Lieber Urs Fischer

Publiziert am 20. Juni 2015 von Matthias Zehnder

Das war kein schöner Anblick, das Transparent, das am Donnerstag am Stadioneingang aufgehängt wurde, während Sie drinnen, im Medienraum, den Journalisten als neuen FCB-Trainer vorgestellt wurden. «Fischer, nie eine vo uns!!!» stand in mannsgrossen Lettern auf weisser Blache. Und es sind nicht nur Hardcore-Fans aus der Muttenzer-Kurve, die Sie ablehnen, weil Sie Zürcher sind, weil Sie für den FCZ gespielt  und weil Sie den FCZ trainiert haben. Es gibt auch viele «normale» Basler, welche die Augen verdreht haben bei der Nachricht, dass ein Zürcher die Spielleitung beim FCB übernimmt. Es ist dies etwas peinlich, ziemlich seltsam und natürlich unhöflich. Die negativen Reaktionen auf Ihre Wahl haben weniger mit Fussball als mit Basel und seinem Selbstverständnis zu tun. Ich möchte Ihnen diese Reaktion deshalb kurz erklären.

In Basel ist man auch nach 23 Jahren als Zugezogener keiner «von uns» (da rede ich aus persönlicher Erfahrung). Machen Sie sich also keine Illusionen: Einer «von uns» werden Sie nicht werden. Das hat mit Ihrer Herkunft nichts zu tun und ist auch nicht so entscheidend. Wichtig ist, dass Sie einer «für uns» sind. Für «uns», das sind in erster Linie die durchschnittlich 29‘000 Menschen, die jedes Heimspiel des FCB als Zuschauer im Stadion verfolgen. Sie wollen, dass die Mannschaft nicht einfach drei Punkte einfährt (das ist selbstverständlich), sie wollen, dass es Spass macht, dabei zuzusehen. Da geht es nicht um «Abspulen» und «Effizienz», es geht um «Champagnerfussball». Murat Yakin ist daran gescheitert. Er war zwar einer «von uns», er hat aber über die drei Punkte hinaus zu wenig Unterhaltung geliefert und ist an der Stilnote gescheitert.

Ich bin sicher, Sie machen das anders. Trotzdem sind Sie vielen Baslern nicht willkommen, weil Sie Zürcher sind. Viele haben auf einen ausländischen Trainer gehofft. Ein internationaler Startrainer hätte Baslern bewiesen, dass ihre Stadt international ist. Es wäre eine Art Selbstvergewisserung gewesen. Dass diese Selbstvergewisserung nötig ist, heisst natürlich auch: Basel ist lange nicht so international, wie die Stadt gerne sein möchte. Sie oszilliert zwischen offener Weltstadt und provinziell-verhocktem Nest. Während der Art und der Baselworld, wenn es um Pharma und um internationalen Zahlungsverkehr geht, ist Basel Welthauptstadt mit Millionenpotenzial. Im Alltag ist Basel eine Kernstadt ohne Umland mit keinen 200‘000 Einwohnern. Eine Stadt, die unter der Vormachtstellung von Zürich in der Schweiz leidet und es Zürich gerne zeigen würde. Dann geht es natürlich gar nicht, wenn ausgerechnet ein Zürcher den FCB führt. Auf die Idee, den Spiess umzudrehen und zu sagen: Seht her, der FCB ist so toll, dass sogar die Zürcher Urgesteine hier arbeiten wollen, kommt in Basel niemand. Das ist die Mischung aus Basler Understatement und mangelndem Selbstbewusstsein.

Und dann kommen noch Sprache und Stil dazu. Sie seien keine so schlimme «Züri Schnurre» sagten Sie an der Pressekonferenz. Das ist, mit Verlaub, wie wenn der Elefant im Porzellanladen den Bauch einzieht. Basler vs. Zürcher, das ist wie British English vs. der Akzent aus Texas, wie Tee vs. Budweiser, wie Fechten mit Florett vs. Kampfpanzer Leopard. Basler sind zurückhaltender, manchmal zugegebenermassen etwas verstaubt, halt wie englische Gentlemen. Züricher werden hier dagegen gern als rau und rüde empfunden. Nur schon wie sie «Basel» aussprechen. Zürcher sagen «Bàsel» mit kurzem, lautem «a». Basler dagegen sagen «Baasel», mit langem, leisem «a». Das wäre vielleicht ein Tipp: Sagen Sie künftig nicht mehr «FC Bàsel», sagen Sie «FC Baasel».

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Davon abgesehen: Lassen Sie sich nicht beirren. Sie mögen keiner «von uns» sein, Sie können aber dafür sorgen, dass sich Ihre Spieler rasch in unser aller Herzen spielen, wenn Sie sie mit Zürcher Selbstbewusstsein antreten und wie Thuner Löwen kämpfen lassen. Man wird Sie in den nächsten Wochen skeptisch beäugen, Sie werden mit offenen Türen empfangen, aber nicht unbedingt mit offenen Armen. Sie werden dabei sein, aber nicht dazu gehören. Machen Sie sich nichts draus. Verstehen Sie sich als Arzt, der dem Patienten FCB auf die Beine hilft. Wenn Ihnen das gelingt, werden Sie in Basel eine tolle Zeit haben. Denn Basel ist eine wunderbare Stadt. Man muss ihr bloss auf die Schliche kommen. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen gerne auf einem kleinen Stadtrundgang, wie Basel wirklich tickt. Ja, das ist eine Einladung.

Vorerst heisse ich Sie in Basel aber herzlich willkommen und wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem FCB.

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