Dominic Dillier: «Ich nehme lieber das Telefon ans Ohr»

Publiziert am 15. September 2021 von Matthias Zehnder

Das Fragebogeninterview über Mediennutzung – heute mit SRF3-Moderator Dominic Dillier. Er sagt, Facebook sei «eine Social Media-Müllhalde», die ihm überhaupt nicht passe. «Wir schreiben den ganzen Tag auf unseren Smartphones. Ich vermisse das klassische Telefon und weigere mich manchmal, die ganzen Kurznachrichten hin- und herzutippen. Deshalb nehme ich lieber das Telefon ans Ohr.» Dillier sagt, die Digitalisierung mache viele Leute zu «New Economy-Sklaven und uns zu Abhängigen aller Arten von Medien, ob diese aber auch wirklich wichtig sind und uns guttun, steht auf einem anderen Blatt.» In einer Zeit, in der es guten Journalismus dringender denn je braucht, werde «die Glaubwürdigkeit von Journalistinnen und Journalisten überall bewusst geschwächt und mit Fake News überzogen.»

Welches Medium darf bei Dir zum Frühstück nie fehlen?

Ich checke meine Wetter-Apps sowie manchmal kurz eine News-App. Für Radio ist es bei uns am Morgentisch zu laut und zu hektisch.

Wie hältst Du es mit Facebook, Twitter und Instagram?

Facebook ist eine Social Media-Müllhalde, die mir überhaupt nicht passt. Allerdings ist ein Grossteil «meines» Publikums dort aktiv, deshalb bin ich noch nicht ganz ausgestiegen. Twitter ist mir eigentlich zu gehässig, checke ich aber trotzdem regelmässig, auch weil sich die ganze Medienbranche auf Twitter tummelt. Instagram gefällt mir, ich bin jedoch zu wenig versiert und habe keine Zeit für ausgeklügelte Insta-Stories.

Wie hat das Corona-Virus Deinen medialen Alltag verändert?

Wir hatten das volle Programm, mit Isolation, mehrmals Quarantäne und natürlich endlosem Home-Schooling. Ich war aber auch in der glücklichen Situation, dass ich gleich in unserer Nachbarschaft ein Büro habe, zusammen mit den zwei alten Radiokollegen Stephan Lütolf und Tom Gisler (https://www.buerogdl.ch/). Dieses Medienatelier wurde während Corona zum erweiterten Home-Office und Pandemie-Rückzugsort.

Wenn Du an die Medien in der Schweiz denkst – war früher alles besser oder schlechter?

Definitiv besser. In einer Zeit, in der es guten Journalismus dringender denn je braucht, wird die Glaubwürdigkeit von Journalistinnen und Journalisten überall bewusst geschwächt und mit Fake News überzogen. Die grossen Schweizer Medienhäuser machen riesige Gewinne mit digitalen, kommerziellen Plattformen, investieren diese jedoch nicht in den Journalismus. Es werden permanent Stellen abgebaut, die Medienvielfalt in den einzelnen Regionen schwindet. Journalist:innen haben immer weniger Zeit für die Recherche, die Inhalte werden immer dünner und wenn die Zeitung dann so mies ist, dass ihr niemand mehr nachtrauert, heisst es: Die Leute nutzen sie nicht mehr. Dabei war der Qualitätsverlust ein Entscheid des Managements Jahre zuvor.

Haben geschriebene Worte noch Zukunft?

Definitiv. Wir schreiben den ganzen Tag auf unseren Smartphones. Ich vermisse das klassische Telefon und weigere mich manchmal, die ganzen Kurznachrichten hin- und herzutippen. Deshalb nehme ich lieber das Telefon ans Ohr.

Was soll man heute unbedingt lesen?

Bücher.

Kannst Du schlechte Bücher weglegen oder musst Du Bücher zu Ende lesen?

Früher kämpfte ich mich jeweils bis ans Ende durch. Heute habe ich Stapel von angefangenen Büchern auf meinem Nachtisch. Momentan sind dies «Eine Nacht, Markowitz» von Ayelet Gundar-Goshen, «Vernon Subutex 2» von Virginie Despentes, «Gnade» von Toni Morrison, die Biographie der Tennisspielerin Andrea Petkovic sowie «Hard Land» von Benedict Wells (das ich aber gleich fertig lese). Eine ganze Menge.

Wo erfährst Du Dinge, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie Dich interessieren?

In der «Zeit». Der Wirtschaftsteil der «Zeit» zum Beispiel ist dermassen vielfältig, dass ich mich hier in Themen einlese, die ich vorher überhaupt nicht auf dem Schirm hatte, etwa, dass es momentan eine grosse Knappheit an Mikrochips gibt, weil wir uns in der Pandemie Unmengen an elektronischen Geräten zulegten und es deshalb Engpässe bei den meisten elektronischen Produkten gibt.

Wie lange gibt es noch gedruckte Tageszeitungen?

Wenn ich das wüsste. Bei uns kommt jedenfalls die «Zeit» noch in Papierform in die Wohnung und ich kämpfe zwischen Donnerstag und Sonntag mit den verschiedenen Papierbergen. Auch «Spick» und «Geolino» haben wir abonniert. Alles andere lesen wir digital.

Sind Fake News eine Gefahr – oder eine Chance für die Medien?

Eine Gefahr.

Wie hältst Du es mit linearem (live) Radio und Fernsehen?

Selten. Arte und Sendungen wie das «Auslandsjournal» schaue ich meist auf Replay.

Hörst Du Podcasts? Hast Du einen Lieblingspodcast?

Im Fitnessstudio und am Mittwochmorgen höre ich fast durchgehend Podcasts. Mein Lieblingspodcast ist «WTF» von Marc Maron. Er hat sie alle, sehr viele gewichtige Musiker:innen und Schauspieler:innen, die sich bei Maron zum Teil verblüffend offenherzig geben.

Was bedeutet es für die Medien (und die Gesellschaft), dass laut fög 55 % der 16- bis 29-Jährigen zu den News-Deprivierten gehört?

Das ist bedenklich, ich bin mir jedoch nicht sicher, wie viele früher aus dieser Altersgruppe News-Junkies waren. Ich hüte mich jedenfalls davor, in  Kulturpessimismus zu verfallen. Leute wie Rezo zeigen, wie man mit neuen Formen News und politische Awareness generiert und zumindest ein Teil der jungen Generation sind durchaus kritische und politisch wache Zeitgenossen.

Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino geht davon aus, dass in zehn Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel der Artikel im «Tages-Anzeiger» von Robotern geschrieben werden. Lässt sich Journalismus automatisieren?

Das überrascht mich nicht. Supino würde wohl lieber heute als Morgen den «Tagi» automatisiert herstellen lassen, damit seine Familie Coninx mit den alljährlichen Dividenden noch reicher wird.

Führt die Digitalisierung zum Tod der Medien oder im Gegenteil zur Befreiung des Journalismus?

Im Gegenteil: Die Digitalisierung macht viele Leute zu New Economy-Sklaven und uns zu Abhängigen aller Arten von Medien, ob diese aber auch wirklich wichtig sind und uns guttun, steht auf einem anderen Blatt.

Siehst Du für professionellen Journalismus noch eine Zukunft?

Ja.

Schreibst Du manchmal noch von Hand?

Postkarten, Beileidskarten, Einkaufs- und To-Do-Listen

Ist (oder war) Donald Trump gut oder schlecht für die Medien?

Trump war eine Katastrophe für die Medien und eine Zumutung für die freie, demokratische Welt.

Wem glaubst Du?

Ich glaube einigen engen Freunden, die eine differenzierte und kritische Haltung zur gesellschaftlichen und politischen Grosswetterlage haben. Ausserdem verblüfft mich, wie die Beiträge und Betrachtungen der Publizistin und Philosophin Hannah Arendt immer noch überhaupt nichts von ihrer Aktualität und Gültigkeit eingebüsst haben. Weniger glaubwürdig finde ich hingegen unsere aktuellen politischen Meinungsmacher:innen.

Dein letztes Wort?

«Begrabt mein Hirn an der Biegung des Flusses.» (Wiglaf Droste)


Dominic Dillier
Dominic Dillier (*1971) sagt von sich selbst, er habe «Rock n’Roll im Blut und Diesel in der Stimme». Dillier hat in Fribourg Journalismus und Kommunikationswissenschaften studiert und arbeitet seit 1996 als Moderator und Redaktor DRS 3 respektive SRF 3. Seit 2000 ist er Moderator und Redaktor der Sendung «Rock Special», seit 2006 Gesprächsleiter der montäglichen Talksendung «Focus» auf SRF 3. Seit 2017 ist er Gastgeber der Bühnenshow «Soundtrack Of My Life», die es auch als Podcast zu haben gibt: https://www.soundtrackofmylife.ch/ Der Soundtrack seines eigenen Lebens ist hier zu sehen: https://www.soundtrackofmylife.ch/gastgeber/ Dominic Dillier ist verheiratet und hat zwei Kinder.
https://www.buerogdl.ch/dominic-dillier/


Basel, 15. September 2021, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Kostet nichts, bringt jeden Freitag ein Mail mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar, den aktuellen «Medienmenschen» einen Sachbuchtipp und einen Video-Buchtipp auf einen Roman:
www.matthiaszehnder.ch/abo/

 

2 Kommentare zu "Dominic Dillier: «Ich nehme lieber das Telefon ans Ohr»"

  1. Beginne zu lesen. Stosse alsbald auf folgenden Satz: „Facebook sei «eine Social Media-Müllhalde»“…..
    So wüst, so frech – sagt der Berufsjugendliche (*1971) vom obercoolen, jugendlichen „amtl. bew. Störsender“ SRF3 (Claim).
    Was ist denn SRF3: Ein totalmainstream Kanal, ein Staats-Sprachrohr der gebenedeiten Behördengeldgeber, ein Dudelfunk par excellence mit ewig schmunzelnden Dampfplauderer welche tagein, tagaus ihrem Luxusarbeitsleben in der geschützten Radio-Werkstatt frönen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.