Roboter machen uns zu Menschen. Vielleicht.

Publiziert am 22. Januar 2016 von Matthias Zehnder

Die Roboter kommen. Zumindest nehmen sie am Weltwirtschaftsforum WEF in Davos einen grossen Platz in den Agenden der Wichtigen und der Mächtigen dieser Welt ein. Thema des diesjährigen WEF ist nämlich die vierte industrielle Revolution. Und die wird durch Roboter ausgelöst. Alles nur Blabla? Ich glaube nicht. Die Revolution ist längst im Gange, auch und gerade in der Schweiz. Bloss haben es unsere Politiker noch nicht gemerkt. Sie verhalten sich nämlich gerade diametral falsch. Aber der Reihe nach.

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Um was geht es eigentlich?

Die erste industrielle Revolution brachte die Mechanisierung. Ausgelöst wurde sie von der Erfindung der Dampfmaschine in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Folge war die Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Sie krempelte Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse der Arbeiterschicht komplett um.

Die zweite industrielle Revolution  brachte die Massenproduktion. Ausgelöst wurde sie durch die Elektrifizierung ab Ende des 19. Jahrhunderts. Die Folge war die Fliessbandproduktion und eine starke Aufteilung der Arbeit in einzelne Schritte. Was das bedeutete, zeigte Charlie Chaplin im Film „Modern Times“.

Die dritte industrielle Revolution brachte den Computer. Ausgelöst wurde sie durch die Erfindung des programmierbaren Mikrochips ab etwa 1970. Integrierte Schaltkreise machten den Bau von immer kleineren und leistungsfähigeren Computern möglich. Die Folge war eine weitreichende Automatisierung und die digitale Verfügbarkeit von Informationen, Musik, Bildern und Geld.

Und jetzt also die vierte industrielle Revolution.

Bisher war der Computer ein Hilfsgerät. Jetzt übernimmt er das Kommando. Zum Beispiel im selbstfahrenden Auto oder in der Lokomotive, im Börsenhandel und im Buchhandel, in der Medizin und in der Forschung. Die Technik, welche die Revolution auslöst, hat drei Kennzeichen: sie ist smart, sie ist vernetzt und sie basiert auf riesigen Datenmengen. Smart bedeutet: Die Computer gelten als „intelligent“. Das meint vorerst bloss, dass sie selbstständig lernen und mit unbekannten Situationen umgehen können. Vernetzt heisst, dass viele verschiedene Techniken und Geräte miteinander verbunden sind und deshalb untereinander kommunizieren können.

Die Amerikaner nennen es das „Internet of Things“, das Internet der Dinge. Man könnte auch einfach sagen: Die Welt selbst wird computerisiert. Eine zentrale Funktion übernimmt dabei das Handy, das ja längst eine Art Supercomputer im Hosentaschenformat ist. Mit dem Handy und vernetzten Zusatzgeräten können wir unseren Blutdruck messen, das Handy spornt uns an beim Sport und sagt uns, was wir essen sollen und was nicht. Da ist es nur ein kleiner Schritt, dass das Handy für uns im Onlinesupermarkt einkauft. Vielleicht macht das auch gleich der Kühlschrank.

Was im Alltag nett aussieht oder lustig tönt, wird am Arbeitsplatz bald zur Bedrohung für viele Arbeitnehmer. Experten sagen, dass es eigentlich nur ein paar Dutzend Menschen für den Betrieb einer Grossbank bräuchte. Den Rest der Arbeiten können Computer übernehmen. Computer, die „intelligent“ sind, die also nicht nur eine einmal vorgedachte Arbeit automatisch übernehmen, sondern flexibel reagieren können. In der Alltagssprache nennen wir solche Computer gerne Roboter. Die SBB hat bereits solche Roboter im Einsatz. Sie sorgen vollautomatisch für die Durchsagen an den Bahnhöfen und machen das besser und präziser, als jeder menschliche Bahnhofsvorstand es je zu Stande brachte. Auf ähnliche Weise können Computer die Arbeit vieler Büroangestellten bei Banken, Versicherungen oder Krankenkassen übernehmen. Vermutlich ist der Computer sogar ein besserer (und freundlicherer) „Mitarbeiter“ im Kundendienst.

Die Folge: viele bis heute vermeintlich sichere Berufe werden verschwinden. Die University of Oxford sagt in einer Studie voraus, dass bis zur Hälfte aller Jobs in den nächsten 20 Jahren gefährdet sein werden. Die Süddeutsche Zeitung hat die Daten der Studie aufbereitet: Online können Sie einen Beruf eingeben, dann erfahren Sie, wie wahrscheinlich es ist, dass dieser Beruf durch einen Computer ersetzt wird. Ein paar Beispiele gefällig? Bankangestellte werden mit 97% Wahrscheinlichkeit innert 20 Jahren durch einen Roboter ersetzt, Buchhaltungsangestellte zu 98%, Hilfsarbeiter auf dem Bau zu 88%, Einzelhandelsverkäufer zu 92%. Düstere Aussichten.

Ganz besonders gefährdet sind solche Berufe in der Schweiz. Der hohe Frankenkurs zwingt die Firmen dazu, möglichst rasch effizienter zu werden. Nur Firmen, welche die künftige Entwicklung zügig aufgreifen, werden überleben. In der Schweiz werden deshalb viele Jobs wegfallen. Wegfallen müssen, damit die Firmen weiterhin Chancen auf dem Markt haben.

Was bedeutet das? Führt die vierte industrielle Revolution zu Massenarbeitslosigkeit in der Schweiz? Möglich. Experten betonen zwar, dass schon die Automatisierung nicht zu Massenarbeitslosigkeit geführt habe, sondern dazu, dass mehr und interessantere Stellen geschaffen wurden. Die Stellen, die entstehen, sind aber anspruchsvoller als die, die wegfallen.

Klaus Schwab, der Präsident des Weltwirtschaftsforums, folgert daraus, es werde in Zukunft viel mehr auf Bildung als auf Ressourcen ankommen. Das ist eine gute Nachricht für die Schweiz, schliesslich haben wir keine Ressourcen, aber ein gutes Bildungssystem. Sollte man meinen. Doch was passiert gerade in unserem Land? Der Bund und die Kantone wollen massiv sparen bei der Bildung. Dafür wollen sie drei Milliarden Franken in eine zweite Tunnelröhre für Autos am Gotthard investieren.

Dasselbe in der Region Basel: Die Regierung des Kantons Basel-Landschaft spart bei den Schulen, will aber weiterhin viel Geld in den Strassenbau investieren. Obwohl das Stimmvolk im letzten Herbst das Strassenbauprojekt „Elba“ an der Urne abgelehnt hat, will die Baselbieter Regierung die Elba-Strassen bauen und über eine Milliarde Franken investieren. Gleichzeitig spart sie „aus Geldnot“ bei den Schulen und bei der Universität. Im Kanton Basel-Stadt ist das dringendste Anliegen des Gewerbeverbands nicht etwa Ausbildung oder die Investition in die digitale Zukunft, sondern der Erhalt von Parkplätzen in der Stadt. Ehrlich wahr.

Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Arbeiten, die eine hohe soziale oder kreative Komponente aufweisen, lassen sich am schwierigsten durch Roboter ersetzen. Leider will der Staat in der Bildung gerade bei den sozialen und kreativen Fächern am meisten sparen. Pech für uns Schweizer. Dafür haben wir ja dann Parklätze. Und einen Tunnel am Gotthard.

Die Roboter führen uns vor Augen, was den Menschen wirklich ausmacht: dass wir kreative und soziale Wesen sind. Jetzt müssen das nur noch unsere Politiker merken.

5 Kommentare zu "Roboter machen uns zu Menschen. Vielleicht."

  1. Vielen Dank für die Recherchen. Ich werde den Wochenkommtar weiter empfehlen. Klaus Schwab will sich einen Roboter als Assistenten aufrüsten lassen, er ist begeistert. Was für Berufe bleiben und nicht wegrationalisiert werden, damit habe ich mich beschäftigt für die Identifikation mit einem Beruf an sich.
    Ob ich in einem Zug reisen werde, der ferngesteuert wird, kann ich mir nicht vorstellen, dann werde ich lieber ein klimaneutrales Auto selbst steuern und die Tunnels mit der Neat Schienenverlad benutzen.
    Die Nano-Technologie gehört auch zur 4. ind. Revolution.
    Und die gute Natchricht freut mich! Die gesellschaftlichen Aufgaben bestehen im Kontakt mit Menschen, der Intetration und dem Austausch. Eine gute Woche und sei gut gegrüsst.

  2. Das US-Volkslied (von Johnny Cash vorgetragen) ‚John Henry ‚, der ein schwerer Bahngleisarbeiter war: ‚Do engines get rewarded for their steam?‘ Also, was ist mit unserem Leben, wenn die Maschinen uns ersetzen? Und doch, die Zukunft der Söhne des John Henry war unermesslich besser. Sie habe recht. Beginnen wir mit der Bildung, die beste Zukunftsinvestition, die wir politisch und persönlich machen können. Nur SVP und Ähnliche lieben Ignoranz. Diese Helden machen es uns vor; man will für die Bildung nicht zahlen. Damit entscheiden sie, in den Zustand von 1833 zurück zu versinken, stolz, aber ungebildet und bettelarm. Besten Dank

    Bryan Stone

  3. Von der dritten sogenannten industriellen Revolution hatte ich erwartet, dass sie zu einer weiteren Verkürzung der Lohnarbeitszeit führen würde, und damit freie Zeit beispielsweise für die gemeinsame Entwicklung und Pflege der Zivilgesellschaft bleibt. Das Gegenteil war der Fall. Hoffentlich nutzen wir jetzt die Roboterisierung dafür.

    Der springende Punkt bei der Bildung ist nicht vor allem das Geld. Viel davon wird zurzeit in äussere, bürokratische Reformen investiert. Wie lange eine Schulstufe dauert und wie dick die Lehrpläne sind, ist für eine zukunftsfähige Bildung nicht relevant. Wichtig sind innere, substanzielle Reformen, die zur Stärkung der Selbst- und Sozialkompetenz führen und die Bereitschaft für ein lebenslanges Lernen fördern: Siehe dazu auch UNESCO Bildungsagenda 2030 (URL: http://www.unesco.ch/wie/bildung/).

  4. Sehr richtig: Mehr Geld für Schulen und Unis als für Parkplätze! Aber was für Schulen? Solche, die nur Fakten einpauken und Formeln lernen lassen? Die beste Vorbereitung gegen zukünftigen Jobverlust wäre doch eine Schule, die Kreativität und Fantasie fördert. Also: Schick dein Kind in die Waldorfschule!
    Friedhelm Zimpel

  5. Lieber Matthias,
    es tut richtig gut, deine Zeilen zu lesen!Habe gestern abend auf SRF die Debatte über die bevorstehende „Spar-Kur“ an unseren Schulen gehört, und dabei ist mir richtig übel geworden. Ist ja kaum zu fassen: da müssen wir bald jede zweite Fachkraft aus dem Ausland reinholen, weil es uns offenbar an eigenen Fachkräften fehlt…und jetzt das!Wo doch Bildung immer unsere wichtigste Ressource war – und je länger desto mehr sein sollte. Klar, Parkplätze statt Bildung; die brauchen wir natürlich für all die Pendler aus dem Ausland, auf die wir dank unserer „Bildungspolitik“mehr und mehr angewiesen sind!

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