Gedruckte Medien: Geld oder Leben?

Publiziert am 1. März 2024 von Matthias Zehnder

Es war ein Erdbeben für die Schweiz. Registriert wurde es nicht auf der Richterskala, aber in den Medien: Am vergangenen Wochenende wurde klar, dass die grossen Schweizer Medienhäuser dem Zeitungs- und Zeitschriftendruck den Stecker ziehen. Swissprinters, die Zeitschriftendruckerei von Ringier und NZZ, macht im Herbst 2024 dicht, Tamedia will ihre Zeitungsdruckereien in Zürich, Bern und Lausanne bald verkaufen. Überraschend ist, wie schnell und mit welcher Nonchalance das geschieht. Ohne rot zu werden, trennen sich die Manager von der Identität und der Geschichte ihrer Unternehmen. Logisch, sagen Sie jetzt vielleicht, wenn es sich nicht mehr lohnt… Die Frage sei erlaubt: Ist das, was gut ist für die Kassen dieser Unternehmen, auch im Interesse unseres Landes? Wie kann die Politik und Zukunft dafür sorgen, dass wir jene Medien bekommen, die wir brauchen? Was können Sie, was können wir alle dafür tun? Und schliesslich: Sind Sie sicher, dass wirklich gut ist für die Firmen, was nur gut ist für ihre Kassen?

Drucken ist ein schwieriges Geschäft geworden. Die Risiken sind kaum absehbar und die Rendite ist gering. Ganz anders das Geschäft mit Immobilien: Wer Land vermarktet, kann sich zurücklehnen und auf Jahre hinaus eine sichere Rendite kassieren – oder kurzfristig gross Kasse machen. Die Manager der Druckereien haben also die Wahl zwischen einer risikobehafteten niedrigen Rendite und einer sicheren hohen Rendite. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es verständlich, dass sich die Manager für die sichere und hohe Rendite und damit für das Immobiliengeschäft entscheiden. Es ist aber nur nachvollziehbar, weil sie Manager sind, weil sie ihre Unternehmen nur über nüchterne Kennzahlen führen. Aspekte wie Sinn und Identität haben keinen Platz auf einem Excel-Sheet. Manager glauben, das sei richtig so. Ich glaube, sie irren sich gewaltig.

Mich erinnert es an die Geschäfte und Betriebe in unseren Innenstädten. Ich kenne vor allem die Situation in Basel, in anderen Städten sieht es aber ähnlich aus. Immer wieder gibt ein Traditionsgeschäft für Mode, Schuhe, Schmuck oder Geschirr, eine Bäckerei, ein Restaurant oder ein Juwelier auf. An ihrer Stelle ziehen grosse, internationale Marken in die Liegenschaften ein: von Apple und Samsung über Zara und Mango, Body Shop und Swarovski bis H&M und Adidas. Das Klagelied klingt immer ähnlich: Der kleine Traditionsbetrieb konnte sich die Miete an der guten Innenstadtlage nicht mehr leisten und musste einer grossen Marke weichen. Was verschwiegen wird: Oft sind die Eigentümer der Immobilien die Erben der Gründer dieser kleinen Läden. Die erste Generation hat das Schuhgeschäft, die Bäckerei oder den Juwelierladen gegründet, die zweite Generation hat ihn gross gemacht und die dritte Generation hat gemerkt, dass sie mehr Geld verdienen kann, wenn sie das Haus vermietet, als wenn sie jeden Tag im Laden steht.

Die Sicht des Bäckers – und die der Stadt

Vielleicht sagen Sie jetzt: Stimmt. Aus Sicht der Familien ist das ja auch verständlich. Warum soll der Bäcker jeden Tag schuften, wenn er mehr Geld verdienen kann, indem er sein Haus vermietet? Es gibt darauf zwei Antworten. Eine aus der Sicht des Bäckers und eine aus der Sicht der Stadt.

Aus der Sicht des Bäckers geht das finanziell auf. Aber eben nur finanziell. Der Bäcker wirft dafür seine Identität über Bord. Er gibt sich also selbst auf. «Geld oder Leben», sagt der Räuber beim Banküberfall. Ein Bäcker, der sein Handwerk und damit sein Leben als Bäcker aufgibt und sich für das Geld auf dem Immobilienmarkt entscheidet, steht vor genau dieser Wahl – und entscheidet sich für das Geld statt für das Leben als Bäcker. Aus der Sicht des Bäckers ist es trotzdem verständlich. Er muss nicht mehr um vier Uhr in der Backstube stehen, hat kein Problem mehr mit dem Mehlstaub und geht erst noch weniger Risiken ein.

Aus Sicht der Stadt sieht die Sache anders aus. Weil sich nicht nur die Bäcker, sondern auch die Juweliere, die Kleiderhändler und die Wirte für das Geld statt für das Leben als Juwelier, Kleiderhändler oder Wirt entscheiden, veröden die Innenstädte. Die Shoppingmeilen in Basel, Bern und Zürich, in München und Mailand, in Porto und Paris sehen heute alle gleich aus. Tagsüber Shopping in den Flagship-Stores, abends und nachts gähnende Leere. Das heisst: Auch wenn die Bäcker, die Juweliere und die Kleiderhändler aus ihrer Sicht wirtschaftlich sinnvoll handeln, kann das der Wirtschaft in der Stadt insgesamt dennoch schaden. Abstrakter formuliert: Das Interesse der Gemeinschaft ist oft ein anderes als das, was aus der Summe der Einzelinteressen resultiert.

Unter der Woche digital, am Wochenende gedruckt

Das gilt insbesondere für die Medien. Wir haben als Gesellschaft ein grosses Interesse an einer lebendigen und vielfältigen Medienlandschaft. Dabei geht es nicht nur um jene politischen Informationen und Debatten, ohne die eine Demokratie nicht funktionieren kann. Es geht auch um Informationen über Wirtschaft und Kultur, um Diskursräume und den informationellen Kitt für die Gesellschaft – und, nicht erschrecken: um Werbung. Ja: Auch Werbung ist wichtig.

Jede Woche befrage ich Medienschaffende zu ihrer eigenen Mediennutzung. Die meisten sagen heute, dass sie unter der Woche Medien vor allem digital nutzen, am Wochenende aber gerne zu Papier greifen. Genau das gilt als Zukunftsmodell für Zeitungen: hybride Modelle, die Onlineangebote, Apps und E-Paper mit einem wöchentlichen Angebot in gedruckter Form kombinieren. «Die Zeit» und der «Spiegel» machen das bereits sehr erfolgreich. Die Printmedien sorgen dafür, dass die Medien für die Menschen einmal in der Woche ganz real auf dem Küchentisch landen. So gehen die Medienmarken nicht in der Contentflut des Internets unter.

Drucker verhalten sich wie Bäcker

Auf die Frage, wie lange es noch gedruckte Tageszeitungen geben wird, bekomme ich zwei häufige Antworten: «Solange es sich noch lohnt, Zeitungen zu drucken» sagen die einen. Die anderen sagen: «Noch mindestens zehn Jahre». Bis jetzt ist man in der Branche davon ausgegangen, dass beide Antworten richtig sind: Zeitungen wird es so lange geben, wie sich noch lohnt, Zeitungen zu drucken, und das wird noch mindestens zehn Jahre der Fall sein.

Jetzt stellt sich heraus: Beide Antworten sind falsch. Die Frage ist nicht, wie lange sich der Zeitungsdruck noch lohnt. Die Frage ist vielmehr, ob sich mit anderen Geschäften mehr Geld verdienen lässt. Genau das scheint bei Swissprinters und Tamedia der Fall zu sein: Sie können mit dem Land der Druckereien im Immobiliengeschäft viel mehr Profit machen als mit dem Druck von Zeitschriften oder Zeitungen. Sie verhalten sich damit wie der Bäcker und der Juwelier in der Innenstadt. Sie geben ihre Identität auf, weil ihnen ein anderes Geschäft lukrativer erscheint.

Das Problem der Deindustrialisierung

Wie beim Bäcker und beim Juwelier ist dies der Sicht von Swissprinters und Tamedia nachvollziehbar. Zumindest dann, wenn sich die Unternehmensführung auf das Bewirtschaften einer Excel-Tabelle beschränkt. Aus Sicht des Landes ist es aber ein Problem. Der Ausstieg aus dem Druckgeschäft ist Teil einer fortschreitenden Deindustrialisierung. Mit zwei gravierenden Folgen: Zum einen fehlen dem Land immer mehr Arbeitsplätze im «Blue Collar»-Bereich, also für Menschen, die im Blaumann an der Maschine stehen und mit ihren Händen arbeiten. Zum anderen muss das Land immer mehr Güter aus immer weiter entfernten Ländern importieren. Im Extremfall führt dies dazu, dass nur noch eine einzige Fabrik in Indien in der Lage ist, bestimmte Medikamente herzustellen. Bei den Druckereischliessungen geht es vor allem um den zweiten Punkt: Die Schweiz verliert mit ihren Druckereien die Fähigkeit, ihre eigenen Printmedien herzustellen.

Jetzt wenden Sie vielleicht ein, dass das keine Rolle spiele, weil ohnehin immer weniger Menschen Printmedien konsumieren. Es geht nur alles ein bisschen schneller. Das ist richtig, aber ich habe zwei Einwände. Erstens sind Medien keine austauschbaren Güter. Wir können unsere Medien nicht wie T-Shirts oder Medikamente einfach aus anderen Ländern importieren. Das Land braucht eine Versorgung mit Medien, nicht nur national, sondern auch in den Kapillaren von Demokratie, Wirtschaft  und Kultur. Diese informationelle Landesversorgung ist gefährdet, wenn die Druckereien so viel schneller schliessen, als gedacht.

Das Problem der Finanzierung digitaler Medien

Denn, das ist der zweite Einwand: Printmedien lassen sich nicht so einfach durch digitale Medien ersetzen, weil es in der Schweiz kaum funktionierende Geschäftsmodelle für digitale Medien gibt. In der Schweiz machen die grossen, amerikanischen Plattformen, also vor allem Google und Meta, fast drei Viertel des gesamten Umsatzes mit Onlinewerbung. Den Schweizer Medien bleiben nur Brosamen, die nicht ausreichen, um die Kreation der Inhalte zu finanzieren. Zwar sind immer mehr Menschen bereit, für gute Inhalte zu bezahlen, aber in einem kleinen und auch noch kleinräumigen Land wie der Schweiz hilft das nicht viel. Das Publikum ist schlicht zu klein. Digitale Medien funktionieren über Skaleneffekte. In der Schweiz lassen sich Medienangebote aber nicht so stark skalieren, wie das für ihre Finanzierung nötig wäre.

Es gibt eine andere Branche, die ganz ähnlich funktioniert: Auch die Landwirtschaft kann in der kleinräumigen Schweiz nicht jene Skaleneffekte erzielen, die nötig wären, um Lebensmittel preisgünstig zu produzieren. Weil die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln aber für das Land wichtig ist, lässt sich die Schweiz ihre Landwirtschaft jedes Jahr 3,6 Milliarden Franken kosten. Davon zahlt der Bund 2,8 Milliarden Franken in Form von Direktzahlungen an die Bäuerinnen und Bauern aus. Für die Landwirte machen diese Zahlungen im Durchschnitt 22 Prozent ihres Einkommens aus.

Wir fördernZustelltechnologien statt Medien

Weil für das Land auch die mediale Versorgung wichtig ist, fördert die Schweiz auch die Medien. Mit Gebührengeldern wird der Service-public von Radio und Fernsehen finanziert. Zudem fliesst Geld in Form einer indirekten Presseförderung an die Post: Die Verlage profitieren von günstigeren Zustellgebühren. Sie sehen das Problem schon an dieser Aufzählung: Die Schweiz fördert nicht Medieninhalte, sondern Zustelltechnologien – und veraltete noch dazu. Radio, Fernsehen und Print  medien. Zwar laboriert die Politik seit Jahren an neuen Vorschlägen. Aber die Damen und Herren Politiker haben sich bis jetzt gegen neue Fördervorschläge gewehrt, weil die alten Medien ja noch immer gut funktionieren.

Damit ist es jetzt vorbei. Wahrscheinlich stellen die grossen Druckereien in der Schweiz ihren Betrieb ein, bevor das Land Wege gefunden hat, seine Medien unabhängig von den Verbreitungswegen zu fördern. Damit droht der Schweiz eine mediale Verödung, vergleichbar mit der Verödung der Innenstädte. Auch die Medienwelt wird dann von internationalen Marken geprägt sein, die überall gleich aussehen. Sie werden die überlebenswichtige informationelle Versorgung des Landes bis in die Kapillaren von Politik, Wirtschaft und Kultur nicht leisten können.

Warum ist es so weit gekommen?

  1. Weil Manager ihre Unternehmen nur über Zahlen führen. In einer Excel-Tabelle spielt es keine Rolle, wie ein Gewinn zustande kommt. Die Zahlen riechen nicht nach Druckerschwärze und haben kein Gefühl für ein Handwerk. Solche Unternehmen beantworten die Frage «Geld oder Leben» immer mit Geld.
  2. Weil das Wohl des Landes nicht dadurch erreicht wird, dass jeder einzelne für sein eigenes Wohl sorgt. Die Welt, in der wir leben, ist nicht einfach das Produkt der berühmten «unsichtbaren Hand» des Marktes. Wir müssen uns als Gesellschaft immer wieder fragen, in welcher Welt wir leben wollen. Deshalb gibt es eine Strassenverkehrsordnung, Steuergelder für Bildung und Forschung und Landwirtschaftssubventionen.
  3. Weil die Politik die Geschwindigkeit des Wandels massiv unterschätzt. Druckereien verschwinden nicht erst, wenn sich das Druckgeschäft nicht mehr lohnt. Der Kipppunkt kommt vorher: Sie verschwinden schon dann, wenn sich etwas anderes mehr lohnt. Und wenn die Menschen (also: die Manager) nicht mehr ans Drucken glauben.

Was tun? Frei nach Erich Kästner könnte man sagen: An einer Entwicklung sind nicht nur die schuld, die sie vorantreiben, sondern auch jene, die sie nicht verhindern – oder nicht zumindest versuchen, sie mitzugestalten. Wir alle müssen Verantwortung für unsere Medien übernehmen. Die Nutzerinnen und Nutzer, indem sie für die Medien bezahlen. Unternehmen, indem sie Medien mit Werbung unterstützen. Das nützt nicht nur den Medien, sondern auch den Unternehmen. Manager, indem sie ihre Unternehmen nicht nur mit Excel-Tabellen führen.

Wenn wir die Frage «Geld oder Leben?» immer mit Geld beantworten, bleibt uns bald kein Leben mehr. Ohne Geld geht es nicht. Aber auch wenn das Leben im Excel nicht auftaucht: Ohne Leben geht es auch nicht.

Basel, 1. März 2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Bild: KEYSTONE/Christian Beutler
Eine Druckerin befestigt eine Druckplatte in der Rotationsdruckmaschine von CH Media in St. Gallen.

Lüthi, Nick (2024): Druckerei in Zofingen soll geschlossen werden. In: Persoenlich.com. [https://www.persoenlich.com/medien/druckerei-in-zofingen-soll-geschlossen-werden; 1.3.2024].

Meier, Jürg (2024): Ende einer Ära: Die TX Group plant Schliessung ihrer Tamedia-Druckereien. In: Neue Zürcher Zeitung. [https://www.nzz.ch/wirtschaft/ende-einer-aera-die-tx-group-plant-schliessung-ihrer-tamedia-druckereien-ld.1819334; 1.3.2024].

Persoenlich (2024): Tamedia: Die drei Druckereien stehen zum Verkauf. In: Persoenlich.com. [https://www.persoenlich.com/medien/die-drei-druckereien-stehen-zum-verkauf; 1.3.2024].

SRF Regionaljournal (2024): Druckerei in Zofingen geht zu: 140 Mitarbeitende betroffen. In: SRF. [https://www.srf.ch/news/wirtschaft/swissprinters-schliesst-druckerei-in-zofingen-geht-zu-140-mitarbeitende-betroffen; 1.3.2024].

Verband Schweizer Medien (2023): Werbestatistik schätzt erstmals Umsätze der Techplattformen: 74% des Onlinewerbemarktes wandert zu Google & Co. In: VSM. [https://www.schweizermedien.ch/artikel/medienmitteilung/2023/2023-05-24-werbestatistik-schatzt-erstmals-umsatze-der-techplattformen-74-des-onlinewerbemarktes-w; 1.3.2024].

5 Kommentare zu "Gedruckte Medien: Geld oder Leben?"

  1. Immer noch mehr gehe ich davon aus, dass die auf Geld und/oder Herrschaft basierenden Systeme der autoritär-bürokratisch-hierarchisch-totalitär und industriell-mechanistisch-militärisch-technokratisch begründeten «Zuvielisation» zusammenbrechen werden: Das ist aus meiner Sicht an sich eine gute Nachricht. Aber Sorge bereitet mir, dass davon eine grosse Mehrheit nichts wissen, und im Prinzip wie gehabt immer noch weiter in Sackgassen fahren will, obwohl eigentlich jede und jeder sehen kann, dass die alte Welt brennt: laut und lichterloh – oder leise und schwelend. – Auch wenn es weiterhin versucht werden wird: Der Wandel, den es tiefgreifend sowie alle und alles umfassend braucht, ist nicht mit immer noch mehr vom Gleichen zu schaffen. Die Herausforderungen, die mit dem Kollabieren und/oder mit Zerstörungen verbunden sind, bedingen einen Blick aufs Ganze. Es ist notwendig, alle kreativen Potenziale uneingeschränkt zu nutzen, um das Handeln radikal zu verändern. – Es gilt, die Erde und alles was auf und von ihr lebt, aus ihrem Zustand der Erschöpfung wieder zu beleben. Die dafür fundamental notwendigen Veränderungen bedingen einen Mut und eine Opferbereitschaft, die nur aus und in Liebe möglich ist. Die Liebe speist sich aus einer Quelle der Wahrheit, die alle Lebewesen verbindet: dass es die gemeinsame Aufgabe aller ist, zum Wachsen und zum Gedeihen des Lebens beizutragen. Ohne diesen Lebenssinn werden die Seelen krank. Diese innere Krankheit spiegelt die äußere Krankheit der Welt. Und dieses kranke Weltklima ist das Spiegelbild des sozialen, politischen, wirtschaftlichen, psychischen und physischen Klimas, das sämtliche Lebensbereiche vergiften kann.

    1. Zieht man M. Zehnders Artikel, U. Kelles und meinen Kommentar zusammen, ergibt sich eine (traurige) Auslege“ordnung“ unserer Welten“ordnung“, soviel vorneweg.
      Denn ich stimme mit beiden überein. Eine naive Hoffnung, dass mein Zeitungsrascheln in Zukunft nicht verschwindet, keimt bei mir auf: Gibt es in der CH kaum/keine Leistungsfähigen ZEITUNGS-Druckereien – also solche mit grossen, hohen Hallen, in denen grosse Rollenoffset-Druckmaschinen stehen, Einsteckvorrichtungen, grosse Versand und Logistikhallen haben (wir reden hier nicht über die hoffentlich weiterbestehenden Dorf-Akzidenz-Druckereien/Digitaldruckereien) – mehr, lassen halt die Verleger meine Zeitung im grenznahen Ausland drucken, der Weg ist nicht weit…?!?…
      Wobei, wo kein Wille mehr ist, ist auch kein Weg. Wenn die Young-CEO’s sich nicht mehr für Papier begeistern (selbst nur noch mit Tablet und Muttermilch aufgewachsen, wie sollen sie denn auch?) und die Zahlen, welche nicht lügen, auch nur in eine Richtung zeigen, sehe ich Druckerschwärzeschwarz….
      Wir werden uns daran gewöhnen. Weil wir gesteuert werden. Ganz Basel liebte den Gratisanzeiger „Baslerstab“. Er warf durch Wegfall von Wohnungsinseraten und Stelleninseraten immer wie weniger Gewinn ab. Aber er warf noch Gewinn ab. Doch zu wenig. In meinem Umfeld ging ein Raunen durch die Menge ohne „Baslerstab“ weiterzuleben. Heute weiss niemand mehr, was das ist.
      Dasselbe bei der Post-Tochter „Postauto“. Natürlich wollen viele Wandergesellen, Reisende, Gäste noch mit Bargeld zahlen, der Chauffeur, er muss es wissen, versicherte mir dies. Doch die „Postauto“ CEO’s schwurbeln: Die Nachfrage sei Unbedeutend. Und wollen nur noch Karten/Onlinebezahlung in den Wagen. Weil es einträglicher ist, kein Münz, kein Retourgeld, kein Wechseln, kein Bar-Handling mehr. In ein paar Jahren heisst es, und dies wird dann jedes Kind wissen: Ah Postauto, nur mit Karte – logisch…. Wir werden gesteuert in unserem „Lebens(soll)verhalten“. Sachter wie in China, aber konstant.
      Beim Self-Check-Out in der Migros: Nur noch mit Karten. Ja aber mein Münz ?!? – die Verkäuferin kennt das Dauerschleifenlied der Kundschaft und begreift es, die „SupermarktAG“ hört zuverlässig weg. Kartencash direkt online aufs Big-M-Konto, ohne Trichter, Geldnachfüllen, Schleppen, Scheppern, Klimpern….
      Die Mehrfahrtenkarten-Entwertungsapparate (orange „Kästli“ an Bahnhöfen) werden bei den SBB ab Ende 2024 abgebaut. „Schrittweise“. Kinder mit Mehrfahrtenkarten, welche diese abknipsen lassen wollen, sind bald gezwungen, ein internetfähiges Handygerät (!!!) auf sich zu tragen. Sonst keine SBB-Fahrt mehr.
      Dasselbe für Senioren mit der Gemeindetageskarte – nur noch online verfügbar und entwertbar bald. Oder meine Coop-Tageskarte zu 49 Fr (ein Tag lang Schiff, Postauto, Zug, Seilbahn fahren zum vernünftigen Angestelltenlohn-Preis) – wo soll ich dann die bei Tageskatentag-Sonnenaufgang abknipsen?
      Wohl bald nur noch Online im Online-Shop und Online-Entwertungs-Tool abrufbar. Nur die „cheibe Fahrerei“ der Passagiere geht immer noch nicht online – werden sich die ÖV-CEO’s enervieren.
      Ich sehe schwarz für Print.
      Dazu – die riesigen Hallen stehen oft an zentralen Orten. Und da die Schweiz den höchsten Siedlungsdruck Europas hat, ist „m2“ heute das neue „Gold“.
      2023 sind wiederum 100‘000 Zuzüger in die Schweiz gekommen. Und keiner schreit danach. Gab es in den vorigen Jahren bei 80‘000 Zuwandern (langfristiger jährlicher Durschnitt) noch Schlagzeilen, kräht heute bei +100‘000 Menschen mehr jährlich in unserem dichtestbesiedeltsten Land kein Hahn mehr danach.
      Doch über die Folgen und Folgesfolgen jammern alle.
      Extrembeispiel Limmattal. Dort spriessen die Hochhäuser, die „Wohntürme“, die „Seelensilos“ wie die Pilze im Herbst. Die architektonisch gelungene NZZ-Druckerei (Backstein/Glas/Eisenbau) an der Zürcherstrasse wurde dort schon seit Jahren zugemacht. Dieser moderne Bau an der Bahnlinie war „Vorzeigedruck“ weltweit. Schnee von gestern. Heute sind dort „Halter“, „Eve’s Kitchen“, „Bulderlounge Schlieren“, „Zühlke Energeering“, „JED“, Architekten und Anwaltsbüros, „Kaffetino Handel“ und und und domiziliert. Was bringt wohl mehr, sicherere und regelmässigere Einkünfte den NZZ-Aktionäre, welche von der FDP-Partei bis den (anonymen) Superreichen reichen….
      Ganz extrem ist die Vitis-Tennishalle in Schlieren. Tennishallen brauchen Platz und Raum. Doch die Nachfrage zum ganzjährigen Tennisspielen ist im Raum Zürich enorm. Denn es gibt bald keine mehr. Sie machten alle Platz für Wohnen, Wohnen, Wohnen. Alfred Heer (NR, ZH) war wegen Abriss seines alten 50er Jahre-Wohnblocks (noch gut im Schuss, aber Platz frei für „Wohnturm“/und von der Vernichtung „grauer Energie“ redet niemand) gezwungen, sich im Raum ZH eine neue Bleibe zu suchen. Auch er stellte sich in die kilometerlangen Schlangen von Wohnungssuchenden ein, Bilder welche man aus den CH-Medien kennt; Bilder welche um die Welt gingen, wenn im Raum ZH mal eine (vernünftige) Wohnung ausgeschrieben ist. Chancen wie beim Zahlenlotto sie zu bekommen. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Er berichtete: Er war so ziemlich der Einzige, welcher „Züridütsch“ sprach. Sprachen von Englisch bis aller Welt dominierten.
      Und was passiert mit der bald einzigen, platzfressenden Tennishalle in Zürich-Schlieren trotz Megazulauf und tollen Eintrittszahlen? ABGERISSEN wird sie – Wohntürme für 600 Menschen (!!!) ersetzen sie. So muss es sein. So geht Schweiz. So geht unsere Politik.
      Wenn wir die Frage «Geld oder Leben?» immer mit Geld beantworten, bleibt uns bald kein Leben mehr. Richtig.
      Wenn wir die Frage «Zuwanderung oder noch Leben» immer mit Zuwanderung beantworten, bleibt uns blad kein Leben mehr. Richtig.
      Wohnen, Wohnen, Wohnen kann man – doch Tennisspielen, Rausgehen, VitaParcours, Bewegen, Fussballspielen kann man so nicht mehr.
      Gedruckt Zeitunglesen braucht Platz. Man entfaltet sie. Man entfaltet sich. Man raschelt. Man benötigt ganze Zmorgetische oder Cafehaustische.
      Ne, ne – das war einmal. Mangelware Platz. Allüberall. Enge, mehr-mehr-mehr-bis-zum-geht-nicht-mehr, Dichte, Stress, Mensch an Mensch in Bahn und Bus; Auto an Auto auf Strasse und Autobahn….
      Tennishallen, Zeitungsdruckhallen, Ausbreiten, Platz, gar Rascheln oder Ausschneiden = VORBEI. Auf Tablet oder Handy geht’s besser, zeitgemässer und aalglatter. Lautlos und auf engstem Raum ob Tram oder S-Bahn, ob Schnellrestaurant oder Wohnturmlift in der 12-Millionen-Schweiz
      Und die CHF-Zahlen stimmen obendrauf. Was will der CEO und Politiker mehr?
      Willkommen in der Schweiz der Zukunft. Alles klar – alles geregelt – alles vorsondiert, vorgedenkt und gelenkt.
      Aber ob mit mir oder dann ohne mir – dass will dann so alles gut überlegt sein….

  2. Seit der Nutzbarmachung des Feuers hat vor allem die Technik die Menschheitsgeschichte geprägt: Landwirtschaft, Verkehr, Industrialisierung, Digitalisierung. Der Technik gefolgt sind Wirtschaft, Politik und Sozialverhalten. Wir denken gerne, dass wir als Individuen und Gesellschaften diese Entwicklungen bewusst geprägt haben und es auch weiterhin tun. Das stimmt höchstens teilweise – wir waren immer gleichzeitig treibende Kraft und Getriebene. Treibend und getrieben durch unsere tief verwurzelten Bedürfnisse nach besserem Leben, nach Sicherheit und Gewissheit, nach Freiheit und Macht.

    Unsere Grundbedürfnisse haben sich wenig gewandelt seit dem Apfelbiss im Paradies. Die Technik aber sehr. Mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz stehen wir mitten in einer rasanten Entwicklung, wie sie die Menschheit noch nie gesehen hat. Wir sehen bestehende Arbeitswelten sich auflösen, Sackgassen wie Klimawandel vor uns, Demokratien im Wanken, künstliche Intelligenz uns überholen. Mehr denn je sind wir gefordert, unsere Zukunft bewusst zu gestalten, statt von ihr fortgeschwemmt zu werden.

    Jede Art Revolution bringt Chaos. Chaos eröffnet grosse Chancen, und auch das Potential für Zerfall und Missbrauch. Genau hier ist eine gesunde Medienlandschaft mit sachlicher Information entscheidend. Sie erlaubt rationalen Diskurs und Lösungssuche. Unwissenheit, Furcht und naive Hoffnung sind bekanntlich schlechte Ratgeber.

    Lassen wir der Entwicklung den Lauf, werden gedruckte Medien weitgehend von den Digitalen abgelöst. Auch ohne Papier ist qualitativ hochstehende und lokal orientierte Information möglich. In der Praxis erfordert dies, wie Markus Zehnder treffend argumentiert, Finanzierungsmodelle, die nicht allein von wirtschaftlichen Erwägungen diktiert sind. Ebenso braucht es Medienkonsumenten, die das Wertvolle aus der Flut des Junks herausfischen können und wollen. Wenn wir weiterhin in einer demokratischen Gesellschaft leben wollen, braucht’s jetzt einen vorausschauenden medialen Aufbruch ähnlich dem der Energiewende. So wie wir es geschafft haben, unsere kleinräumige Landwirtschaft mit finanziellem und ideellem Einsatz zu erhalten, sollten wir dies auch für eine ebenso lebensnotwendige Medienlandschaft tun. Wie bei der Landwirtschaft geht es nicht einfach um die Erhaltung bestehender Strukturen, sondern um eine den neuen Bedingungen bewusst angepasste Funktionalität. Offensichtlich gilt dies nicht nur für die Presse, sondern für alle Lebensbereiche. Es braucht Mut und Weisheit, sich weder an das Vertraute zu klammen, noch es leichtfertig wegzuwerfen.

  3. Zum Zeitungsdruckereisterben noch eine Botschaft direkt vom Abteilungsleiter einer Zeitungsdruckerei: „Die umweltbedingten Vorschriften in der Schweiz machen ein gewinnbringendes Zeitungsdrucken in unserem Land bald zum Nullsummenspiel. Unglaublich, für alles diese Vorschriften…“
    Und ich denke: Eingentlich gut (gemeint), der Schutz der Umwelt. Nur – was nützt das der globalen Welt, wenn unser Print dann in China – umweltfragwürdiger und erst noch günstiger – gedruckt wird. Win-Situation für Raffgier – Mies für Planet Erde….

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