Donald Trump, Christoph Blocher und der Gurkensalat

Publiziert am 5. Februar 2016 von Matthias Zehnder

Die beiden Milliardäre haben eine interessante Gemeinsamkeit: Donald Trump und Christoph Blocher übergiessen die Eliten ihrer Länder mit Spott und Häme. Natürlich bringt ihnen das in erster Linie viel Aufmerksamkeit in einer Medienlandschaft, die immer stärker Klick-gesteuert ist. Vor allem aber fügen sie ihren Ländern langfristig grossen Schaden zu. Nein, nicht weil ein paar führende Persönlichkeiten beleidigt sind, sondern weil Trump und Blocher mit ihrer Kritik genau jene Strukturen unterminieren, die unsere Länder so erfolgreich machen. Ein Erklärungsversuch.

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Die New York Times hat dieser Tage im Internet eine Seite publiziert, auf der sie alle Twitter-Beleidigungen von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump zusammengetragen hat: Donald Trump’s Twitter Insults: The Complete List (So Far) listet (bis jetzt) 861 Beleidigungen auf. Konkurrent Jeb Bush ist ein low energy guy und ein sad sack, Hillary Clinton ist pathetic, und überhaupt totally incompetent. Trump belässt es aber nicht dabei, Konkurrenten schlecht zu machen (das hat in Amerika ja eine gewisse Tradition), er prügelt auch freihändig auf Institutionen, Eliten und die Presse ein. Der Nachrichtenagentur AP wirft er vor, sie betreibe dishonest reporting. CNBC bezeichnet er als crazy und sad, die New York Times ist failing und die Washington Post schlicht bad. So, wie er über die Presse herzieht, beschimpft Trump auch die Institutionen der USA. All Talk, no Action, pflegt Trump über Politiker zu spotten und schiesst aus allen Kanonen auf «die in Washington», die er allesamt als incompetent und failing bezeichnet.

Das klingt für Schweizer Ohren unflätig – inhaltlich sollte es uns aber bekannt vorkommen. Genau so wettern viele Rechtspolitiker in unserem Land über den Bund und seine Institutionen, über Intellektuelle, Richter und die Medien – kurz: über die so genannte Elite. Als Professörlein und Ämtchenträger, als weltfremde Classe Politique pflegt Christoph Blocher sie zu diffamieren und auch er schiesst aus allen Kanonen auf die in Bern. Ein Lieblingsziel sind dabei die linken Mainstream-Medien. Die SRG-Sender werden als Staatsmedien diffamiert, die Medien sind (ausser der  BaZ und der Weltwoche natürlich) alle links.

Warum attackieren die Rechtspolitiker die Eliten? Zunächst: Weil sie damit Schlagzeilen machen. Unsere Medienlandschaft folgt den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie. Aufmerksamkeit holt das Extreme, das Anstoss erregende. Die Aufregung ist umso grösser, je grösser das Gefälle ist zwischen Wortwahl und der Stellung des Beleidigten. Wenn Donald Trump einen Lastwagenfahrer als dummy bezeichnen würde, wäre das bloss unhöflich. Wenn er Vietnam-Veteran und Senator John McCain als dummy bezeichnet, schlägt sich der Stammtisch grölend auf die Schenkel, wie wenn in einem Film ein Anzugträger auf einer Bananenschale ausrutscht. Die Medien machen dieses Spiel mit: Trump hatte bisher mehr TV-Sendezeit als alle übrigen republikanischen Kandidaten zusammen – vom Internet ganz zu schweigen. Bei Blocher und den Professörlein funktioniert das Prinzip genau gleich. Und auch in der Schweiz machen die Medien des Landes brav mit: Blocher ist und bleibt ein Klick-Garant.

Ist das Eliten-Bashing also nur ein einfacher Weg in die Schlagzeilen? Auch, aber nicht nur. Denn das ständige Herumtrampeln auf den Institutionen des Landes (zu denen auch die Medien gehören), hat fatale Folgen. Um das zu erklären, muss ich kurz etwas ausholen. 2012 haben die beiden Ökonomen Daron Acemoğlu und James A. Robinson ein interessantes Buch publiziert. Why Nations Fail, auf Deutsch: Warum Nationen scheitern. Ihre These: Bisher erklärte man den wirtschaftlichen oder politischen Erfolg von Staaten mit Faktoren wie geographische Lage, Klima oder Kultur. Doch diese Erklärungen sind unzureichend. Acemoğlu und Robinson beweisen das mit einer Reihe von Beispielen, etwa Nogales in den USA und Nogales in Mexiko. Trotz fast identischer Voraussetzungen haben sich diese Orte extrem unterschiedlich entwickelt.

Die These von Acemoğlu und Robinson: Der Erfolg von Nationen lässt sich nur mit funktionierenden, demokratischen Institutionen erklären. Der entscheidende Faktor ist dabei, dass diese Institutionen inklusiv sind, dass sie also potenziell alle Bürger einbeziehen. Nur ein demokratischer und pluralistischer Rechtsstaat ist dazu in der Lage. Im Gegensatz dazu führen extraktive, also ausschliessende und auslaugende Systeme dazu, dass die Bevölkerung mit der Zeit vom Wohlstand ausgeschlossen wird und sich deshalb auch nicht mehr an Innovation und Wertschöpfung beteiligt.

Nun ist die Schweiz sicher ein inklusives System – noch. Aber eines mit Macken. 1989 besassen die 300 reichsten Menschen der Schweiz 82 Milliarden Franken. Ende 2014 besassen sie bereits 589 Milliarden Franken. Innert 25 Jahren hat sich das Vermögen der Reichsten also mehr als versiebenfacht. Und wie sieht das Vermögen der normalen Menschen aus? Eben. In den USA sieht es ähnlich aus. In diesem Umfeld schiessen nun zwei Milliardäre scharf gegen die Institutionen, die eine pluralistische Demokratie ausmachen: Richter und Politiker, Staatsbeamte, Intellektuelle und unabhängige Medien. Nur etwas ist ihnen heilig: wirtschaftlicher (das heisst: finanzieller) Erfolg. Und Professörlein oder Politicians können weder mit Umsatz noch mit Gewinnzahlen aufwarten. Künstler und Intellektuelle schon gar nicht. Man kann sie ungestraft lächerlich machen – und ist sich des schenkelklopfenden Applauses vom Volk am Stammtisch sicher. Doch es ist ein riesiger Unterschied, ob ein aufmüpfiger Jugendlicher, oder ein Milliardär aus dem Staat und seinen Institutionen Gurkensalat machen will. Was beim Jugendlichen ohnmächtige Parole bleibt, wird beim Milliardär mit der Zeit verheerende Wirkung entfalten.

Verstehen Sie mich recht: Ein Professorentitel soll nicht vor Kritik schützen, über den Entscheid eines Richters darf man diskutieren, Künstler müssen sich auch selbst hinterfragen und die Medien sowieso. Aber es ist ein riesiger Unterschied, ob wir eine Debatte führen oder Intellektuelle und Beamte per se (also: weil sie das sind, was sie sind) diffamiert werden. Denn unsere Milliardäre erzeugen damit Pole: Hier die ehrlichen Schaffer (also die Büetzer und die Milliardäre), dort die faulen Staatsbeamten und die nutzlosen Intellektuellen. Hier die gute Privatwirtschaft, dort der böse aufgeblasene Staat. Das Resultat wird über kurz oder lang Gurkensalat sein. Und wer profitiert davon?

Kurzfristig wohl unsere Milliardäre. Acemoğlu und Robinson argumentieren aber, dass die reine Gier sich langfristig selbst auffrisst. Erfolgreich sind Staaten dann, wenn es ein Gleichgewicht gibt zwischen Staat und Wirtschaft und wenn sich die Bürger, geschützt durch eine unabhängige Justiz, überall einbringen können. Wirtschaft und Staat sind dabei gegenseitig voneinander abhängig. Ohne hohe Rechtssicherheit und klare Regulative kann sich die Wirtschaft nicht entwickeln – und ohne prosperierende Wirtschaft überlebt kein Staat.

Was tun? Was können wir kleinen Nummern schon dagegen machen, wenn Milliardäre den Staat in Gurkensalat verwandeln wollen? Drei Anregungen:

  • Suchen Sie andere Massstäbe für die Welt als Geld. Schönheit zu Beispiel. Was wirklich schön ist, muss auch gut sein, sagt zumindest Schiller.
  • Ignorieren Sie die nächsten Beleidigungen. Sie wirken nur, wenn man sie wahrnimmt. Nein, nicht klicken. Ignorieren.
  • Lesen Sie das Buch von Acemoğlu und Robinson. Sie werden danach die Kolonialisierung mit anderen Augen betrachten und nur noch Fairtrade-Produkte kaufen.

Ach ja, ein letztes: C’est le Ton qui fait la Musique, sagt man. Das gilt wohl auch für die politique. Da hat der ton einen alten, etwas langweiligen Namen: Anstand.

12 Kommentare zu "Donald Trump, Christoph Blocher und der Gurkensalat"

  1. Dieser Kommentar trifft wieder ins Schwarze! Man könnte höchstens ergänzend Euripides (480 – 406 v. Chr.) zitieren:
    „Drei Klassen sind im Staat: Die Reichen erst,
    die taugen nichts und wollen immer mehr.
    Sodann die Armen, welche Mangel leiden;
    die sind gefährlich, wenn der Neid sie drängt.
    Allein der Stand der zwischen beiden wohnt,
    erhält den Staat und wahrt gesetzte Ordnung.“
    Die Lehre daraus:
    – Die Bäume der Reichen dürfen nicht in den Himmel wachsen.
    – Die Armen müssen eine reelle Chance haben, mit Fleiss und Einsatz in den Mittelstand aufzusteigen.
    – Die Bürger einer partizipativen Demokratie verstehen sich als Wahrer von Gesetz und Recht und nicht als Gegengift zur abgehobenen Classe politique und zur elitären Richterkaste.

  2. Ja Matthias Zehnder trifft es wieder. Wo wären denn diese Reichen wenn die Armen nicht fleissig gearbeitet hätten? Wo wären sie wenn keine Professörlein mit den Studenten geforscht hätten und ihnen die Grundlagen für Produkte geliefert hätten und schliesslich wo wäre die Schweiz ohne die Institutionen die für das Recht und die Ordnung arbeiten, dass auch ein Blocher seinen Abfall entsorgt bekommt, seine Gesundheit von Arzt unterstützt wird und der Richter ihm zu seinem Recht verhilft?
    Wenn er all das nicht mehr braucht, dann soll er auswandern und einen besseren Ort suchen, man wird ihm sicher überall dankbar sein.

  3. Kein Einwand. Präzis. Plausibel. Richtige Flughöhe und damit auch unmissverständlich.
    Kleine Ergänzung(sfrage): Warum macht der zitierte Stammtisch beim Aufmerksamkeitswettbewerb und Schenkelkopfen mit? Zum einen kann man am Stammtisch ode rim Blog ungeniert laut sein. Auf die Voten braucht es keinen Ein-/Widerspruch, die Kaskade der Paraphrase nach dem Muster nochmals und noch lauter und nochmals und noch lauter macht jeden im Rund unentgeltlich zum emanzipierten Mitbürger. Kommt folgendes dazu: in der Öffentlichkeit kursieren unterdessen permanent und überall allerart Gewinnspiele mit horrenden Gewinnsummen. Theoretisch kann jeder mit minimalen Einsatz einen lucky shot mit maximaler Rendite erzielen. Wer am Stmmtich sitzt „rechnet“ immer mit so was, anders sind die wöchentlichen horrenden Wett- und Spieleinsätze nicht zu erklären. Wer so gewinnt, gehört – wenn auch am Rande – in no time zu jenen Kreisen, die ihn locken und zu denen er aufschaut, weil sie schon dort sind, wo er hin möchte. Ohne Aufwand und ohne Argumente. Die Swisslos-Werbung z.B. offeriert nicht nur die Millionen, sondern zählt auch schon mal die Millionäre. Wer ein Los in der Tasche hat, gehört schon dazu.

  4. Wunderschöner Bericht, leider nur zu wahr. Als Auslandschweizer sehe ich mehr und mehr Schweizer „fehlgeleitet“ durch Leute wie C.B. Auch die 3 Antworten würde ich alle wortwörtlich unterzeichnen. Ganz ehrliche und tolle Berichte. Wann endlich kommt wieder Vernunft in die etwas „überhebliche“ Schweiz. Schimpfen über die USA wenn Schweizerbanken für markantes Fehlverhalten (Betrügen) bestraft werden, ist an der Tagesordnung. Bitte kleine Schweiz, wieder zurück auf den Boden kommen und das tun, was euch zusteht. Danke für den tollen Bericht.

  5. Lieber Matthias, ein ausgezeichnete Analyse. Hinzufügen möchte ich noch folgenden Gedanken: Die Blocher-Partei ist schon länger dabei, mit ihrem Missbrauch des Initiativrechts die Demokratie abzuschaffen. Dagegen gäbe es ein Mittel: Ein Verfassungsgericht und die zwingende Zweidrittelmehrheit bei Verfassungsänderungen. Warum wird darüber nie diskutiert? Fürchten sich die anderen Parteien davor? Aus Eigeninteresse? Weil dann ihre eigenen Initiativen möglicherweise die beiden Hürden nicht schaffen könnten? LG Chrige

  6. Ein ausgezeichneter Wochenkommentar, präzise auf den Punkt gebracht. Woran liegt es, dass diesem demagogischen Verhalten zu wenig entgegengesetzt wird? Wo ist die Presse, die Stimmen wie jener von Matthias Zehnder einen Platz einräumen. Das Bedürfnis nach sachlicher Orientierung und Erklärung ist gross. Weshalb wird dem Milliardär so viel Platz überlassen? Sind es die gratis Zeitungen die den Inserenten eine breite Leserschaft garantieren oder ist es die Hoffnung der Verleger auf Zuwachs an Abonnenten. Es ist beides und vor allem das liebe Geld das den Entscheid beeinflusst. Das sind Unternehmen, die unsere politische Kultur missachten. Die Klientel, die dem Milliardär zujubelt und davon profitiert, dass ihre Vertreter im Parlament ihre Ansprüche immer wieder durchbringen und dort auf wenig Widerstand stossen, ist erschreckend gewachsen! Zum Glück regt sich nun öffentlicher Widerstand gegen Unwahre Äusserungen und gegen die Diffamierung grosser Bevölkerungsschichten in unserem Land.

  7. Als Protestpartei agiert, kommuniziert und provoziert die Sennenhund- und Volkstanz-Partei (SVP) schwachsinnig bis rücksichtslos superschlau. Die SVP und Konsorten sind deshalb so ärgerlich unerträglich, weil sie nicht nur die Diktatur ihrer herrschenden Mehrheit propagieren, sondern uns ihre Abschaffung der Demokratie als urschweizerisch verkaufen wollen. Für die Probleme, die sich der Menschheit beispielsweise mit den Flüchtlingskrisen, den Klimaveränderungen und den Wirtschaftseinbrüchen stellen, hat die SVP keine wirklich zukunftsfähigen Lösungen. Die SVP palavert viel, ohne wirklich etwas zu tun. Verantwortung für gangbare Lösungen zu übernehmen, liegt ihr nicht. – Übrigens: Das Buch „Warum Nationen scheitern“ habe ich bestellt. Danke für den Tipp!

  8. Freue mich über positive Kommentare und freue mich an jeder Kritik an der SVP. Diese Partei ist so unerträglich und hat so viel negativen Einfluss auf die Schweiz (andere ähnliche Parteien in anderen Ländern tun das selbe), dass ich verzweifeln könnte. Aber dank Menschen wie Matthias Zehnder (und vielen anderen Engagierten werden auch wir die Zukunft schaffen.
    Danke Allen die sich gegen die Durchsetzungsinitiative einsetzen .
    Carole Altindal-Marti
    Meine Abstimmungsunterlagen sind bereits bei der Gemeinde

  9. Noch ist Polen nicht verloren, sagen die polnischen Bürger und Bürgerinnen und glauben an ein Scheitern der Nationalisten, die ihre Macht missbrauchen. Auch in der Schweiz geht der blindwütige Nationalismus um und möchte aus 50,3%-Mehrheiten einen Machtanspruch ableiten, den es bisher in der konsensorientierten Schweizerpolitik nicht gegeben hat. Die Analyse von Matthias Zehnder zeigt mit wünschenswerter Deutlichkeit, über welche Mittel heutzutage Milliardäre und ihre Mitläufer verfügen. Bei den alten Römern sorgten Brot und Spiele für die Unterhaltung der Volksmasse, heute werden Medien und Schlagzeilen für die Entmündigung des Stimmvolkes eingesetzt. Aber wir alle sind das Volk …

  10. Ich schäme mich, Teil eines Schweizer Volkes zu sein, dessen Luxus sich auf der Ausbeutung von Menschen begründet, die dort wo sie geboren sind, keine Lebensperspektiven haben. Ich erlebe in der Schweiz mit der Sennenhund- und Volkstanz-Partei (SVP) und ihrem liberalen Gefolge eine herrschende Mehrheit, die nicht bereit ist, die Verantwortung für die Beteiligung an einer Weltpolitik zu übernehmen, die bestmöglich und konsequent für alle Menschen, dort wo sie leben, für sie zumutbare Verhältnisse schafft: Nur so lassen sich die Flüchtlingsströme wirkungsvoll eindämmen!

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