Warum wir eine andere Armee brauchen

Publiziert am 26. Oktober 2018 von Matthias Zehnder

Rund fünf Milliarden Franken pumpt die Schweiz jedes Jahr in ihr Militär. Soldaten lernen nach wie vor Handgranaten zu werfen und auf Scheiben zu schiessen. Doch konventionelle Kriege sind sehr unwahrscheinlich geworden: Es lohnt sich schlicht nicht mehr, ein Land mit Panzern anzugreifen. Wirklich bedroht sind unsere Firmen, unsere Computer – und unsere Köpfe. Doch da hilft die Schweizer Armee kaum etwas – und die Politik setzt nach wie vor auf die alten Rezepte. Es ist Zeit, unsere Sicherheit neu zu denken.

Die Schweiz hat bekanntlich eine Hobby-Armee.[1] Nur gut, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in Europa zu einem konventionellen Krieg kommen wird, sehr tief. Das liegt nicht etwa daran, dass alle anderen Nationen plötzlich Kreide gefressen hätten. Nein: Herkömmliche Kriege lohnen sich nicht mehr. Yuval Harari hat das bereits in «Eine kurze Geschichte der Menschheit» ausgeführt und in seinem neusten Buch «21 Lektionen für das 21. Jahrhundert» nachgedoppelt. Er schreibt, 1914 hätten die Eliten in Washington, London und Berlin genau gewusst, wie ein erfolgreicher Krieg aussieht und wie man ihn gewinnen kann. Das sei heute völlig anders: 2018 hingegen haben globale Eliten allen Grund zu der Annahme, dass diese Form des Krieges womöglich ausgestorben ist. Zwar mag es einigen Drittwelt-Diktatoren und nichtstaatlichen Akteuren noch immer gelingen, mittels Krieg prächtig zu gedeihen, aber Grossmächte wissen offenkundig nicht mehr, wie das möglich sein sollte.[2]

Der Grund dafür ist einfach: Kriege lohnen sich nicht mehr. Auch die grossen Staaten können heute ihre jungen Männer nicht mehr einfach so einziehen, sie müssen sie bezahlen für ihre Dienste als Soldaten. Dazu kommen die Kosten für Waffensysteme, Treibstoff, Munition. Krieg zu führen ist teuer – und bringt nichts mehr ein. Wenn der römische Kaiser Geld brauchte, griff er einen Nachbarstaat an, plünderte Land und Leute und sicherte sich den Reichtum des Landes: Ackerland und Vieh, Sklaven und Rohstoffe wie Gold. Auf diese Weise finanzierte auch Adolf Hitler noch sein Drittes Reich. Selbst Sklaven machten die Nazis, bloss nannten sie sie Zwangsarbeiter.

Reichtum lässt sich nicht mehr erobern

Heute besteht der Reichtum der reichen Länder nicht mehr aus Gütern, die sich so einfach in Besitz nehmen lassen wie Gold und Sklaven. Die Schweiz zum Beispiel ist reich an Wissen und Know-How. Es ist die Wirtschaftsleistung, die uns reich macht. Es sind Bildung und Ausbildung der Bevölkerung, die Banken, Forschung, die Pharma. Der Boden spielt dabei kaum eine Rolle, andere Besitztümer, die man uns wegnehmen könnte, hat die Schweiz nicht. Der harte Schweizer Franken ist nicht mehr in Gold abgesichert und die Währungsreserven der Nationalbank lagern nicht in einem Schweizerischen Fort Knox – sie sind lediglich in Form von ein paar schnöden Computerzeilen festgehalten.

In «Eine kleine Geschichte der Menschheit»[3] macht Yuval Harari das Beispiel Kalifornien: Was würde passieren, wenn zum Beispiel die Chinesen mit einer Million Soldaten an der Küste von San Francisco landen und landeinwärts stürmen würden? Sie würden kaum Beute machen, schreibt Harari. Denn im Silicon Valley gibt es keine Siliziumvorkommen. Reichtum und Macht des Silicon Valley haben ihren Ursprung in den kreativen Köpfen der Softwareingenieuren von Google, Facebook und Co. und den der Filmemacher in Hollywood. Diese Köpfe lassen sich mit Panzern und Soldaten nicht erobern. Lange bevor es brenzlig wird, sind die weg.

Würde eine Armee den Googleplex, den Unternehmenssitz von Google LLC in Mountain View, Kalifornien, erobern, hätte sie nichts davon. Die Werte stecken in Computern und in den Köpfen der Mitarbeiter. Bild: Google.

Die Eroberungskriege der letzten Jahre betrafen Regionen, deren Reichtum in den Böden steckt. Das ist der Grund, warum im Nahen Osten immer noch Panzer rollen. Anders als im Silicon Valley lässt sich der Reichtum zum Beispiel von Kuweit durchaus erobern – er steckt im Boden. Von diesen Ausnahmen abgesehen lohnt sich Krieg nicht mehr. Der Frieden dafür umso mehr: Harari schreibt, der Frieden sei lukrativer denn je. Anders gesagt: In der globalisierten Wirtschaft kommen die Länder durch Geschäfte schneller zu Reichtum als durch Eroberungen. Deshalb schicken China und Indien nicht Panzer in den Westen, sondern Investoren. Und für diese Investoren wäre ein konventioneller Krieg eine echte Katastrophe.

Was Harari über Kalifornien sagt, gilt genauso für die Schweiz, die ja bekanntlich über keinerlei Rohstoffe ausser Salz verfügt: Der Reichtum der Schweiz basiert auf Humankapital, technischem Knowhow und komplexen sozio-ökonomischen Gebilden wie Banken. Das alles lässt sich nicht mit Panzern erobern – und es lässt sich nicht mit ein paar Sturmgewehren verteidigen.

Der Reichtum steckt in Firmen, Computern und Köpfen

Etwas vereinfacht könnte man sagen: Der Reichtum der Schweiz (und anderer europäischer Länder) basiert auf Firmen, auf Computern und auf Köpfen. Mit den Firmen springen etwa die Chinesen sehr freundlich um: Sie kaufen sie einfach auf. Die Liste der Firmen, die heute in chinesischer Hand sind, ist lang. Ein frühes und spektakuläres Beispiel ist Volvo: Der chinesische Autobauer Geely hat Volvo 2010 gekauft.

Zu den bekannten Schweizer Firmen, die mittlerweile in chinesischem Besitz sind, gehören etwa Swissmetal, die Uhrenfirma Eterna, Swissport, der Trinkflaschenhersteller Sigg, die Cateringfirma Gategroup, SR Technics (Flugzeugwartung), das Modelabel Bally, das Luzerner Hotel Palace und natürlich die Basler Chemiefirma Syngenta.[4] Aufgeschreckt durch die Übernahme eines innovativen, deutschen Roboterherstellers will Deutschland seine Firmen künftig besser vor unfreundlichen Übernahmen aus China schützen.[5] In der Schweiz erwägt auch Bundesrat Schneider-Ammann Schutzmassnahmen, allerdings nur dann, wenn die Käufe kritische Infrastrukturen wie Stromnetze betreffen. Der «Bund» schreibt deshalb, die Schweiz wolle den Chinesen «ein Riegelchen vorschieben».[6]

Syngenta gehört seit etwas mehr als einem Jahr der chinesischen Chem China.

Hackerangriffe rund um die Uhr

Den Computern geht es nicht so gut. Anfang Oktober haben die Niederlande Schlagzeilen gemacht, weil sie vier russische Spione auswiesen. Die niederländische Verteidigungsministerin Ank Bijleveld und ihr Militärgeheimdienstchef erklärten, sie hätten einen Angriff des russischen Militärgeheimdienstes GRU auf die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag verhindert. Die vier Spione seien zudem auf dem Weg in die Schweiz gewesen, um dort das Labor Spiez zu hacken. Auch die USA haben den russischen Militärgeheimdienst GRU für mehrere Cyberangriffe verantwortlich gemacht.[7]

Dieser Hackerangriff ist also offenbar spektakulär schief gegangen. Es ist einer von vielen Angriffen. Das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt, dass immer mehr Schadprogramme das Internet unsicher machten. Ausserdem häuften sich Hackerangriffe auf Infrastruktur.[8] Im Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Mai 2018 verzeichnete das BSI 145 ernstzunehmende Hackerangriffe auf deutsche Firmen und Einrichtungen. Täglich finden dem BSI zufolge Hackerangriffe auf die Regierungsnetze statt. Neben ungezielten Massenangriffen gebe es gezielte Angriffskampagnen, schreibt die «Zeit». Die Gegner der westlichen Länder in diesem neuen, digitalen Krieg sind nicht unbedingt andere Länder oder Geheimdienste, es können auch «selbstständige» Hackergruppen sein, die sich mit Erpressungen finanzieren oder die mit Hilfe von elektronischen Einbrüchen versuchen, Knowhow zu stehlen.

Diesen Sommer haben die ersten Cyberrekruten in der Cyber-Defence der Schweizer Armee ihre RS absolviert. Bild: Mediathek VBS

Gegen Cyberangriffe dieser Art helfen keine Schützenpanzer und auch keine Luftwaffe, die den Luftraum während den Bürozeiten in der Schweiz absichert. Immerhin hat die Schweizer Armee jetzt reagiert und in diesem Jahr die erste Cyber-RS durchgeführt: 18 Rekruten haben im Rahmen des Aktionsplans für Cyber-Defence die Cyber-Abwehr der Armee verstärkt.[9] Weil die Computersoldaten auch im zivilen Leben in entsprechenden Berufen arbeiten, spricht die Armee von einer Win-win-Situation für Wirtschaft und Armee. Verglichen mit den Millionen, die nach wie vor für konventionelle Waffensysteme verpulvert werden, strecken die Cyber-Abwehrbemühungen der Schweizer Armee aber noch in den Kinderschuhen.

Und was ist mit unseren Köpfen?

Unsere Firmen also werden schlicht aufgekauft, unsere Computer rund um die Uhr bösartig (und zu oft erfolgreich) angegriffen. Und was ist mit unseren Köpfen? In der Vergangenheit hat man immer gesagt: Die Schweiz hat keine Rohstoffe, aber sie hat Bildung. Mit guter Bildung und Ausbildung kompensiert die Schweiz die mangelnden Rohstoffe. Das war zumindest lange Zeit so. Mittlerweile fehlen in der Schweiz Tausende Informatiker und viele Naturwissenschaftler. Die Schweizer Universitäten sind, der isolationistischen Politik der Schweiz wegen, von europäischen Programmen ausgeschlossen. Die Schweiz gehört nicht mehr zu Erasmus.[10] Die «NZZ» bezeichnet das ungeklärte Verhältnis zu Europa sogar als «Achillesferse der Schweizer Forschung».[11]

Doch wenn wir von den Köpfen in der Schweiz reden, geht es nicht nur um Spitzenforscher und Professorinnen. Es geht um alle. Besonders besorgniserregend ist die Zahl, welche das Zürcher Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) diese Woche veröffentlicht hat: Laut Fög zählen 53 % der 16- bis 29-Jährigen zur Gruppe der «News-Deprivierten», die kaum mehr Informationen zur Kenntnis nehmen, weil sie keinerlei Nachrichten mehr konsumieren. 2009 gehörten erst  32 % zu dieser Gruppe. Und es sind nicht mehr nur die jungen Menschen, die sich den Nachrichten und Informationen verweigern: 36 % der gesamten Bevölkerung konsumieren keine Nachrichten mehr, 15 % mehr als 2009.[12]

Nötig wäre nicht nur der Kampf gegen Hacker, sondern auch gegen Fake News. Bild: Mediathek VBS

Das ist besorgniserregend. Wer nicht informiert ist, lässt sich viel leichter desinformieren, ist also viel anfälliger für Fake News. Gefälschte Nachrichten in sozialen Netzwerken waren bekanntlich 2016 im amerikanischen Wahlkampf ein wichtiges Mittel zur Beeinflussung der amerikanischen Bevölkerung. Laut der Untersuchung des Fög liegt die Abkehr von den Nachrichten unter anderem daran, dass das Fernsehen seine Vormachtstellung als wichtigstes Informationsmedium verloren hat. 43 % der Schweizer Bevölkerung informieren sich nur noch über digitale Kanäle. Unter den Jungen (18 bis 24 Jahre) beträgt dieser Anteil sogar 75 %!

Statt weiterhin jedes Jahr fünf Milliarden Franken in unsere Hobby-Armee zu pumpen, sollte sich die Schweiz besser überlegen, wie sie ihre Computer und ihre Köpfe besser vor bösartigen Angriffen schützen kann. Mit der Cyber-Rekrutenschule ist ein erster Schritt zum Schutz der Computer gemacht worden. Jetzt braucht es ein paar mutige Schritte zum Schutz der Köpfe vor Fake News. Zum Beispiel eine langfristig gesicherte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und eine Ausweitung dessen Tätigkeit auf das Internet. Nein, nicht für Unterhaltung: für Nachrichtenangebote, die auch junge Menschen erreichen. Damit Fake News in der Schweiz keine Chance haben.

Basel, 26. Oktober 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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[1] Das ist mir diesen Sommer wieder ins Bewusstsein gerufen worden, als einer meiner Söhne seine RS absolvierte. Aber das ist eine andere Geschichte.

[2] Yuval Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert. C.H.Beck: München 2018.

[3] Yuval Noah Harari, Eine kurze Geschichte der Menschheit. 100’000 Jahre Kulturgeschichte. München: Prestel 2016

[4] Vgl. NZZ 16.1.2018: https://www.nzz.ch/wirtschaft/das-waren-2017-die-groessten-firmenuebernahmen-ld.1347953

[5] Vgl. «Süddeutsche Zeitung» 7.8.2018: https://www.sueddeutsche.de/politik/firmenuebernahmen-mehr-schutz-vor-investoren-aus-china-1.4084343

[6] Vgl. «Der Bund» 8.9.2018: https://www.derbund.ch/schweiz/standard/bund-will-firmenuebernahmen-durch-china-ein-riegelchen-vorschieben/story/11832724

[7] Vgl. NZZ vom 4.10.2018: https://www.nzz.ch/schweiz/russischen-hacker-angriff-auf-die-organisation-fuer-ein-verbot-von-chemiewaffen-vereitelt-ld.1425648

[8] Vgl. «Die Zeit» vom 11.10.2018: https://www.zeit.de/digital/internet/2018-10/hackerangriffe-gefaehrdungslage-bundesamt-sicherheit-informationstechnik

[9] Vgl. Pressemeldung des VBS: https://www.vtg.admin.ch/de/armee.detail.news.html/vtg-internet/verwaltung/2018/18-09/erste-erfahrungen-mit-dem-cyber-lehrgang-der-armee.html

[10] Siehe etwa hier: «Voraussetzungen nicht erfüllt: Die Uni Basel ist offiziell draussen», bzBasel vom 256. 10. 2018:  https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/voraussetzungen-nicht-erfuellt-die-uni-basel-ist-offiziell-draussen-133626568

[11] Vgl. NZZ vom 15.10.2018: https://www.nzz.ch/schweiz/die-achillesferse-der-schweizer-forschung-ld.1425977

[12] Vgl. NZZ vom 22.10.2018: https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/die-zahl-der-news-verweigerer-waechst-markant-ld.1428753

5 Kommentare zu "Warum wir eine andere Armee brauchen"

  1. Lieber Matthias (rede dich per du an, obwohl wir uns nicht kennen, noch nie begegnet sind – spielt aber keine Rolle, finde ich!),
    Das ist einer deiner allerbesten Beiträge, die ich bis dato gelesen habe! Chappeau. Gratuliere! Und sehr wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet, das Harari ein paar gute Gedanken in unser „System“ hat einfliessen lassen.
    Freue mich auf Weiteres.
    und beste Grüsse
    Gino
    Hans Gino Suter-Mösch
    Bluemetweg 4
    5073 Gipf-Oberfrick
    079 624 15 90

  2. Mitte Oktober war ich im nahen Schwarzwald zu Fuss im Gebiet vom Feldberg unterwegs. Von oben sind viele Hektaren braungelb verdorrte Tannenwälder zu sehen. Sie werden absterben. Das Bild einer Option, die ich diese Woche auch in Linz im Kopf hatte, wo ich als Gast aus der Schweiz zu einem ErasmusPlus-Symposium zu Widersprüchen und Wandlungen bei Beteiligungsprozessen eingeladen war. Ein Fazit: Die Mehrheit der Bevölkerung und die von ihnen gewählten Politikerinnen und Politiker wollen nicht wissen, dass die Erde mit der Mentalität «Immer-noch-mehr-bis-zum-Geht-nicht-mehr» an die Wand gefahren wird. Da nur eine Minderheit zu einem tiefgreifenden Gegenverhalten bereit ist und es auch tut, wird die Wahrscheinlichkeit immer grösser, dass es in 5 bis 15 Jahren weltweit zu einem Zusammenbruch kommen muss. Er wird nicht nur Gletscher, Meere und Wälder, sondern beispielsweise auch die Wirtschaft erfassen. Weil ihr die Resilienz und die Ressourcen fehlen werden. Was dann sein wird, ist offen. Anstatt lukrativ das Elend zu verwalten, engagiere ich mich mit andern zusammen für achtsam innovative Projekte: für Erfahrungen, die geeignet sein können, die Zukunft danach zu gestalten.

  3. Lieber Herr Zehnder

    Ich schliesse mich den Worten von Herrn Suter voll und ganz an. Vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich ärgere mich seit Jahrzehnten über das längst veraltete Denken der Betonköpfe unseres Militärs und vieler Politiker. Das Buch von Autor Hariri sollte Pflichtlektüre in den Schulen für unsere Jugend werden. Nur sie kann noch ein Umdenken lernen und uns Hoffnung für, wenn auch nicht mehr für unsere Kinder, so doch für unsere Enkel und Urenkel geben. Wie viel Gutes könnte man für die verpulverten Milliarden tun!

    Gerda Schönholzer

  4. Ich teile Ihre Beurteilung der Gefahr durch Cyberangriffe, vermisse jedoch in ihrer Betrachtung eine fundierte Analyse der Bedrohung unseres Landes durch konventionelle und hybride Potentiale in normalen, Zeiten erhöhter Spannungen und einem Verteidigungsfall, letzterer als eigentliche Raison d’Être unserer Armee. Ein Blick über unsere Landesgrenzen in die weite, erneut von militanten Machtpolitikern dominierte Welt, belegt eindrücklich die Unhaltbarkeit Ihrer Argumentation im Bereiche konventionelle Landesverteidigung. Auch in unserem Europa sind wir gemessen am Völkerrecht mit einer widerrechtlichen Annexion der Krim und einem seither ungelöst schwellenden kriegerischen Konflikt in der Ostukraine konfrontiert. NZZ-Chefredaktor Eric Gujer hält in seinem Leitartikel vom 13.01.2018 in diesem Zusammenhang denn auch fest: „Der Ukraine-Schock sitzt tief. Nichtmitglieder (der NATO) wie die Schweiz müssen sich überlegen, ob sie ebenfalls in ihre Streitkräfte investieren oder ob sie weiter zurückfallen und akzeptieren, dass sie militärisch irgendwann gänzlich zum Protektorat fremder Mächte herabsinken“. Er trifft damit den „sicherheitspolitischen Nagel“ für unser Land auf den Kopf und beweist im Unterschied zu Ihren Ausführungen ausgeprägten Realitätssinn. Will heissen, wir benötigen wirkungsvolle Mittel für einen umfassenden Schutz unseres Landes und nicht nur für eine besonders dringliche, virulente Bedrohung durch Cyberangriffe. Das aktuell von unserer Bundespolitik über viele Parteigrenzen hinweg gepflegte „sicherheitspolitische Trittbrettfahren“ kann nicht im strategischen Interesse unseres Landes, seiner Regierung und Bewohner sein. So wären z.B. unsere staatlichen Strukturen, unsere Bevölkerung sowie deren überlebensnotwendige kritische Infrastruktur ohne eine erneuerte, leistungsfähige Luftverteidigung in allen Lagen Bedrohungen aus der Luft mit verheerenden Konsequenzen schutzlos ausgeliefert.

    1. Neben der Mentalität «Immer-noch-mehr-bis-zum-Geht-nicht-mehr» (siehe oben) ist es auch beispielsweise noch die Mentalität «Konkurrenz belebt das Geschäft – und mit Verlusten muss gerechnet werden», die nicht nur exklusiv für die Superreichen Milliarden generiert sondern auch Kriege provoziert, mit denen die Erde an die Wand gefahren wird.

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