Warum Basel nicht links ist

Publiziert am 4. Dezember 2020 von Matthias Zehnder

Die Stadt Basel ist als «links» verschrien – oder als «rot-grün» bekannt. Je nachdem. Umso überraschender ist es, dass letzten Sonntag die Bürgerlichen jubeln konnten: Sie knackten die links-grüne Mehrheit in der Basler Regierung. Mit Esther Keller zieht zum ersten Mal überhaupt in der Schweiz eine GLP-Politikerin in einen Regierungsrat. Bürgerliche sind sich deshalb sicher (und die Linken fürchten): Jetzt wird alles anders in Basel. Doch der Schein dürfte trügen. Denn Basel war nie wirklich links, die Regierung schon gar nicht. Entsprechend wird sie keine völlig andere Politik machen. Im Gegenteil: Ich fürchte, in Basel bleibt alles beim Alten. Denn Basel ist nicht links und war es auch nie.

Die «rot-grüne» Mehrheit im Kanton Basel-Stadt, das «linke» Basel – seit Jahren malen bürgerliche Politiker und der Gewerbeverband (aus ihrer Sicht) rote Schreckgespenster an die grauen Stadtmauern. Umso grösser war der Jubel der Rechten über den Einbruch der Linken bei den Basler Regierungsratswahlen. Auch wenn Journalisten mit dem Adjektiv «historisch» sehr freizügig umgehen – für einmal war es nach dem letzten Wochenende am Platz.

«Historische Schlappe für Rot-Grün in Basel» titelte der «Tages-Anzeiger», «Die rot-grüne Regierungsmehrheit in Basel ist Geschichte» der «Bund», nur bei der «NZZ» trübte ein Tränchen den bürgerlichen Jubel: «Liberale Wende ohne FDP», bedauerte die alte Tante. «Watson» brachte das Erstaunen der Presse auf den Punkt: «In Basel, der linksten aller Schweizer Städte, fällt nach 16 Jahren die rotgrüne Mehrheit im Regierungsrat.»[1] Alles richtig – und doch kreuzfalsch. Denn Basel ist nicht einfach links.

Keine grossen Ideale

Jetzt greifen Sie sich womöglich an den Kopf. Was soll Basel denn sein, wenn nicht links? Nun: Das Etikett basiert auf Abstimmungsresultaten wie dem vom 9. Februar, als die Basler StimmbürgerInnen die beiden Verkehrsinitiativen des Gewerbeverbands ablehnten. «Zämme fahre mir besser» kassierte eine Abfuhr mit 65% Nein-Stimmen, «Parkieren für alle Verkehrsteilnehmer» mit 58% Nein-Stimmen. Eine Ohrfeige für den Gewerbeverband. Der hatte sich vorher bitter darüber beklagt, dass der Gegenvorschlag zur Initiative kein Kompromiss sei, sondern eine Verschärfung der aktuellen Lage. Der «Pseudo-Gegenvorschlag» zur Initiative verschärfe die «einseitige und konfrontative Basler Verkehrspolitik weiter».[2] Die Stimmbevölkerung hatte für das Jammern kein Gehör und nahm den Gegenvorschlag mit 54% Ja-Stimmenanteil an. Die Baslerinnen und Basler stellen sich also gegen den Gewerbeverband – aber sind sie deswegen links?

Nun wissen wir alle, dass die Unterscheidung zwischen politisch links und rechts schlicht auf die Sitzordnung der Nationalversammlung 1789 in Frankreich zurückgeht: Nach der französischen Revolution sassen im nationalen Parlament diejenigen Parteien, die einen politisch-gesellschaftlichen Wandel anstrebten, auf der linken Seite und jene Parteien, welche die Verhältnisse bewahren wollten, sassen auf der rechten Seite. Seither sind «links» und «rechts» vielfach aufgeladen worden. So steht die politische Linke heute für eine Politik, die Gleichberechtigung und Gleichheit anstrebt und dafür staatliche Interventionen in Kauf nimmt, die politische Rechte strebt Freiheit und Eigenverantwortung an und steht für ein Primat der Wirtschaft. Ins Extreme karikiert droht links Diktatur und rechts Anarchie. Oder umgekehrt, je nach Sichtweise.

Das bedeutet auch: «links» und «rechts» meinen grosse, politische Ideale. Gleichheit oder Freiheit – das ist die Frage. Etwas böser gesagt: Es sind Ideologien. Und eine Ideologie ist, wenn die Antwort feststeht, bevor die Frage gestellt worden ist. Aber ist Basel wirklich ideologisch links? Geht es dem Gewerbeverband, geht es den Promotern des Veloverkehrs wirklich um politische Ideale – oder geht es beiden Seiten schlicht um ihre eigenen Interessen, die sie mit politischen Idealen verbrämen? Denn bei Lichte betrachtet geht es dem Gewerbeverband wohl nicht um ein abstraktes Freiheitsideal, sondern um freie Fahrt für Handwerker und Gewerbetreibende. Und der Gegenseite geht es nicht um eine abstrakte Gleichheit, sondern darum, dass sie in Basel sicher mit dem Velo von A nach B fahren können.

Die erste Dimension

Auch wenn man «links» und «rechts» als Benennung von politischen Richtungen ernst nimmt, muss man feststellen: Basel und die Baslerinnen und Basler sind nicht einfach links. Sie sind nicht einfach für Gleichheit, Gleichberechtigung und Fortschritt dank staatlicher Intervention. Ich glaube, die Bezeichnung von Basel als linker Stadt, das ist ein Missverständnis aus der Perspektive von (unter anderem) Gewerbeverband und SVP. Es ist eine Bezeichnung, die sich speist aus dem Unverständnis, mit dem Gewerbeverband und SVP diesen Städtern gegenüber stehen – und der Schlussfolgerung, dass angesichts der eigenen, rechten Position diese andere, unverständliche Gegenposition wohl links sein muss. Doch das Etikett «links» trifft nicht zu. Es mag der Rechten im politischen Grabenkampf als diffamierende Abwertung nützlich sein – gedanklich fruchtbar ist die Bezeichnung nicht.

Viel sinnvoller wären meines Erachtens zwei andere Dimensionen. Die erste: Statt in links und rechts würde ich die Politik in der Schweiz auf einer Skala zwischen «urban» und «ländlich» verorten. Es ist eine Dimension, die verschiedene Abstimmungen der letzten Jahre besser erklärt als die simple Links-Rechts-Zuschreibung. Schauen Sie sich nur einmal die Resultate der Konzernverantwortungsinitiative an. Die grossen Städte, also Zürich, Genf, Basel, Bern, Lausanne, Winterthur, aber auch Kleinstädte wie Luzern, Chur, Neuchatel, St. Gallen oder Schaffhausen haben die Initiative angenommen. Auf dem Land wurde sie dagegen abgelehnt. Die Städte und das Land finden sich politisch immer häufiger in gegnerischen Lagern – diese Konstellation finden wir auch in anderen Ländern, etwa in den USA, in Frankreich, Deutschland oder England.

Urban, aber nicht links

Basel ist also definitiv urban. Urban wird gerne mit «liberal» und «progressiv» übersetzt. Ich glaube, das führt in die Irre. Sicher ist: Urban ist nicht notwendigerweise links. Das wäre auch seltsam. Allein in den vergangenen zwölf Monaten sind 12’497 Personen neu in den Kanton Basel-Stadt gezügelt (12’276 zogen im gleichen Zeitraum weg).[3] Es ist nicht wahrscheinlich, dass ausschliesslich «linke» Menschen nach Basel ziehen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Menschen, die in einer Stadt leben, Anliegen und Bedürfnisse haben, die in der Schweiz gemeinhin als «links» empfunden werden.

Das zeigt sich gerade am Auto. In Basel, Bern und Zürich ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs und des Fuss- und Veloverkehrs am Gesamtverkehr der städtischen Bevölkerung mit 77% überdurchschnittlich hoch. In Basel und in Zürich besitzt nur jede dritte Person ein Auto, schweizweit ist es im Durchschnitt jede zweite Person.[4] Jetzt kann man sich fragen: Sind die Städter links und haben deshalb kein Auto – oder ist es nicht eher umgekehrt: In den Städten haben mehr Menschen kein Auto, weil sie es nicht brauchen, deshalb bringen sie bei Abstimmungen ihre Interessen als Fussgänger und Velofahrer ein – und das wird als links wahrgenommen. Aber nur von den Rechten.

Die Wörter «links» und «rechts» bezeichnen Ideologien. Ich glaube, das ist vorbei. Ich glaube, viele Menschen stimmen und wählen gemäss ihren persönlichen Interessen. Wir sollten «urban» deshalb vielmehr als Bündel von Interessen verstehen, die für Menschen in einer Stadt charakteristisch sind. Dass sich die BaslerInnen für Fussgänger, Velo und Tram einsetzen, hat meistens pragmatische Gründe. In einer Stadt spielen Kultur und Bildung, Schulen, die Universität, das intellektuelle Leben, Restaurants, Theater, Konzerte, das Nachtleben eine grössere Rolle als auf dem Land. Logisch. Das macht ja eine Stadt aus und zieht deshalb auch Menschen an, denen Bildung und Kultur wichtig ist oder die in diesem Bereich arbeiten. Das Gegenteil von urban bezeichnen entsprechend Wörter wie «ländlich», «provinziell», «dörflich» oder «rustikal». Auch das ist logisch: In einem Dorf auf dem Land hat es notwendigerweise weniger Museen, Theater, Konzertsäle, Schulen und Universitäten als in der Stadt. Dörfer haben andere Vorteile. Es geht nicht darum, Stadt und Land gegeneinander auszuspielen, sondern anzuerkennen, dass es zwei verschiedene Lebensräume mit unterschiedlichen Interessen sind. Die Schweiz imaginiert sich selbst gerne als ländliches Land – historisch gesehen ist das aber falsch. Die Schweiz ist das Resultat eines Bündnisses von selbstständigen Städten. Aber lassen wir das. Stellen wir fest: Die Stadt Basel ist urban.

Die zweite Dimension

Die zweite Dimension, die ich unterscheiden möchte, ist konservativ–progressiv. Das ist etwas gefährlich. Ich meine es wörtlich. Also: veränderungsavers – veränderungsfreundlich. Und ich glaube, die Baslerinnen und Basler sind eher veränderungsavers, also eher konservativ. Jetzt wenden Sie vielleicht ein, die Grünen und die Klimajugend sei doch nicht konservativ. Aber genau das sind sie im Kern: Die Grünen und die Klimabewegung möchten die Natur, möchten die Welt, wie sie einmal war, bewahren. Diesen Bewahrungswunsch treffen wir in Basel immer wieder an. Zum Beispiel, im Umgang mit der Stadtentwicklung und dem Stadtbild. Erinnern Sie sich an die Diskussion über das Klinikum 2 des USB und wie der Spitalneubau das Stadtbild störe? Vielen Baslern war eine ungestörte Silhouette ihrer «haimeligen» Stadt wichtiger als ein effizienter Spitalneubau. Erinnern Sie sich an den Entwurf der Wettsteinbrücke von Santiago Calatrava? Die Basler Stimmbevölkerung erteilte dem filigranen Entwurf des spanischen Stararchitekten am 20. Mai. 1990 eine Abfuhr. Oder der Casino-Neubau von Zaha Hadid – ebenfalls an der Urne gescheitert, genauso wie das Ozeanium, das Multiplex-Kino auf der Heuwaage oder die mutige Überbauung Basel Ost, die notabene dringend benötigten Wohnraum gebracht hätte. Nein: Baslerinnen und Basler sind nicht progressiv. Sie sind urban-konservativ.

Durch diese Brille lassen sich auch die vier Wohninitiativen lesen, welche die Stimmbevölkerung am 10. Juni 2018 angenommen hat: Die Baslerinnen und Basler möchten nicht, dass sich ihre Stadt in Richtung City entwickelt, sie möchten eine «haimelige» Kleinstadt erhalten, in der zu wohnen sich jedermann und jedefrau leisten kann. In der Schweizer Politlogik sind die Initiativen «links» – bei Lichte betrachtet sind es zutiefst konservative Wünsche, die einer vergangenen Stadt nachtrauern.

Pragmatisch-baslerisch

Die Stadt Basel ist also nicht links, sondern eher pragmatisch-nostalgisch. Vor diesem Hintergrund sind die Regierungsratswahlen keine so grosse Überraschung mehr: im Regierungsrat wurde der «Mitte-Rutsch» nachvollzogen, wie er sich im Grosser Rat abgespielt hat. Es ist denn auch nur logisch, dass der Regierungsrat die Departemente nicht völlig neu verteilt hat. Bürgerliche Politiker kritisierten, dass sich Wahlsiegerin LDP keines der «Schlüsseldepartemente» geschnappt hat. Wenn Stephanie Eymann (LDP) das Justiz- und Sicherheitsdepartement übernimmt, Esther Keller (GLP) das Bau- und Verkehrsdepartement und Kaspar Sutter (SP) das Wirtschafts-, Sozial- und Umweltdepartement, dann richten sich die drei Neuen wohl schlicht nach ihren Kompetenzen. Auch das ist pragmatisch-baslerisch.

Vor allem in den Kommentarspalten der «Basler Zeitung» herrschte nach den Wahlen Jubel. «Wesseltown» sei endlich Geschichte. Der rot-grüne Sumpf sei endlich trocken gelegt, die Linke könne nicht mehr wüten wie bisher und Elisabeth Ackermann könne Basel nicht mehr schaden (eine seltsame Vorstellung).[5] Auch darüber, wie es weitergehen könnte, haben die Leserkommentatoren klare Vorstellungen: «Cramer soll ins Baudepartement und dort endlich aufräumen!»[6] Diese Kommentatoren dürften enttäuscht werden. Die Baustellen in Basels Strassen werden unter Baudirektorin Esther Keller nicht weniger, weil die Zahl der Baustellen nicht vom Parteibuch des Departementsvorstehers abhängig sind. Die Linke konnte in den letzten Jahren nie «wüten», weil sie sich immer einem bürgerlichen Parlament gegenübersah. Und Regierungsrat Hanspeter Wessels wurde von der SP in den letzten Jahren dafür kritisiert, dass er zu wenig für die Verkehrsverlagerung in Richtung Langsamverkehr tat. Den Takt dafür gibt in Basel nämlich die Stimmbevölkerung vor – die Autofreunde sind da bekanntlich mit ihren Wünschen aufgelaufen.

Nein, Basel wird sich kaum so rasch verändern, nach rechts nicht und natürlich nicht nach links. Basel dürfte pragmatisch urban bleiben und sich (hoffentlich) weiterhin für die praktischen Interessen der Stadtbewohner einsetzen: mehr Platz für Fussgänger und Velofahrer, ein reichhaltiges Kulturleben, zahlbaren Wohnraum, Leben am Rhein. Leider wird die Stadt auch weiterhin ihre Identität in der Vergangenheit suchen und sich an einem «haimeligen» Basel orientieren, das eigentlich längst vergangen ist. Auch deshalb wird sich in der Stadt so schnell nichts ändern. Denn Basel ist nicht links, sondern urban-konservativ.

Basel, 4. Dezember 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Kostet nichts, bringt jede Woche ein Mail mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar und einen Buchtipp. Einfach hier klicken. Und wenn Sie den Wochenkommentar unterstützen möchten, finden Sie hier ein Formular, über das Sie spenden können.


Quellen

Bild: © Adobe.com, M.B.

[1] Vgl. «Watson», 30.11.2020: «Liebe Rot-Grüne, hier Ihr 3-Punkte-Plan zum sicheren Machtverlust … » https://www.watson.ch/schweiz/offen%20gesagt/118743903-wahlen-in-basel-stadt-die-drei-goldenen-basler-regeln-zum-machtverlust

[2] Vgl. Stellungnahme des Gewerbeverbands: https://gewerbe-basel.ch/2019/08/absurder-uvek-gegenvorschlag-zur-initiative-zaemme-fahre-mir-besser/

[3] Vgl.«Bevölkerung im Oktober 2020», Statistisches Amt des Kantons Basel-Stadt, 23.11.2020; https://www.statistik.bs.ch/nm/2020-bevoelkerung-im-oktober-2020-pd.html Etwas mehr als ein Drittel der Zuzüger waren Ausländer – zwei Drittel waren Schweizerinnen und Schweizer.

[4] Quelle: Bundesamt für Statistik, Städtische Mobilität im Vergleich: https://www.statistik.bs.ch/nm/2017-staedtische-mobilitaet-im-vergleich-basel-zeichnet-sich-durch-umweltgerechte-mobilitaet-aus-bd.html

[5] Vgl. «Basler Zeitung», Leserkommentare hier: https://www.bazonline.ch/kippt-die-rot-gruene-regierungsmehrheit-in-basel-stadt-349695808538

[6] Vgl. «Basler Zeitung», Leserkommentare hier: https://www.bazonline.ch/wer-folgt-auf-brutschin-und-wessels-812641532331

6 Kommentare zu "Warum Basel nicht links ist"

  1. Sehr treffender Wochenkommentar. Mit einem für Basler Verhältnisse selten klaren Durchblick. Basel lebt extrem und günstig vom Kapitalismus. Ob die Basler Politik blau, gelb, grün, hellgrün, rosa, rot, schwarz oder weiss angemalt ist, scheint in der Tat nicht sehr entscheidend. Vorne auf der Bühne wird zu Details aufwendig und engagiert Demokratie gespielt, während hinter den Kulissen grundsätzlich Grosskonzerne und die Hochfinanz den Takt und den Ton angeben. Und was mich dabei vor allem immer wieder irritiert: Kaum jemand scheint es richtig wissen zu wollen! Unglaublich aber leider wahr, wie die breite Masse sowohl den Medien als auch ihren Politiker*innen an Verdrängung, Verleugnung und kindlich-regressivem Zweckoptimismus in nichts nachsteht, das Sagen und das Tun gierigen und rücksichtslosen Grosskonzernen und der Hochfinanz überlässt und keinerlei Verantwortung für sich selbst übernimmt.

    1. Herr Keller – wie recht Sie da wieder einmal haben! Man kann Ihrem klugen, weisen und überlegten Kommentar nur zustimmen! Bin bravurös berührt! Das ist die Essenz der Essenz. Laserscharf auf den Punkt gebracht! Sehe ich auch so: Dieses „Links- / Rechts-Muster“ ist gar nicht mehr massgebend. Obwohl in der Bevölkerung noch als „Schemadenke“ mehr als verankert. Manchmal kommen von der einen aber sowohl auch von der anderen Seite praktikablere, vernünftigere, gehaltvollere Ideen. Überall – nicht nur auf den 37 km2 Basel-Stadt.
      Denn schlussendlich geht’s nur ums eine: Unser blankes Überleben! Ja, soweit ist es bei uns Superzivilisierten; dies gilt es schaudernd auszusprechen im 2020! Das Klima spielt verrückt! Jetzt ist es im Sommer-Australien 40 Grad warm, im Landesinnern sogar 42 Grad. Wie wird bei uns der nächste Sommer? Überlebensfähig? Es ist grundsatzwichtig, das Allerbeste und Allervernünftigste dafür umzusetzen; gleichzeitig das viele Riesen-Unnötige, unser Westbrimborium und aller unser Showzappel zu lassen, auf dem bei vielen das Ego aufgebaut ist, gar daraus besteht, ohne diesen Firlefanz sie ein Nichts sind!

      Verzicht, Verzicht, Verzicht – anders schaffen wir es nicht!

      Ist deshalb das „Links-Rechts-Grün-Rot-Schwarz-Denken“ noch so verbreitet? Links blinken und rechts leben. Einfach. Bei Grün das Wahlkreuz machen und trotzdem energieintensiv durchs Leben jetten. Banal. Die Grünliberalen wählen und trotzdem lautstark Harley-Davidson blochen (wie deren Präsident es tut!!!). Simpel. Und verbreiteter als man denkt. Denn: Einschränken (das zeigt das Coronajahr 2020), gar verzichten will hierzuland niemand! Ob „links-rechts-oben“ oder sogar „unten“ in unserer Gesellschaft: Wann verzichten Sie aufs Gier-Überflüssige? = Also praktisch auf ALLES im prallen West-Völlerei-Leben? Unseren Kindern und Kindeskindern dieses „grösste (Weihnachts-) Geschenk“ zu machen, das aus „Nothing“ besteht; ist der Mut da, sind Sie gewillt dazu?
      Das uferlose A (wie Airports) – Z (wie Zuwanderung) „mehr-mehr-mehr“ wandeln in ein A (wie Autobahn) – Z (wie Zubetonierung) „weniger-weniger- weniger“, geht das noch kurz vor dem grossen Knall in aller Köpfe rein, werte Leser/innen?
      Links oder rechts – obsolet wenn wir „verrecken“ (Helmut Hubacher)!

    2. Ueli Keller: Mir scheint, da haben Sie etwas arg karikiert: hier die den Ton und Takt bestimmenden rücksichtslosen Grosskonzern- und Hochfinanz-Bosse, da die nach deren Musik tanzenden Politiker und die Bevölkerung ̶ ein absolutes Zerrbild. Die Realität ist eine andere. Wer erinnerte sich nicht an den zwischen Novartis und Basel-Stadt abgeschlossenen Hundert-Millionen-Deal, 2005 im beiderseitigen Interesse beschlossen. Dafür stehen die Stichworte Rheinuferweg oder Lindanweglein. Damit verschaffte der Kanton einem seiner wichtigsten Steuerzahler Entwicklungsperspektiven und im Gegenzug befreite Novartis den Kanton vom Hafenproblem. Ein besseres Beispiel für Public-Private-Partnership ist mir nicht bekannt. Eben diese macht die Stadt Basel und ihr nicht immer unkompliziertes Verhältnis zu Ihrer Pharma- und Life-Science-Industrie aus. Eine solche Haltung als pragmatisch-nostalgisch zu bezeichnend, finde ich absolut zutreffend.

      1. Pius Helfenberger: Was ist das noch für eine Demokratie, die es zulässt, dass wenige sich sinnlos bereichern können, ohne es zu verdienen: sinnlos auf Kosten von andern und unser aller Umwelt? Was ist das noch für eine Demokratie, die es zulässt, dass immer mehr Menschen würdelos in Armut leben müssen, weil es für sie keine Chancen gibt?

  2. Was ist eigentlich eine progressive Haltung ? Was kann Fortschritt heute bedeuten? Ich meine, Fortschritt wird viel zu oft nur technologisch, wirtschaftlich oder architektonisch verstanden. Daher meine unvollständige Liste mit Vorschlägen für eine Erweiterung des Begriffs. Fortschritt ist:
    – weniger erwerbsarbeiten – mehr Freude und soziale Kontakte in den Alltag bringen
    – Als Stadt Suffizienz fördern (die Gesellschaft krankt am immer mehr)
    – Frei werdende Areale partizipativ und kreativ entwickeln und nicht zwingend von Stararchitekten überbauen lassen – oder gar nicht überbauen – wer schon auf dem Tempelhofer Feld in Berlin war, findet diese Vorstellung nicht mehr so absurd…
    – Nicht alle Carearbeiten auslagern oder durch techno-gadgets erleichtern, nur weil dies als progressiv gilt, sondern die Voraussetzung schaffen, dass wir – Frauen und Männer – wieder Zeit dafür haben, und einen Teil von diesen auch wieder selber und mit Freude ausüben können. Schliesslich geht es da nicht nur um Mühsal, sondern auch um Begegnung, Beziehung, menschliche Erfahrung. Und auch dass z.B. die eigenen Kinder überhaupt noch lernen, wie man kocht oder putzt.
    – Neue Lebensformen fördern, Gastfreundschaft bei uns leben statt dieser im Urlaub CO2-intensiv hinterherjetten.
    – und vieles mehr

    Öhmmm – ist dies nun eine konservative, eine progressive, eine urbane Haltung ?

    Lieber Matthias Zehnder, ich schätze Ihre scharfsinnigen Kommentare und Überlegungen immer sehr. Wäre das nicht mal einen Wochenkommentar wert, die Entwicklung des Begriffs Fortschritt (es geht ja implizit immer um eine Zunahme des wie auch immer definierten Wohls (eines Teils) der Menschheit) zu analysieren, und ob die übliche Verwendung des Begriffs Fortschritt im Zeitalter der Klimaveränderung sich überlebt hat? Ist die Forschung an „Bio-Kerosin“ und autonom fahrenden Autos von Grosskonzernen wirklich wert, Fortschritt genannt zu werden?

    Und, Sie erwähnen die Klimajugend. Ist diese nicht, indem sie auch neue Formen des Zusammenlebens, der politischen Aktion etc. pflegt, nicht im Gegenteil auch fortschrittlich, nur nicht im herkömmlichen Begriff?

    Pierre-Alain Niklaus

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.