Sollen Virologen das Land regieren?

Publiziert am 3. April 2020 von Matthias Zehnder

«Kann er Kanzler?» fragen in Deutschland die Zeitungen und meinen damit Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité. Auch in der Schweiz sind Virologen wie Marcel Salathé oder Christian Althaus hoch im Kurs. Daniel Koch, der Epidemiologe des Bundes, gilt bereits als Schweizer des Jahres. Gehören Virologen in der Corona-Krise an die Macht? Wir hören ja alle auf die Fachleute. Ist es also Zeit, dass Virologen das Land regieren? Über die Unterschiede von Wissenschaft und Politik – und die Grenzen der Virologie.

In Deutschland ist es Christian Drosten, Virologe an der Charité, in der Schweiz sind es Marcel Salathé, Virologe an der EPFL, Christian Althaus, Immuno-Epidemiologe an der Universität Bern, Richard Neher, Biophysiker am Biozentrum der Universität Basel, manchmal taucht der unverwüstliche Walliser Immunologe Beda Stadler auf und alle Augen bündeln sich auf Daniel Koch, dem Delegierten des BAG für Covid-19. Es sind diese Fachleute, welche derzeit in der Schweiz den Ton angeben. Sie heizen den Politikerinnen und Politikern ein. Sie stehen den Medien Red und Antwort. Sie haben das Sagen in der Krise.

Sie machen das zum Teil so gut, dass viele Menschen den Virologen gerne mehr Verantwortung übertragen würden. In Deutschland macht vor allem Christian Drosten einen überragenden Eindruck. «Kann er Kanzler?», fragen schon einzelne Medien. Drosten selbst ärgert sich über solches Ansinnen und pocht darauf, dass er Wissenschaftler ist, nicht Politiker. Auch in der Schweiz werden Stimmen laut, die fordern, politische Diskussionen seien einzustellen. Man müsse jetzt einfach den Virologen gehorchen, dann komme es gut. Haben wir also das Ende der Politik erreicht? Sollte die Schweiz von Virologen regiert werden? Brauchen wir mehr ExpertInnen und weniger PolitikerInnen?

Die Antwort ist: nein. Und zwar aus drei Gründen.

1. Der Fokus der Experten

Der erste Grund ist banal: ExpertInnen sind das immer nur in einem schmalen Gebiet. Virologen verstehen viel von Viren – und auch da sind viele von ihnen spezialisiert. Christian Drosten, der Virologe der Charité, hat sich zu Wort gemeldet, weil Coronaviren sein Forschungsgebiet sind. Schon wenn es um benachbarte Gebiete wie Influenza oder HIV geht, fühlt er sich nicht mehr zuständig. Ganz zu schweigen von anderen Aspekten der Gesundheit. Und genau diese anderen Aspekte werden derzeit wichtiger. So könnte es sein, dass auf längere Sicht der Bewegungsmangel für die Menschen in der Summe gefährlicher wird als das Virus.

Ganz sicher betreffen die Lockdown-Massnahmen die psychische und die soziale Gesundheit. Das sind nicht einfach Nebenschauplätze, sie sind für den Menschen genauso wichtig wie die körperliche Gesundheit. Zudem kann eine Beeinträchtigung der psychischen oder der sozialen Gesundheit auch ganz handfeste, körperliche Folgen haben. Diese Aspekte von Gesundheit liegen ausserhalb des Kompetenzbereichs von Virologen. Es kann gut sein, dass andere Experten den Virologen deshalb sogar widersprechen. Wem sollen Politiker nun mehr Gewicht geben – den Virologen, den Herz-Kreislaufspezialisten oder den Psychiatern?

2. Die Wissenschaft und die Wahrheit

Der zweite Unterschied: Politiker suchen Gewissheiten – Wissenschaftler arbeiten mit Hypothesen. Das sind provisorische Antworten auf wissenschaftliche Probleme. Sie gelten so lange, bis eine andere provisorische Antwort bessere Vorhersagen treffen kann. In der Coronakrise gibt es zwei, drei Themen, die von solchen Hypothesenwechseln betroffen sind. Schulschliessungen, Ausgangssperre, Maskentragpflicht – die Wissenschaft beurteilt die Situation immer wieder neu. Denn eine Hypothese ist keine Wahrheit, sondern nur eine provisorische Antwort auf ein wissenschaftliches Problem.

Aus Sicht der Politik sieht das so aus, als würden Wissenschaftler manchmal mir nichts, dir nichts die Meinung ändern. In der Politik geht das nicht. Kein Politiker kann gestern gegen das Burkaverbot sein und heute dafür, heute für die Bilateralen und morgen dagegen. Unter dem Lead der Wissenschaftler war die Politik in den letzten Wochen zuweilen aber zu genau solchen Schwenks gezwungen. Das ist verständlich, weil das Wissen über das Coronavirus nach wie vor beschränkt ist. Für die Bevölkerung ist das aber manchmal schwierig nachvollziehbar. Wissenschaftler können, ja müssen quasi skrupellos eine überholte Hypothese über Bord werfen. Politik braucht mehr Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit.

3. Politik und die Machbarkeit

Denn das Mass aller Dinge in der Politik ist nicht die Wahrheit, sondern die Machbarkeit. Aus virologischer Sicht wäre es am besten, wenn man allen Menschen für einige Wochen strengsten Hausarrest geben würde. Aus politischer Sicht geht das nicht, weil es nicht machbar ist. Erstens ist das kaum durchsetzbar und zweitens würde es zu sehr hohen Kollateralschäden führen. Es wäre eine Art Chemotherapie für die Gesellschaft. Möglicherweise wäre das Virus danach ausgerottet, aber die Wirtschaft würde es nicht überleben. Ich höre diesbezüglich immer mal wieder den Vorwurf, es gehe dem Bundesrat um die Wirtschaft, statt um die Menschen. Doch die Wirtschaft, das sind wir alle. Das sind Arbeit, Lohn und Brot für die Bevölkerung. Das ist der Coiffeur, die Zahnärztin, der Obsthändler, die Musikerin – und der Autor. Es bringt der Gesellschaft, dem Land nichts, wenn der Kampf gegen das Virus zwar viele Menschen rettet, aber deren Leben zerstört.

In der Politik geht es um Machbarkeit, Tragbarkeit, Durchsetzbarkeit. Politik ist deshalb Abwägen, Aushandeln, Abschätzen. Das Resultat ist oft ein Kompromiss. Die Wissenschaft fürchtet Kompromisse wie der Teufel das Weihwasser. Wissenschaft ist Zählen, Messen, Rechnen. Das Resultat ist Klarheit. Wissenschaft und Politik sind deshalb so unterschiedlich, wie wenn sie auf zwei verschiedenen Planeten stattfinden würden.

Müssen sich Wissenschaftler also fernhalten von Politik? Ja. Es sei denn, sie verwandelten sich dabei in Politiker. Das heisst aber nicht, dass die Politik ohne Wissenschaftler auskommen könnte. Im Gegenteil: Gerade die Coronakrise zeigt, wie wichtig es wäre, dass die Politiker wissenschaftliche Erkenntnisse frühzeitig in ihre Arbeit einbeziehen. Es ist aber an den Politikerinnen und Politikern, Wissenschaft in Politik zu übersetzen. Also: Keine Virologen in die Politik – aber keine Politik ohne Virologen.

Basel, 3. April 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Bild: ©Belkin & Co – stock.adobe.com

 

12 Kommentare zu "Sollen Virologen das Land regieren?"

  1. Wie der dieswöchige Wochenkommentar aufzeigt, wird es schwierig und stockend, wenn sich Experten mit Experten streiten und uneins sind. „Keine Virologen in die Politik – aber keine Politik ohne Virologen“, was ist nun das Richtige? Gottlob haben wir ja alle zu hunderten gescheite Köpfe hochgezüchtet, in unserer Welt wimmelt es ja nur so von Intelligenz, die dies wohl alles ganz souverän lösen werden…. Oder doch nicht?
    Es liegt mir fern, darüber zu urteilen. Sind wir doch alle neben diesen Koryphäen nur kleine Leut‘
    Doch auch die kleinen Leut‘ haben oft mehr, Interessanteres und Realitätsnäheres zu sagen als alle diese Alpha-Tiere aus Politik und Medizin zusammen. Denn: Wer als scharfäugiger Beobachter-Zeitgenosse zur Zeit durch die Gegend geht, und sei es auch nur zum Einkaufen, wie angeraten, dem kann einiges auffallen.
    Z.B. die „Grenzgänger“-PKW’s, mit denen die „Pendler“ zu uns zur Arbeit kommen. Interessant, diese mal zur Zeit genauer anzuschauen. Wir hier in der Region Basel meinen und verstehen ja landläufig unter „Grenzgänger“ immer noch z.B. Elsässer, welche von Hagental, von Blotzheim, von St. Louis, von Neuwiller oder von Leymen, allenfalls von historischen Sundgauerstädtchen Pfirt zu uns kommen, um Lohn und Brot zu verdienen.
    Das w a r anscheinend mal so. Denn zur Zeit müssen Elsässische Arbeitende, welche in der Schweiz arbeiten, ein Formular hinter der Windschutzscheibe ihrer Wagen angebracht haben. Viele belassen dies auch nach dem täglichen Grenzübertritt an ihrer Frontscheibe. Darauf steht, dass sie als Pendler die Grenze passieren dürfen und Angaben über die Person. Nebst Name (uninteressant), Alter (uninteressant) auch der Wohnort. Und da kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Diese „modernen“ Grenzgänger kommen nicht aus den obgenannten Nachbarsorten der Schweiz, aus dem Sundgau oder aus der Grenzgemeinde St. Louis.
    Nein, da stehen allesamt Ortsnamen wie Neuf-Brisach, Jebsheim, Houssen, Ostheim, Andlau, Illkirch-Graffenstaden, Colmar usw. usw…. Vielmals Orte, weit entfernt von Basel, von Kaiseraugst, von Pratteln, von Liestal. Orte – weiter Nördlich wie Mulhouse, wie Freiburg, wie teils Colmar.
    Tagtäglich werden mit meist stark motorisierten, hochgezüchteten Wagen (praktisch immer germanische Modelle der oberen Oberklasse) diese Wahnsinnstrecken zu Tausenden zurückgelegt. Diese „Grenzgänger“, welche keine mehr sind im landläufigen Sinn, machen im Jahr 80‘000 Autokilometer an Arbeitsweg. Verbrauchen tausende Liter von Benzin, meist Diesel. Und brauchen, wie mir mal ein Franzose locker sagte, mindestens alle 2 Jahre „une nouvelle voiture“. Dass unsere freisinnige Partei und die Christliche Partei dies toll findet und fördert, erstaunt kaum. Aber dass auch die SP (und teils die Grünen) Tür und Tor öffnet und es begrüsst, noch mehr Grenzgänger reinzulassen und diesen Öko-Wahnsinn antreibt, darüber sollte mal ernsthaft verhandelt werden.
    Sachen, die uns wegen dieses Virus vor Augen geführt werden.
    Auch fällt mir auf, wie einseitig unsere Presse über die Entwicklung des Virus in Europa berichtet.
    In Italien wütet das Virus am schlimmsten. Doch kein Wort des Tadels in unserer Presse am jetzigen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Was wäre wohl in unseren Zeitungen gestanden, wäre jetzt noch Präsident Matteo Salvini an der Macht? „Die Rechtsbürgerlichen sind schuld an Corona“ wäre wohl noch das netteste, was in der Schweizer und Deutschen Presse stehen würde. Aber so – nur Sozialität, Solidarität und Hingabe.
    Auch wenn England die Strategie einer Durchseuchung des Viruses fährt, hagelt es an Tadel. Dieser EU-Kritiker Boris Johnson habe die Lage nicht im Griff, Chaos würde herrschen und es sei mieser Präsident, heisst es im Blätterwald.
    Nun ist zu beobachten, dass auch Schweden die Strategie der Durchseuchung in ihrem Land fährt. Plötzlich Lobgesang über diese Taktik der schwedischen Regierung, welche aus einer Koalliation zwischen Sozialdemokraten und Grünen besteht.
    Merke, wenn Zwei das Selbe tun, ist es nicht das Gleiche. Vor allem wenn die Gesinnung der Presse nicht in den Kram passt.
    Interessant ist auch zu Beobachten, was es mit der EU in diesen Tagen auf sich hat. Von der EU kommt nichts. Gar nichts. Es finden keine Sitzungen statt, es gibt keine Europäischen Zahlen von Erkrankten, nicht mal das, es gibt keine Strategie und es gibt kaum ein Ton aus Brüssel. Die Bevölkerung besinnt sich auf die Nationalstaaten zurück, welche um jede Schutzmaske kämpfen, welche sie einander (diplomatisch) wegnehmen, die Durchfahrt von Lastwagen mit Medizinalgerät verweigern und und und. Die EU und ihre Werte sind in der Bevölkerung drastisch gefallen, weil sie sich nun selbst entlarvt. Die Menschen merken, wem sie Vertrauen, wer ihnen (allenfalls) Hilft. Es ist ihr eigener Staat, ihr eigener Landkreis, ihre eigene Gemeinde. Sie bemerken, dass das Wortbalsam aus Brüssel, welches sie die letzten Jahre am Fernseh‘ und Radio begleitete, und welches nun auf stumm geschaltet wurde, wirklich nur warme, lauwarme Luft und salbungsvolles Geschwurbel war, um an den Geldbeutel der Bevölkerung zu kommen.
    In Italien redet man bereits laut, läuter, am läutesten vom „Italix“. Vom Austitt Italien aus der EU.
    https://www.blick.ch/news/ausland/vor-der-eu-halfen-russen-und-chinesen-dem-von-corona-geplagten-italien-italiener-drohen-mit-italexit-id15826975.html
    Denn die Italiener, welche wirklich am Anschlag sind, wurden von der EU im Stich gelassen. Hilfe bekamen sie zuerst von den Chinesen und den Russen mit Medizinischem Gerät und Personal. Das wird nicht so schnell vergessen. Auch Nicht-EU-Land Albanien, welches selbst nicht so stark vom Virus betroffen ist; selbst mausarm; schickt Ärtzte und Krankenschwestern freiwillig nach Italien. Da kommen wieder die alten, sicheren Achsen der Nachbarschaft zum Tragen. Sensationell.
    Die EU-Funktionäre in Brüssel, welche nie vom Volk gewählt wurde, kommen nicht mehr aus ihren Wohnhöhlen raus, ihren Villen, schauen (wie immer) zuerst für sich selbst und ihre Familien und Clans und sind im Falle Italiens im wörtlichen und übertragenden Sinne wirklich ganz ganz weit weg.
    Nach der Misere in der EU und deren eindeutige Schwächung in der Gesellschaft anhand des schwachen Supports nun noch eine erfreuliche Nachricht zum Schluss: Aus den arg gebeutelten USA erreichen uns wertige Nachrichten. Es stellt sich heraus, das der amtierende Präsident der Vereinten Nationen Donald Trump, dessen Beliebtheitsraten trotz oder gerade wegen der Krise noch nie so hoch waren, nicht nur ein Schönwetterkapitän ist. Er sieht die Sache realistisch, sagte der Bevölkerung schwere Wochen voraus, reagierte aber auch richtig mit der Schliessung der Grenzen zu Canada (welche sich Meilenweit nur durch Maisfelder zieht) und, ganz wichtig, mit der Schliessung der Grenze zu Mexiko. Die Bevölkerung begrüsst jubelnd diese Entscheide, besonders jener der Südgrenze, jener Cornaschleuse oder Schleuder, die jetzt dichtgemacht wurde.
    Apropos Kapitän: Zudem ordnete er an, dass ein riesiges Schiffs-Krankenhaus (oder andersherum ausgedrückt Krankenhaus-Schiff) mit über 1000 Betten in den Hafen von New York einläuft. Was für eine Entlastung für die Millionenstadt. Man bedankt sich massenweise bei Trump für sein Schiff der Hoffnung.
    https://www.welt.de/politik/video206883273/Lazarettschiff-nach-New-York-Trumps-70-000-Tonnen-schwere-Botschaft-der-Hoffnung.html
    Grossartig, diese Solidarität, von welcher wir uns alle eine Scheibe abschneiden könnten.
    Wie zu Beginn meines Kommentares erwähnt, und damit schliesst sich der Kreis wieder, interessante Zeiten für scharf beobachtende Zeitgenossen. Zeiten, in denen viel ans Licht kommt, was sonst im Verborgenen bliebe.

    1. Geschätzter Herr „Zweidler“, (der sich mir einmal vor dem Dorf-Coop in Allschwil leibhaftig zu erkennen gegeben hat): Mit Macht-Schach- oder Sündenbock-Politik lassen sich die Probleme nicht lösen, die wir uns von Grossmächtigen und Superreichen einbrocken lassen.

    2. Ach, Herr Zweidler. Drei ganz kurze Entgegnungen:
      Italien: Im Moment ist da nicht Kritik angebracht, sondern Mitgefühl. Laut Statistiken haben die Italiener nur etwa 5% der Coronafälle erfasst. Der Ausbruch der Krankheit hat wohl viel früher stattgefunden. Die Kritik wird mit der Aufarbeitung kommen – auch bei uns übrigens. Dafür ist es jetzt schlicht noch zu früh.
      Die EU: Dass so gut wie alle Länder in Europa die Grenzen dicht gemacht haben und einen auf Nationalismus machen, kann man der EU nicht anlasten. Dass die Funktionäre für sich schauen würden, ist dummes Geschwätz. Dass die Nationalstaaten für sich schauen, das stimmt. Das ist aber höchstens erbärmlich und ein Zeichen für Egoismus. Übrigens nicht nur die Staaten, in Deutschland schauen sogar einzelne Bundesländer für sich. Das sagt über Europa nichts aus. Dass der europäische Weg einfach sei, hat niemand behauptet. Das macht ihn aber nicht weniger nötig.
      Und dann noch Trump. Das ist schlicht lächerlich. Trump hat das Coronavirus wochenlang verleugnet und als Medienhype und Gespinst der Demokraten verhöhnt. Damit hat er wertvolle Zeit verspielt – und jetzt sind die USA massiv getroffen. Dass er sich mit einem Spitalschiff als Retter aufspielt, das ist nur peinlich. Lesen Sie mal nach, was Andrew Cuomo, der Gouvernör von New York, über Trump und seine «Hilfe» sagt.

  2. Lieber Matthias
    Ich lese sehr gerne deinen wöchentlichen Kommentar! Endlich jemand, der diesem Hypejournalismus kluge Sätze entgegenschleudert.
    Ein Phänomen in dieser ganzen Krise ist, dass die „Star-Virologen“ offenbar ausschliesslich männlich sind. Ich habe noch keine Virologin sprechen hören: vielleicht kennst du eine? Es sind auch immer Ärzte, die sprechen. Gepflegt werden jedoch die Infiszierten auf den Intensivstationen stunden-, tage- und wochenlang von Frauen (und ganz ganz wenigen Männern). Doch der diskursive Ruhm gehört den Männern. Wichtig ist, wenn die Corona-Welle verebt, repetitiv die hochqualifizierte Arbeit dieser Pflegerinnen in den Medien zu halten, damit sie eine Lohnerhöhung und bessere Arbeitsbedingungen erhalten: Ihr Problem ist, dass sie keine Stimme haben, sie sprechen mit ihren Hände, Blicken und verschenken den Kranken ihr Herzblut. Es wäre schön, wenn wir Schreibende eine Öffentlichkeit für sie schaffen könnten, damit aus dem Händeklatschen Taten folgen, um ihnen eine schöne Arbeitszukunft zu garantieren. Denn dass unsere Pflegerinnen im Durchschnitt mit 35 Jahren aus ihrem Herzensberuf aussteigen, das kann doch nicht die Zukunft der Gesundheitsberufe sein!
    Ich danke für deine Lektüre und deine schreibenden Taten!
    Herzlich grüsst dich Catherine

    1. Liebe Catherine, es gibt in Zürich eine Virologin: Alexandra Trkola ist Direktorin des Instituts für medizinische Virologie der Universität Zürich und erforscht in ihrem Labor das Coronavirus. Sie war diese Woche im «Tagesgespräch» auf Radio SRF: https://www.srf.ch/sendungen/tagesgespraech/virologin-alexandra-trkola-und-der-kampf-gegen-das-coronavirus
      Was die Pflegenden angeht, kann ich Dir nur recht geben (meine Frau ist auch eine dieser ausgestiegenen Pflegefachfrauen…)
      Herzlich, Matthias
      PS: Und vielen Dank für die verbalen Blumen!

  3. Politikberatung ist schwierig, Aber Politik ohne Beratung ist meistens keine gute Politik. Weil Politiker nicht Politiker geworden sind, weil sie von etwas mehr verstehen als andere oder etwas besser wissen. Die Frage müsste man so stellen: Ist der Umgang mit dieser Seuche eine politische Sache? Geht es darum, zwischen mehr oder weniger wohlinformierten Haltungen und Meinungen etwas Machbares hinzukriegen? In diesem Fall wohl eher nicht. Deshalb ist es halt so, dass die Politiker auf diese Experten hören sollten. Denn es geht bei diesen Entscheidungen doch ein bisschen mehr um richtig oder falsch als bei anderen „politischen“ Entscheidungen. Da schlucken wir, wenn wir nicht einverstanden sind, denn völlig sinnfremd ist meist nicht, was diejenigen vorgeschlagen haben, die anderer Meinung waren als ich. Aber die Kollegen in GB und den USA hätten beim Coronavirus doch lieber auf einige Experten gehört. Weissrussland und Lukaschenko liefern uns ja dann ein schönes Beispiel, wer eher richtig lag.

    1. Lieber Christoph, natürlich geht es darum, dass die Politiker auf Experten hören sollen. Aber sie müssen daraus selbst Politik machen – und es gibt nicht nur Virologen, sondern zum Beispiel auch Psychologen, Fachleute für häusliche Gewalt, Herz-Kreislauf-Spezialisten usw. Und deren Empfehlungen sehen zum Teil anders aus. Deshalb: Unbedingt auf Experten hören – aber Politik ist etwas anderes als eine Expertise.

      1. So wie Politiker*innen oft nicht vor allem tun wollen, was machbar, sondern was machtbar ist, sagen auch Expert*innen manchmal nicht das, was sie wissen, sondern das, was Mächtige oder/und Reiche wissen wollen. Wenn ich das nicht so sehen würde, hätte ich schon lange sowohl als Politiker als auch als Wissenschaftler den Bettel hinschmeissen können/müssen.

  4. Machbar ist für die Politik, was mehrheitsfähig ist. Aus Sicht der Wissenschaft ist es nicht immer das Richtige. Gesellschaften und ihre Politik sowie die Wirtschaft sind weltweit vielfach ausser Rand und Band. Wer das wissen will, kann es wissen. Es sind zu wenige. Das war schon vor dem Coronavirus so. Es hat die Ausser-Rand-und-Band-Ballone zum Platzen gebracht und alles lahmgelegt. Wir stehen an einem Scheideweg.
    Meine Wunsch-Vision ist es, dass die Erfahrungen mit dem Coronavirus eine tiefgreifende Bewusstseinsveränderung bewirken. Beispielsweise: Stopp mit dem Wahn nach immer noch mehr sinnlosem Umsatz und unsinnigem Wachstum. Raus aus der Falle einer leblosen Zivilisation mit Luxus, Spass, Überdruss und Überfluss. Es nicht einfach so weiter laufen lassen. Verantwortung übernehmen. Es anders und richtig wissen wollen. Und es auch tun. Handeln, bevor es definitiv zu spät ist.
    Es gibt aber auch eine Horror-Vision: Das Coronavirus ist gezeugt worden, damit die Autokrat*innen, Bürokrat*innen, Machtschach-Spieler*innen, Plutokrat*innen und Technokrat*innen aller Welt die Menschen und ihre Erde noch mehr ausbeuten und beherrschen können. Und diese sind zu schwach, um sich dagegen und für das Leben zu wehren.

    1. Mit Verschwörungstheorien à la «das Virus ist gezeugt worden», würde ich ganz schnell aufhören. Ob Autokraten, die das Virus lange verleugnet haben (von Trump bis Putin) wirklich davon profitieren werden, wage ich mal zu bezweifeln. Virologen haben lange genug davor gewarnt, dass die Gefahr einer solchen Pandemie besteht. Jetzt ist sie da. Das ist Natur, keine Verschwörung.

      1. Ihr Schlusssatz entspricht aus meiner Sicht in etwa meinem Kommentar „Die Natur ist stärker“ zu Ihrem Wochenkommentar vom 13. März. Zudem lässt mich meine nicht ausschliesslich und nur virologisch begründete Auseinandersetzung mit den Ursachen von Pandemien in Betracht ziehen, ob der „Natur“ nicht nachgeholfen worden sein könnte. Wie dies beispielsweise in gewisser Weise auch bei der Erzeugung von elektromagnetischen Feldern mit der Stromversorgung und Mobilfunkantennen der Fall sein kann, die unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beeinträchtigen können.

  5. Ein spannendes Thema. Als Anarchist beobachte ich gespannt wie sich der neolibeale Wahn(sinn) selber ins Knie schiesst (geschossen hat) und, so sieht es aus, nur der Staat gerade so mehr schlecht als recht mit der Krise umgehen kann. Natürlich befällt mich ein ungutes Gefühl wenn ich sehe wie schnell sich soziale Gefüge durch Verordnungen gegen einen ewig Untoten aushebeln lassen. Die Absurdität von Demokratien zeigt sich schön regelmässig an den Wahlergebnissen (Trumpel wurd gewählt… Rechts im Aufschwung… Grün-liberal im Aufschwung (aber nur solange Grün solange die liberale Wirtschaftssordnung nicht bedroht ist…) etc. etc…). Zerfällt die ursprünglich gute Demokratie-Idee an der mit der Wahl zusammenhängenden Macht welche auch der letzt Hinterbänkler automatisch erhält? Ich glaube das genau das passiert. Politik und Politiker sind meines Erachtens per se korrupt. Vielleicht sind nicht alle in dem Masse käuflich wie es die eher Mitte / Mitte-Rechts -Parteien (inkl. Grün-liberale) sind.. Links und Grün werden offensichtliche durch ihre Ideale korrumpiert (siehe die absurde Idee jetzt Flüchtlinge sofort aus den Lagern zu holen… Wobei es natürlich absolut unhaltbare Zustände sind unter denen wir (der Westen?) Menschen vegetieren und wahrscheinlich schon bald auch in Massen sterben lassen). Kurz gesagt, Politiker sind immer Korrupt! Und wenn ich den Gedanken von oben auf Wissenschaft anwende (ich haben einen Abschluss in kulturellen – psychosozialen Gesundheitswissenschaften) dann sind Wissenschafter in aller Regel durch Wissenschaft korrumpiert. Und damit zurück zur Anarchie. Anarchie verstanden als kleinstes staatsähnliches Gebilde welches keine Armee finanzieren kann (Anarchie und Pazifismus gehören zusammen!) und, und das ist entscheidend (!), immer basisdemokratisch (vorbild könnten die alten Landsgemeineden sein) funktionieren. Ich mag die Idee vom Zerfall grosser Strukturen (auch von Konzernen und systemrelevanten Banken…;-) ) zurück zu einfachen, basisdemokratischen menschlichen, sozialen und ökologischen Lebensgemeinschaften mit intrisischen Werten und sinnerfülltem Leben anstelle von extrinsischen Scheinwerten.

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