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Als Pippi nach Deutschland kam

Publiziert am 17. Juli 2025 von Matthias Zehnder

Astrid Lindgren und Pippi Langstrumpf, Michel, Lisa und ihre anderen Figuren gehören zu unserer (wenigstens zu meiner) Kindheit. Bullerbü und Saltkrokan sind so selbstverständlich Teil unserer Kindheit, dass vielen Menschen gar nicht bewusst ist, dass Astrid Lindgren Schwedin ist und es keineswegs selbstverständlich war, dass Pippi Langstrumpf nach Deutschland und in die Schweiz kam. Dieses Buch erzählt, wie Pippi die deutschsprachigen Länder eroberte. Am Anfang steht ein mutiger, junger Verleger namens Friedrich Oetinger. Der reiste 1949 nach Stockholm und besuchte Astrid Lindgren. Fünf deutsche Buchverlage hatten die Veröffentlichung bereits abgelehnt. Zwar hatte Astrid Lindgren die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, aber ihre Erwartungen an deutsche Verleger waren nicht mehr sehr hoch. Sie selbst beschrieb das erste Treffen mit Oetinger später und berichtete von einem «bescheidenen Herrn; ein sanftmütig blickender, freundlich lächelnder Mann». Nach einem erfolgreichen Verleger habe er allerdings nicht gerade ausgesehen: «Er war in der Tat recht dürftig gekleidet, aber während dieser ersten Nachkriegsjahre war es wohl in Deutschland nicht so leicht, elegant gekleidet zu sein.» Oetinger liess sich von Freunden die ersten Kapitel übersetzen und war begeistert. Er sicherte sich die rechte an den Geschichten über Pippi. Damit ging er aber ein grosses Risiko ein. Die deutsche Wirtschaft hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht erholt. Viele Menschen hatten kaum Geld. Oetingers damalige Sekretärin Heidi von Hacht, die später als Heidi Oetinger seine Frau werden sollte, war aber so überzeugt von Pippi, dass sie ein Jahr lang auf Teile ihres Gehalts verzichtete, um die Kosten mitzutragen. Es sei also auch ihrem Engagement und ihrem Glauben an Pippi Langstrumpf zu verdanken, dass der Erfolg möglich wurde.

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In seinem Buch über Pippi in deutscher Sprache erzählt Micke Bayart, wie die Geschichten über das freche Mädchen im deutschsprachigen Raum ankamen. Er zeichnet dabei das bunte Bild des deutschen Pippi-Phänomens spannend nach.

Interessant ist das nicht nur der vielen Geschichten rund um Astrid Lindgren wegen, sondern auch als Einblick in die Kulturgeschichte. Pippi stiess in Deutschland auf strenge Lehrer und ein verkrustetes Schulwesen und hatte es zu Beginn zuweilen schwer. Es half dabei nicht, dass Pippi selbst nicht zur Schule geht. Wenigstens fast nie: Als Tommy und Annika sich auf ihre Ferien freuen, findet Pippi das ungerecht, weil sie selber keine Ferien hat. Also reitet sie in die Schule und stellt zur Freude ihrer Mitschüler in bester Pippi-Manier den Schultag so richtig auf den Kopf. Was die Lehrer in Deutschland natürlich beunruhigte. Zumal Astrid Lindgren klarmachte, dass auch sie die Schule nicht so wichtig findet. Sie war davon überzeugt, dass vor allem Geschichten und Fantasie für Kinder wichtig sind.

Die Aussagen von Astrid Lindgren über die Rezeption von Pippi in Deutschland, ihren Kampf mit den Pädagogen und ihr Plädoyer für die Freiheit machen das Buch besonders lesenswert.

Micke Bayart: Als Pippi nach Deutschland kam. Ein Buch voller Krummeluspillen, Spunk und Plutimikation. Oetinger, 256 Seiten, 29.50 Franken; ISBN 978-3-7512-0522-1

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783751205221

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps finden Sie hier: https://www.matthiaszehnder.ch/buchtipp/

Basel, 17.07.2025, Matthias Zehnder

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