Management by Excel: Stellenabbau bei Tamedia

Publiziert am 22. September 2023 von Matthias Zehnder

Der Schweizer Medienkonzern Tamedia will landesweit sechs Millionen Franken einsparen und baut deshalb fast 50 Arbeitsplätze ab. In der Deutschschweiz sind es rund 20 Stellen. In der Romandie streicht der Konzern bis zu 28 Stellen, also mehr als jeder zehnte Arbeitsplatz. Alle 48 Stellen sollen in den Redaktionen abgebaut werden. Tamedia begründet den Stellenabbau mit dem Umsatzrückgang im Printbereich, der sich bisher nicht durch Umsatzwachstum mit digitalen Produkten habe kompensieren lassen. Mir scheint, da bleiben wichtig Fragen offen. Zum Beispiel: Warum hat sich der Konzern so organisiert, dass die Medien rote Zahlen schreiben? Wie will der Konzern mit weniger Journalisten online mehr Umsatz machen? Und an uns alle gerichtet: Welche Strategie braucht die Schweiz, damit langfristig eine vielfältige Medienlandschaft überleben kann? Mein Wochenkommentar zum Excel-Management bei Tamedia, der Strategie dahinter und den Folgen für den Schweizer Medienmarkt.

Nachrichten über Stellenabbau in den Medien sind mittlerweile so selbstverständlich wie Staumeldungen oder Warnungen vor Starkregen. Und wie bei den Staumeldungen besteht die Gefahr, dass man gar nicht mehr richtig hinhört. Man registriert nur noch Textbrocken: Tamedia muss sparen. Print rentiert nicht mehr. Digitalmarkt wächst nicht schnell genug. Das alles haben wir schon so oft gehört, dass wir die Nachricht schon abhaken, bevor sie zu Ende ist. Aber wie war das noch mal? Schauen wir uns die Sache genauer an.

Die Erosion im Printmarkt

Die Verantwortlichen von Tamedia begründen den Stellenabbau in der ganzen Schweiz mit der Erosion im Printmarkt, also damit, dass Umsatz und Ertrag der gedruckten Zeitungen schrumpfen. Gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS sagte Andreas Schaffner, Geschäftsleiter Bezahlmedien bei Tamedia, es sei fast unmöglich, jemandem unter 30 Jahren ein Printabonnement zu verkaufen. Diese Erosion werde sich fortsetzen. Um ein Printabo zu kompensieren, brauche es zwei digitale Abos. Das sei eine Herkulesaufgabe. «Wir werden es nicht schaffen, diesen Umsatzverlust zu kompensieren. Wenn wir nicht reagieren, werden sich unsere Ergebnisse noch weiter verschlechtern», sagte er. Das klingt vernünftig: Tamedia muss Kosten einsparen, weil die Digitalerlöse nicht schnell genug wachsen, um die sinkenden Erträge aus dem Printgeschäft zu kompensieren.

Bloss: So, wie Tamedia heute rechnet, hätten gedruckte Zeitungen nie rentiert. Gedruckte Zeitungen waren immer ein Bündel von Geschäften. Eine gedruckte Zeitung hatte drei grosse Einnahmequellen: Abonnenten, Werbung und Rubrikenanzeigen. Über den Daumen gepeilt, verteilten sich die Erträge etwa gleichmässig über die drei Einnahmequellen: 30 Prozent der Erträge stammten aus dem Nutzermarkt, also von den Abonnenten, 70 Prozent aus dem Werbemarkt, der sich je zur Hälfte aus Werbeanzeigen und Rubrikenanzeigen zusammensetzte.

Wo sind die Umsätze hin?

Die Digitalisierung hat dieses Geschäft verändert. Innerhalb weniger Jahre sind die Rubrikenanzeigen ins Internet abgewandert: Wohnungen, Stellen und Autos werden heute nicht mehr über Anzeigen verkauft, sondern über grosse, digitale Marktplätze. Etwas langsamer wandert auch die klassische Werbung ab ins Netz: Grosse Werbekampagnen werden heute zumindest auch digital geschaltet. Das bedeutet: Die klassischen Medienhäuser haben von diesem 70-Prozent-Kuchen aus dem Werbemarkt einen grossen Teil der Einnahmen an die digitale Welt verloren.

Da stellt sich natürlich die Frage, an wen diese Medienhäuser ihre Umsätze verloren haben. Drei Unternehmen sind die grossen Gewinner in der Schweiz. Beginnen wir mit den digitalen Marktplätzen. Die grössten Immobilienmarktplätze sind Homegate, ImmoScout24 und ImmoStreet. Bei den Autos sind es CarForYou und AutoScout24 und bei den digitalen Flohmärkten Tutti.ch und Ricardo. Alle diese Marktplätze gehören demselben Unternehmen: der SMG Swiss Marketplace Group. Sie können sich vorstellen, wieviel Geld diese Firma in der Schweiz verdient. Bloss Stellen vermarktet diese Firma nicht. Jobs.ch, die wichtigste Stellenplattform der Schweiz, gehört der Firma JobCloud. Das ist das führende digitale Unternehmen im Schweizer Rekrutierungsmarkt. Und wohin ist die Werbung abgewandert? Die grösste Werbevermarkterin der Schweiz ist die Goldbach Gruppe: Die Firma Goldbach Group AG vermarktet und vermittelt Werbung in TV, Radio, Print, Online, Mobile und auf Plakaten. Im digitalen Bereich ist Goldbach die mit Abstand wichtigste Vermarkterin in der Schweiz.

Die Mutter und ihre Töchter

Die SMG Swiss Marketplace Group, die JobCloud AG und die Goldbach Group AG sind also die drei grossen Gewinnerinnen der Digitalisierung im Schweizer Medienmarkt. Sie machen jene Umsätze, die den Medien von Tamedia heute fehlen. Die SMG Swiss Marketplace Group, die JobCloud AG und die Goldbach Group AG gehören alle demselben Unternehmen. Es heisst TX Group AG. Diese Firma hat noch weitere Tochtergesellschaften. Eine dieser Töchter heisst Tamedia Publikationen Deutschschweiz AG, eine andere heisst 20 Minuten. In diesen beiden Töchtern sind die Bezahlzeitungen und die Gratiszeitungen der TX Group zusammengefasst.

Wenn Tamedia also bedauert, dass sich Print nicht mehr rechnet, dann vergiesst die Firma Krokodilstränen: Das Unternehmen hat seine verschiedenen Firmenschubladen so organisiert, dass die klassischen Medien dabei ganz schlecht aussehen. Etwas überspitzt formuliert, hat die TX Group die Profitcenter, also die Firmen mit den stark wachsenden Digitalumsätzen, in die eine Schublade gesteckt, und die Costcenter, also die Firmen, die viel Geld für hochwertige Inhalte ausgeben, in eine andere Schublade. Es wäre auch eine ganz andere Konstruktion denkbar. Es gibt kein Naturgesetz, das die Firma dazu zwingt, sich in genau diese Kompartimente aufzuteilen. Sie könnte, wie die klassischen Medienhäuser das gemacht haben, mit den Digitalumsätzen auch weiterhin den Journalismus finanzieren.

Warum tut die TX Group das nicht? Die Antwort ist wohl: Weil die Firma nicht dem Journalismus, den Schweizer Medien oder dem Gemeinwohl verpflichtet ist, sondern ihren Aktionären. Würde die TX Group mit den Einnahmen aus den Marktplätzen den Journalismus quersubventionieren, wie es die klassischen Verlage jahrzehntelang gemacht haben, würde sie weniger Gewinn machen. Verstehen Sie mich richtig: Das ist nicht verboten. So funktioniert das mit diesem Kapitalismus. Bloss lässt es die Mitteilungen über den Stellenabbau in einem anderen Licht erscheinen. Statt den Stellenabbau mit der Erosion im Printmarkt zu begründen, müsste die Firma ehrlicherweise sagen: Uns ist der Gewinn, den wir mit digitalen Marktplätzen und der Werbevermittlung erzielen, wichtiger als Medieninhalte. Wir wollen uns deshalb Medien nicht länger leisten, wir verlangen auch von unseren Zeitungen eine Rendite, sonst stellen wir sie halt ein.

Die Strategie im digitalen Markt

Noch ein zweiter Punkt gibt mir zu denken: die Strategie im digitalen Markt. Laut «persoenlich.com» sagte Mathias Müller von Blumencron, der bei Tamedia verantwortlich ist für Publizistik und Produkte: Die Redaktionen müssten sehr sorgfältig überlegen, was der Kern des Auftrags sei. Artikel, von denen klar sei, dass sie nur sehr wenige Leute lesen werden, könne man weglassen. Das klingt harmlos, bedeutet aber, dass der Chefstratege von Tamedia die Redaktionsleitung per Excel empfiehlt. Stoffe, die viele Klicks bringen, bleiben im Blatt, Stoffe, die nicht gut klicken, fliegen raus. Ich kann Ihnen aus Erfahrung sofort sagen, wo der Abbau stattfinden wird: Die beiden am schlechtesten gelesenen Ressorts jeder Tageszeitung sind Wirtschaft und Kultur. Und wenn Sie einen nationalen Massstab anlegen, ist es immer das Lokale.

Jetzt sagen Sie vielleicht: Ist doch klar, dass sich ein Unternehmen nur auf das konzentrieren will, was profitabel ist. Aber ist das auch sinnvoll? Nehmen wir einen Grossverteiler wie Coop oder Migros. Schauen wir in eine grössere Filiale, in einen Supermarkt. In einer solchen Filiale hat es umsatzstarke Produkte, die viel Gewinn bringen, und umsatzschwache Produkte, die vielleicht kaum oder gar nicht rentieren. Nach der Rechenschieberlogik von Müller von Blumencron müsste ein Supermarkt die umsatzschwachen Produkte eliminieren und sich auf die umsatzstarken Produkte konzentrieren. Genau so arbeiten Harddiscounter: Sie haben nur wenige, aber umsatzstarke Artikel im Programm und sortieren regelmässig die schlechtesten Umsatzträger aus.

Das kann ins Auge gehen

Bloss: Das kann ins Auge gehen. Die höchsten Umsätze in einem Supermarkt erzielen Grundnahrungsmittel und Frischprodukte. Spezialitäten und Gourmet-Lebensmittel erzielen viel tiefere Umsätze. Warum bieten Supermärkte trotzdem Spezialitäten an? Weil sie Kunden in den Laden holen und für Differenzierung sorgen. Vereinfacht gesagt: Brot und Milch gibt es überall, aber diesen Schafskäse aus dem Münstertal, den gibts nur in diesem Laden. Es kann deshalb strategisch sinnvoll sein, ein Sortiment solcher Spezialitäten im Laden anzubieten, auch wenn diese Artikel in der operativen Umsatztabelle weit unten stehen.

Damit haben wir auch die beiden wichtigen Adjektive in diesem Zusammenhang eingeführt: strategisch und operativ. Die Excel-Tabelle und die Rechenschieberlogik, dass sind operative Werkzeuge. Sie helfen dabei, eine Aufgabe richtig zu erledigen. Aber sie sagen nichts darüber aus, ob wir dabei die richtige Aufgabe erledigt haben. Das ist eine strategische Frage, die man nicht so einfach mit einer Excel-Tabelle beantworten kann. Supermärkte und Zeitungen sind sich in diesem Punkt ähnlich: Dass der Umsatz mit Spezialitäten nicht gross ist, heisst nicht, dass die Spezialitäten unwichtig sind. Dass Wirtschaft und Kultur wenig angeklickt werden, heisst nicht, dass sie unwichtig sind. Noch deutlicher ist es beim Lokaljournalismus: Landesweit gemessen schneiden lokaljournalistische Angebote schlecht ab. Vor Ort ist aber oft gerade der Lokaljournalismus der Grund, warum ein Titel aufgerufen wird.

Strategie und operative Tat widersprechen sich

Das führt uns zur digitalen Strategie zurück. Tamedia sagt, es gehe darum, digitales Wachstum zu erzielen. Das heisst, man will mehr Menschen davon überzeugen, dass es sich lohnt, eine Tamedia-Zeitung digital zu abonnieren. Tamedia will also im digitalen Nutzermarkt wachsen. Wie lässt sich Wachstum erzielen? Durch Investition. Wo muss Tamedia investieren, damit ein Wachstum in Nutzermarkt resultiert? Was ist der wesentliche Trigger für die Nutzer? Der Inhalt, insbesondere lokale Inhalte. Nutzerinnen und Nutzer sind heute sehr wohl bereit, im Internet für Inhalte zu bezahlen, wenn die Inhalte einzigartig sind und begeistern. Das setzt voraus, dass eine motivierte Crew von Journalistinnen und Journalisten am Start ist, die Inhalte langfristig entwickeln und aufbauen kann. Was macht Tamedia? Die Firma kürzt die Kosten in genau diesem Bereich und sorgt damit für Unsicherheit und Frust bei der Belegschaft. Das heisst: Strategie und operative Tat widersprechen sich diametral.

Jetzt sagen Sie vielleicht: Das geht uns nichts an, Tamedia ist ein Privatunternehmen. Das ist richtig. Das Unternehmen kann tun und lassen, was es will. Aber es gibt zwei Berührungspunkte mit der Schweizer Öffentlichkeit. Der erste: Medien produzieren nicht irgendwelche Genussmittel, sondern jene Informationen, die eine Demokratie am Leben erhalten. Ohne Medien, keine Demokratie. Insofern ist es sehr relevant, welche Strategie das grösste Verlagshaus der Schweiz für seine Medien ausgibt.

Die Medienstrategie der Schweiz

Der zweite Berührungspunkt: In der Schweiz sind verschiedene Gesetze und Initiativen hängig, die sich um die Frage drehen, welche Strategie das Land in Sachen Medien wählen soll. Ich denke zum Beispiel an die Initiative zur Halbierung der Radio- und Fernsehgebühren. Diese Initiative stellt letztlich eine Grundsatzfrage: Wie wollen wir in der Schweiz Medien künftig finanzieren? Das Beispiel Tamedia zeigt: Es wird immer schwieriger, allein mit Medien Geld zu verdienen. Der Markt für Medien ist unter Druck. Und zwar nicht, weil die SRG so gross wäre, sondern weil sich die Ertragsmöglichkeiten durch das Internet dramatisch verändert haben.

Die Geschäftszahlen von Tamedia, das Sparprogramm, die Initiative zur Halbierung der Radio- und Fernsehgebühren – das alles sind operative Massnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Aufgaben richtig gemacht werden. Die grosse Frage, die sich die Schweiz stellen muss, ist aber, was die richtigen Aufgaben sind, welche Strategie es braucht, damit in der Schweiz längerfristig eine vielfältige Medienlandschaft überleben kann. Diese Frage hat unser Land bisher nicht beantwortet. Und so langsam geht uns die Zeit aus, uns mit der Frage zu beschäftigen, bevor sie mit Zahlen in einem Excel-Sheet erledigt wird.

Basel, 22. September 2023, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Dann erhalten Sie jeden Freitag meinen Newsletter mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar, einen Sachbuchtipp, einen Tipp für einen guten Roman, das aktuelle Fragebogeninterview und mein persönlicher Tipp für ein gutes, digitales Leben. Einfach hier klicken. Und wenn Sie den Wochenkommentar unterstützen möchten, finden Sie hier ein Formular, über das Sie spenden können.

PPS: Wenn Sie den Wochenkommentar nur hören möchten, gibt es auch eine Audioversion. Hier der Link auf die Apple-Podcast Seite oder direkt auf die Episode:


Quellen

Bild: KEYSTONE/Michael Buholzer

Das Logo des Tages-Anzeigers am Gebäude der TX Group an der Werdstrasse in Zürich, aufgenommen am Donnerstag, 21. September 2023.

Blick (2023): Tamedia baut auch in der Deutschschweiz Stellen ab. In: Blick. [https://www.blick.ch/wirtschaft/nicht-nur-in-der-romandie-tamedia-baut-auch-in-der-deutschschweiz-stellen-ab-id18964185.html; 22.9.2023].

Lüthi, Nick (2023a): Tamedia: Tages-Anzeiger & Co. Verlieren Bis Zu 20 Stellen. In: Persoenlich.com. [https://www.persoenlich.com/medien/tages-anzeiger-co-verlieren-bis-zu-20-stellen; 22.9.2023].

Lüthi, Nick (2023b): Tamedia: So blicken die Chefs in die Zukunft nach dem Abbau. In: Persoenlich.com. [https://www.persoenlich.com/medien/so-blicken-die-chefs-in-die-zukunft-nach-dem-abbau; 22.9.2023].

RTS (2023): Tamedia annonce la suppression de 28 emplois en Suisse romande. In: Rts.ch. [https://www.rts.ch/info/economie/14326626-tamedia-annonce-la-suppression-de-28-emplois-en-suisse-romande.html; 22.9.2023].

sda (2023): Sparpaket Von 6 Millionen Franken – Tamedia Baut In Der Deutschschweiz Stellen Ab. In: Basler Zeitung. [https://www.bazonline.ch/sparpaket-von-6-millionen-franken-tamedia-baut-in-der-deutschschweiz-stellen-ab-500938327857; 22.9.2023].

Theiler, Lucia (2023): Medienlandschaft Schweiz – Der Abbau bei Tamedia ist symptomatisch für die Branche. In: Schweizer Radio Und Fernsehen (SRF). [https://www.srf.ch/news/wirtschaft/medienlandschaft-schweiz-der-abbau-bei-tamedia-ist-symptomatisch-fuer-die-branche; 22.9.2023].

9 Kommentare zu "Management by Excel: Stellenabbau bei Tamedia"

  1. Sehr guter Kommentar. Rein innerbetrieblich finde ich es schade, dass „TX“ das grosse Geld, welche sie mit den Marktplatz-Internetseiten verdient, nicht in die Medien steckt. Aber die Antwort wurde ja auch geliefert: Weil die Aktionäre/innen das grosse Geld sehen wollen…
    «Die aufgezählten operativen Massnamen (Geschäftszahlen, Sparprogramm, SRG-Zwangsgebühren-Halbierungsinitiative) sollen sicherstellen, dass die Aufgaben alle «richtig» gemacht werden» – heisst es im Kommentar. Und weiter: «das Land hat aber noch nicht beantwortet, was die richtigen Aufgaben sind».
    Das Land sind die Politik, welche regulieren kann – da gibt es sicher Argumente dafür aber auch Argumente dagegen (letztere empfinde ich als stärker), wie auch die Antworten im „Zehnder-Medien-Menschenfragebogen“ zeigen. Medienmenschen für und gegen Regulierung sind zu lesen.
    Das Land sind aber auch die Bewohner/innen. Sie stimmen mit ihrem Verhalten ab. Sind Medien so wie sie „TX“ usw. bietet noch zeitgemäss? Entwickelt sich das weg? Gibt es eine andere Art von Bewohner/innenschaft? Werden Infos anders aufgesogen? Es scheint so. Vielleicht gibt es in 20 Jahren diese Art von Medien gar nicht mehr. Vielleicht kommt was ganz anderes, ganz schnell, und unsere Verlagshäuser verschlafen alles ganz lange…. Das Undenkbare denken, geht der Weg dorthin?
    Für viele ist mein Vergleich jetzt weit hergeholt, aber ich vergleiche jetzt mal ganz mutig die Baselstädtische Hotellandschaft (althergebracht) mit den CH-Medien (althergebracht). Die Basler/innen wissen es schon, nach dem das „Hotel Merian“ (Traditionsbetrieb am Rhein) die Schliessung mitgeteilt hat, ging ein Raunen durch Basel. Der „Vogel Gryff“ habe keine Heimat mehr. Das „Cafe Spitz“ sei „Weltkulturerbe“ (wenigstens Basel-intern). Die Rheinterrasse sei durch nichts zu ersetzen… hiess es – wurde gestern Donnerstag mitgeteilt, dass auch das „Hotel Basel“ schliessen wird. Ab heute, Buchungen werden annulliert. Eine Institution, das Fasnachtherz (Treff vieler «Cliquen»), der „Sperber“ auch damit (am „Spalebärg“), in welchem das „Theater Fauteuil“-Ensemble mit seinen Gästen die Abende ausklingen liess. Die „Kantine“ der „Rassers“ („HD-Läppli“) am „Spalenberg 77a“ – ein Drama sei dies …
    Historic, Emotionen, Seufzer, Ambiente…. Und weitere undenkbare-denkbare Traditionsinstitutionen (aus allen Bereichen) würden auch noch folgen wird befürchtet.
    Doch dann der beste Leserkommentar dazu in einer Basler Zeitung:
    Zitat: «Von der Fasnacht alleine kann ein solcher Betrieb nicht weitergeführt werden. Alle, welche nun jammern, sollten mal fair überlegen, wie viele Male sie während des Jahres – ausserhalb der Fasnacht – das Hotel Basel besucht haben. Früherer war der Sperber voll, es herrschte reger Betrieb, die letzten Jahre, gähnende Leere. Das früher funktionierende Konzept hat sich überholt. Neben den Alten, welche immer älter werden, bleibt der Besuch eines jüngeren Publikums aus. Die Interessen haben sich geändert, und andere Lokale sind nun gefragt.»
    Besser kann man es nicht schreiben.
    Dieser Leserkommentar kann man 1:1 auf das «CH-Medien-Landschäftli» adaptieren – empfinde ich. Besser und wahrer geht nicht….

    1. Der Vergleich ist wirklich weit hergeholt und zielt am Argument des Kommentars vorbei. Es geht doch darum, dass die Zeitungen ehedem nicht bloss mit Inhalten, sondern Inseraten und Anzeigen Ihr Geld machten. Weil man nicht weiss wie genau, sagt man einfach zu je einem Drittel. Diese zwei Drittel, die heute der Zeitung fehlen sackt die TX-Group gleichwohl ein und macht Kasse meh, den je. Ein gutes Modell wäre jedoch, das Geld, davon mindestens einen Drittel, in die Inhalte der Zeitungen und das andere Drittel in Experimente für neue Gefässe zu stecken. Interessiert die TX-Group nicht, denn die Coninx und der Supino sind ja gar keine Verleger mehr, sondern Share-Holder-Maximierer . Damit das gelingt, wird am journalistischen Ast gesägt, wo es nur geht. Jene Redaktorinnen und Redaktoren, die auf dem verbleibenden Ästlein sich noch hangeln können, sagen dazu kein Worf, weil sie möglichst noch lange nicht in den Abgrund stürzen wollen.

  2. Das Grundübel ist am Anfang zu suchen. Um die Jahrtausendwende schaufelten die Verlage einfach die Inhalte ihrer Zeitungen ins Internet und waren dort für jedermann 24/7 gratis erhältlich. Wenn ich das kritisierte und sagte, dass man so das Grab schaufle, in dem die Printmedien begraben würden, erhielt ich höchstens ein mitleidiges Lächeln. Niemand wollte begreifen, dass man die genau gleichen Inhalte auf Papier teuer bezahlen sollte, wenn man sie im Internet gratis und franko erhielt. Jetzt ist das zwar nur noch teilweise so, aber die Gewohnheit, dass man im Internet alles gratis erhalten könne, hat sich jetzt halt festgesetzt.

    1. An Herr Ueli Custer, an Alle:
      Nicht aufregen.
      Ich muss (gezwungenermassen) die vielen Wahlplakate für die Nationalratswahlen an den Strassenrändern der Schweiz anschauen.
      Und da gibt es ein gutes Rezept fürs Leben und wohl auch um die Wahl zu gewinnen von der Kandidatin Christina Bachmann-Roth von der „DieMitte“-Partei des Kantons Aargau. Auf ihrem Wahlplakat ist ihr lachendes Porträtfoto und darunter der Spruch: „SAY CHEESE!“
      Das reicht. In allem. Wenn das Kind krank ist: say cheese. Wenn du die Arbeit verlierst: say cheese. Wenn die Krankenkassenprämien wieder steigen: say cheese. Wenn ein Anverwandter stribt: say cheese. Wenn in der Ukraine ein Krieg tobt wie jetzt: say cheese. Wenn du tot im Sarge liegst und der Deckel zuklappt: say bitte cheese.
      So einfach ist das. Und mit dem kann man auch noch Wahlen gewinnen („DieMitte“-Partei im Auwärtstrend….) – say cheese!

  3. Danke für diese Blosslegung der Tamedia-Hintergründe – klug, gut informiert und listig – ohne BaZ-Bashing. Der Blick in die Motive der Besitzertschaft öffnet ein erschreckendes Bild – vor allem für die Basler Kulturberichterstattung:

    Dort ist die Klick-Jagd der Redaktionen für die kulturelle Artenvielfalt besonders verheerend.

  4. Treffender Kommentar, Herr Zehnder. Danke hierfür. Ich habe soeben ein ähnliches Desaster bei einem – noch halbwegs unabhängigen – Medienhaus im Berner Seeland erlebt. Eine neu geschaffene Stelle, für die ich die Zusage erhalten habe, wurde kurzfristig aus dem Budget gestrichen – und ich im Vakuum gelassen. Das Hüst und Hott bei der „digitalen Transformation“, ohne jede Strategie und mit viel Management by Excel zeigt, dass viele Verleger, CEOs und Redaktionen immer noch in Schockstarre und Selbstmitleid verharren – und als impulsive Reaktion zuerst mal Print verteufeln und marginalisieren. Nicht wirklich kreativ. Ihren im Kommentar beschriebenen Ansatz zur Mischrechnung kann ich voll und ganz unterschreiben.

    1. Das tut mir leid, zu hören. Schockstarre und Printverteufelung treffen es recht gut. Die meisten Verleger in der Schweiz kommen aus dem Druckgeschäft und beherrschen Produktionslogik und Industrialisierung, verstehen aber von Kommunikation nicht allzuviel. Das ist, gerade in einem zunehmend integriert kommunizierenden Umfeld, keine gute Voraussetzung… Ach ja. So oder so alles Gute!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.