Trump will Kohle machen – doch die Welt geht unter

Publiziert am 31. März 2017 von Matthias Zehnder

Flankiert von Kumpels aus amerikanischen Kohlebergwerken hat Donald Trump diese Woche die Umwelt- und Energiepolitik von Barack Obama beerdigt. Den Kohlearbeitern versprach er, dass das ihre Jobs zurückbringen werde. Doch das wird nicht funktionieren. Im Gegenteil. Mit der Entscheidung setzt Trump etwas viel Grösseres aufs Spiel, als ein paar Jobs in amerikanischen Minen: die Welt. Mindestens die Welt, wie wir sie kennen. Das lehrt uns die letzte Klimaveränderung, die sich im 17. Jahrhundert ereignete. Aber lesen Sie selbst.

Diese Woche hat Donald Trump den Krieg gegen die Kohle beendet – und damit einen Krieg gegen das Klima vom Zaun gebrochen. Umgeben von Kumpels aus amerikanischen Kohlebergwerken unterschrieb er den «Energy Independent Act». Ihr wisst, was das hier bedeutet? fragte er die Kumpel vorher noch, es bedeutet, dass Ihr zurück an die Arbeit geht. Das ist doppelt falsch: Erstens werden die arbeitslosen Kumpel nicht wieder Arbeit finden und zweitens bedeutet dieser «Energy Independent Act» etwas ganz anderes.

Mit den Jobs in der Kohleindustrie wird es nichts werden, weil nicht böse Regulierungen der Obama-Regierung für den Abbau der Stellen verantwortlich sind, sondern der Markt. Amerikanische Kohle als Energiequelle ist für viele Anwendungen schlicht zu teuer. Deshalb kommen im Bergbau da, wo überhaupt noch Kohle abgebaut wird, automatisierte Maschinen zum Einsatz. Vor allem aber setzt die Wirtschaft längst auf günstigere Alternativen wie Erdgas – und auf Sonne und Wind. Aber auf diesem Auge ist Donald wohl blind.

Rekordkleine Eisfläche in der Arktis

Trotzdem ist der «Energy Independent Act» eine politische Wende: Das Gesetz hat zur Folge, dass sich Amerika von den Pariser Klimazielen verabschiedet. Und das ist für das Land, ja für die ganze Welt fatal. Der Klimawandel ist nämlich keine Erfindung der Chinesen, wie uns das Donald Trump glauben machen will, er findet statt. Ein Indikator für die Klimaerwärmung ist die Grösse der arktischen Eisfläche. Am kleinsten ist die Eisfläche jeweils am Ende des Sommers, im September. Ihre grösste Ausdehnung hat sie jeweils im März, am Ende des Winters. Das Eis nimmt also im Sommer jeweils ab und baut sich im Winter wieder auf.

Doch in diesem Winter blieb der Eisaufbau praktisch aus. Die amerikanische Weltraumbehörde Nasa meldete, die zugefrorene Fläche an beiden Polen der Erde sei noch nie so klein gewesen wie heute. Die Nasa misst diese Fläche seit 38 Jahren per Satellit. Selbst mitten im Winter stieg die Temperatur an den Polen fast bis zum Gefrierpunkt. Entsprechend klein ist die Eisfläche. Und das Eis ist dünn. Es wird im Sommer noch rascher abschmelzen.

Schweizer kriegen kaum nasse Füsse

Viele Schweizer zucken mit den Schultern, wenn sie solche Nachrichten hören: Wir werden deswegen wohl kaum nasse Füsse kriegen. Die Arktis ist weit weg und geht uns so direkt nichts an. Die Bilder von Eisbären auf abgebrochenen Eisschollen sind ja berührend – aber Jobs in Kohlebergwerken sind wichtiger. Sagt Donald Trump. Vermutlich täuscht er sich dramatisch. Denn der Klimawandel wird nicht nur ein paar Eisbären in der Arktis und ein paar Pinguine in der Antarktis betreffen, sondern auch (ja eigentlich vor allem) uns Menschen.

Das ist keine leere Behauptung, sondern eine Erfahrung, welche die Menschheit bereits einmal machte und zwar im 16. und 17. Jahrhundert. Von 1570 bis 1700 kühlte sich die Erde gegenüber dem Mittelalter um vier Grad ab. Das Resultat war die so genannte «Kleine Eiszeit». Und die hatte dramatische Folgen, vor allem für die Menschen. Der deutsche Historiker Philipp Blom hat diese historische Klimakrise in seinem neuen Buch Die Welt aus den Angeln untersucht. Das Resultat ist verblüffend.

Klimakrise im 16. Jahrhundert

Vor dem Klimawandel, im Mittelalter, lebten die Menschen in Europa nicht gerade friedlich, aber doch relativ gut. Der ganze Kontinent ernährte sich von Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste und Hafer. Hauptnahrungsmittel waren Brote, Brei und Suppen, die daraus hergestellt wurden. Sehr wichtig war der Wein. Er wurde bis weit in den Norden angebaut. Selbst in Südnorwegen wuchsen im warmen Mittelalter Reben. Die meisten Bauern lebten von dem, was ihre Äcker hergaben: Einen Teil der Ernte verwendeten sie als Saatgut, einen Teil verzehrten sie selbst, einen Teil hatten sie als Steuer dem Landesherrn abzugeben.

Doch dann kam die Kälte. Gegenüber dem Mittelalter kühlte die durchschnittliche Temperatur um vier Grad ab – das sind zwei Grad weniger als die heutige Durchschnittstemperatur. Im 16. Jahrhundert traf das die Bauern hart. Nicht selten verfaulte ihr Getreide schon auf dem Feld. Die Weintrauben reiften nicht mehr. Miserable Ernten verteuerten Korn und Brot. Es kam zu Hungersnöten und sozialen Unruhen. Weil die Bauern ihnen keine Steuern mehr zahlen konnten, verlor der Adel seine Existenzgrundlage.

Katalysator für Veränderungen

Die Klimakatastrophe wurde zum grossen Katalysator für Veränderungen der Gesellschaft. Philipp Blom schreibt, dass sich die Welt innerhalb von vier Generationen von einer theologisch orientierten, bäuerlichen Feudalwelt voller Aberglauben und alten Traditionen in eine vergleichsweise moderne und aufgeklärte Welt verwandelte. Die Kleine Eiszeit war nicht einfach Ursache dieser Veränderungen. Sie war aber ein dauernder Druckfaktor, der weitere Umwälzungen begünstigte oder erzwang, weil alte und bislang stabile Strukturen einbrachen.

Und heute? Reagieren wir planvoller auf den Klimawandel als unsere Vorfahren? Haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Die Antwort ist: nein! Obwohl wir viel genauer verstehen, was da abläuft, reagieren Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wohl genauso chaotisch und improvisierend wie in der frühen Neuzeit. Vor allem denken wir viel zu kurzfristig. Die Wirtschaft orientiert sich nur an Jahresgewinnen oder sogar nur an Quartalszahlen und die Politik hechelt ihr hinterher. Wenn Donald Trump sagt, der Kampf gegen den Klimawandel sei Diebstahl am amerikanischen Wohlstand, kommt genau diese kurzfristige Denkweise zum Ausdruck.

Klimawandel wird die Menschheit unter Druck setzen

Die Kleine Eiszeit beendete die feudale Herrschaft der Adeligen und brachte die Aufklärung und das Primat der Wirtschaft. Was bringt der Klimawandel von heute und morgen? Philipp Blom schreibt: Es ist anzunehmen, dass sehr viele Menschen im Zuge ihrer Entwicklung leiden werden, aber wie die Menschen während der Kleinen Eiszeit werden auch wir unsere ökonomischen, politischen und kulturellen Praktiken und Metaphern neu erfinden müssen.

Konkret erwartet er, dass die Menschheit sich unter dem Druck des Klimawandels von der Demokratie verabschieden wird. Historisch gesehen sind Demokratien entbehrlich, schreibt Blom. Konsumwünsche und Sicherheitsbedürfnisse der Menschen können von anderen Systemen vielleicht verlässlicher befriedigt werden. Blom denkt dabei an autoritäre Gesellschaftsformen. Harte Hand und klare Ordnung seien verlockend für die Enttäuschten und Überrollten – also die, die schon verloren haben – und, in den wohlhabenden Teilen der Welt, für jene, die fürchten, etwas zu verlieren.

Autoritär oder liberal?

Die Auseinandersetzungen um die richtige Gesellschaftsform – liberal oder autoritär – und die richtigen Ideale werden umso härter geführt, je knapper die Ressourcen werden. Anders als Donald Trump denkt, geht es dabei nicht in erster Linie um Kohle und Erdöl, sondern um den Zugang zu Wasser und sauberer Luft. Der Kampf wird härter, der Druck höher. Ein Teil des Klimadrucks erleben wir heute schon in der Schweiz. Nein, wir kriegen keine nassen Füsse. Aber auch wir haben mittlerweile Klimaflüchtlinge: Menschen, die vor den katastrophalen Zuständen in Afrika flüchten. Und auch bei uns finden immer mehr Menschen, etwas mehr Autorität wäre gar nicht schlecht. Um die Freiheit auszuleben, gibt es ja die Unterhaltungselektronik.

Vielleicht gibt es ja Menschen, die in der Klimaveränderung einen willkommenen Katalysator sehen, um die bestehenden, liberalen Verhältnisse zu verändern. Nein, Donald Trump traue ich das nicht zu. Er hat nicht das Kaliber eines Zirkusdirektors. Er ist bloss der Elefant im Porzellanaden. Vielleicht gibt es auch gar keinen Zirkusdirektor. Sicher ist: Das Klima verändert sich. Und der Mensch muss sich anpassen. Wir haben die Wahl: autoritär oder liberal?

2 Kommentare zu "Trump will Kohle machen – doch die Welt geht unter"

  1. Bei der Energiestrategie 2050 über die wir demnächst abstimmen, geht es im Prinzip in abgemilderter Form bei uns um das selbe: um den Umweltschutz, um die „Kohle“(=“Geld“ ), um Ressourcen (sprich Arbeit, Boden, Umwelt und Kapital) usw. usw… Nur, wir können gut reden… Wir stehen umweltpolitisch, ob es jetzt ein Abstimmungs-Ja oder Nein gibt, musterschülerisch da. Denn wir haben die energieintensiven Fabriken schon lange ausgelagert. Die „Bleiche“ in Zofingen versaut keine Gewässer mehr, gebleicht wird in Vietnam. Farben, Staffeleien, Leinwände, Folien, Büromappen, kurz die ganze Papeteriebranche = China. Die ganze Elektrobranche, die Batterieproduktion mit ätzenden Flüssigkeiten = China. Die Modeindustrie = China. Die Gartenmöbel- und Geräte = China. Schwere Dinger wie Granitblöcke für Mauern und Randsteine in der Schweiz = heute 90% aus China (!!), der ganze Rheinhafen in Weil ist voll damit. Die Küchenutensilien vom Eierschneider, Schöpfer bis Knoblauchpressen = China. Wohneinrichtungen, Spiegel, Spannteppiche, Linoleum = China. Neu: Grabsteine im Internet in China bestellen, chinesische Steinmetze hauen und beschriften sie, und ab via Spedition auf Schweizer Friedhöfe (mind. 1/2 Preis, sei neu usus, sagte Friedhofsgärtner in Binningen). Ich zeichnete noch mit Belcolor-Farbstifte (Migros) Made in Switzerland, mein Sohn (gleiche Verpackung) mit Made in EU (tönte noch gut; wobei man da immer weiss, dass es in billigst-Ostländern produziert wurde), und heuer liess Migros alle Skrupel fallen und verkauft seine Belcolor-Farbstifte Made in China.
    Wir in der Schweiz befassen uns nur noch mit Dienstleistungsarbeiten, Versicherungen, Banken usw. Die Schmutzindustrie-Produkte brauchen wir aber ebenso (sehr viel), lassen sie einjetten, und können so gut reden über die bösen Kohlestromländer und Umweltsündernationen.
    Man muss im Auge behalten, dass Produktionsintensive Länder/Kontinente wie Asien (Werkbank der Welt) oder auch Riesenreiche wie Russland oder USA ganz andere Energiemassen benötigen, welche unlösbar sind mit gänzlich Solar oder Wind…
    Darum: Vom Lehnstuhl Schweiz aus aber schulzumeistern, ist einfach nur windig.

  2. Zur Klimakrise vom 16. Jahrhundert und heute gibt es aus meiner Sicht einen grossen Unterschied: Es leben viel mehr Menschen auf der Erde. Ich sehe grundsätzlich zwei Optionen. A. Auf dem heutigen kulturellen Stand werden die Menschen gegeneinander um das Überleben kämpfen. Starke und die Reiche werden sich retten. Diese Option droht, wenn der Trend zu autokratisch dominierten, first orientierten Nationalstaaten anhält. B. Es gibt viele ungenutzte Chancen und Möglichkeiten für ein ein gutes Überleben für alle. Die Vorbereitung dafür muss jetzt beginnen. Sie bedingt aber eine Haltung, die Kooperation vor Konkurrenz setzt. «Mit Verlusten muss man rechnen» oder «Wir wollen niemand verlieren»? Das scheint mir die entscheidende Frage.

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