Wenn die Schönheit bitter wird
Ich schreibe diese Zeilen hoch über dem Lago Maggiore in Ronco sopra Ascona. Vor mir dehnt sich blau der See, links und rechts die Berge, darüber wölbt sich klar und gross der Himmel. Die Sonne glitzert im Wasser, da und dort ist ein kleines, weisses Segel zu sehen. Es ist ein Herbsttag wie aus dem Bilderbuch. Es ist ein Tag wie im Paradies. Bloss kann ich mich nur halb freuen über dieses Paradies, denn draussen, in der Welt, zanken sich die Menschen immer unerbittlicher über die Pandemie. Meine studierenden Kinder hören ihre Vorlesungen nach wie vor zu Hause am Computer. Die Intensivstationen sind nicht mehr ganz so voll, aber das Pflegepersonal ist immer noch am Anschlag. Mir fällt Erich Maria Remarque ein, der hier in Ronco, direkt am See, eine Villa besass, die Casa Monte Tabor. 1933, einen Tag vor Hitlers Machtergreifung, flüchtete er in die Schweiz. Er war damals schon ein vermögender Weltschriftsteller und konnte sich ein schönes Leben leisten hier am See. Und doch war er nicht glücklich. Er selbst lebte zwar im Paradies, seine Welt aber und die Welt seiner Freunde ging unter.
So sehr wir uns nach dem Paradies sehnen – wenn wir das Paradies nicht teilen können, ist die Freude daran bitter. Das gilt nicht nur für meine Ferien in Ronco, es gilt wohl für uns alle. In unserer Bundesverfassung steht, dass sich die Stärke des Volkes am Wohl der Schwachen misst. Vielleicht misst sich auch das Glück des Volkes daran.
In diesem Sinne grüsse ich Sie herzlich aus dem Paradies. Und ja, Sie haben richtig gelesen: Ich bin in den Ferien. Über diese Zeilen hinaus gibt es heute keinen Wochenkommentar.
Ronco sopra Ascona, 24. September 2021, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Kostet nichts, bringt jede Woche ein Mail mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar und einen Buchtipp. Einfach hier klicken. Und wenn Sie den Wochenkommentar unterstützen möchten, finden Sie hier ein Formular, über das Sie spenden können.
2 Kommentare zu "Wenn die Schönheit bitter wird"
Wir wünschen schöne Ferien!
Schatten und Licht (Henri Valentino), Trauer und Freude, ohne Angst kein Mut, ohne Scheusslichkeit keine Schönheit und – ohne Bitternis kein Freuen…, kennen wir alle.
Mithelfen gegen das Corona-Gezanke weiterhin erlaubt, bei (unserem grossen) Corona-Gesellschaftstest erwünscht.
Ich setzte mich trotz geimpft nicht in ein Restaurant – bei dieser Gesellschaftsspaltung mache ich nicht mit.
Zudem ist es (nicht nur im Tessin) draussen an der Sonne viel schöner.
Tagesaktualitäten auch mal auf der Seite lassen – z.B. Resultate des Super-Abstimmungs (CH) und Wahl (D) – Week-Ends einfach mal nicht einschalten – temporär bewusst uninformiert sein – ein Experiment das lohnt und einem schnell neue, wohlige Gefühle und schöne Freiheiten schenkt.
Und wenn schon – dann das „richtige“ Sendegefäss: „Philosophisches“ über die Hermeneutik, über Hans-Georg Gadamer, „Historisches“ über Bob Marley und „Zeitgenössisches“ zu unserer Corona-Geschwurbel-Regierung. Ihr Info-Essenz-Espresso – auch zur Ferienzeit. Wie wärs (durchaus) mal mit…
https://www.youtube.com/watch?v=c9lSw55nurg
Trotzdem – oder gerade deswegen:
Wir wünschen schöne Ferien!
Lieber Herr Zehnder, ich wünsche ihnen erholsame Ferientage welche vermutlich nur durch Medienabstinenz gefühlt paradisisch werden können!