Medienförderung – eine Auslegeordnung
Am 13. Februar 2022 stimmen wir in der Schweiz über die Medienförderung ab. Genauer: über das Massnahmenpaket des Bundesrats zugunsten der Medien. Aber die Verkürzung auf Medienförderung stimmt schon: Wenn dieser mühsam erarbeitete Kompromiss abgelehnt wird, dann ist die Medienförderung in der Schweiz für längere Zeit vom Tisch. Wohl deshalb gehen Gegner und Befürworter des Gesetzes schon jetzt mit scharfen Worten aufeinander los. Gegner reden von «Subventionsjägern» und «Staatsmedien», Befürworter von einem «Ja zur Meinungsfreiheit», weil die Demokratie starke Medien brauche. Beides stimmt so sicher nicht. Es ist Zeit, mit kühlem Kopf eine Auslegeordnung zu machen.
Die einen sehen die Glaubwürdigkeit der Medien und die Freiheit der Presse in Gefahr, die anderen die Meinungsfreiheit oder sogar die Demokratie. Man könnte meinen, es gehe um eine Verfassungsrevision. Zur Debatte steht aber lediglich das Bundesgesetz vom 18. Juni 2021 über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien (BBl 2021 1495). In seiner Botschaft schreibt der Bundesrat, dass den Medien in unserer direkten Demokratie «eine zentrale Rolle» zukomme. In den vergangenen Jahren seien die einheimischen Medien aber mit einem beträchtlichen Einbruch an Werbe- und Publikumseinnahmen konfrontiert worden. «Die Folgen sind ein Stellenabbau, die Zusammenlegung von Redaktionen und ein Rückgang der Medienvielfalt, der sich insbesondere in den Regionen zeigt.»
Der Bundesrat sagt also: Der Medienmarkt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die Änderungen sind so gravierend, dass jene Leistungen, welche die Medien auf lokaler und regionaler Ebene für die direkte Demokratie erbringen, gefährdet sind. Das ist sicher zutreffend: Die Zahl der unabhängigen Zeitungen in der Schweiz ist stark zurückgegangen. Die meisten Regionalzeitungen gehören heute entweder zu CH Media (dem Haus «Wanner» aus Aarau) oder zu Tamedia, dem Zürcher Verlag rund um den «Tages-Anzeiger», der seinerseits der TX Group gehört. Die Regionalzeitungen haben sich den Grossverlagen angeschlossen, weil sie sich einzeln heute kaum mehr finanzieren lassen. Zeitungen bedienen zwei Märkte: den Nutzermarkt, also zahlende Leserinnen und Leser, und den Werbemarkt, also Firmen, die Werbung und Anzeigen kaufen. Die Digitalisierung und das Internet haben beide Märkte in den letzten 20 Jahren dramatisch verändert. Viele Nutzer informieren sich heute lieber digital, zum Beispiel über das Handy. Viele Firmen schalten keine grossflächigen Werbeflächen und keine Anzeigen mehr, sondern werben gezielt im Internet. Das Problem für die Verlage ist, dass sie im Internet nur noch einen kleinen Marktanteil am Werbeumsatz erzielen. Der Marktanteil im Bereich Display-Werbung aller Schweizer Verlage zusammengenommen umfasst heute weniger als ein Viertel des Marktes. Der Löwenanteil geht an die grossen, internationalen Netzwerke, allen voran an Facebook und Google. Suchmaschinenwerbung und andere, neue digitale Werbeformen sind da noch nicht einmal eingerechnet.
Als Faustregel kann gelten: Mit einem Abonnenten macht ein Verlag im Werbemarkt online etwa ein Zehntel des Umsatzes, den er im Print erzielt hat – und mobile etwa ein Zehntel des Umsatzes, der sich online erzielen lässt. Es braucht mit anderen Worten in der digitalen Welt sehr viel mehr Nutzer, um auf einen grünen Zweig zu kommen. Zeitungen wie die «New York Times» können diesen Nachteil der digitalen Welt kompensieren, weil sie im Internet über eine viel grössere Reichweite verfügen: Als die «New York Times» nur gedruckt erhältlich war, war der Markt der Zeitung mehr oder weniger auf die Ostküste der USA beschränkt. Digital kann die Zeitung heute alle Staaten der USA, ja: die ganze Welt gleichzeitig mit Informationen (und mit Werbung) bedienen. Denn die Digitalisierung hebelt die Geografie aus: Distanzen spielen im Internet keine Rolle mehr.
Genau diesen Aspekt der Digitalisierung können die Medien in der Schweiz aber nicht ausnützen. Die Schweiz zerfällt in drei sprachregionale Märkte. In der Deutschschweiz lassen sich maximal etwa vier Millionen Menschen ansprechen – in Deutschland leben zwanzigmal mehr Menschen. Dazu kommt, dass die Schweiz, anders als Frankreich oder Deutschland, kein nationales Zentrum wie Paris oder Berlin hat. Die Schweiz ist föderal organisiert, es gibt keine Hauptstadt, in der sich Politik, Wissenschaft und Kultur konzentrieren. Die politische Auseinandersetzung in der Schweiz muss der direkten Demokratie wegen zudem auf allen Ebenen stattfinden – nicht nur in den Sprachregionen, sondern auch in den Kantonen, den Städten und Gemeinden. Die Schweiz braucht deshalb eine kleinteilige Medienlandschaft, die sich unter den heutigen Gegebenheiten über den Markt nicht mehr finanzieren lässt. Das ist für Bund und Parlament Grund genug, den Medien in der Schweiz mit einem Massnahmenpaket unter die Arme zu greifen.
Schauen wir uns das Massnahmenpaket des Bundes etwas genauer an. Es beinhaltet vier Aspekte:
- Eine Anpassung des Postgesetzes, welche die Ermässigung der Posttarife für die Frühzustellung von gedruckten Zeitungen betrifft.
- Eine Anpassung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen: Unternehmen sollen die Radio- und Fernsehabgabe nicht doppelt zahlen müssen, wenn sie einer Arbeitsgemeinschaft angehören.
- Fördermassnahmen zugunsten aller elektronischen Medien: Das Gesetz ermöglicht es dem Bund, Ausbildungen, Agenturleistungen und digitale Infrastrukturen zu fördern, die der ganzen Branche zur Verfügung stehen.
- Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien: Das Gesetz ermöglicht es dem Bund, regionale Onlinemedien mit einem journalistischen Angebot zu fördern. Der Förderbeitrag ist abhängig vom Aboerlös des Mediums: Der Bund bezahlt maximal 60 Prozent der freiwilligen oder obligatorischen Nutzergebühren oder -spenden. Dafür stehen maximal 30 Millionen Franken pro Jahr zur Verfügung.
Umstritten an dem Gesetz sind die Punkte 1) und 4), also die Förderung der Frühzustellung durch die Post und die Direktzahlungen an Onlinemedien. Der Punkt 2), die Erleichterungen hinsichtlich der Radio- und Fernsehabgabe, ist unbestritten. Der Punkt 3), Förderung von Agenturen, der Ausbildung und digitaler Infrastrukturen, wird zumindest nicht gross diskutiert (was eigentlich schade ist). Schauen wir uns die umstrittenen Aspekte etwas genauer an.
Die Frage der Unabhängigkeit
«Es geht ums Prinzip», schrieb Benedict Neff in der «NZZ». Aus liberaler Sicht sei die Sache eindeutig: «Eine solche Medienförderung ist abzulehnen.» Für die Glaubwürdigkeit privater Medienunternehmen sei die grösstmögliche Unabhängigkeit von zentraler Bedeutung. «Nur so ist eine kritische Berichterstattung möglich.» Philipp Gut sagt dasselbe, bloss in härteren Worten: Er schreibt in «Die Ostschweiz» von «Subventionsjägern» und «Staatsmedien».
Bloss: Das meiste Geld im Massnahmenpaket wird für die Unterstützung der Frühzustellung gedruckter Zeitungen eingesetzt. Dank der Massnahme ist es für die Verlage also etwas weniger teuer, dafür zu sorgen, dass die gedruckte Zeitung morgens um 7 Uhr im Briefkasten liegt. Die Frühzustellung erfordert separate Touren – und die Wege werden dabei immer weiter, weil immer weniger Menschen eine gedruckte Zeitung abonniert haben. Sind die Zeitungen deshalb Staatsmedien? Der Vorwurf ist lächerlich: Der Bund unterstützt die Frühzustellung seit Jahren. Die meisten Journalisten dürften erst aus der politischen Debatte über die Medienförderung davon erfahren haben. Wer deswegen von Staatsmedien und vom Verlust der Unabhängigkeit zu spricht, stützt sich nicht auf Fakten, sondern argumentiert rein ideologisch. Benedict Neff schreibt ja auch: «Es geht ums Prinzip» – es ist also eine ideologische Frage.
Übrigens: Wenn Benedict Neff recht hätte, wenn also Geld, das an die Verlage fliesst, sofort zu Abhängigkeit führen würde, dann dürften die Medien keine Anzeigen mehr verkaufen. Vermutlich wäre aber die «NZZ» die erste Zeitung, die erklären würde, dass die Redaktion unabhängig sei und sich von Anzeigenkunden nicht beeinflussen lasse. Wenn es aber hier so ist – warum soll es bei Bundesgeldern anders sein, zumal diese Gelder nicht von der Willkür eines Anzeigenkunden abhängig sind, sondern im Rahmen von gesetzlichen Regelungen fliessen?
Die Frage der Onlinemedien
Und was ist mit den Onlinemedien, die direkt gefördert werden sollen? Besteht da nicht die Gefahr, dass sie dem Bund nach dem Mund schreiben, damit sie von der Förderung profitieren können? Schauen wir uns den Fördermechanismus noch einmal an: Regionale Onlinemedien können dann von Bundesgeldern profitieren, wenn Benutzer Geld für die Medien bezahlen. Dabei bezahlt der Bund maximal 60% des durch die Benutzer erwirtschafteten Umsatzes. Die Onlinemedien müssen sich also zuerst im Nutzermarkt bewähren, erst dann erhalten sie Fördergeld und zwar in direkter Abhängigkeit ihres lokalen Erfolgs. Setzen wir das in eine Perspektive. Dieser Tage ist in Bern «Hauptstadt.be» gegründet worden. Eine Gruppe von Journalisten möchte nach der Zusammenlegung von «Bund» und «Berner Zeitung» in Bern für Medienvielfalt sorgen. Anfang Woche hat die «Hauptstadt» ein Crowdfunding lanciert. Mit grossem Erfolg: Das Projekt verzeichnet Stand jetzt bereits 1500 zahlende Unterstützer:innen. Ein Jahres-Abo kostet 120 Franken. Gönner bezahlen das Doppelte, das Gönner-Abo-Plus kostet 600 Franken. Ich weiss nicht, wie sich die Abos aufteilen. Nehmen wir einmal an, dass 70% das Basis-Abo gelöst haben, 15% das Gönner-Abo und 5% das Plus-Abo. Das würde bis jetzt einem Jahresumsatz von 225’000 Franken entsprechen. Das entspricht etwa zwei Vollzeitstellen inklusive Infrastruktur plus etwas Technikkosten. Grosse Sprünge sind damit nicht möglich. Würde der Bund das Projekt auf diesem Stand unterstützen, kämen noch einmal 135’000 Franken dazu. Das wären etwa weitere eineinhalb Stellen. Es sind also keine riesigen Summen, die fliessen werden, es könnten aber genau solche Beiträge sein, die für kleine Lokalprojekte den Unterschied ausmachen.
Übrigens: Die Onlinemedien, welche für diese Art der Unterstützung infrage kommen, sind Lokalmedien, die über lokale und regionale Themen berichten. Es sind also Themen, auf die der Bund keinen Einfluss hat. Man könnte den Spiess auch umdrehen: Wenn der Bund die Medien nicht fördern würde, müssten es die Kantone tun und das wäre heikler, weil sie viel direkter Thema der Berichterstattung von lokalen Medien sind.
Die Frage der Wettbewerbsverzerrung
SVP-Nationalrat Gregor Rutz fragt sich, warum Gratiszeitungen wie «20 Minuten» oder kostenlos zugestellte Wochenzeitungen keine Subventionen erhalten. Die Antwort ist einfach: Weil der Erfolg einer Gratiszeitung im Nutzermarkt viel schwieriger zu überprüfen ist. Indem der Bund die Förderung an gedruckte Abonnement (Frühzustellung) oder Nutzerumsatz (Onlinemedien) knüpft, verknüpft er seine Förderung direkt mit dem Erfolg der Medien im Nutzermarkt. Rutz klagt: «Diese staatlichen Interventionen führen zu Wettbewerbsverzerrung.» Die Bundesförderung erschwere die Situation für andere Geschäftsmodelle. Ähnlich argumentiert auch Christian Keller, Gründer und Leiter des Basler Onlinemediums «Prime News». Auf seiner Plattform können Leserinnen und Leser einen Beitrag auch bezahlen, indem sie sich einen Werbeclip anschauen. Diese Form der Bezahlung fällt (nach heutigem Wissensstand) durch die Maschen der Medienförderung. So gesehen stimmt es, dass der Bund einzelne Geschäftsmodelle präferiert.
Man könnte umgekehrt fragen: Was wäre denn die Alternative? Die Zahl der zahlenden Nutzer ist auch im Internet der härteste Massstab für den Erfolg. Indem der Bund seine Förderung an diese Zahl knüpft, hat er die Latte maximal hochgelegt – und richtet sich dabei strikt nach dem Markt. Unter dem Strich könnte man sagen: Ja, der Bund verzerrt den Wettbewerb mit seiner Förderung, aber das ist ja gerade der Sinn der Sache. Der Markt ist nicht mehr in der Lage, jene Medien zu finanzieren, welche die Schweiz braucht, also kann es ja nur darum gehen, in den Wettbewerb einzugreifen.
Steuer-Milliarden für Medien-Millionäre?
Ein griffiger Slogan der SVP lautet: «Nein zu Steuer-Milliarden für Medien-Millionäre». Auf den ersten Blick ist da etwas dran, würden doch mit CH Media und Tamedia respektive der TX Group ausgerechnet die beiden grössten Verlagsgruppen der Schweiz von der Unterstützung der Frühzustellung profitieren. Beide Firmen gehören reichen Familien, deshalb wenden sich auch linke Politiker und Aktivisten gegen die Medienförderung.
Bei genauerer Betrachtung muss man aber feststellen: Es geht nicht um Milliarden. Während sieben Jahren sollen die Medien in der Schweiz mit 120 Millionen Franken mehr gefördert werden als bisher. Das Geld stammt zudem nur zu einem Teil aus den Bundesmitteln, ein Teil der Förderung wird aus dem Topf der Radio- und Fernsehgebühren bezahlt. Und das Argument, dass die Verlegerfamilien, denen CH Media und die TX Group gehört, «Medien-Millionäre» seien, die das Geld nicht nötig hätten? Sicher ist: Mit gedruckten Zeitungen ist schon lange kaum mehr Geld zu verdienen. Wenn schon sind es Digitalangebote wie Carforyou, Homegate oder Ricardo, sind es der Digitalvermarkter Goldbach und die Gratiszeitung «20 Minuten», die bei der TX Group die Kassen klingeln lassen. Die Tageszeitungen, insbesondere die gedruckten, sind die Sorgenkinder – vielleicht müsste man im Gegenteil den Medienhäusern mittlerweile dankbar sein, dass sie diese Zeitungen überhaupt noch produzieren.
Sterben Demokratie und Meinungsvielfalt?
Befürworter warnen davor, dass die Meinungsvielfalt auf dem Spiel stehe, ja die Demokratie Schaden nehme, wenn das Gesetz nicht angenommen werde. Das ist sicher zu hoch gegriffen. Das Internet sorgt für Meinungsvielfalt. Es wäre heute schon schlecht bestellt um die Demokratie in der Schweiz, wenn sie von ein paar Medien abhängig wäre. Was man aber sicher sagen kann: Ohne Medienförderung gäbe es weniger Medien – und vermutlich hätten vermögende Menschen, die Medien finanzieren, deshalb mehr Einfluss. In Umkehrung des SVP-Slogans könnte man deshalb sagen: Wir brauchen Steuer-Millionen gegen die Medien-Milliardäre. Insofern retten wir schon ein wenig die Demokratie.
Unter dem Strich kann man sicher sagen: Der digitalisierte Markt sorgt nicht mehr für jene Medien, die in der Schweiz aus politischer Sicht nötig wären, damit auf allen Ebenen der Demokratie eine aktive Auseinandersetzung stattfinden kann. Die Medien reichen nicht mehr in die Kapillaren der Demokratie. Ich glaube, wir können die Situation der Medien gut mit der Landwirtschaft vergleichen. Wenn die Schweiz ihre Landwirte nicht subventionieren würde, müsste wohl niemand Hunger leiden. Aber wir hätten in der Schweiz eine andere Landschaft und die Schweiz wäre nicht in der Lage, auch nur einen Bruchteil jener Lebensmittel zu produzieren, die für eine Versorgung des Landes nötig wären. Der Bund greift deshalb ein und bezahlt jedes Jahr direkt und indirekt viele Milliarden Franken (hier ist diese Grössenordnung angebracht), damit weiterhin Bauern im Land Lebensmittel produzieren können, obwohl diese Lebensmittel auf der anderen Seite der Grenze deutlich günstiger zu haben wären.
Bei den Medien ist es ähnlich: Ohne Medienförderung hätte die Schweiz nicht plötzlich keine Medien mehr. Auf lange Sicht würde sich die Medienlandschaft aber stark verändern. Die Skaleneffekte der digitalen Welt würden dafür sorgen, dass wir mehr nationale und mehr ausländische Angebote konsumieren würden (wie das im Fernseh- und im Streamingbereich heute schon der Fall ist). Wir würden das überleben, keine Frage, so, wie wir es überleben würden, wenn die Schweiz keine Bauern mehr hätte. Aber wäre es sinnvoll? Wollen wir in einem Land ohne eigene Landwirtschaft und ohne eigene Medien leben? Wäre es nicht klüger, im Medienmarkt rechtzeitig Gegensteuer zu geben, so, wie wir das in der Landwirtschaft ganz selbstverständlich tun?
Ich meine deshalb, dass es nichts bringt, die Vorlage auf die Goldwaage zu legen und einzelner Bestimmungen wegen abzulehnen. Es ist der Förderkompromiss, den das Parlament zu Stande gebracht hat. Die Vorlage hat Nachteile und vielleicht auch den einen oder anderen Fehler. Aber eine andere Vorlage ist nicht in Sicht. Wir müssen uns im Klaren darüber sein: Wenn wir diese Vorlage jetzt ablehnen, dann ist die Türe für Medienförderung in der Schweiz auf lange Sicht geschlossen. Wenn wir die Vorlage annehmen, verschaffen wir uns Zeit, darüber nachzudenken, wie wir Medien in der Schweiz auf lange Sicht fördern wollen. Ich bin überzeugt, dass wir in einem so kleinen und so kleinteiligen Markt nicht darum herum kommen.
Basel, 22. Oktober 2021, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
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Quellen
Bild: © KEYSTONE/Alessandro della Valle
Disclosure: Ich bin Mitgründer und Präsident des Basler Onlinemediums «Bajour», das möglicherweise von der Medienförderung profitieren könnte, und ich bin Vorstandsmitglied der SRG Region Basel. Diesen Text schreibe ich aber als unabhängiger Medienwissenschafter, ich würde diese Meinung auch vertreten, wenn ich diese Funktionen nicht hätte.
Salvador Atasoy: «Medientalk»: Der Streit um die Medienförderung (28. August 2021). In: SRF. https://medien.srf.ch/-/-medientalk-der-streit-um-die-medienforderung (Stand: 22.10.2021).
Philipp Gut: «Profiteure der Mediensubventionen diskreditieren sich mit «Faschismus»-Beschimpfung» (5. Oktober 2021). In: Die Ostschweiz. https://www.dieostschweiz.ch/artikel/profiteure-der-mediensubventionen-diskreditieren-sich-mit-faschismus-beschimpfung-jxka3A8 (Stand: 21.10.2021).
Benedict Neff: «Die verlorene Glaubwürdigkeit der Schweizer Grossverleger» (5. Oktober 2021). In: «Neue Zürcher Zeitung». https://www.nzz.ch/meinung/medienfoerderung-schweiz-staatshilfe-fuer-reiche-verleger-ld.1648667 (Stand: 22.10.2021).
Persoenlich.com: «Medienförderung: Überparteiliches Komitee aus Basel unterstützt Referendum» (12. August 2021). In: Persoenlich.com. https://www.persoenlich.com/medien/uberparteiliches-komitee-aus-basel-unterstutzt-referendum(Stand: 21.10.2021).
Gregor Rutz: «Nein zu staatlich finanzierten Medien» (29. Juli 2021). In: SVP Schweiz. https://www.svp.ch/partei/publikationen/parteizeitung/2021-2/svp-klartext-juli-2021/nein-zu-staatlich-finanzierten-medien/ (Stand: 22.10.2021).
Schweizerische Eidgenossenschaft: «BBl 2021 1495 Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der MedienFedlex» (18. Juni 2021). In: Fedlex. https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2021/1495/de (Stand: 22.10.2021).
Komitee «Die Meinungsfreiheit»: «Die Meinungsfreiheit». In: Die Meinungsfreiheit. https://die-meinungsfreiheit.ch/(Stand: 21.10.2021).
13 Kommentare zu "Medienförderung – eine Auslegeordnung"
Wenn man sich eingehender damit befasst kommt nun zu der „einen Auslegeordnung“ von M. Zehnder noch die „andere Auslegeordnung“, die andere Sicht, dazu.
Mit dem neuen Medienförderungsgesetz (über das wir in Bälde mit „JA“ oder „NEIN“ abstimmen dürfen) will der Bund u.a so die grossen Verlage noch stärker unterstützen. Dabei weiss schon heute niemand, wer wie viel einsackt. Sicher ist: Unser Steuerzahlergeld landet bei Reichen und Superreichen.
Nicht nur ich empfinde das neue Medienförderungsgesetz als unverschämtes Komplott. Medienfachmann Bruno Hug belegt, dass von den künftigen 178 Subventionsmillonen praktisch durchwegs die heute arrivierten Verlage profitierten. Mit dieser gezielten Marktverzerrung würde der Bund die heutigen Medienkonzerne und deren Monopole absichern und sie im Gegenzug mit Staatgeld gefügig machen – dies wiederum die fundierte und profunde Fachthese von B. Hug (u. a. Verleger „Portal 24“, Präsident VSOM (Verbandes Schweizer Online- Medien u.v.m.) Er deckt auf dass die Medien (grundlos) mit einem reduzierten Mehrwertssteuersatz von 2,5 % jährlich umgerechnet 130 Millionen Franken vom Bund geschenkt erhalten.
Dass weitere 50 Millionen Franken Bundesgeld an die Post fliessen, damit die Verlage ihre Produkte zum Billigtarif versenden können
Bundesbern schanzt jedes Jahr 81 Millionen Franken aus den SRG-Zwangsgebühren allein den privaten Medien zu. Daraus resultiert, das TV-Sender wie „La Tele“, „Canal 9“ oder „TV Südostschweiz“ jährlich und ohne nachfragen zu müssen je 5 Millionen Franken erhalten.
Andere TV-Stationen wie „Tele M1“, „Tele Top“, „Tele Ticino“, „TVO“, „Tele Bärn“ usw., usw. werden jährlich mit 3 – 4,5 Millionen zwangsbeschenkt.
Aehnliches geschieht bei den -zig Lokalradios, die (das ist besonders stossend!) fast durchwegs IN DER HAND DER VERLEGER SIND! Sie erhalten – pro Radio – jährlich zwischen 1,2 und 3,4 Millionen.
Besonders imponiert hat mich der letzte Auszug aus dem Hugs Argumentarium:
Z. B. Der Churer „Somedia-Verlag“ (hat gar nichts mit Verleger Markus Somm zu tun – nur dass dies geklärt ist), diese „Somedia-Verlag“ wird für sein Lokalradio und sein Lokal-TV pro Jahr mit 8,1 Millionen Schweizer Franken subventioniert. Dazu kommen noch Subventionen für die Zeitungsverteilung sowie Inseraten – und Staatsaufträge. Das gegen derartige Subventionsriesen (und jetzt kommt es – besonders stossend!) – ob in Graubünden oder anderswo – NIE MEHR KONKURRENZ AUFKOMMEN KANN, IST KLAR. EBENSO KLAR IST, DASS DAMIT AUCH DIE MEDIEN- UND MEINUNGSVIELFALT AM ENDE IST. GRAUBÜNDEN – und nicht nur dort – IST ZEMENTIERT/BETONIERT! FÜR NEUE: „NO CHANCE.“
Ich habe erfahre, obwohl allein die vier grössten Verlage im letzten Corona-Jahr operativ 275 Millionen Franken verdient haben (nicht Umsatz; verdient!), schickte der Bundesrat den Schweizer Medien als „Corona-Entschädigung“ – einfach so – 77,5 Millionen Schweizer Franken.
Ich sage „Nein“ zu noch „mehr-mehr-mehr-Subventions-Honig-Töpfe“ für die jetzt schon reichest gesegnete Branche.
Bei einem „Ja“ würde am meisten der „Tamedia/TX Group“ profitieren. Die Inhaber, stolze Besitzer stattlicher Güter in der CH und I (Toscana), Besitzer einer der grössten Segeljachten auf dem Mittelmeer, diese Verlegerfamilie Coninx/Supino besitzen ein Vermögen von 1 – 1,5 Milliarden Schweizer Franken (aus „Bilanz“).
Zweitgrösster Profiteur wäre der auf Schloss Bickgut ob Würenlos residierende Medienfürst Peter Wanner mit seinem CH-Medien Imperium.
Platz 3 der Subventionsbezüger würde der Ringier Verlag belegen. Das Vermögen der Ringiers wird gemäss ihrer hauseigenen Zeitschrift „Bilanz“ auf rund eine Milliarde Schweizer Franken geschätzt. Sie wohnen streng bewacht hinter gutem Schutz an bester Hanglage, Seesicht, Pool an der Goldküste von Zürich, in Küsnacht.
Platz 5 geht an den den Grossbanken nahestehenden NZZ-Verlag – und Platz 6 ginge an „ESH Medias“ von Philippe Hersant. Er wohnt in 1243-Presinge, nahe dem „Golf Club de Geneve“ wo der Westschweizer Geldhochadel, welchem er angehört, ein- und aus geht. Auch er soll Milliardär sein.
Hochrechungen zeigen, dass die sechs grössten Verlagshäuser von den jährlich 178 Subventionsmillionen gegen drei Viertel respektive 130 Millionen Schweizer Franken einsacken würden.
Dazu kommt noch, dass dank dem neuen Subventionsgesetz die Verlage nicht nur vom tiefen Mehrwertsteuersatz, der subventionierten Zeitungsverteilung und vom SRG-Zwangsgebühren-Topf profitierten, sondern erhielten auch noch Staatsgeld für ihre Nachrichtenagentur, für IT-Projekte und Online-Abos. Für letztere würde ihnen der Bund zusätzlich 60 Prozent des eingegangenen Abonnementsgeldes überweisen. Wieder einfach so, frei Haus!
Erfreulich, dass nicht nur ICH, sondern sich auch 72 „Die Mitte-“ und Bürgerliche-Politiker zusammenschlossen und sich gegen das neue Mediengesetz stellen.
Der „Die Mitte“-Politiker Benedikt Würth sagt es richtig: „Die Medien müssen die Politik kontrollieren – und nicht die Politik die Medien“.
Ein schönes Schlusswort. Und ich sage den Gier-Nimmersatten ganz zu Schluss: „Irgendwann ist genug!“
Sogenannte Mainstream- oder alte Medien, die in diesem Wochenkommentar erwähnt sind und gefördert werden sollen, gehören aus meiner Sicht zur sogenannt «westlichen Kultur». Sie tickt nach folgenden vier Glaubenssätzen: 1. Ich bin des andern Feind. 2. Ausbeutung ist der Kern unseres Lebens. 3. Die Wirklichkeit ist unbelebt. 4. Es gilt unbedingt, den eigenen Tod zu vermeiden. Diese Glaubenssätze entsprechen einer Politik und einem Verhalten, das zur Zerstörung der Welt führt. – Nach wie vor hoffend, dass es nicht final so weit kommen wird, schwimme ich mit meinem Bildungs- Lebensraumkünstler-Motto «Schafft Euch gegenseitig Raum zum Leben!» bewusst intolerant gegen den Mainstream der Linken und der Rechten sowie der Oberen, Mittleren und Unteren. «Lebensraum schaffen» beinhaltet beispeilsweise: Begegnung, Bewegung, Entwicklung, Gastfreundlichkeit, Geborgenheit, Geduld, Gemeinsamkeit, Heimat, Stille, Teilen, Vertrauen, Wachsen und Sterben lassen. Und nach dem Prinzip «Ich bin, weil Du bist» umfasst «gegenseitig» nicht nur alle Menschen auf unserer Erde, sondern auch die Tierwelt und die Natur: Alles hat Innerlichkeit. Es gilt, die Welt kokreativ mit allen und für alle fruchtbar zu halten (und noch mehr Geld ist dafür eher hinderlich)!
Antwort:
So wie Du Ueli Keller denkt die Minderheit der Schweiz. Und da die Medienschaffenden ein Abbild der Schweiz sind, sind diese Feingeiste und Herzhandler auch dort im Abseits.
Leuchtfeuer wie Du und ich gibt es in allen Regionen, keine Frage – aber immer noch sind sie bloss am glimmen gegenüber den unhinterfragenden Mainstreamdenker. Auf das sich die Hoffnungsfeuer unter uns auf alle Arten ausbreiten; die Zeiten werden immer wie mehr Menschen dazu sanft zwingen.
Doch keine Regel ohne Ausnahme welche bei uns die Verlegerbarone und Zeitungsfürsten sind. Sie kennen nur eine Maxime: Mehr-mehr-mehr bis zum geht nicht mehr….
Beispiel Schloss Bickgut ob Würenlos: Neu dort noch dazugekommen: eigener Tenniscourt, eigener Pool, eigener Weinberg, eigenes Weingut, eigener Familienwein, eigener Gewölbekeller….
Wessen (Bettel-) Mediengrafs Zuhause es ist wohl sei, kann jeder selbst herausfinden……
Alles nur noch Muppets Show: vorne auf der Bühne spielen Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaften Demokratie, während ihnen hinter den Kulissen die gross Mächtigen und die schwer Reichen den Takt und den Ton angeben, und auf dem Balkon geben wir beide den Senf dazu?
Lieber Matthias: Deine Argumente zugunsten der Medienförderung in Ehren. Aber sind deine Beispiele (NZZ + SRF als Musterknaben) wirklich auf der Seite der Unterstützung-würdigen Medien zu finden?
Schau dir doch mal den Infosperber-Artikel (IS) unten an.
– Und verrückter noch: IS hat den Artikel zurückgezogen, kaum war er veröffentlicht …
– Wieso zog IS den Artikel zurück, frägt sich da die wache Leser:In. Und als Antwort fällt mir nur 1 Punkt ein: Jemand hat IS auf den negativen Effekt auf die Akzeptanz des neuen Medien-Gesetzes aufmerksam gemacht.
Was soll das?
Wir Alle haben längst erkannt, dass weder die NZZ, noch SRF weiterhin Musterknaben der seriösen Berichterstattung sind.
– Die NZZ betreibt seit Jahren Skrupel-los transatlantische Propaganda. Ich habe sie abbestellt.
– SRF bringt inzwischen immer öfter auch transatlantische Propaganda. So geht das nicht: SRF ist von Gesetzes wegen zu ideologisch neutraler Berichterstattung verpflichtet.
https://www.infosperber.ch/medien/medienkritik/billige-propaganda-gegen-china-durch-srf-und-nzz-etc/
Lieber Konrad
In meinem Kommentar zur Medienförderung kommt weder die NZZ als «Musterknabe» vor (die NZZ-Redaktion lehnt die Medienförderung übrigens ab), noch SRF (die SRG ist von der Medienförderung nicht tangiert). Mir geht es um Medienökonomie: Die traditionellen Medienfinanzierungsmodelle funktionieren nicht mehr (hat mit Weltanschauung nichts zu tun, ist eine Folge davon, dass sich der Werbemarkt digitalisiert hat). Die neuen Finanzierungsmodelle sind zum grössten Teil reichweitenorientiert, basieren also auf Aufmerksamkeit. Die Lösung wären rein nutzerfinanzierte Medien, weil die Schweiz a) insgesamt klein ist und b) Medien auf allen Ebenen der Demokratie braucht, können Nutzer die Medien allein nicht finanzieren, deshalb braucht es, wie in der Landwirtschaft, Unterstützungsmodelle. That’s all…
Bingo, lieber Matthias: Darum ging es mir, eine klare Aussage zur NZZ + zu SRF. Jetzt haben wir sie beisammen.
Fazit als Ausgangslage für die Medien-Förderung:
– Weder der einstige Musterknabe NZZ, noch SRF als gesetzlich an ausgewogene + Wahrheit-getreue Berichterstattung verpflichtetes Medium halten sich an die Spielregeln des Qualitätsjournalismus.
– Eines der schrägsten Beispiele aus unseren Tagen: NZZ + SRF berichteten übereinstimmend über die bösen Chinesen. Sie hätten innert weniger Tage die Lufthoheit Taiwans über 1’200 x verletzt.
– Kein Wort ist wahr. Die Chinesen blieben jederzeit auf Distanz (offenbar mindestens 100 km).
So sieht es aus mit dem Qualitätsjournalismus in der Schweiz. Und niemand schreitet ein. Aber:
– Auch sie sollen über das neue Medien-Gesetz gefördert werden. Richtig + How come?
– Sollten wir das Spiel nicht umdrehen? Wer sich nachweislich an die Spielregeln des Qualitätsjournalissmus hält, soll gefördert werden, alle Anderen nicht.
— Das wiederum würde voraussetzen, dass wir zuerst den Standard festlegen + die Zeitungen an ihm messen.
— Erst dann sollten wir Geld verteilen. Meine Sicht halt …
Erstens habe ich keine «klare Aussage» zur NZZ und zu SRF gemacht, sondern nur gesagt, dass sie in meinem Text nicht vorkommen. In der NZZ habe ich keine Meldung über 1200 Überflüge von chinesischen Kampfflugzeugen gefunden, aber zum Beispiel im Guardian hier: https://www.theguardian.com/world/2021/oct/02/taiwan-reports-largest-ever-incursion-as-38-chinese-planes-fly-over-air-space
Noch einmal:
– SRF wird mit dem Mediengesetz nicht gefördert.
– Die Redaktion der NZZ hat sich gegen eine Förderung ausgesprochen.
– Den Wahrheitsgehalt der zitierten Meldung kann ich nicht beurteilen. Sicher ist, dass China eine Unabhängigkeit von Taiwan nicht akzeptiert und man deshalb Informationen von beiden Seiten sorgfältig behandeln muss.
– Meiner Wahrnehmung nach machen sowohl NZZ als auch SRF genau das.
– Das Massnahmenpaket des Bundes beinhaltet Qualitätsstandards.
– Ein Gesetz muss einen Förder-Algorithmus bieten, der jenseits von Einzelthemen wie China/Taiwan, Corona/Impfskepsis etc. funktioniert und auf diese Weise die Medien vor politischer Einflussnahme schützt.
Lieber Matthias: Verstehe ich richtig, dass du dir die Mühe nicht machtest, das krasse Fehl-Verhalten von NZZ + SRF insachen ‚Luftraum-Verletzung Taiwans‘ zu überprüfen?
– Aufgrund deiner Antwort oben muss ich annehmen, dass dem so ist.
– Ich liefere dir also einen Link nach, welcher dir dabei weiterhilft, den Sachverhalt bezüglich dieser krassen Fake-News in NZZ + SRF zu überprüfen.
https://www.infosperber.ch/medien/medienkritik/billige-propaganda-gegen-china-durch-srf-und-nzz-etc/?fbclid=IwAR2MNQ620x9ZZRnDcxinHjVrrBNG2pkV2tEA9jkDlKFBrscznHpzEsFG3rQ
Mit dieser Hilfestellung wirst du erkennen, wie NZZ + SRF (und das beileibe nicht nur in dieser Sache) mit den Grundanforderungen zum Qualitätsjournalismus derzeit umgehen.
Du sagst oben zurecht, dass die NZZ nicht hinter dem neuen Medien-Gesetz stehen + SRF nicht darunter fällt, weil sie aufgrund des bestehenden SRF-Gesetzes a priori zur Wahrheit + zu Qualitätsjournalismus verpflichtet wäre.
– Am besagten Beispiel erkennen wir alle, dass diese in der Schweiz führenden Medien ihren Pflichten zur Qualität nicht im Geringsten nachkommen.
– Deshalb nochmals:
— Wir brauchen ein neues Medien-Gesetz, aber eines welches zuerst den Standard festlegt + dann die Zeitungen an ihm messen.
— Das geplante Medien-Gesetz erfüllt diese Anforderungen nicht. Und deshalb möchte ich, dass wir es so lang ablehnen, bis es den Standard festlegt + so die Möglichkeit schafft, die Medien zuerst daran zu messen, bevor wir sie mit neuem Geld bedenken.
Wieso nimmst du oben zu diesem zentralen Punkt meiner Rückmeldungen nicht Stellung?
– Wieso lenkst du vom eigentlichen Thema nur ab?
– Oder soll deine Aussage oben bedeuten, dass du den (inzwischen bei gewissen transatlantischen Themen seit Jahren bestehenden) klar fehlenden Wahrheitsgehalt in der journalistischen Arbeit gerade auch bei diesen beiden herausragenden Schweizer Medien nicht erkannt hast?
Lieber Konrad, natürlich habe ich den Bericht von Ramseyer auf Infosperber gesehen. Aber auch Berichte wie diesen hier des Guardian:
China flies record 38 planes over Taiwan defence zone in national day show of force. Ich kann die Sache, wie gesagt, materiell nicht beurteilen. Ich stelle fest: Ein Journalist schreibt auf Infosperber einen Kommentar. Er schreibt darin ohne weitere Quellenangabe zum Beispiel: «Chinesische Kampfjets haben gemäss Medienmeldungen bei ihren Manövern vor der Südküste ihres Landes den völkerrechtlichen Luftraum Taiwans stets grossräumig umflogen». Ich kann weder die eine noch die andere Aussage verifizieren/falsifizieren.
Kurz: Ich kann das nicht beurteilen. Dieses einen Kommentars wegen SRF und NZZ in Bausch und Bogen als unjournalistisch abzutun, scheint mir umgekehrt eine arg überzogene Reaktion.
Mich nimmt umgekehrt wunder, welches Schweizer Medium denn Deinen Qualitätskriterien genügen würde und entsprechend förderwürdig wäre?
Auch wenn ich weiss, dass es eine Mehrheit nicht wissen will, so schreibe ich es auch hier noch einmal: Der Zustand unserer Welt ist ein Spiegel für uns selbst. Viele Kommunikations-, Sozial-, Umwelt-, Wirtschafts- und Wissenschaftsprobleme unserer Zeit sind der Ausdruck einer emotionalen, ethischen und spirituellen Krise oder gar Verwahrlosung der Menschen. Egoismus und Gleichgültigkeit sowie eine mehrheitlich tief greifende Angst vor Veränderungen hindern uns seit vielen Jahrzehnten an einer echten Kehrtwende. Wir möchten alles im Aussen lösen: über Technologie, mit neuen Gesetzen und mit immer noch mehr Geld. Was wir aber als zukunftsfähige Gesellschaft grundlegend brauchen, ist eine Bewusstseinsänderung: Die Gesellschaft und der Wandel, das sind Du, ich und wir!
Lieber Matthias: Um ehrlich zu sein, erachte ich in der Schweiz derzeit einzig InfoSperber + einige private Nachrichtendienste (darunter auch deinen) als seriös + Unterstützung-würdig.
– Die Medienkonzentration der letzten Jahre in der Schweiz führte dazu, dass sich inzwischen (fast) alle relevanten Medien von den gleichen Quellen alimentieren lassen.
– So verbreiten sowohl die NZZ-Blätter als auch die Tamedia-Blätter (reduziert) laufend transatlantische Fake-News .
— Als alter Hase rieche ich die Zeitungsenten (Fake-News) längst von weitem, übrigens durchaus auch jene von RTdeutsch etc.
— Die Schweizer Öffentlichkeit akzeptiert solche Zustände ohne grossen Widerspruch. Leider.
Deshalb poche ich derart auf etablierte Qualitätsstandards + eine Vorab-Überprüfung unserer Medien, bevor sie über das neue Medien-Gesetz Geld erhalten.
Und nun zurück zu unserem Beispiel (ein krasses unter vielen, welche du mit etwas Gespür in unserem Medien leicht erkennen kannst), der behaupteten ‚1‘200-fachen Verletzung von Taiwans Luftraum‘.
– Du behauptest, dass ‚irgendein Journalist‘ (es handelt sich um Niklaus Ramseyer, nicht um irgendeinen Journalisten) irgendetwas behaupten würde, was sich nicht überprüfen lasse. Das ist nicht fair.
– Hast du die Links im Artikel aktiviert? Dort erkennst du, wie Ramseyer auf seine Richtigstellung der Fake-News in der NZZ + bei SRF kommt.
— Eine wichtige Quelle stammt von ‚Supchina‘, ein Nachrichten-Portal mit Sitz in New York, welches regelmässig Infos aus China auswertet.
— Ramseyer macht auch auf die Ursache der ‚Verwechslung der Fakten‘ in den westlichen Nachrichten-Diensten (vorliegend wohl eher Geheim-Diensten) aufmerksam: Aus der ‚Identifikationszone zur Luftverteidigung‘ wurde in den westlichen Schlüssel-Medien (es sind immer die gleichen) ‚Taiwans Luftraum‘.
– Was da wieder mal abging, um den Politik-Wechsel der USA bezüglich ‚Verteidigung von Taiwan gegen eine chinesische Aggression‘ zu rechtfertigen, entspricht vollauf dem Muster der US-Geheimdienste. Und als erfahrener Journalist kennst auch du diese Muster.
https://supchina.com/2021/10/05/taiwan-adiz-incursions-explaining-chinas-surge-in-warplane-activity-in-the-taiwanese-air-defense-zone/