Klimafreundlich essen – ist das gesund?

Publiziert am 16. August 2019 von Matthias Zehnder

Die Schweizer sind zu dick: Vier von zehn Erwachsenen in der Schweiz sind übergewichtig. Mit fatalen Folgen für die Gesundheit. Jetzt stellt sich heraus: Unsere Ernährungsweise hat nicht nur fatale Folgen für den Körper, sondern auch für das Klima. Etwa ein Drittel der Treibhausgase entstehen bei Produktion, Verarbeitung und Transport unserer Nahrung. Deshalb soll jetzt auch unser Essen klimafreundlicher werden. Menschen, die sich besonders klimafreundlich ernähren, haben auch schon einen Namen: Das sind Klimatarier. Bloss: Was heisst klimafreundliche Ernährung für den Körper? Ist das auch gesund?

Wir ernähren uns falsch: In der Schweiz sind rund 41 Prozent der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig, davon sind 10 Prozent sogar adipös.[1] Das hat dramatische Folgen für die Gesundheit der Schweizerinnen und Schweizer: So starkes Übergewicht führt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs. Besorgniserregend ist, dass die Zahl der übergewichtigen Erwachsenen in der Schweiz in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Wir wissen zwar immer mehr über die richtige Ernährung, machen aber offenbar gleichzeitig immer mehr falsch.

Jetzt stellt sich heraus: Die Art, wie wir uns ernähren, hat nicht nur katastrophale Folgen für unseren Körper, sondern auch für das Klima. Denn etwa ein Drittel der Treibhausgase entstehen durch unsere Versorgung mit Lebensmitteln, also bei der Produktion, der Verarbeitung oder dem Transport von Nahrungsmitteln. «Wenn jeder von uns sich drei Mal pro Woche klimafreundlich ernähren würde, hätten wir die gleiche Treibhausgaseinsparung , wie ein Sechstel weniger Autos auf unseren Strassen», schreibt «Eaternity», ein Programm zur Berechnung der Umweltauswirkungen von Nahrungsmitteln.[2] Bloss: Was ist eine klimafreundliche Ernährung?

Klimatarier essen mehr Gemüse

Wie eine umwelt- und klimafreundliche Ernährung aussieht, darüber gibt es verschiedene Studien und Berichte, etwa eine Studie des Barilla Center for Food and Nutrition,[3] Berichte des WWF[4], von Greenpeace,[5] der Umweltberatung Luzern,[6] der Umweltberatung CO2Online[7] oder der Klimatarier[8] (ja, die gibt es wirklich). Ich habe mich durch einen ganzen Berg dieser Berichte durchgewühlt. Die Informationen und Hinweise lassen sich etwa so zusammenfassen: 1) Essen Sie weniger Fleisch, 2) essen Sie saisonale und regionale Früchte und Gemüse und 3) essen Sie möglichst Frischprodukte und bereiten Sie Ihr Essen selbst aus frischen Zutaten zu. Sehen wir uns die einzelnen Punkte etwas genauer an:

Als grösster Klimasünder gilt die Fleisch- und Milchproduktion. Laut der deutschen Heinrich Böll-Stiftung verursachen die 20 weltweit grössten Fleisch- und Milchkonzerne mit 932 Millionen Tonnen CO2  pro Jahr mehr Emissionen als Deutschland, der viertgrösste Industriestaat der Welt, mit 902 Millionen Tonnen CO2  pro Jahr.[9] Laut dem WWF verursacht ein Kilogramm Schweinefleisch gleich viel CO2 wie 80 Kilogramm Kartoffeln. Der so genannte Fussabdruck, also die Umweltbelastung, der Ernährung eines durchschnittlichen Schweizers reduziert sich um 24 Prozent, wenn er auf vegetarische Ernährung umstellt.

Wer Fleisch isst, schadet dem Klima – und sich selbst

Fleisch ist also gar nicht gut fürs Klima. Das trifft sich gut, denn wer viel Fleisch isst, schadet nicht nur dem Klima, sondern auch sich selbst. Der deutsche Wissenschaftsjournalist Bas Kast hat in seinem «Ernährungskompass» (meine Rezension finden Sie hier) zusammengefasst, was die Wissenschaft heute über Ernährung weiss. Er kommt zum Schluss: Wir essen viel zu viel Fleisch. In der Schweiz sind es pro Kopf und Jahr über 50 (!) Kilogramm Fleisch.[10] Das am häufigsten verzehrte Fleisch in der Schweiz stammt vom Schwein (21,64 Kilo pro Kopf und Jahr). Der Konsum von Kalb- und Rindfleisch summiert sich auf fast 14 Kilo pro Kopf und Jahr.

Bas Kast schreibt im «Ernährungskompass»: «Essen Sie mehr Pflanzliches und weniger Tierisches. Nicht das Gemüse, sondern das Fleisch sollte die Beilage bilden.» Vor allem rotes Fleisch vom Rind und Schwein sollten wir aus gesundheitlicher Sicht nur ein paar Mal im Jahr (!) essen und stattdessen lieber zu (fettigem) Fisch und zu Poulet aus tierfreundlicher Haltung greifen. Hier decken sich also die Empfehlungen zum Schutz des Klimas mit jenen von Gesundheitsexperten.

Was gesund ist, ist auch umweltfreundlich

Interessanterweise ist das auch in anderen Bereichen so. Die Empfehlung, zum Schutz des Klimas mehr saisonale und regionale Früchte und Gemüse zu essen, findet sich so auch im Buch von Bas Kast. Wir essen zu viel Zucker, generell zu viele Kohlenhydrate und zu wenig (ganze) Früchte und Gemüse. Aus Sicht des Klimaschutzes ist der Zusatz «saisonal und regional» wichtig, weil nur auf diese Weise sichergestellt ist, dass die Produkte nicht energiereiche Transportwege und Lagerzeiten benötigen. Aus gesundheitlicher Sicht ist die Empfehlung ebenfalls sinnvoll, weil auf diese Weise für Frische und Abwechslung auf dem Speisezettel gesorgt ist.

Auch die dritte Empfehlung, das Essen möglichst selbst aus frischen Zutaten zuzubereiten, steht genau so im «Ernährungskompass». Für Bas Kast ist das sogar der wichtigste Ernährungstipp überhaupt: «Essen Sie möglichst unverarbeitete Nahrungsmittel. Sprich, alles, was direkt aus der Natur kommt. Alles, was ohne Zutatenliste auskommt, meist sogar – von Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen und Kräutern einmal abgesehen – ohne Verpackung.» Ein Klimaschützer würde es nicht anders formulieren. Aus Sicht des Klimas ist klar: Es schadet der Umwelt, wenn Lebensmittel zuerst durch die halbe Welt gekarrt werden, aufwändig zu Fertigmahlzeiten zusammengefügt, verpackt und gekühlt werden müssen, bevor sie im eigenen Kühlschrank landen. Fertigprodukte, das, was die Amerikaner «processed Food» nennen, sind auch aus gesundheitlicher Sicht schädlich, weil sie oft viel zu viel Zucker und Salz enthalten und viele unerwünschte chemische Zusatzstoffe wie Stabilisatoren, Aromaverstärker und Konservierungsmittel. Geradezu schädlich sind süsse Softdrinks – und die sind auch aus des Sicht des Klimaschutzes nicht zu empfehlen.

Ausnahmen sind Avocados und Mandeln

Zusammengefasst könnte man also sagen: Was gesund ist, ist auch umweltfreundlich. Meistens jedenfalls. Aber es gibt Ausnahmen. Die Avocado ist eine solche Ausnahme, vor allem, weil sie viel Wasser verbraucht. Im Durchschnitt braucht ein Bauer etwa 130 Liter Wasser, um ein Kilogramm Salat zu produzieren. Für ein Kilogramm Tomaten sind es 180 Liter Wasser. Ein Kilogramm Avocados verbraucht 1’000 Liter Wasser![11] Noch extremer ist der Wasserverbrauch bei Mandeln: Für die Produktion von einem Kilogramm Mandeln sind bis zu 15’000 Liter Wasser nötig.[12] Nur Fleisch braucht noch mehr Wasser: Für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch sind über 15’000 Liter Wasser nötig.[13] Mandeln und Avocados mögen gesund sein – dem Planeten bekommt die Produktion gar nicht.

Von Mandeln und Avocados und abgesehen gilt aber die Faustregel: Wer gesund isst, der isst auch klimafreundlich – und umgekehrt. Fragt sich nur, ob die Menschen in der Lage sind, diese Informationen umzusetzen. Denn so umwerfend neu sind diese Erkenntnisse nicht. Aus Ernährungssicht sind es Empfehlungen, die auch schon vor ein paar Jahren Gültigkeit hatten. Dennoch hat die Zahl der stark übergewichtigen Menschen in der Schweiz in den letzten Jahren schnell zugenommen. Vielleicht schaffen es ja Klimaschützer, den Trend zu brechen und die Schweizer zu gesunden Klimatariern zu machen. Das wäre nicht nur gut fürs Klima, sondern auch für die Menschen.

Basel, 16. August 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen:

[1] Zahlen des Bundesamts für Gesundheit: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/gesundheitsfoerderung-und-praevention/koerpergewicht/uebergewicht-und-adipositas.html

[2] Vgl. Eaternity: https://eaternity.org/foodprint/

[3] «Healthy and sustainable diets»: https://www.barillacfn.com/m/publications/healthy-and-sustainable-diets-oct2018.pdf

[4] Vgl. WWF Schweiz, «Ernährung: Essen verbindet uns alle»; https://www.wwf.ch/de/unsere-ziele/ernaehrung-essen-verbindet-uns-alle

[5] Vgl. Greenpeace: «Klimafreundliche Ernährung: https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/klimafreundliche-ernaehrung

[6] Umweltberatung Luzern über klimafreundliche Ernährung: https://umweltberatung-luzern.ch/themen/ernaehrung/klimafreundliche-ernaehrung

[7] CO2Online über klimafreundliche Ernährung: https://www.co2online.de/klima-schuetzen/nachhaltiger-konsum/klimafreundliche-ernaehrung-5-tipps/

[8] Klimatarier: https://www.klimatarier.com

[9] Heinrich Böll Stiftung: https://www.boell.de/de/2017/11/03/factsheet-die-xxl-klimabilanz-der-fleisch-und-milchgiganten

[10] Studie der Branchenorganisation Pro Viande: https://www.proviande.ch/de/medien/page/2019/fleischkonsum-2018-in-der-schweiz.html

[11] Vgl. «Das Märchen von der guten Avocado»: «Die Zeit», 13.10.2016: https://www.zeit.de/2016/43/avocado-superfood-anbau-oekologie-trend/komplettansicht

[12] Vgl. «WasserverbrauchMandelanbau wird für Kalifornier zum Problem»: Deutschlandfunk Nova, 24.1.2019: https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/wasserverbrauch-mandelanbau-wird-fuer-kalifornier-zum-problem

[13] «Ein Kilo Rindfleisch kostet 15.000 Liter Wasser»: «Die Welt», 28.1.2010: https://www.welt.de/wissenschaft/article6012574/Ein-Kilo-Rindfleisch-kostet-15-000-Liter-Wasser.html

4 Kommentare zu "Klimafreundlich essen – ist das gesund?"

  1. Veggie boomt nun schon seit ein paar Jahren und neu ist noch das Thema Klimawandel so richtig ins Bewusstsein gerückt. Bald weiss der Hinterletzte, dass (zu viel) Fleisch nicht gut für Umwelt, Gesundheit (und natürlich für das Tier) ist. Trotzdem: Der Fleischkonsum in der Schweiz verschiebt sich zwar ganz leicht weg vom Schwein, hin zum Geflügel. Aber in der Menge bleibt er praktisch konstant. Essen die Klimazweifler und Greta-Hasser nun extra noch mehr Fleisch..?

  2. Die trenden Vegi- und Bioesser machen leider (für die Umwelt) trotzdem noch Fehler:
    Sie verzichten nicht auf Erdbeeren, Mangos und all die hippen Dahergekarr-Früchte im Winter. Gesichtet hundertmal auf dem Kassen-Laufband bei Coop, Migros, Höhner oder in Volg. Darauf angesprochen erhalte ich von der „in-Demeter-Tücher-Gehüllten: „Ohne meinen Erdbeer-Shake KANN ich nicht leben.“
    Eine oft gehörte, typische Schlaraffenland-Antwort, gerne aus dem Munde allumfassender Gutseinwillmenschen.
    Ohne meine Douche kann ich nicht leben. Ohne Solarium im Frühjahr kann ich nicht in den Sommer starten. Oder: Ohne im Herbst nochmals im Süden Sonne tanken kann ich den Winter in der Schweiz nicht überstehen (beliebt bei Migranten südlicher Herkunft – und verständlich, da nicht gewöhnt).
    Auch in all den türkischen Kleinläden, welche unser Land zweifelsohne bereichern, will man nichts von saisonalen oder inländischen Produkten wissen. Die Melonen und Datteln (nur „frisch“) aus dem Nahen Osten müssen allzeit bereit sein, sonst ist schnell Konkurs mit dem Laden. Damit müssen wir Leben: Von Multikulti kann bei der Ernährung nicht nur saisongerechte „Öpfel-Nuss-und Biire“ verlangt werden. Wer A sagt muss auch B sagen (will heissen: Exotische Ernährung, viele Flugreisen in die Heimatländer usw. usw.)
    Verlassen wir aber jetzt wieder das heisse (aber wahre) Pflaster der Migrationsproblematik – das gerade in diesem Blog ja nicht besonders gut ankommt und deshalb häufig ausgespaart wird.
    Zum Schluss noch das Killerargument, welches alle Klimatarier umhaut. Doch zuvor: Halten sie eine Katze? In der Schweiz gibt es 1,6 Millionen davon (Quelle: Migros-Magazin). Tendenz (dank ungebremster Zuwanderung) steigend. Bald sind wir bei 2 Millionen Katzen. Und diese fressen ja alle nur AbfallFLEISCH. Wer das noch glaubt, liegt schief. Ganze Schlachthöfe verarbeiten in Deutschland Fleisch für Tiernahrung. Ganze Fänge von Meerfisch ist ausschlisslich für Wiskas ( Katzen) und Frolic (Hunde) Nahrung vorbestimmt .
    Und wer die Katzenfutter-Werbung am TV schaut mit weissen Porzellanteller und edlem Goldrand weiss definitiv, Katzen fresse da sicher kein Abfallfisch oder -Fleisch.
    Wo bleibt das fulminante Schluss – Killerargument:
    Es heisst KAFFEE.
    Nicht wegzudenken bei unseren Leistungsträgern, den Kreativen, im Journalismus, im Lehrerzimmer, an linken Delegiertenversammlungen und Kurse spiritueller Weltenretter:
    Doch was der für Mengen an Wasser braucht um zu gedeihen (ob Bio oder nicht). Allessamt im Süden , wo Wasser eh schon knapp ist oder von der örtlichen Bevölkerung gebraucht würde.
    „Ohne meinen Kaffee am Morgen bin ich kein Mensch“ hört man immer. Beachten Sie bitte das arrogante „meinen“ aus dem Munde Grünen-Möchtegern-Nationalrätin Tamy Glauser….
    Oder auch hier der Klassiker aus der Uni-Mensa: „Ohne Kaffee kann ich nicht leben“.
    Liebe Alle: Bevor Eure Rechtfertigungen kommen: Schüttet nicht so viel vom „Lebensmittel“ Kaffee in Eure Köpfe, und die Welt würde ganz einfach um einiges besser.
    Und langsamer.
    Kann sie das? Darf sie das in dieser Ellbogen-Leistungszeit überhaupt noch?

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