Was will uns dieses Virus sagen?
Die Antwort ist: nichts. Das Virus ist ein Virus. Ein Wolf beisst, eine Rose sticht, ein Virus steckt an. Das ist Natur. Die Frage ist deshalb nicht, was das Virus uns sagen will, sondern wie wir uns in dieser Krise verhalten. Ich höre immer wieder Menschen sagen, dass diese Krise auch eine Chance sei. Eine Chance zur Besinnung und Umkehr, eine Chance für die Umwelt, für die Digitalisierung, für die Rückbesinnung auf das Lokale und das Regionale. Warum das zynisch ist, sage ich Ihnen in meinem neuen Wochenkommentar, zu dem es übrigens zum ersten Mal auch ein Video gibt.
Was will uns dieses Virus sagen? Diese Frage höre ich gerade immer wieder. Die Antwort ist einfach: nichts. Ein Virus verhält sich, wie es die Natur vorgesehen hat. Es will sich vermehren und dazu muss es Lebewesen befallen. Viren wollen nicht, dass ihre Wirte sterben. Das heisst nicht, dass sie Nachsicht üben, es ist einfach nicht in ihrem Interesse. Sie können sich umso besser verbreiten, je harmloser sie sind. Viren neigen deshalb dazu, mit der Zeit schwächere Krankheitssymptome zu verursachen. Aber sagen wollen sie uns nichts. Was wir aus dem Virus machen, wie wir mit der Gefahr umgehen, das liegt allein an uns.
Manager suchen in jeder Krise eine Chance. Bietet die Virus-Krise also auch Chancen? Können wir die Krise zum Guten nutzen? Ist es eine Chance, herunterzufahren und zu verlangsamen oder der Digitalisierung den lange nötigen Schub zu verleihen? Ist es nicht. Das wäre zynisch, im Virus eine Chance zu sehen. Es würde nämlich heissen, dass wir Kranke und Tote, die wirtschaftlichen Schäden und Konkurse aufwiegen gegen positive Entwicklungen wie die Hilfsbereitschaft, die Solidarität oder auch die Digitalisierung und die Erholung der Natur. Nein: Das Virus als Chance zu bezeichnen, wäre zynisch. Es ist eine riesige Herausforderung, aber so neutral wie ein Bergsturz, ein Erdbeben oder eine Feuersbrunst. Das Virus ist einfach. Jetzt kommt es auf uns alle an, ob wir uns der Herausforderung stellen und versuchen, sie gemeinsam zu meistern.
Die grosse Rückbesinnung
Die Krise betrifft jeden von uns, wir alle reagieren anders darauf. Ein Trend ist aber feststellbar: die grosse Rückbesinnung. Zum Beispiel die Rückbesinnung auf das Lokale. Plötzlich spielen Quartierläden wieder eine Rolle. Der kleine Coop in unserem Quartier ist zur lokalen Lebensmitteldrehscheibe geworden. Im «Consum», einer trendigen Weinbar an der Basler Rheingasse, werden seit Mittwoch wieder Lebensmittel verkauft. Hotelier Franz-Xaver Leonhardt bietet im Lokal die Lebensmittel seiner Lieferanten an, die er jetzt nicht braucht. Die Menschen an der eigenen Strasse spielen wieder eine Rolle. Man grüsst sich freundlicher. Wir leben lokal.
Oder die Rückbesinnung auf das Nationale. Einerseits ist sich jedes Land jetzt selbst am nächsten, andererseits müssen sich viele Länder neu organisieren, weil der länderübergreifende, den Globus umspannende Handel gar nicht mehr möglich ist. Auch die Schweiz muss sich überlegen, wie sie mehr Desinfektionsmittel, Schutzmasken oder Medikamente selbst herstellen kann. Sogar Radio SRF3 besinnt sich auf das Nationale und spielt mehr Schweizer Musik im Radio, aus Solidarität zu den Schweizer Musikern, die jetzt nicht auftreten können, und um den Zusammenhalt zu stärken, wie Moderatorin Judith Wernli auf dem Sender erklärte.
Der grosse Fortschritt
Diese grosse Rückbesinnung auf Werte, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so im Fokus hatten, ist das eine. Gleichzeitig machen wir alle gigantische Fortschritte in der Digitalisierung, der Vernetzung, dem verteilten Arbeiten. Die Lernkurve der Gesellschaft ist fast so steil wie die Ansteckungskurve. Schule per Videokonferenz, Vorlesungen im Livestream, Sitzungen per Live-Chat – plötzlich geht, was viele Menschen bis vor kurzem noch vehement ablehnten. Grosseltern werden in Facetime eingeführt und entdecken Whatsapp. Programme wie Microsoft Teams, Google Docs und Slack verbreiten sich rasch über die Business-Welt hinaus. So ist die Selbstisolation besser auszuhalten. Vor 20, 30 Jahren wäre eine Ausgangssperre viel schwieriger zu ertragen gewesen.
Hat das Virus also doch auch gute Seiten? Nein, hat es nicht. Das Virus ist ein Virus. Wir haben es aber in der Hand, in der Krise unsere gute Seite zu zeigen, zu helfen, solidarisch zu sein, zu lernen. Das macht das Virus nicht weniger tödlich und nicht weniger bedrohlich. Und man kann sich die Frage stellen, warum wir ein Virus brauchen, damit unsere guten Seiten zum Vorschein kommen. Was ist also die Moral der Seuche? Um es noch einmal deutlich zu sagen: Die Seuche hat keine Moral. Es ist eine Krise, in der wir uns entscheiden müssen, welchen Weg wir gehen, wie wir uns verhalten und damit wer wir sind. Wir sind gefragt. Es ist der Moment, indem wir uns wählen müssen, indem wir bestimmen, wer wir sind, indem wir uns entscheiden, wie wir handeln. Die Seuche hat keine Moral. Wir müssen jetzt Moral zeigen. Es liegt an uns.
Basel, 20. März 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Kostet nichts, bringt jede Woche ein Mail mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar und einen Buchtipp. Einfach hier klicken. Und wenn Sie den Wochenkommentar unterstützen möchten, finden Sie hier ein Formular, über das Sie spenden können.
PPS: Zum Kommentar gibt es übrigens zum ersten Mal auch ein Video. Ich bin zwar ein Wortmensch, aber in den Zeiten von Social Distancing braucht es vielleicht etwas mehr Nähe. Deshalb grüsse ich Sie jetzt hier auch filmisch:
Quellen
Bild: ©Photocreo Bednarek – stock.adobe.com
7 Kommentare zu "Was will uns dieses Virus sagen?"
Das Coronavirus will uns nichts sagen. Es kann uns auch keine Chancen geben. Und es hat keine Moral. Das Coronavirus ist verantwortungs- und wertefrei. Es hat Macht. Es will wachsen. Immer noch mehr. Gierig und rücksichtslos bis zum Geht-nicht-mehr. Bis zum Tod.
Das Coronavirus ist ein Teil einer Welt ausser Rand und Band. Wo vor allem Mächtige und Reiche tun oder lassen können, was und wie sie es wollen. Und läuft es schief, kann niemand etwas dafür. Und niemand kann oder will etwas dagegen tun. Jede*r ist souverän sich selbst die*der Nächste.
Ich empfinde und erhalte im Umfeld Zustimmung dass:
Es eine Globalisierungs-Krankheit ist. Ganz klar.
Und:
In der Schweiz ist es auch eine Überbevölkerungs-Krankheit.
Noch NIE gab es in der Schweiz so viele S-Bahnen, Unterführungen, Mega-Stores, Rolltreppen, grosse Häuser privat und geschäftlich mit Einstellhallen, Liften. Es gibt Rollbänder, Schräglifte… (das stimmt) und es werden immer mehr, weil es immer mehr Menschen im Ballon (=Schweiz) hat. Irgendwann platzt ein Ballon. Ist er jetzt geplatzt?
Jean Ziegler ist gegen die Globalisierung (in der heutigen raffgierigen Form)
Die SP (seine Partei) ist für die Globalisierung. Wenn möglich ohne Grenzen. Alle Genossen sprich Menschen sind Brüder….
Die FDP ist für Globalisierung und steter Zunahme der Schweizer Bevölkerung. Denn die Wirtschaft muss angekurbelt werden. Sie wird seit Jahren tagtäglich mehr angekurbelt. Die Schweizer Kurbel dreht bereits mit Schallgeschwindigkeit. Doch es muss noch mehr gehen….
Die SVP ist gegen die uferlose Globalisierung UND die für die selbstgesteuerte Zuwanderung mit Mass. Die SVP ist altmodisch. Denn diese Werte sind von gestern….
Wirklich?
Gestern Abend wurde mir aus meinem Europäischen Netzwerk «Bildung&Raum» der Link zu einem neuen Text von Matthias Horx gemailt: https://www.horx.com/48-die-welt-nach-corona/. Ich bin (noch) nicht so optimistisch wie Matthias Horx. Sorge bereitet mir nicht nur das schreckliche Viruswachstum. Fast noch mehr beschäftigt mich auf Grund meiner Erfahrungen der letzten 30 Jahre mit der Entwicklung der Welt im Grossen wie im Kleinen die Frage, ob es nicht nachher noch schlimmer weitergehen wird als vorher?
Antwort :
Ich habe mir diesen Herrn M. Horx mal näher betrachtet. Mit Zukunftforschern habe ich meine liebe Mühe.
Diese ORAKEL wissen immer alles voraus, müssen aber dann, wenn es nicht eintrifft, keinerlei Verantwortung übernehmen. Sie können sich ins Rampenlicht stellen ohne jede Konsequenz oder Wert ihrer Aussagen.
Wo wir wieder bei verantwortungslosen und wertefreien Gesellschaft sind, also der unseren.
Schauen Sie sich doch auf
https://www.horx.com/ueber-uns-about-us/
mal diese „schrecklich nette Familie“ an. Maestro Horx schwingt die kommunikative Oberkeule, seine Partnerin hängt sich natürlich subito auch an die Geldmaschine, und die zwei Jungs mischen auch schon fleissig mit und wollen uns mit ihren 20 Jahren die Welt erklären. (anstelle vielleicht mal eigene Wege versuchen zu gehen….)
Nein, dieses Bild zeugt nicht von einer wirklichen Hilfe für die Menschheit oder unserer Welt im Ganzen.
Zur Verbesserung unserer Welt trägt da sogar jeder Rheinhafenarbeiter mehr bei….
Alle geben ihr Bestes. Beispielsweise die Horx’ens, indem sie ihre Zehntausender mit Büchern verdienen, in denen sie rückwärts in eine Zukunft schauen, die es so kaum geben wird. Und die Blocher’s äufnen ihre Milliarden, indem sie mit ihrem EMS-Chemie-Plastik die Welt vermüllen, die es so nicht mehr geben kann.
Antwort:
Ja, Sie haben ganz recht. EMS-Chemie produziert High-Tech-Teile aus Kunststoff. Aber unserer Umwelt ist es egal, ob es nun High-Tech-Komponenten sind oder Haushaltsplastiksäckchen aus Thailand, welcher unser Grossverteiler für 1 Fr. die Rolle verkauft.
Daneben gibt es jedoch auch den verbalen Müll. Gerade in dieser Zeit meint jeder „Influencer“ im Netz, er müsse auch noch seinen Senf zur Viruskrankheit geben. Oder die Gutmenschen-Jungen (also nicht alle), welche von Unterwegs per „Snap-Chat“ die andern auffordern = „Kollegen-bleibt zuhause“….
Was soll das? Wie immer: Sich selbst Überhöhen und die andern runtersetzen….
Ob Plastikmüll oder verbale Dreckschleudern, beides ist mies.
Da bleib ich (stellvertretend für alle einfachen Leut‘) beim Rheinhafenarbeiter. Er macht beides nicht.