sie widmen sich auch Bewegung und Sport, dem Schlaf (sehr spannend), Stress, Anspannung und Entspannung, Nahrungsergänzungsmitteln und Supplements, sozialen Faktoren wie Freunde und Familie, Giften im Alltag, medizinischen Eingriffen und Wellness.

Und was passiert, wenn viele Menschen all diese Empfehlungen einhalten? Optimistische Experten sagen, dass etwa die Hälfte der heute in Europa geborenen Menschen ihren hundertsten Geburtstag erleben können. «Im Rahmen unserer Recherche haben wir die hundert Jahre sowohl von Wissenschaftlern als auch von Menschen, die ihr Leben selbst der Langlebigkeit verschrieben haben, immer wieder als realistisches Ziel gehört», schreiben Jennifer Sieglar und Tim Schreder. Aber wo liegt die Grenze? Der offizielle Altersrekord liegt derzeit bei 122 Jahren und wurde von der Französin Jeanne Calment aufgestellt. Mehrere andere Menschen haben die 115er-Marke bereits deutlich überschritten. «Diese Zahlen verdeutlichen, dass unsere Biologie durchaus Reserven hat, zumal wenn man bedenkt, dass jemand wie Jeanne Calment schon im 19. Jahrhundert erwachsen war.»

Die biologische Forschung sagt heute, die Schallmauer befinde sich irgendwo zwischen hundertzwanzig und hundertfünfzig Jahren. Jennifer Sieglar und Tim Schreder schreiben, eine Lebenserwartung von hundert bis hundertzwanzig Jahren sei realistisch. «In den 1990er-Jahren galt es noch als unvorstellbar, das Leben eines Säugetiers wie der Maus um 50 Prozent zu verlängern. Heute ist genau das durch verschiedene Eingriffe schon mehrfach gelungen. Natürlich ist der Sprung vom Mausmodell zu uns Menschen gewaltig – aber es zeigt, dass radikale Lebensverlängerungen biologisch heute schon möglich sind und wie schnell Durchbrüche, die gestern noch unmöglich erschienen, zur neuen Normalität werden können.»

Eine ganz andere Frage ist, welche Folgen das für die Gesellschaft hat, für das Wahlverhalten, das Rentensystem, die Arbeitswelt. Und was die Menschen mit der langen zusätzlichen Lebenszeit anfangen werden. Jennifer Sieglar und Tim Schreder, die übrigens auch privat ein Paar sind, erklären die Altersforschung lebendig und in frischem Ton. Sie kombinieren wissenschaftliche Erkenntnisse mit verständlicher Sprache und direkter Ansprache. So wird ihr Buch auch zum Mutmacher.

Jennifer Sieglar, Tim Schreder: Einfach nicht altern? Die Wissenschaft der Langlebigkeit verständlich erklärt. Piper, 384 Seiten, 25.50 Franken; ISBN 978-3-492-06628-0

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783492066280

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps finden Sie hier: https://www.matthiaszehnder.ch/buchtipp/

Basel, 20.10.2025, Matthias Zehnder

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