So vergiften Politiker unsere Sprache – und unsere Herzen
Letzten Sonntag herrschte Freude: Überraschend deutlich hat sich die Zivilgesellschaft gegen die Durchsetzungsinitiative der SVP durchgesetzt. Schweizweit fast 60 Prozent Nein-Stimmen und eine Stimmbeteiligung von über 63 Prozent sind ein eindrückliches Resultat. Fragt sich bloss, wie nachhaltig die Nein-Front wirkt. Denn die SVP hat mit ihren Wörtern die politische Sprache der Schweiz vergiftet und mit ihr die Hirne und die Herzen der Schweizerinnen und Schweizer. Das Heimtückische dabei: Die meisten Menschen haben das noch nicht einmal bemerkt.
Die Sprachvergiftung hat zwei Ebenen. Die erste ist noch einigermassen sichtbar: Wenn Sie sich gegen die Masseneinwanderungsinitiative der SVP einsetzen, verbreiten Sie, auch wenn Sie Nein sagen dazu, doch das Wort Masseneinwanderung. Und wenn eine Masse einwandert, kann das ja nur gefährlich sein. Das ist natürlich bei allen Initiativen und politischen Vorstössen so. Thomas Minder hat es geschafft, mit seiner Abzockerinitiative Manager breitflächig zu Abzockern zu machen. Die Jungen Grünen platzieren mit ihrer Zersiedelungsinitiative das Wort Zersiedelung in unseren Köpfen. Die CVP hat das Wort Heiratsstrafe verbreitet und die FDP mit ihrer Bürokratie-Stopp-Initiative die Sicht des Staates als Bürokratiemonster.
Das Fatale an Volksinitiativen: Sobald ein Begehren seine 100’000 Unterschriften beglaubigt hat, haben Befürworter und Gegner in den meisten Medien gleiche Rechte. Die SRF-Sender etwa müssen penibel darauf achten, dass beide Seiten gleich viel Sendezeit erhalten. Auf den ersten Blick ist das fair – doch es führt dazu, dass Aussenseiteranliegen ein gewaltiges Leveraging erfahren. Ob die halbe Schweiz hinter einem Anliegen steht oder ob es nur gerade die Hunderttausend sind, welche die Initiative unterschrieben haben – beide Seiten erhalten gleich viel Sendezeit. Auf diese Weise werden Wörter wie Abzocker, Zersiedelung, Heiratsstrafe oder Dichtestress rasch populär, ganz unabhängig von der Plausibilität des Anliegens.
In den nächsten Monaten werden Wörter wie Fair-Food, Vollgeld und Hornkuh die Debatten prägen. Die Wörter werden sich dadurch tief in unseren Gehirnen verankern und auf diesem Weg unsere Wahrnehmung und unser Denken verändern. Erfolgreich sind deshalb oft Volksbegehren, die es schaffen, mit Hilfe von wertenden Wörtern einen Diskurs zu prägen, so, wie das der SVP mit dem Begriff der Masseneinwanderung gelungen ist. Besonders stark wirken die Wörter, wenn sie direkt im Namen der Initiative vorkommen. Diese Volksbegehren wirken deshalb selbst dann, wenn sie hoch abgelehnt werden, wie das bei der Ecopop-Initiative der Fall war. Ihr ausführlicher Titel lautete Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Fatal dabei ist: Die SVP bedient sich dieser Mittel bewusst und konsequent. Während die übrigen Parteien ein breites Spektrum von Anliegen verfolgen und sich mal gegen die Heiratsstrafe, mal für Hörner tragende Kühe einsetzen, bewirtschaftet die SVP immer wieder ähnliche Themen der Ausländer- und Sicherheitspolitik. Die SVP bündelt damit die Kraft der wertenden Wörter und beeinflusst nur schon damit den Diskurs in der Schweiz massiv.
Diese Beeinflussung des Denkens durch Sprache ist einigermassen offensichtlich. Doch es gibt eine weitere, tiefer liegende Ebene. In der Einführung zum Buch Sprache. Macht. Denken schreiben Benjamin Mikfeld und Jan Turowski: Politische Sprache ist als Soft Power zu verstehen. Sie prägt unsere Vorstellung von Wirklichkeit. Die Wörter, die Politiker verwenden, sind nicht einfach neutrale Bezeichnungen einer Sache. Sie enthalten ein Stück Weltsicht, auch wenn sie nicht offensichtlich werten. Die deutsche Linguistin Elisabeth Wehling, die an der Berkeley University kognitive Linguistik lehrt, gibt im selben Buch ein Beispiel: Die Wörter Steuerbelastung und Steuererleichterung scheinen neutrale Wörter zu sein, die von Politikern des ganzen politischen Spektrums benutzt werden. Doch wenn wir das Wort Last hören, wird in unserem Hirn ein Frame aktiviert, ein Deutungsrahmen, der es uns erst ermöglicht, das Wort zu verstehen. Das Wort Last aktiviert ein Bild von körperlicher Belastung, etwas Schweres – also etwas Negatives. Wenn die politische Rechte die Steuerlast beklagt und die Linke dagegenhält, die Steuerlast sei angemessen, dann haben die politischen Lager zwar diametral unterschiedliche Haltungen, senden aber dieselbe Botschaft: Steuern sind eine Last und also negativ.
Die SVP ist eine Meisterin darin, Wörter so zu prägen, dass sie genau jene Deutungsrahmen aktiviert, welche die Partei will. Sie bringt das Asylchaos ins Spiel und verankert, indem die Parteien darüber diskutieren, das Bild einer unfähigen Verwaltung in den Köpfen. Wer kann gegen ein Vermummungsverbot sein, eine Vermummung ist doch etwas Schlechtes. Ein Kopftuchverbot hätte es da deutlich schwerer. Selbstbestimmung ist gut und wichtig, also muss es auch die Selbstbestimmungsinitiative sein. Würde die SVP von einer Initiative gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sprechen, wären die Menschen viel skeptischer.
Noch etwas subtiler: Wer von Flüchtlingen redet, macht die Flüchtenden schlecht. Gegenüber der ZEIT erklärte Berkeley-Linguistin Elisabeth Wehling letzte Woche: Die Endung «ling» macht diese Menschen klein und wertet sie ab. Denn das Kleine steht im übertragenen Sinn oft für etwas Schlechtes, Minderwertiges. Das an sich positive Wort schön wird durch ein angehängtes -ling zum negativen Schönling. Dazu kommt laut Wehling: der Flüchtling ist männlich und sei deshalb eher stark als hilfsbedürftig, eher aggressiv als umgänglich. Ganz anders ist es, wenn von Flüchtenden oder von Geflüchteten die Rede ist. Diese Wörter wecken Bilder von Bedrohung – und deshalb eher Mitleid mit den Betroffenen.
Ob in einem Konflikt von Rebellen oder von Oppositionellen die Rede ist, macht einen grossen Unterschied. Ob die jungen Baslerinnen und Basler, die zusammen mit Asylbewerbern die Matthäuskirche besetzt haben, als junge Helfer oder als Aktivisten bezeichnet werden, entscheidet darüber, ob sie als sympathisch oder als kriminell wahrgenommen werden. Das Problem dabei ist, dass den meisten Menschen die Wirkung solcher Frames nicht bewusst ist. In den USA stecken konservative Thinktanks wie die Heritage-Foundation Millionen von Dollar in die Entwicklung von Frames. So, wie es aussieht, setzt auch die SVP in der Schweiz ihre Worte sehr bewusst in die politische Landschaft.
Für die bunte Gegnerschar der Durchsetzungsinitiative ist das ein Problem: Die SVP ist eine hierarchisch straff organisierte Partei, in der die Führung eine Sprachregelung durchsetzen und den Wörtern damit zu Wirkung verhelfen kann. Der einzige gemeinsame Nenner der Zivilgesellschaft, die sich gegen die Durchsetzungsinitiative engagiert hat, ist das Nein zur Durchsetzungsinitiative. Doch das kann nur ein Anfang sein. Die Destruktion des Destruktiven genügt nicht. Es braucht konstruktive Ansätze, Visionen für eine liberale, offene Schweiz – und positive Wörter, die jene offene Schweiz in den Köpfen der Menschen verankern. In den Köpfen – und in den Herzen. Wie sagte der kleine Prinz? Man sieht nur mit dem Herzen gut. Doch auch das Herz bedient sich dabei der Deutungsrahmen, der Frames, die vorher die Wörter gesetzt haben. Also: Wer setzt die Wörter?
12 Kommentare zu "So vergiften Politiker unsere Sprache – und unsere Herzen"
Lokales Sprachgift-Beispiel: Ob mensch von „muslimischem Religionsunterricht“ oder von „Koranschule“ redet oder schreibt, auch gegen explizit besseres Wissen…
Die Vergiftung der Sprache – und damit von Köpfen und Herzen – ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die, dass die Sklaventreiber von Massenparteien damit existenziellen Emotionen von vielen Menschen gezielt einen wertorientierten Ausdruck geben, um daraus ihren Profit zu schlagen. Um darauf hinzuweisen, dass die derzeit grösste Schweizer Massenpartei ihre Machtgier harmlos-lustig zu kaschieren versucht, nenne ich sie die Sennenhund- und Volkstanz-Partei (SVP). Abartige Volksverdummung zu entlarven allein genügt nicht. Für die Befreiung aus dem Giftmüll, den die Massenpolitiker milliardenschwer in unserer Gesellschaft verbreiten, braucht es mehr!
Danke für den subtilen und differenzierten Kommentar, der eine grössere Leserschaft verdienen würde. Und es lohnt sich, sich selber auch kritisch zu hinterfragen, was wir gedankenlos übernehmen. Merci Matthias für die Anregungen.
Das typische Beispiel ist wohl „Täterschutzartikel“ statt „Härtefallklausel“.
Anderes typisches Beispiel: Kernkraft – Atomkraft! Welchen Begriff verwenden die Befürworter dieser Technologie? Und es hiess nicht zufällig „Atomkraft – Nein danke!“. Es würde auch niemandem in den Sinn kommen, von „Kernbomben“ zu reden…
Dies ist ein treffendes Beispiel, wie Sprache umgekehrt auch eingesetzt wird, um unerwünscht unliebsame Verhältnisse zu entgiften: So ist es dem Personal insbesondere in der Strombranche dem Vernehmen nach seit Jahrzehnten „dringend empfohlen“ (auch so eine Verklausulierung), von Kern- und nicht von Atomkraft zu schreiben und zu reden. Und ein aktuelles Beispiel eines solchen Entgiftungsversuchs: Mit einer „Initiative für Freiheit und Menschenwürde“ will unter anderen die SVP die verfahrene Situation mit der massiv kritisierten Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) retten.
Es gäbe ganz einfache Parolen, mit denen man die Hintergründe der SVP-Initiativen aufdeckt. Schon bei der Masseinwanderungsinitiative hätte der Slogan lauten können: „Wollen Sie die Bilateralen Verträge mit der EU gefährden, dann stimmen Sie ja“.
Bei der nächsten Abstimmung könnte der Slogan lauten: „Wollen Sie kein schnelles und gerechtes Asylverfahren, dann stimmen Sie für die SVP-Initiative“. Bei den nächsten Abstimmungen wäre es dann: „Wollen Sie, dass die Schweiz die Europäische Menschenrechtskonvention kündigt, dann stimmen Sie für die SVP-Initiative“ etc.
Ich bin jetzt ca. 5 Wochen zu Gast auf dieser Webseite. Ich beobachte, dass sich seither hier stets alles im weitesten um die SVP (oder eher gegen die SVP) dreht. Der Bloginhaber zeichnet oftmals auf, welche Gefahr er von Handlungen, Werten, Meinungen oder wie heute, selbst von Worten, welche vom SVP-Kosmos stammen, ausgehen können. Die Kommentatoren, welche ebenfalls oft die ähnlichen Thesen und Sichtweisen wie der Blogger haben, werten seine Wochenrapporte stets mit viel Wohlwohlen und grossem Dank und unterstreichen seine Worte oftmals mit eigenen Gedanken, hinter welchen sich grosse Sympathien verbergen. Jedoch auch auf dieser Seite wöchentlich immerwieder die selben Schlagworte: die „Sennenhund- und Volkstanzpartei“, „Volksverdummung“, „milliardenschwer“ bis hin zu „Sklaventreiber“. Was gemeint ist, versteht sich ja von selbst.
Was natürlich, wenn man diesen Blog einzeln betrachtet, als sehr einseitig daherkommt, ist aber im Zusammenspiel unserer wunderbaren Demokratie und im Gesamten betrachtet ein Puzzlesteinchen der vielfältigen Meinungen in unserem Lande. Es gibt Meinungen zu dem und zu diesem, zu jenem und zu allem. Und diese sollen und dürfen geäussert werden. Und als Ganzes ist es ein Blumenstrauss an Argumenten, an Meinungen, an Sichtweisen. So gefällt es mir. Darum Danke an jeden, der sich engagiert, soweit es seine persönlichen Kräfte zulassen.
Wir müssen aufpassen, dass dieses kostbare und fragile Gebilde im Zuge der Internationalisierung unserer Zeit nicht unter die Räder kommt. Das es nicht plötzlich heisst wie in Deutschland: „Mit denen spreche ich nicht“ oder wie kürzlich in Freiburg im Breisgau gesichtet, das Plakate aufgehängt werden mit Politikern der „Gegenpartei“, auf welche plötzlich ein Fadenkreuz gerichtet ist, dass heisst, sie würden vom politischen Gegner am liebsten eliminiert, quasi zum Abschuss freigegeben. Genau dies ist es nicht – nicht reden, Diskussionsrunden absagen – die Saat für Einseitigkeit, für Radikalismus, für Unverständnis. Sich befassen mit der Gegenpartei, mit anderen Meinungen, auch wenn es einem schwerfällt, auch wenn die andere Meinung einem absurd und absolut unverständlich vorkommt. Internationalisierung lässt sich (leider) nicht aufhalten, aber bewahren wir wenigstens in diesem Bereich ein bisschen Heimatschutz – denn ist erst mal was zerstört (DSI-Gegenkampagne mit Nazikreuz usw. lässt grüssen), lässt es sich wieder schwer zusammenkitten.
Jetzt noch zum Thema dieses Blogs: Politiker und Sprache vergiften. Ja, dies finde ich auch. Bloss gibt es nicht nur die oben aufgelistete Sammlung von den SVP-Sprachakrobaten, die Wörterverdreherei (oder eher Drechslerei) ist ein allgemein verbreitetes Vorkommniss. Das schöne Wort „Zivilgesellschaft“ verdeutlicht dies. Sind wir nicht alle die Zivilgesellschaft, auch die rund 40%, welche z.B. letzten Sonntag für die DSI stimmten. Oder sind dies – Umkehrschluss – alles Militaristen? Auch die neue SVP-Initiative welche im Sommer zur Abstimmung kommt, wird die Wortkreativen wieder zu neuen Höhenflügen ansetzen lassen. Es geht dort darum, das Asylsuchenden in Zukunft keine „Gratis-Anwälte“ zur Seite gestellt werden (Gratis-Anwälte=Aus der SVP-Wortkreations-Küche) und das bei Eigentümer von Boden (Privatpersonen) keine Landenteignungen für Asylbewerberunterkünfte verfügt werden können. Doch auch die Gegenseite ist kreativ. Schon wird dort von „Beschleunigungsanwälten“ geredet. Was sind diese Anwälte nun: Sind sie Gratis? Sicher nicht für den Steuerzahler… oder sind sie beschleunigend?…. sicher und auf jedenfall zu schnell für gewisse Migranten….
Wir werden sehen, wie sich das Volk (der oberste Chef im Land) entscheidet. Hoffentlich nicht nach dem besten Wortgedrechsel, sondern nach Fakten und unverfälschtem Info-Material.
Ebenfalls möchte ich noch mein empfinden zu ihrem Satz „Das Fernsehen und Radio muss penibel darauf schauen, das beide Seiten (pro und contra) immer die gleiche Sendezeit erhalten“…. äussern. „Sollte penibel darauf schauen“ wäre bei SRF aber angebrachter…. Denn auch hier hängt der Kahn sehr schief und einseitig. Die Berichterstattungen empfinde ich stets zu Ungunsten der SVP (mit Ausnahme der Vorzeigebeispiel-Sendung Arena vielleicht). Einem Schawinski sieht man schon von weitem an, welche Partei er verabscheut (und macht auch keinen Hehl daraus). Trotzdem moderiert er weiter munter „neutrale“ Abstimmungs-Talks am SRF. Moderatoren konnten am Montag nach der Abstimmung ihre Freude kaum unterdrücken. Und vor den letzten Parlamentswahlen wurde ganze 15 Minuten in einem Beitrag gegen die SVP gegiftelt. Der Beitrag war, zur besten Sendezeit im Radio, als „Satire“ getarnt. Oder im Regionaljournal Innerschweiz wurde ein Politiker einer Links- oder Mitte- Partei gefragt, wie man den „drohenden Rechtsrutsch“ verhindern kann? Ist rechts, ist die SVP für SRF und Konsorten eine Bedrohung? Müsste die Fragestellung nicht viel mehr heissen …wie man den sich abzeichnenden Rechtsrutsch verhindern könnte?
Sie sehen, auch hier Worte, Worte, Worte. Und Einseitigkeit. Jeder merkt es, jeder spürt es. Interessant wäre es einmal der Frage nachzugehen, woher denn diese latente Linkslastigkeit bei SRF oder dem Zeitungsmainstream herrührt? Wieso, warum, weshalb ist dies so?
Ich empfinde, mit meinem Beitrag diesen Blog wieder etwas stabilisiert zu haben (wieder so ein Abstimmungs-Ausdruck, diesmal von der neuen Generation der Wortkünstler, den Rappern) und hoffe auf zukünftige Ausgewogenheit in Funk und Fernseh sowie auch hier in diesem beschaulichen Gedankenaustauschs-Blog – damit nicht immer solche Auslegeordungen* von Nöten sind.
(*= ebenfalls gängiger Politiker-Ausdruck, wenn sie von der Materie keine Ahnung haben oder auf Zeit spielen…. (…zum abgewöhnen gut….)
Vielen Dank, Matthias Zehnder, dass Sie uns auf den Mißbrauch der Sprache aufmerksam machen. Unzählige Beispiele für beschönigende Ausdrücke finden sich täglich in den Militär- und Kriegsberichten, um nur eines zu nennen: „Eine kriegerische Auseinandersetzung“ oder ein „militärischer „Schlagabtausch“. Das heißt doch in Wirklichkeit: „ein gegenseitiges Sich-Umbringen“ oder „möglichst viele Gegner durch technische Mittel töten und industrielle Einrichtungen zerstören“.
Zivilgesellschaft
Bei der «Zivilgesellschaft» gehören für mich nicht nur die 75 Prozent Einheimischen zur Bevölkerung, die in der Schweiz abstimmen und wählen dürfen, sondern auch die 25 Prozent unserer Einwohnerinnen und Einwohner, die zugewandert sind. Bis auch sie abstimmen dürfen, wird es wahrscheinlich in der Schweiz noch länger dauern als mit dem Frauenstimmrecht. Der Begriff «Zivilgesellschaft» macht auch darauf aufmerksam, dass es Menschen gibt, für die Parteien und ihre Links-Rechts-Mehrheits-Herrschersucht-Politik wie für mich ein Horror sind. Und es gibt Menschen, die nicht nur dann etwas für unsere Gesellschaft tun, wenn es dafür Geld und/oder Macht gibt.
Vielleicht schreibt Matthias Zehnder einmal einen Wochenkommentar zur «Zivilgesellschaft»?
Lieber Matthias Zehnder. Sie haben wie immer recht. Dass mit Sprache Schindluderei betrieben werden kann, ist allerdings keine neue Erscheinung, und schon gar nicht eine Erfindung der SVP.
Nur: Ich persönlich kann sehr wohl einschätzen, was Begriffe im Allgemeinen und im Besonderen „meinen“ (in Ihrem Text = Deutungsrahmen). Schlagwörter haben dazu den Vorteil, dass sie als solche erkennbar sind; eigentlich sind sie mir sogar lieber als sprachliche Verschleierungen, die erst entschlüsselt werden müssen. In meinen Kopf lasse ich nur die Begriffe und Wörter einsickern, die ich einordnen kann und will. Verführung durch Sprache? Sprache ist mehr als Bedeutung, sie ist Trägerin einer Information; sie ist auch eine Vermittlerin von Gefühlen, sie ist eine Stimmungsmacherin. Die Buchstaben der Wörter sind auch Wertungen, oftmals auch lautmalerisch. „Weich“ tönt anschmiegsam, samtig und luftig-leicht, „hart“ tönt spitzig, grob und angriffig-dumpf.
Zu den Anmerkungen betr. „ling“. Das scheint mir doch ziemlich spitzfindig zu sein. Dass ausgerechnet Frau Wehling sich ausführlich über diese Endung auslässt, mutet fast wie ein mieses Witzchen an … Im Ernst: Richtig ist, dass Wörter mit dem Suffix „ling“ oft abwertend gemeint sind. Fiesling beweist es. Aber Lehrling? Das meint nur, dass er punkto Wissen und Können noch nicht soweit ist wie sein Chef. Und wie stehts mit Frühling? Für mich ist das nicht schlecht oder minderwertig – ganz im Gegenteil! Und was den Flüchtling angeht: Ich helfe lieber, als dass ich mir Gedanken über den Begriff und seine Bedeutung mache.
Fredy Heller, Basel
Lieber Matthias
ich finde es ja sehr bedauerlich, das unsere linken Politiker hier in Basel, diese Bedeutung/Kaft/Macht der Worte gar nicht begriffen haben.
Wie sonst konnte man als BastA! den Slogan „Antigrau“ für den Wahlkamp auswählen. Mit gleich zwei negativ behafteten Wörtern drin: Grau und Anti. Ich habe mich so darüber genervt, das ich sie nicht gewählt haben. Mir wurde dann vorgehalten, das es ja um die Inhalte und nicht um den Slogan geht. Aber wenn eine Partei solch Grundsätzliches, so ganz offensichtlich nicht kapiert, ist das Vetrauen leider weg.
Ich hoffe mal das jamand von der BastA! deinen Artikel hier gelesen hat.
LiebGruss, Maui