Weiss
Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Fahrrad auf eine Weggabelung zu. In der Mitte der Weggabelung steht ein Baum. Sie nehmen sich ganz fest vor, nicht in den Baum zu fahren. Was passiert? Genau: Sie fahren in den Baum. Über etwas anderes haben Sie sich nämlich gar keine Gedanken gemacht.
So kommt mir die Welt im Moment vor: Alle reden davon, Putin möge auf keinen Fall eine Atombombe einsetzen. Die Medien berichten mit Live-Tickern über den Krieg und melden jede Ortschaft, die von den Ukrainern befreit wird. Es ist die Rede von Waffen, von Panzern, von Raketenwerfern und von Munition. Jede Regung des tschetschenischen Kriegsführers Ramsan Kadyrow oder von Margarita Simonjan, Chefredakteurin des russischen Staatssenders Russia Today und Chefpropagandistin des Kremls, wird vermeldet.
Aber wer redet über die Wege, die links und rechts am Baum vorbeiführen?
Verstehen Sie mich recht: Ich finde es richtig, dass wir die Ukraine mit Waffen unterstützen und alles dafür tun, dass Russlands Überfall auf seinen Nachbarstaat rückgängig gemacht und geächtet wird. Ich ertappe mich auch immer wieder dabei, mit angehaltenem Atem «Spiegel Online», die «Zeit» und die «NZZ» aufzurufen und mehrmals am Tag die Nachrichten von der Front zu lesen. Kleiner Tipp: Wenn Sie sich über den Verlauf des Krieges informieren möchten, ohne dabei dem Doomscrolling zu verfallen, empfehle ich Ihnen den Podcast «Streitkräfte und Strategien: Ukraine» des NDR. Jeden zweiten Tag sprechen Andreas Flocken, NDR Experte für Sicherheitspolitik, und der langjährige ARD-Korrespondenten Carsten Schmiester über den Krieg und die Folgen. Ruhig, sachlich, informativ. Mehr Informationen brauchen wir Normalbürger nicht über den Kriegsverlauf.
Das menschliche Gehirn ist seltsam gestrickt: Im Gedächtnis fallen Negationen weg. Wenn wir uns wünschen, nicht in den Baum zu fahren, bleibt davon nur «in den Baum fahren» im Kopf zurück.
Wenn wir ständig nur über den Krieg reden und uns dabei mit Negationen vollstopfen wie Dreijährige mit Gummibärchen, bleibt davon im Kopf nur der Krieg übrig, was mit der Zeit ähnlich wehtut wie die Gummibärchen im Bauch der Dreijährigen. Wenn wir immer nur davon reden, dass unser Schicksal nicht schwarz sein soll, dann wird es schwarz sein.
Wir müssen uns deshalb dringend über das Weisse Gedanken machen. Über Frieden, Aussöhnung, ein Leben ohne Bomben und Gewalt. Wir müssen aufhören, die schwarze Welt zu beklagen und damit beginnen, uns zu fragen, wie eine weisse Welt aussehen könnte, wie wir sie gestalten könnten, was unser, Ihr, mein Beitrag dazu sein könnte.
Wer sich nur über den Baum an der Kreuzung Gedanken macht, fährt garantiert in den Baum. Etwas nicht zu wollen, reicht nicht. Wir müssen wieder damit beginnen, uns eine positive Zukunft zu wünschen. Es wäre der erste Schritt in die Richtung ihrer Verwirklichung.
7. Oktober 2022, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
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Bild: Das Bild zeigt den Lago Maggiore (mz, 2022). Dies deshalb, weil der See mich an die Friedenskonferenz in Locarno erinnert: Am 5. Oktober 1925 trafen sich die führenden Politiker von Deutschland, Frankreich, Belgien, Grossbritannien, Italien, Polen und von der Tschechoslowakei. Thema der Konferenz war die Entwicklung eines europäischen Sicherheits- und Friedenssystems nach dem Ersten Weltkrieg. Schon am 16. Oktober 1925 erreichten die Minister eine Einigung und schlossen Verträge ab. Deutschland, Frankreich und Belgien wollten fortan auf eine «gewaltsame Veränderung ihrer Grenzen» verzichten. Die Verträge von Locarno wurden 1925 zum entscheidenden Schritt in Richtung Friedenssicherung in Europa. Entscheidend für den Erfolg der Verhandlungen war die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem französischen Aussenminister Aristide Briand und dem deutschen Aussenminister Gustav Stresemann. 1926 haben die beiden für ihre Arbeit den Friedensnobelpreis erhalten.
5 Kommentare zu "Weiss"
Genialer Kommentar, vielen Dank dafür.
Ich finde diesen Punkt enorm wichtig zu beachten in der heutigen (Medien) Welt.
Oh wie wahr und auf den Punkt gebracht, danke!
Es gibt kein Links und Rechts. Wunschdenken. Reines Wunschdenken. Wir fahren allesamt geradewegs auf den Baum zu. Die Gesellschaft und die Medien, welche ein Abbild der Gesellschaft sind (und sich gegenseitig wie wild befeuern).
Wolodymyr Selenskyj ist im Kriegswahn. Er ängstigt regelmässig Europa mit Drohungen wie: „Bald steht Putin vor Prag, vor Berlin“ ein. Glasklar durschaubar: Er schüchtert die EU-Politiker damit ein, um noch mehr Waffen zu erhalten. Und oftmals geht die Rechnung auf. Die Ukraine ist rammelvoll mit Waffen und schwerem Geschütz. Milliardenwerte stehen dort – bares Geld welches emsig in die Taschen westlicher Waffenschmieden floss.
Heute fordert Selenskyj sogar noch Präventivschläge gegen Russland von uns: «Damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie die Atombombe anwenden.“ Er betonte: „Nicht umgekehrt: Auf Schläge von Russland warten, um dann zu sagen: ‚Ach du kommst mir so, dann bekommst du jetzt von uns‘“. Wortwörtlich seine kindlichen Worte.
Scharfe Beobachter bemerken: Die Videos Wolodymyr Selenskyjs werden immer verstörender – in Duktus, Habitus, Mimik, Gestik.
Da sitzt ein Besessener in einem Bunker, der den Bezug zur Aussenwelt verliert.
Noch mehr erschrecken die Worte: Hass und Masslosigkeit sprechen aus ihnen, und mancher fragt sich wohl, ob der Mann noch bei Verstand ist.
Wenn Selenskyj westliche «Präventivschläge» auf Russland fordert, um Moskau vom Einsatz von Atomwaffen abzuhalten, will er nichts anderes als dass die Nato, mächtigstes Militärbündnis der Welt, die grösste Atommacht der Welt mit einem Feuersturm überziehen soll.
Das wäre der Dritte Weltkrieg.
Ich glaube, ich sitze im falschen Film, und Selenskyj führt Regie.
Ebenfalls heute warnt US-Präsi Biden wiederum: Die Welt steht so nahe am atomaren Abgrund wie nie. Wenn eine Weltmacht mit der Bombe droht, mach sie das nicht zum Spass. Wie recht Biden diesmal doch hat.
Doch wer sich bei uns (Schweiz, EU) für Frieden einsetzt ist ja schon ein «Russland-Freund». Wieso weit und breit keine Friedensdemo? Wo sind die Basler Berufsdemonstranten, welche wöchentlich für Rojava demonstrieren und die ganze Stadt systematisch mit vulgären Parolen versprayen. Wöchentlich muss die Wand der Clarakriche, der Josefs-Kirche, der Antonius-Kirche (und mehr) von dem Vandalismus dieser Berufschaoten gereinigt werden. (=Stadtreinigung / Spray-Out).
Für Frieden kann man doch immer auf die Strasse gehen… Wieso tut es keiner?
Nein, Deutsche Intellektuelle unternehmen sogar das Gegenteil. Wie z.B. eine CDU-Politikerin, welche keine Kompromisse will, keine Verhandlungen; niemals. «Lieber sterbe ich den Strahlentod» sagt sie unverblümt.
Für das die selbe Politikerin 2 Jahre vorher Riesenangst vor «Corona» hatte, Treiberin war für restrektivste Massnahem wie Hausarrest, Ausgangsperre, Totalschliessungen der Gastro, Kultur und Einzelhandel und für Impfplicht war und um ihr Leben bangte, nimmt sie den Atomschlag-Strahlentod erstaunlich gelassen hin…
Aufschlussreiches «YouTube»-Video mit Wucht-Themen wie:
……Selenskyi fordert Atomschlag gegen Russland. Welt am Abgrund eines nuklearen Infernos. Jetzt sofort Krieg beenden. Zurück zum Frieden. Auswege und Hindernisse…..
kann ansehen, wer im «YouTube» Suchfenster:
«Daily»-Spezial: Selenskyi fordert Atomschlag gegen Russland
eingibt.
Herr M. Zehnder: Ehrlich, danke für Ihre hehren, wertvollen Worte !! – doch die Realität ist
…….Nicht Links, nicht Rechts – voll auf den Baum zu……..
Wie kann man mit einem Mann verhandeln, der nicht verhandeln will?
Was zwischen Russland (und seinen Verbündeten) und der Ukraine (und ihren Verbündeten) extrem brutal und mit schrecklichen Folgen zu eskalieren droht, scheint mir die Spitze eines Eisbergs, bei dem es sowohl lokal als auch weltweit darum geht, im kriegerischen und/oder wirtschaftlichen Kampf- und Konkurrenzmodus die Herrschaft über andere zu erreichen und zu halten. Solange ein eigennütziger, geiler oder gar rücksichtsloser Wettbewerb in Bereichen wie beispielsweise den Medien, der Politik, den Schulen und der Wissenschaft für die Mehrheit der Menschen das Lebenselixir bedeutet, kann von einer Chance auf Frieden und ein Wohlbefinden für alle nicht ernsthaft, wahrhaftig und nachhaltig zukunftsfähig die Rede sein.