Voyeurismus statt Journalismus während des Hochwassers

Publiziert am 16. Juli 2021 von Matthias Zehnder

Diese Woche haben die Hochwasser in der Schweiz die Berichterstattung in den Medien geprägt. Das ist verständlich. Die meisten Medien pendeln dabei aber zwischen blossem Verbreiten von Daten und emotionalisiertem Voyeurismus. Das Hochwasser ist deshalb ein Anschauungsbeispiel dafür, wie die Medien heute funktionieren. Eine Ursache für den Rückzug auf Daten und Tränendrüsen: Vielen Medienhäusern fehlen heute erfahrene Journalisten, die in der Lage sind, hinter eine Geschichte zu blicken und Zusammenhänge sichtbar zu machen. Es gibt wohl keine andere Branche, die so fahrlässig mit ihrem Knowhow umgeht. Aber der Reihe nach.

Ich schreibe diese Zeilen in meinem Büro in Basel und schaue dabei auf den Rhein. Er rauscht lauter als jeder Bergbach. Wo sich normalerweise ein freundliches, grünblaues Band durch Basel windet, tobt derzeit eine braungraue Brühe. Immer wieder sind grosse Äste und sogar Baumstämme im Wasser zu erkennen. Derzeitiger Pegelstand: über neun Meter. Normal sind um diese Jahreszeit fünf bis sechs Meter. Die Schifffahrt ist eingestellt, auch die Fähren setzen nicht mehr über den Fluss. Gefährlich ist der Rhein für Basel aber nicht. Wirklich gefährlich wird es derzeit in Basel nicht, weil das Wasser zu den Menschen kommen könnte, gefährlich wird es, weil viele Menschen ans Wasser gehen: Schaulustige, die sich zu nah an den Bach wagen, weil sie ein besonders spektakuläres Bild knipsen wollen, bringen sich in Lebensgefahr.

Feuerwehrschläuche am Seeufer

Natürlich sind die Hochwasser in der Schweiz das prägende Thema in den Medien diese Woche. Emotional titelt heute der «Blick»: Zwischen dem Versprechen auf «4 Seiten Rätselspass extra» und dem Skandal um Göläs «Hirnschlag wegen Kokain» («Blick» bringt die «Jugendbeichte des Büezerrockers») jubelt die Boulevardzeitung «Glück im Unwetter!». Die Schweiz sei «bisher vom Schlimmsten verschont». Weil die schlimmen Bilder aus der Schweiz ausbleiben, fokussieren Tamedia-Blätter wie der «Tages-Anzeiger» und die «BaZ» deshalb gleich auf die «Katastrophe in Deutschland» mit dem Foto eines von Trümmern zerquetschen Autos in Rheinland-Pfalz.

In den letzten Tagen haben wir sie in allen Formen und Lagen gesehen: Bilder von Feuerwehrschläuchen am Seeufer, die obligaten Gespräche mit Betroffenen (Camper am Vierwaldstättersee, Beizer in Luzern, Anwohner im Berner Mattequartier) und die Schaltung zum Hydrologen, der auch nicht mehr sagen konnte, als dass die Böden nass sind und es weiter regnet. Schon fast als Hintergrund geht der Bericht über einen Gemüsebauern in Andelfingen durch: Er zeigt dem Schweizer Fernsehen, wie seine Salate von unten faulen. Das ist die emotionale bis boulevardige Seite der Berichterstattung. So haben die Medien schon immer über Ereignisse berichtet: Menschen, Gefühle, Meinungen.

Dazu gekommen sind im Internet Liveticker und kleine Meldungen für die mobile Version der Onlineangebote, die mit Pushmeldungen auf dem Handy regelmässig auf sich aufmerksam machen. So werden Pegelstände und Niederschlagsmengen, Strassensperrungen und Einschränkungen vermeldet. Die angebotenen Informationen sind allerdings meist bescheiden. Am Donnerstag erreicht mich eine Push-Meldung der Tamedia-Zeitungen: Jetzt bei uns live die Pegelstände. Zu sehen sind dann schlicht die Daten, wie sie das Bundesamt für Umwelt auf seiner Website zur Verfügung stellt. Die Daten tauchen in vielen Medien auf. Dasselbe gilt für die Niederschlagsdaten von Meteo Schweiz und die Verkehrsmeldungen von Viasuisse. Viele Medien beschränken sich darauf, diese Rohdaten schlicht weiterzumelden. Es ist das, was man früher unter «Berichterstattung» verstanden hat: Die Zeitung hat Bericht erstattet über die Daten, die sie vorher bei verschiedenen Ämtern eingeholt hat. Heute stehen all diese Daten direkt im Internet zur Verfügung. Warum berichten sie die Medien trotzdem?

Wasserstandsangabe als Push-Meldung

Nun könnte man sagen: Das ist Service. Auf diese Weise muss nicht jeder Einzelne alle Datenquellen selbst besuchen. Die Medien übernehmen diese Aufgabe, stellen die Daten zusammen, verdichten und komprimieren sie, schaffen Übersicht und veredeln auf diese Weise die Daten zu Informationen. Bloss: Genau das findet oft nicht statt. Die schnellen Formate, also die Liveticker und die Push-Meldungen, beschränken sich meist auf das pure Weitermelden der Daten in der Form, wie sie gerade zur Verfügung stehen. Interpretiert oder verdichtet wird da nichts. Ein Beispiel dafür sind die Pegelmeldungen. Das Bundesamt für Umwelt gibt die Pegeldaten der Gewässer in Meter über Meer an und zusätzlich bei Flüssen die Durchflussmenge in Kubikmeter pro Sekunde. Die Wasserstandsangabe für den Rhein in Basel gibt das Bundesamt auf seiner Seite also mit 248.81 Meter über Meer an. Viele Medien melden das so weiter. Alles korrekt – bloss nicht hilfreich. Nützlicher ist die Angabe der Schweizer Rheinhäfen, die den Pegel des Rheins in Pegelmetern angeben. Auf der Seite von Port of Switzerland steht also nicht 248.81 Meter über Meer, sondern 878 cm. Darunter kann man sich (mindestens in Basel) mehr vorstellen: Ein Pegel von knapp unter neun Metern bedeutet, dass der Rhein für die Schifffahrt gesperrt ist, aber keine Hochwassergefahr droht. Angaben in Metern über Meer sind für uns Basler eher nutzlose Daten. Die Angabe in einem Pegelstand in Metern wird zur nützlichen Information, vor allem dann, wenn sie einbettet ist in einen Kontext.

Daten für sich genommen sind, so korrekt sie sein mögen, also oft nicht informativ. Sie müssen zu Informationen veredelt werden, indem sie übersetzt und erläutert werden. Genau dafür aber fehlt bei der hektischen Berichterstattung per Liveticker aber die Zeit – und auf den Redaktionen fehlt dafür oft auch die Kompetenz. Im besten Fall beschränken sich die Medien darauf, die Meldungen der Behörden weiterzureichen. So meldet Altertswiss am Freitag um 10 Uhr, dass die Grenzacherstrasse in Basel (also die Verbindungsstrasse entlang des Rheins nach Grenzach) gesperrt ist, weil sie unterspült wurde. Eine halbe Stunde später pusht die bzBasel eine Meldung auf die Smartphones ihrer Abonnenten. Inhalt, Sie haben es sicher erraten: Die Grenzacherstrasse in Basel ist gesperrt, weil sie unterspült wurde. Medien als Durchlauferhitzer. Kann man machen. Im schlechtesten Fall akkumulieren die Medien auf ihren Seiten aber so viele solche Meldungen, dass man sich vor lauter Informationen (oder besser: vor lauter Daten) kaum mehr in vernünftiger Zeit informieren kann. Man verliert den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen aus den Augen.

Schlecht bestellt um Fachwissen

Warum melden Zeitungen scheinbar stolz Pegelstände auf ihrer Website, die sich genauso auf der Seite eines Bundesamts ablesen lassen? Warum bauen sie ihre Seiten voll mit Polizeimeldungen, die genau so auf den Seiten des Kantons oder der Stadt zu finden sind? Die kurze Antwort lautet: weil es sich lohnt. Grosse Themen wie eine Hochwasserlage, die Fussball-Europameisterschaften oder demnächst die Olympischen Spiele bündeln viel Aufmerksamkeit. Ein Basisthema ist gesetzt und muss nicht mehr erklärt werden, die Medien schöpfen mit ihren Info-Snippets die Aufmerksamkeit ab, die schon da ist. Je mehr Inhalte sie zu diesem Thema produzieren und je mehr Pushmeldungen sie dazu absetzen, desto mehr Traffic holen sie auf ihre Seite. Kurzfristig profitieren sie davon.

Es steckt aber noch ein zweiter Grund dahinter: Viele Medien sind heute gar nicht mehr in der Lage, anders als mit solchen Instant-Formaten zu arbeiten. Die Polizeimeldung redigieren und mit einem Bild anreichern, das schafft jeder Praktikant. Eine komplexere Geschichte schreiben oder Daten anreichern, die Daten-Bäume zu einem informativen Wald verdichten, das ist anspruchsvoller, es braucht nicht nur mehr Zeit, als die auf Instant-Push-Meldungen ausgerichteten Abläufe in den Newsrooms den Journalist:innen lassen, es braucht vor allem sehr viel mehr Knowhow. Und um Fachwissen und Erfahrung ist es auf vielen Redaktionen schlecht bestellt. Ich würde sogar sagen: Ich kenne kaum eine andere Branche, die so fahrlässig mit Knowhow umgeht wie die Medienbranche.

Der grosse Knowhow-Abfluss

Zwei Beispiele. Ein Freund von mir hat nach vielen Jahren bei einer Zeitung genug und wechselt in ein Startup. Er gehörte zur Chefredaktion der Zeitung und hat seit vielen Jahren wichtige Kernthemen der Zeitung betreut. Er erzählte mir, für seine Dossiers, seine Erfahrung und sein Fachwissen habe sich niemand interessiert. Im Gegenteil: Verlagsmanager seien froh, wenn ältere Journalisten das Haus verlassen – sie sehen im Alter der Mitarbeiter:innen nur einen Kostenfaktor. Kunststück: Tickern kann auch ein 20-jähriger Praktikant. Mein Freund ist Wirtschaftsjournalist, er weiss deshalb, wie andere Firmen mit Knowhow umgehen. Er schüttelt nur den Kopf über die Medienbranche. Er hat den Eindruck, dass bald nur noch jene Journalist:innen in der Medienbranche arbeiten, die zu schlecht sind, um anderswo einen Job zu finden.

Ein zweites Beispiel: Frühpensionierungen bei SRF. Ein Teil der Stellenkürzungen der Radio- und Fernsehredaktionen werden über vorzeitige Pensionierungen aufgefangen. Das an sich ist ja vernünftig. Allerdings muss, wer in den Genuss einer Frühpensionierung kommen will, offenbar einen Vertrag unterzeichnen, in dem er sich verpflichtet, nie mehr für SRF zu arbeiten. Ich weiss zumindest von mehreren Beispielen. Auf diese Weise will das Unternehmen wohl verhindern, dass günstig freelancende Pensionäre junge Einsteiger:innen konkurrenzieren. Die Folge davon: Das Knowhow der Frühpensionäre ist futsch. Mindestens für SRF. Auch bei SRF scheint Erfahrung nicht mehr viel wert zu sein. Das bekam diese Woche selbst Tennis-Experte Heinz Günthardt zu spüren: SRF verzichtet künftig auf seine Dienste. Sein Knowhow ist nicht mehr gefragt. Ein Entscheid, der von vielen Schweizer Zeitungen sehr kritisch kommentiert wurde.

Sehr alte Denke in den Medienhäusern

Solche Abgänge wiegen umso schwerer, weil wirklich «draussen» ist, wer ein Medienunternehmen freiwillig oder unfreiwillig verlassen hat. Schweizer Medienhäuser denken schwarz-weiss: Man gehört dazu, oder man ist draussen. Ein Ökosystem mit zugewandten Firmen und Mitarbeiter:innen, wie es etwa die Pharmafirmen pflegen, gibt es nicht. Ein Abgang ist deshalb meist ein definitiver Schnitt – der Knowhow-Abfluss endgültig. Ich habe das selbst übrigens auch so erlebt. Ein aktuelles Beispiel für dieses Schwarz-weiss-Denken ist der Umgang von SRF mit Stefan Büsser. Der Comedian verlässt Ende August Radio SRF3. Er war nicht nur als Moderator zu hören, sondern auch als Podcaster: Mit «Quotenmänner» hat er zusammen mit Michael Schweizer und Aron Herz einen Podcast produziert, der sich zum erfolgreichsten SRF-Podcast auf Spotify mauserte. Die drei Männer wollen ihren Podcast privat weiterführen und haben SRF gefragt, ob sie den Namen mitnehmen dürften. SRF hat abgelehnt. «Quotenmänner» sei eine Marke, die von SRF aufgebaut worden sei und deren Wert SRF erhalten bleiben solle, erklärte SRF gegenüber dem «Blick».

Das kann man machen. Aber es ist sehr alte Denke. In der digitalen Welt spielt es keine Rolle, ob das grosse SRF hinter einem Angebot steht oder eine Einzelmaske. Auch der Name ist letztlich sekundär (deshalb schert es Büsser nicht weiter). Es kommt auf die Inhalte an – und auf die Menschen, ihr Wissen, ihre Erfahrungen, ihre Kreativität. Die logische Folge wäre: Unternehmen sollten interessante Menschen und ihre Inhalte an sich binden, weil sie auf sie angewiesen sind. Organisationen, Strukturen und Prozesse haben weder Knowhow noch Ideen. Das haben nur Menschen. Genau diese Menschen mit Fachwissen und Ideen kommen den Medien aber immer mehr abhanden. Und das merkt man den Angeboten mittlerweile an. Zum Beispiel wenn es in der Schweiz ein Hochwasser gibt.

Was wäre denn besser als herzergreifende Bilder von Menschen mit nassen Füssen und Pegeldaten all over the place? Erklärungen natürlich. Der Ausweg der Unwissenden ist das Expertengespräch. Erster Griff: der Wetterexperte. Wird es weiter regen? Wann kommt die Sonne? Wetter geht immer, einfach nie länger als drei Minuten. Zweiter Griff: der Hydrologe. Die Interviews, die ich mit Hydrologen gesehen habe, waren aber, verzeihen Sie den Kalauer, ein Schlag ins Wasser. Selbstgefällige Ausführungen über Gewässerschutz schaffen nicht viel Einsicht in der Krise. Dritter Griff: die Wissenschaftsredaktion. Wenn es die noch gibt. Die sagt dann aber vor allem, was man alles nicht weiss. Hm. Mich würde interessieren, wie viel Wasser Böden aufnehmen können. Warum die Böden trotz sinkender Grundwasserspiegel voll sein können. Und warum das Tiefdruckgebiet Bernd so lange über der Schweiz verharrt ist. Mich interessiert, mit anderen Worten, der Wald, nicht die Bäume, also das Klima, nicht das Wetter. Ich brauche nicht alle paar Minuten eine neue Pegelmeldung, sondern einmal eine gute Erklärung dafür. Ich möchte von Menschen lernen, die mehr wissen als ich. Vielen Medien sind diese Menschen aber abhandengekommen. Kurzfristig ist das den Medien egal, der Traffic stimmt ja. Langfristig werden die meisten Menschen aber nur Medien bezahlen, die mehr bieten als die öffentlich zugänglichen Daten und Emotionen von Menschen in Gummistiefeln.

Basel, 16. Juli 2021, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Bild: © Jürgen Fälchle – stock.adobe.com

Bundesamt für Umwelt BAFU (2021): Hydrologische Daten und Vorhersagen: Rhein – Basel, Rheinhalle 2289. In: Bundesamt für Umwelt BAFU . [https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2289.html; 15.7.2021].

Bernet, Remo (2021): SRF will «Quotenmänner»-Podcast nicht an Stefan Büsser verkaufen. In: «Blick». Zürich: Ringier. [https://www.blick.ch/people-tv/tv/verkauf-von-quotenmaenner-podcast-abgelehnt-srf-will-stefan-buessers-geld-nicht-id16659795.html; 15.7.2021].

Born, Mathias; Luchetta, Simone und Balmer, Dominik (2021): Unwetter in der Schweiz – Wie hoch steigt das Wasser? In: «Basler Zeitung». Basel: Tamedia. [https://www.bazonline.ch/wie-hoch-steigt-das-wasser-958686324390; 16.7.2021].

Forster, Sven (2021): Heinz Günthardt muss gehen – «Das SRF wollte ohne mich einen Neuanfang». In: «20 Minuten». Zürich: Tamedia. [https://www.20min.ch/story/das-srf-wollte-ohne-mich-einen-neuanfang-471563077709; 16.7.2021].

Port of Switzerland (2021): Aktuelle Pegelstände und Durchfahrtshöhe Mittlere Rheinbrücke. In: Port Of Switzerland – Schweizerische Rheinhäfen. [https://port-of-switzerland.ch/hafenservice/pegel/; 16.7.2021].

5 Kommentare zu "Voyeurismus statt Journalismus während des Hochwassers"

  1. Ja, Herr Zehnder hat recht mit der Kritik an den Medien im hier und jetzt.
    Doch ich sehe noch ganz anderes ablaufen als die Wasser in unseren Bächen… Denn bei alle diesen Hochwasser- und Wetterkapriolen-Berichterstattungen in der Schweiz steckt eine Agenda dahinter. Die Medien wollen uns „weichklopfen“, wollen uns „gefügig machen“ – für eine ganz bestimmte rot-grüne Klimapolitik. All die Berichte beweisen dies unbezweifelbar – denn was wir erleben, und ich möchte das nicht verharmlosend, sind gravierende Wetterereignisse, welche keine „Grillparty“ (im wörtlichen und übertragenen Sinn) sind. Aber ich wende mich hier ganz klar gegen diese politisch tendenziöse Interpretation, gegen diese durchsichtige rot-grüne Deutung dieser Wetterphänomene.
    Man versucht uns einzuhämmern, dass es sich da um noch nie dagewesene, katastrophische Phänomene handelt. Dies ist aber definitiv nicht der Fall, wenn man die Wikipedia-Liste der Hochwasser seit 1219 aufruft, erhält man ganze 14 A4 Seiten zu Gesicht, voll von Sturzfluten und Hochwasser. Immer wieder hat es dies also gegeben – ja es gibt halt da Draussen in unserer Natur Naturgewalten. Wir leben nicht in einem wunderbaren, wohltemperierten Freiluftwohnzimmer, wo wir nur an den Thermostatreglern drehen können, um die gewünschte Raumtemperatur einzustellen. Redet mal mit einem „Bergler“! Doch gerade viele „Naturfreunde“-Städter und Journalisten wollen dies einfach nicht akzeptieren, sie sehen den Menschen als Dreh- und Angelpunkt der Schöpfung, der gerade jetzt für alles Verantwortlich sei. Das ist falsch. Die Natur war und ist immer mächtiger als wir. Das ist ja der grosse Aberglaube, den uns jetzt die Medien einreden, der Mensch, also SIE und ich, sei verantwortlich, dass z.B. jetzt die Wasser am Vierwaldstättersee über die Ufer treten.
    Man muss sich gegen diese falsche, tendenziöse politisch motivierte Berichterstattung und Deutung unserer Medien wehren. Was hier abgeht ist ein Missbrauch des Klimas, ein Missbrauch des Wetters für politische Zwecke. Zudem wird man den Verdacht nicht los, dass die Journalisten zu diesem Thema aus einem gewissen Ressentiment heraus schreiben, denn die Journalisten sind selbstverständlich noch nicht fertig geworden mit der Tatsache, dass diese Schweizer das von den Journalisten hochgejubelte CO2-Gesetz abgelehnt haben. Doch jetzt wird dies uns, so klingt es in mir, mit barer Münze zurückbezahlt. Jetzt wird uns das auf seitenlangen Berichten eingerieben: „Seht her, weil „Ihr“ dieses CO2-Gesetzt abgelehnt habt, haben wir jetzt diese Situation. Alles wegen „euch“, all diese Aufwallungen der Naturgewalt. Und wenn ihr das CO2-Gesetzt abgesegnet hättet, hätten wir jetzt all diese Probleme nicht“….
    Nun, das schreiben sie nicht explizit so, selbstverständlich, das würde zu verrückt klingen, dann würden sie sich quasi selbst entlarven, aber das ist hier tatsächlich der Fall, das ist die Geschichte, die dem normalen Bürger hier verklickert werden soll. Mit Rot-Grün, mit Frau Sommaruga, mit dem CO2-Gesetzt bauen wir, so die Denke oder das Nachgebet der Journalisten, den ganz grossen Raumthermostat. Und dazu müssen wir unseren bisherigen Lebensstil verschrotten, braucht es eine Politik welche uns mit Verboten, mit Lenkung, mit Massnahmen und Strafaktionen in die „richtige“ Richtung prügelt, damit wir dann – neu Geboren als Naturgötter, die wir selbst geworden sind – in der Lage sein werden, das Klima, das Wetter, das Wasser, die Gewitter zu kontrollieren.
    Zudem ist es für Journalisten und Politiker einfacher, edler und mächtiger über die Weltenrettung zu schreiben und sich mit ihr zu befassen. BR Sommaruga ist auf Weltenretterfunktion, mit ernster Mine, ewig betroffen redet sie – ihre Meisterrolle – über das Klima, das Wetter, die Stürme vor Schulklassen, vor Medien, an Foren. Um Kleinkram wie den immer noch nicht aufgeräumten Postauto-Skandal oder auch über die Wahnsinns-Swisscom-Pannen mit 9stündiger Notruf-Unterbrechung kümmert sie sich nicht. Lässt sie schleifen. Redet sie klein. Denn = lästig, mühsam, schlecht fürs Image.
    UND: wer die Welt rettet, hat für Pannen, Pech und Pleiten, Finanzskandale, Entlassungen bei der Post, Filialabbau bei Post und Serviceabbau bei SBB überhaupt keine Zeit mehr.
    Die Medien, selbst emsige Körnerpicker vom Sommaruga-Kommunikationsdepartement, machen brav mit. Und je eifriger Körner (welche in Aussicht gestellt sind) gepickt werden, je mehr Sprachrohr, Image- und PR-Kanal von Sommaruga sie werden…
    Ob Sturm, Hagel, Asyl oder Einwanderung, ob Swisscom, Post, SBB oder SRG….
    Eine himmeltraurige Entwicklung macht sich in der Schweiz breit. Ja. Herr Zehnder hat recht mit der Kritik an den Medien im hier und jetzt. Sie machen (einmal mehr) wieder eine himmeltraurige Falle. Auch wenn er es wohl ein bisschen anders meint.

    1. Sehr geehrter Herr Zweidler
      Eine kleine Ergänzung zu Ihren Zeilen: Wir sollten im Kopf den Shift von Naturschutz zu Menschenschutz machen. In unserer Grossspurigkeit haben wir noch nicht verinnerlicht, dass wir (mit unserem Individualismus notabene) am meisten an diesen Veränderungen leiden werden und es bereits tun.
      Aber leider ist das „sich selber mit Wohlwollen und Achtsamkeit begegnen“ als Basis des „sich wahrlich Sorge tragen“ nicht weit verbreitet. So kapieren die Wenigsten, welches unser effektiv grösster Auftrag ist: Das langjährig gewachsene Geschenk, das uns tagtäglich gut leben lässt, innert Kürze für uns selber zunder obsi zu bringen.

  2. Dem an eine Verschwörungstheorie grenzenden Kommentar von Thomas Zweidler müsste man die heutigen Marktgesetze entgegenhalten. In ihrer Rolle als vierte Gewalt wären sie eigentlich in der Pflicht, wie es Matthias Zehnder ausdrückt, Informationen zu Geschehen zu sammeln, zusammenzustellen, zu verdichten und zu komprimieren und mit ihrer Arbeit eine Übersicht der Situation zu schaffen. Privatrechtlich organisierte Medien sind jedoch auf Aufmerksamkeit, sprich: für ihren wirtschaftlichen Erfolg auf möglichst grossen „Traffic“ angewiesen. Und dieser generiert sich sehr viel weniger aus Hintergrundinformationen als vielmehr aus emotional aktiven Schlagzeilen – aus journalistischem Kurzfutter.
    Schuld daran sind somit nicht rot-grüne Oekoprediger. Die Ursache dafür sind die technische Entwicklung hin zu elektronischen Medienträgern und das darin (be)herrschende Überangebot an Informationen. Was nicht innert zwei Sekunden das Interesse des Lesers erreicht, wird weggeklickt. Dies, weil der Mensch auf emotionale Information schneller reagiert als auf sachlich nüchterne Erklärungen. Dass es für solche „Berichterstattung“ keine fundiert recherchierende Journalist:innen braucht, liegt auf der Hand. Es läuft immer mehr nach dem Motto: Der Köder muss nicht dem Fischer gefallen sondern dem Fisch.
    Allerdings enthebt dieser ökonomische Umstand die Medien nicht ihrer Verpflichtung in ihrer gesellschaftstragenden Rolle. Noch geniesst sie in einer Mehrheit Vertrauen. Es zeigt sich indessen anhand dem Zulauf, ausgelöst durch ein technisch gesteuertes Schwarmverhalten, von sogenannt „alternativer Medien“, wie leicht dieses Vertrauen erodieren kann. Gerade dies müsste die Branche eigentlich in ihrer Verantwortung aufrütteln. Wo bleibt der Stolz, der Berufsethos? Im Grunde ist dieses Zurückfallen im Zeitalter eines sich stetig steigernden Qualitätsbestrebens ein Anachronismus. Oder müsste man es eher Zeichen einer Überforderung sehen, unter der sowohl Produzenten wie Konsumenten in unserer Welt des Überflusses in unbemerkter Form leiden?
    Wenn also zwischen den Zeilen Zweifel an unserem ökologischen Verhalten durchscheinen, ist das einer tendenziös links-ökologischen Berichterstattung anzulasten, oder nicht vielmehr einem hintergründig dräuendem Unbehagen einer durch Überfluss verursachten Verunsicherung?
    Die Art der Berichterstattung agiert hier als entlarvender Spiegel

  3. Dass Erfahrung, Fachwissen und Know-how kaum von Interesse sind, sehe ich nicht nur bei Medien: ich erlebe es auch beispielsweise bei der Politik. Solcherart Medien und eine solche Politik entsprechen einer Bevölkerung, die gemäss ihrem Verhalten mehrheitlich als dumm, oder als obrigkeitshörig, oder als unkritisch, oder als nichts wissen wollend, oder als bequem, oder einfach nur als vergnügungssüchtig gesehen werden muss! Eine Welt, die ich zunehmend als kaputt und krank erlebe: mit Politiker*innen sowie mit Wirt- und Wissenschaften, die sie mit ihrem «Immer-noch-mehr» – von dem sie geil und unbeirrbar das Gegenteil behaupten – immer noch kaputter und kranker machen. Pandemien, Hitzewellen, Überschwemmungen, Hungersnöte, Flüchtlingsströme, Kriege und andres mehr, scheinen mir einerseits Symptome dieser Krankheit: und anderseits Katalysatoren für noch mehr Zerstörung und den Zusammenbruch.

    Hoffnungsträger*innen sind für mich die vielen Menschen, die ausserhalb solcher Teufelskreise sowie ausserhalb der bestehenden Systeme, die ich von innen nicht als wirklich wirkungsvoll veränderbar einschätze, unterwegs sind. Achtsam, bescheiden, selbstbestimmt und qualifiziert, mit neuen Modellen: kokreativ und gemeinschaftlich.

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