Fussball, Fahnen, Fanatismus – tut uns das wirklich gut?

Publiziert am 21. Juni 2024 von Matthias Zehnder

Wenn ein volles Fussballstadion die deutsche Nationalhymne grölt, wird mir ganz anders. Zwar ist nicht mehr von «Deutschland über alles» die Rede, sondern von «Einigkeit und Recht und Freiheit», aber schon in der zweiten Zeile folgt dann zuverlässig das «deutsche Vaterland». Ich frage mich jedes Mal: Muss das wirklich sein? Die Fahnen und Flaggen, die Hymnen und das ganze Nationalgedöns? Schon unter normalen Umständen ist mir das zu viel. Dieses Jahr ist es besonders heikel: Der Anstoss zu den Europameisterschaften erfolgte nur gerade eine Woche, nachdem bei den Europawahlen in Deutschland, Frankreich und Italien Rechtspopulisten triumphierten. Giesst der Fussball mit den Länderspielen Öl ins Feuer der Nationen? Für die Linke ist der Fall klar: «Warum uns euer Fahnengeschwenke ankotzt!», ist ein Positionspapier der «Linksjugend» überschrieben. Sie lehne «jede Form des Nationalismus klar ab!», schreiben die deutschen Jungpolitiker. Aber ist es wirklich Nationalismus, wenn ein Stadion «Deutschland» brüllt, – oder «Italia», «Türkiye» oder gar «Hopp Schwiiz»? Anders gefragt: Schadet es Europa, wenn seine Länder auf dem Rasen gegeneinander antreten? Mein Wochenkommentar zu Fussball und Nationalismus.

Am 6. April haben die Vereinten Nationen den Internationalen Tag des Sports für Entwicklung und Frieden gefeiert. Der Tag rücke die «positive Rolle des Sports und insbesondere des Fussballs in der Gesellschaft und im Leben der Menschen auf aller Welt in den Blickpunkt», schreibt der Weltfussballverband Fifa dazu. Das unbescheidene Motto der Fifa lautet denn auch: «Football unites the World» – der Fussball vereint die Welt. Die kitschigen Bilder dazu kennen wir mittlerweile: Von Grönland bis Gabun kicken Kids freudig Bälle in die Tore und die Zuschauer lachen dazu.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Während des Eröffnungsspiels zwischen Deutschland und Schottland zeigten Fans den Hitlergruss und riefen rassistische Parolen. Als Deutschland gegen Ungarn spielte, hoben ungarische Fans die rechte Hand zum Hitlergruss und beim Spiel gegen die Schweiz zeigten sie ein «Anti-Antifa»-Transparent. Türkische Fans zeigten den Wolfsgruss, das Erkennungszeichen der Ülkücü-Bewegung, also der türkischen Rechtsnationalisten. Albaner provozierten mit der Fahne für Grossalbanien. Serbische Fans verbrannten albanische Fahnen. Während des Spiels zwischen Kroatien und Albanien skandieren Fans beider Lager «Tötet Serben», was zu Protesten des serbischen Fussballverbands führte. Und das alles unter dem Motto «Football unites the World». Es wäre lächerlich, wenn nicht gleichzeitig an den Rändern Europas erbitterte Kriege geführt würden.

Ich frage mich, wie wir uns dazu stellen sollen. Ist das «Fahnengeschwenke» nationalistisch und deshalb gefährlich? Tragen Fussballländerspiele zu Nationalchauvinismus bei? Befeuern Hymnen und Flaggen im Stadion den Rechtsextremismus? Oder sind das harmlose Fangesänge für Ländermannschaften? Wird der Fussball politisiert? Und wenn ja, was bedeutet das für Europa?

Wer spielt da eigentlich?

Die erste Frage: Wer spielt da eigentlich? Steht «die Schweiz» gegen «Deutschland» auf dem Rasen oder spielt das Schweizer Herren-Nationalteam im Fussball gegen die Auswahl des DFB? Mir fällt auf, dass ich in deutschen Fussballkommentaren häufiger eine neutrale Bezeichnung der Mannschaft höre, etwa «DFB-Elf» oder «Nationalelf», während die Schweizer Kommentatoren hemmungslos «Tooor für die Schweiz» ins Mikrofon schreien, wenn ein Tor fällt. Was zugegebenermassen nicht so häufig vorkommt.

Für die Schweizer Nationalmannschaft gibt es meines Wissens keinen Spitznamen wie «La Roja» für die Spanier, «Oranje» für die Niederländer, «Azzurri» für die Italiener und «Les Bleus» für die Franzosen. Übersetzt heisst das: Die Roten, die Orangen und die Blauen. Die Farben beziehen sich nicht auf die Landesflaggen, sondern auf die traditionellen Farben der Nationalmannschaftstrikots. Die Spanier treten traditionell in Rot an, die Holländer in Orange und die Italiener und die Franzosen in Blau. Etwas aus der Reihe tanzen «The Three Lions», der Spitzname der englischen Fussballnationalmannschaft. Er basiert auf dem Wappen des englischen Fussballverbands.

Hier geht es um die Vaterländer

Trotzdem spielt natürlich Spanien gegen Italien oder Deutschland gegen die Schweiz. So sind die Spiele überall gekennzeichnet. Die Landesflaggen und die Nationalhymnen vor den Spielen machen klar: Hier geht es um Vaterländer. Aber warum treten England und Schottland zur Europameisterschaft an und nicht Grossbritannien? Die Antwort ist simpel: Weil es keinen gemeinsamen Fussballverband für Grossbritannien gibt.

England, Nordirland, Schottland und Wales haben jeweils einen eigenen Fussballverband und sie tragen je eine eigene Fussballmeisterschaft aus. Deshalb sind sie unabhängig voneinander für Europameisterschaften und Weltmeisterschaften teilnahmeberechtigt. Die Fussball-Europameisterschaft ist technisch gesehen kein Wettbewerb zwischen Ländern, sondern zwischen Fussballverbänden. Den albanischen, türkischen, serbischen und auch den deutschen Fans ist das freilich egal: Sie singen ihre Hymnen und schwenken ihre Flaggen.

Nation als Geburtsgemeinschaft

Länder und Verbände lassen sich deshalb nicht trennen. Technisch mag es die «DFB-Elf» und die französische «Sélection» sein – in Frankreich heisst der Nationaltrainer ja auch sélectionneur. In der Wahrnehmung stehen sich trotzdem Deutschland und Frankreich gegenüber. Macht das den Fussball nationalistisch? Das Wort «Nation» kommt vom lateinischen natio und das bedeutet «Geburt, Herkunft», aber auch «Volk, Völkerschaft, Sippschaft». «Nation» bezeichnet also ursprünglich eine «Geburtsgemeinschaft» von Menschen, die Merkmale wie Abstammung, Sprache und Traditionen gemeinsam haben. So gesehen ist schon der Ausdruck «Schweizer Nationalmannschaft» bei Lichte besehen unsinnig, weil die Schweiz mit ihren vier Sprachen keine Nation ist.

Schauen wir uns die Mannschaften etwas genauer an. Kapitän der deutschen Nationalmannschaft ist der Mittelfeldspieler İlkay Gündoğan. Er gewann mit Manchester City fünf Mal die englische Meisterschaft und 2023 die Champions League. Heute spielt er für den FC Barcelona. Die Eltern von İlkay Gündoğan stammen aus der Türkei. Der Kapitän der Schweizer Nationalmannschaft ist der Mittelfeldspieler Granit Xhaka. Er hat lange beim FC Arsenal gespielt und jetzt gerade sensationell mit Bayer Leverkusen die deutsche Fussballmeisterschaft gewonnen. Die Eltern von Granit Xhaka stammen aus dem heutigen Kosovo.

Gündoğan und Xhaka sind Secondos. Neben ihnen spielen in den jeweiligen Mannschaften weitere Fussballer mit unterschiedlichen  Migrationshintergründen und Hautfarben. Die Fussballnationalmannschaften sind schon lange nicht mehr das Ergebnis von «Geburt und Herkunft», wie es der Begriff suggeriert. Viele Fussballer sind Kinder von Einwanderern. Sie entscheiden sich im Laufe ihrer Karriere, für welche Nationalmannschaft sie spielen wollen. So tritt  Granit Xhaka für die Schweiz an, sein Bruder Taulant Xhaka aber für Albanien. Die Mannschaften Deutschlands und der Schweiz sind damit ein gutes Spiegelbild der Gesellschaft ihrer Länder. Sie repräsentieren eine migrantische und vielfältige Gesellschaft. Sie sind nicht Deutsche oder Schweizer durch Geburt, sondern weil sie sich dafür entschieden haben.

Die Auswirkung der Flaggen und Hymnen

Die Nationalmannschaften sind also längst keine Mannschaften der Nation mehr – im Falle der Schweiz konnten sie das auch nie sein. Sie sind realistische Spiegelbilder der Länder. Die grosse Rolle, die ein İlkay Gündoğan oder ein Granit Xhaka spielen, trägt mit Sicherheit auch im Alltag zur Akzeptanz der migrantischen Bevölkerung bei. Die beiden Captain sind Vorbilder für viele junge Menschen. Aber was bewirkt das Fahnenschwenken und das Singen der Hymnen? Trägt es zu Nationalismus und Nationalchauvinismus bei, wenn die Länder im Rahmen der Europameisterschaften gegeneinander Fussball spielen?

Mein erster Reflex ist: Ja. Mir geht dieses Nationalgedöns auf den Keks und bei der deutschen Hymne kriege ich es mit der Angst zu tun. Die Schweizer sind mir bloss etwas peinlich. Wie kann man sich sein Gesicht rot-weiss anmalen und einen Abend lang «Hopp Schwiiz» brüllen? Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen. Die Frage ist doch, ob eine Fussballeuropameisterschaft Europa näher zusammenbringt oder im Gegenteil den Nationalismus verstärkt und die Länder gegeneinander aufbringt.

Die Regeln machen das Spiel

Auch wenn die Spiele bisher friedlich waren, gibt es negative Auswüchse wie den Gruss der Grauen Wölfe oder nationalistische Parolen. Interessant scheint mir aber, dass eine Europameisterschaft nur funktioniert, wenn sich alle teilnehmenden Länder an die Regeln halten. Das fängt damit an, dass alle Länder gleich viele Spieler haben. Deutschland hat zehnmal so viele Einwohner wie die Schweiz, darf aber trotzdem nur elf Spieler aufs Feld schicken. Frankreich hat als einziges europäisches Land Atomwaffen, aber wenn Dembele den Österreicher Mwene foult, sieht er trotzdem wie alle anderen die gelbe Karte. Es mag banal klingen, aber die Fussballeuropameisterschaft zeigt, dass das Zusammenleben (und zusammen spielen) nur funktioniert, wenn und weil es regelbasiert ist.

Innerhalb dieser Regeln zählt nur eines: die Leistung. Da mag manchmal Glück eine Rolle spielen, die Laune des Schicksals und wie sich Embolo die Schuhe gebunden hat – es hat aber nichts mit der Grösse oder dem Reichtum des Landes und schon gar nichts mit der Nation zu tun. England tut sich nach wie vor schwer, Brexit hin oder her. Die Spanier spielen Italien an die Wand. Österreich überrascht und Deutschland begeistert. Ausgerechnet Deutschland.

Die problematische Fussballisierung der Politik

Ich glaube deshalb, dass Fussballmeisterschaften, so problematisch einzelne Vorfälle auch sein mögen, zu einem friedlichen Zusammenleben beitragen. Sie demonstrieren, wie bunt unsere Gesellschaften sind. Sie führen vor, wie wichtig Regeln im Zusammenleben sind. Und sie zeigen, dass es nicht auf das Nationalgefühl ankommt, sondern auf die Leistung derer, die grad auf dem Platz stehen. Nein, ich glaube nicht, dass die Politisierung des Fussballs problematisch ist. Ich glaube, es ist umgekehrt: Problematisch ist die Fussballisierung der Politik.

Schauen Sie sich eine Veranstaltung von Marine Le Pen oder von Donald Trump an, aber auch von Jean-Luc Mélenchon oder von Sarah Wagenknecht. Da geht es zu wie an einem Fussballspiel. Marine Le Pen und Donald Trump sprechen nicht mehr Wähler an, sondern Fans. Die Besucher ihrer Kundgebungen schwenken Fähnchen wie an einem Fussballspiel und sie singen selbstverständlich auch die Hymne. Vor allem aber reduzieren diese Politikerinnen und Politiker die politische Auseinandersetzung auf Punchlines. Und zwar linke wie rechte Politiker. Komplexe Fragen werden auf Slogans reduziert, die von der Masse skandiert werden wie bei einem Fussballspiel. Das macht mir Sorgen. Anders als auf dem Fussballfeld gibt es in der Politik aber keine Offsideregel und keinen Schiedsrichter. Das macht mir Angst.

So gesehen ist so ein Fussballspiel der Europameisterschaften geradezu erholsam. Trotz Hymne, geschminkter Gesichter und Fahnenschwenken. Ein bisschen Politik schadet dem Fussball nicht. Aber bitte lassen Sie den Fussball in der Politik aussen vor.

Basel, 21. Juni 2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Bild: KEYSTONE/DPA/Rolf Vennenbernd
Schweizer Fans beim Spiel Ungarn – Schweiz am 15. Juni 2024 in Köln.

Ahrens, Peter (2024): Fußball-EM 2024: Warum Die DFB-Elf Gruppensieger Werden Sollte. In: DER SPIEGEL. [https://www.spiegel.de/sport/fussball/fussball-em-2024-warum-die-dfb-elf-gruppensieger-werden-sollte-a-51109a26-6cca-4bfc-b111-b6863c91fb02; 21.6.2024].

Aydemir, Fatma (2024): In Germany, football has made nationalism cool again. That’s why I’m dreading the Euros. In: The Guardian. [https://www.theguardian.com/commentisfree/article/2024/jun/13/in-germany-football-has-made-nationalism-cool-again-thats-why-im-dreading-the-euros; 21.6.2024].

Christian, Claus (2006): Deutsche Nationalhymne “Die blödsinnigste Parole der Welt”. In: DER SPIEGEL. [https://www.spiegel.de/kultur/literatur/deutsche-nationalhymne-die-bloedsinnigste-parole-der-welt-a-422419.html; 21.6.2024].

Deutschlandfunk (2024): Rechtsextremismus: Der Umgang mit nationalistischen Vorfällen rund um die EM. In: Deutschlandfunk. [https://www.deutschlandfunk.de/euro-deutschland-nationalismus-uefa-sanktionen-100.html; 21.6.2024].

Duden (2024): Nation. In: Duden. [https://www.duden.de/rechtschreibung/Nation; 21.6.2024].

Fifa (2024): FIFA feiert Internationalen Tag des Sports für Entwicklung und Frieden. In: Fifa.com. [https://inside.fifa.com/de/football-development/news/fifa-feiert-internationalen-tag-des-sports-fuer-entwicklung-und-frieden; 21.6.2024].

Freitag, Markus (2024): Fussballfieber – keine Angst vor Patriotismus. In: Neue Zürcher Zeitung. [https://www.nzz.ch/meinung/fussballfieber-keine-angst-vor-patriotismus-ld.1835352; 21.6.2024].

Hotsch, Hanno (2022): Das Deutschlandlied – Ein Lied Mit Geschichte. In: NDR. [https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Das-Deutschlandlied-ein-Lied-mit-Geschichte-,liedderdeutschen100.html; 21.6.2024].

Kelnberger, Josef (2018): Der Fußball ist mit dem Nationalismus überfordert. In: Süddeutsche.de. [https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-nationalismus-fussball-1.4028780; 21.6.2024].

Links Jugend Saarland (2016): Warum uns euer Fahnengeschwenke ankotzt! In: Linksjugend [’solid] Saarland. [https://linksjugend-saar.de/themen/positionspapiere/positionspapier-nationalismus-und-fussball/; 21.6.2024].

Seibel, Patric (2024): EM 2024: Der Einfluss Von Fußball Auf Nationalismus. In: Deutschlandfunk. [https://www.deutschlandfunk.de/nationalismus-fussball-einfluss-100.html; 21.6.2024].

14 Kommentare zu "Fussball, Fahnen, Fanatismus – tut uns das wirklich gut?"

  1. Fussballfan bin ich nicht. War ich nie und werde es auch nie sein. Ist auch schwer, wenn man die Regeln nicht kennt. Und ist es ein Verlust, als Basler noch nie das „Joggeli“ (früher) oder „St. Jakob-Park“ betreten zu haben? Da ist mir vielleicht auch vieles (Gewalt) erspart geblieben….
    Extreme Nationen-Spiele begreife ich auch nicht. Da geht es um nichts. Deutschland kann zwar gegen Polen gewinnen, doch Miele zieht die Produktion samt Arbeitsstellen trotzdem von Gütersloh nach Polen ab. Die Schweiz kann zwar gegen Polen gewinnen, doch trotzdem zog „Gaba“ (welche jetzt zu Colgate-Palmolive gehört) die Produktion der helvetischen „Elmex“ von Therwil/BL nach Polen ab (weiterhin aber zuverlässig zu Schweizer Preisen erhältlich…). Deutschland wird vielleicht Europameister, trotzdem brechen „Kärcher“, „Porsche“ und „Stihl“ ihre Zelte in der Heimat ab und wandern gegen die (vielleicht spielerisch unterlegenen) Osteuropa-Länder. Sind sie mit tieferen Löhnen, tieferen Energiepreisen und billigen Ölwerken die Gewinner. Und was ist überhaupt ein HauptGEWINN….?
    In zwei Positionen kann ich jedoch M. Zehnder beruhigen: Ja es mag sein, dass in gewissen Ländern noch der extreme Nationalismus grassiert. Wenn Bosnien gegen Serbien gewinnt, ist am Montagmorgen auf der Baustelle dicke Luft. Es wird sich geweigert, zusammen zu arbeiten. Wenn Kosovo gegen Albanien verliert, können so viel Emotionen hochkommen dass schon mal die Fäuste fliegen und ein weitsichtiger Arbeitgeber gut beraten ist, eine andere Arbeitseinteilung vorzunehmen….
    Dies (südliche) Einzelfälle, denn bei uns im industriellen Europa stelle ich das Gegenteil fest:
    Man ist gehemmt, überhaupt noch zu „fanen“. Der deutsche Kommentator des öffentlich-rechtlichen-Fernsehens kommentierte: „Jetzt singen sie die Nationalhymne: Freiheit, Recht und Vielseitigkeit“. Er änderte also das historische Liedgut einfach mal „Woke“ ab. Gut so? Auf der Fanmeile zu Berlin sind keine Flaggen erlaubt. Das wissen die Deutschen strikte. Wenn die Engländer aus dem Bus steigen, sieht und grölt es natürlich anders. Das gibt dann ein sehr einseitiges Flaggenmeer. Gut so? Als der (letzte) Berliner voller Vorfreude sein „Schwarz-Rot-Gold“ vom Balkon hing, ging es nicht lange, und Böller landeten auf der Terrasse. Die täglichen Anti-Israel-Demos (Pro-Palästina, Islamisten, Linksextreme) feuerten die Geschosse ab. Und am Tag danach wurde die Fassade mit „Hier im 1. Stock wohnt ein Nazi“ besprayt (B.Z.-Berliner Zeitung). Der Nationalismus-Ausgleich, welcher M. Zehnder beängstigt, ist also auf (hässlichste) Weise gewährleistet.
    Bei der politischen Parteiveranstaltungen von Trump und LePen sowie Wagenknecht läuft es ob den vielen Fahnen und Parolen M. Zehnder auch kalt den Rücken runter.
    Auch da kann ich beruhigend wirken. Mir geht es zwar gleich, aber anders: Ich frage mich, musste es soweit kommen? Hätte man nicht schon früher masshaltend und mit Verstand Stopp zu der uferlosen Migration sagen können? Die Slumbildung, die Gewalt, die Überfälle, ganze Ghettos, in welche sich die Polizei nicht mehr traut – mussten wir alles so lange zuschauend „schlittern“ lassen? In deutschen Städten reiht sich Döner, Handy-Shop, Shisha-Bar und Barber-Store Reihe an Reihe. Ob Stuttgart, Karlsruhe, Dortmund, Hannover oder Bielefeld. Überall. Wenn ein Elsässer Arbeitskollege mir sagt, er traue sich nachts schon lange nicht mehr nach Mulhouse (F) rein = viel zu gefährlich!!! …erübrigt sich zu fragen, was er wohl wählt…
    Diese schleichenden Prozesse, ob Klassenzimmer (plötzlich sitzen die Mädels mehrheitlich hinten, die Jungs vorne – schleichend und nicht offiziell), plötzlich kleiden sich die Mädchen wieder sittsam und Haut, Dekolleté oder nackte Knöchel sieht man nicht mehr, ob Fussgängerzone, ob Freibad (Scharia-Polizei in Form von bärtigen Testosteronbolzen sorgt für Tumult), täglich 30 Messerattacken in Deutschland (!) werden gezählt und Gruppenvergewaltigungen sind an der Tagesordnung, Kippas tragen in Berlin tödlich, Machetenmänner und Messermänner (immer ohne mediale Nationalitätenangaben) in DB und Aldi und und und…
    DIES MACHT MIR ANGST – die LePens, AfD’s und Wagenknechts sind nur das Abbild.
    Ja, das Leben ist so definitiv kein „Spiel“ mehr. Und bei Spiel/Fussball schalte ich weiterhin ab.
    Doch bei den Auswirkungen der Schlendrian-Politik der letzten Jahre kann man leider nicht einfach den „ON“-Knopf mehr drücken. Niemand mehr – empfidne ich.

    1. «Die Slumbildung, die Gewalt, die Überfälle, ganze Ghettos, in welche sich die Polizei nicht mehr traut»
      Nur damit wir uns recht verstehen: In der Schweiz gibt es das nicht. Und in Frankreich bin ich mir nicht ganz sicher, ich höre da Unterschiedliches. Weder in Deutschland noch in Frankreich sind «Gruppenvergewaltigungen an der Tagesordnung» und bei meinen letzten Aufenthalten in Berlin sind mir keine «Machetenmänner» begegnet.
      Interessant ist der Ausdruck «Schlendrian-Politik». Er suggeriert, dass halb Europa faule Politiker habe und Sie es besser wissen. Ich glaube, da machen Sie es sich etwas gar einfach.
      Vielleicht ist es an der Zeit, dass Sie im Joggeli mal einen Fussballmatch besuchen. Mit Gewalt hat das rein gar nichts zu tun.

      1. Die Schweiz ist fein und klein. Was sich in weniger überschaubar grossen Ländern in zum Teil Besorgnis erregendem Ausmass offen zeigen kann, findet hier eher in den Hinter- und Untergrund verdrängt statt. Hier in einem solchen Sinne der Link zum Beitrag „Zwischen Schlafen und Wachsein“, der sich unter anderem mit der Gewalt und mit dem Krieg auseinandersetzt, wie er auch ohne Waffen alltäglich in unserer ‚Zuvielisation‘ stattfinden kann, und wie heute der ZE!TPUNKT diesen Beitrag publiziert hat: https://zeitpunkt.ch/index.php/zwischen-schlafen-und-wachsein.

  2. Das politische Pendel schwenkt periodisch hin und her. Beide Richtungen haben jeweils nachvollziehbare Ursachen. In Fall des wiedererstarkten Nationalismus und damit einhergehend der politischen Rechten in einigen Ländern Europas, ist eindeutig die Zuwanderung und die damit verbundene Angst vor der Verwässerung der eigenen Kultur der Hauptgrund. An dieser Stelle bitte nicht Ursache und Wirkung verwechseln, sonst gehen noch mehr Wahlen verloren. Kulturen sind nicht nur dann wertvoll und so wie sie sind zu respektieren wenn sie aus der Prärie oder aus dem schützenswerten Urwald kommen. Der Rechtsstaat sollte, um respektiert zu werden, seine Mittel ausbauen und z.B. gefällte Abschiebungsentscheide effektiv umzusetzen. Das Pendel wird sonst weiter ausschlagen. Ziemlich sicher so lange bis der Zuwanderungsdruck abnimmt.

    1. Ja, da haben Sie wohl recht. Allerdings entsteht der Zuwanderungsdruck in der Schweiz nicht durch die illegale Migration (da zieht die Schweiz ja auch eine recht konsequente Linie durch), sondern durch die legale Migration, also durch den Zuzug ausländischer Fachkräfte. Das wird sich so schnell nicht ändern. Aber das ist ja auch nicht der Punkt in meinem Kommentar. Wenn wir so miteinander diskutieren, tauschen wir Argumente aus und hören einander zu. Wir haben vielleicht unterschiedliche Meinungen, lassen das Gegenüber aber stehen (nehem ich mal an). Ich wehre mich nicht gegen andere Ansichten. Ich wehre mich, wie am Ende des Kommentars beschrieben, gegen die Fussballisierung der Politik, wenn komplexe Fragen auf Punchlines reduziert werden, die von der Masse skandiert werden wie bei einem Fussballspiel … So oder so: Ein schönes Wochenende!

  3. Eigentlich ein guter Text.
    Jedoch könnte man die Forderung herauslesen, das Singen der deutschen Nationalhymne in der Schweiz zu verbieten. Verbreite sie doch Angst. Unter anderem wegen dem Wort „Vaterland“.
    Soll dieses Wort aus dem Schweizerpsalm entfernt werden?
    Oder hat nur „ausgerechnet Deutschland“ kein Recht, diesen Begriff zu verwenden?

    1. Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Das scheint mir dann doch recht weit hergeholt. Nur weil ich mich (wegen der Geschichte des Lieds) nicht gerade wohlfühle, wenn ein ganzes Stadion die dritte Strophe des Deutschlandlieds brüllt, muss man deswegen doch nichts verbieten! Ich spreche auch niemandem irgendein Recht ab, Wörter wie «Vaterland» zu verwenden. Der Text des Schweizerpsalms ist aus anderen Gründen etwas seltsam als Landeshymne. Aber jeder, wie er es mag, sowieso im Fussballstadion. Deshalb habe ich auch geschrieben: «Ich glaube nicht, dass die Politisierung des Fussballs problematisch ist. Ich glaube, es ist umgekehrt: Problematisch ist die Fussballisierung der Politik.» Können Sie daraus irgendeinen Verbotsaufruf lesen? Wie auch immer: Ein schönes Wochenende.

      1. Vielen Dank für die Antwort. Ich habe nicht unterstellt, dass Sie persönlich für ein Verbot der deutschen Hymne sind. Oder dies gefordert haben.

        Aber warum wird ein Deutschland mit momentan ähnlich vielen aktiven Soldaten wie die Schweiz und einer Politik, die gerade wegen der Geschichte möglichst auf Nationalismus verzichtet, aktuell als bedrohlich empfunden? Wie soll man mit dieser empfundenen Bedrohung umgehen? Aktuell geht es in unserem Land um den Verbot von Nazisymbolen. Und die deutsche Hymne hat mit der ersten Strophe schon einen Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus. Weshalb offiziell nur die dritte Strophe gesungen wird. Die Melodie bleibt.

        Der Zuwachs rechter populistischer Parteien in vielen Ländern Europas macht mir auch Sorgen. Nicht nur in Deutschland. Und das Grölen von Hymnen entspricht nicht meinem Geschmack. Nicht nur bei der deutschen Hymne.

        Ich finde es nicht gut, wenn das ausgelassene Feiern von Fussballerfolgen fast aller anderen Länder bei uns viel wohlwollender aufgenommen wird als das gleiche Verhalten unseres nördlichen Nachbarlandes.
        Oder dass ein deutscher Kollege in der Firma ungefragt vor einem Spiel mitgeteilt bekommt, dass hoffentlich Deutschland bald das Turnier verlassen müsse. Ohne, dass sich der Kollege zu Fussball geäussert hat.
        Oder dass Nachbarn nach dem Public Viewing an einer ihnen bekannten deutschen Familie vorbeilaufen und laut beklagen, dass die Deutschen ein Spiel gewonnen haben.
        All dies trägt nicht zu einem friedlicheren Zusammenleben bei.
        Insofern finde ich die Politisierung des Fussballs auch nicht ganz harmlos.

        Auch Ihnen ein schönes Wochenende.

        1. > Aber warum wird ein Deutschland mit momentan ähnlich vielen aktiven Soldaten wie die Schweiz und einer Politik, die gerade wegen der Geschichte möglichst auf Nationalismus verzichtet, aktuell als bedrohlich empfunden?
          Ich denke, viele Schweizer empfinden nicht Deutschland als Bedrohung sondern «die Deutschen». Warum? Vielleicht aus einem Gefühl der Unterlegenheit heraus (die reden so schnell und so geschliffen), vielleicht gibt es Schweizer, die sich bedroht fühlen (die meisten anderen grossen Einwanderergruppen machen die schlechten Jobs, bei den Deutschen ist das anders, sie sind oft gut ausgebildet und bekleiden deshalb oft auch Chefpositionen, mieten gute Wohnungen, etc.) und vermutlich aufgrund von Missverständnissen (Deutsche und Schweizer meinen, sie seien ähnlich, sind aber kulturell unterschiedlicher, als sie denken). Verstehen Sie mich recht: Ich heisse das nicht gut, ich versuche es, zu erklären. Die SVP hat in der Vergangenheit diese Anti-Deutschen Ressentiments auch immer wieder geschürt. Beim Fussball kommt dann noch dazu, dass die Deutschen (meistens) schlicht besser Fussball spielen als die Schweizer… Aber dabei geht es nicht um Deutschland, sondern um «die Deutschen». Was meinen Sie? Herzlich, mz

          1. Warum Sie Unbehagen speziell bei deutschen Fans und bei der deutschen Hymne haben, ist mir noch nicht klar.

            Frankreich als anderer Nachbar der Schweiz ist wie Deutschland auch wesentlich grösser als die Schweiz. Hat sogar Atomwaffen. Und in der Marseillaise brüllen die wilden Soldaten. Sogar von unreinem Blut wird im Refrain gesungen (ja, muss man im historischen Kontext sehen). In einem Arte-Interview zum Aufstieg der Rechten hat eine junge Französin kürzlich gemeint, sie sei stolz auf Frankreich wegen Napoleon und weil Frankreich Kriege gewinnen könne. Für mich auch kein Grund, mich speziell über französische Fans aufzuregen, wenn sie ihre Hymne singen.

            Das mit den Chefpositionen und guten Wohnungen speziell für die Deutschen ist aus meiner Sicht als Argument für Unbehagen gegenüber Deutschen oft vorgeschoben. Der aktuelle CEO von Novartis und sein Vorgänger stammen aus den USA. Die reden so schnell und geschliffen Englisch, da könnte man auch Unterlegenheitsgefühle bekommen. Bei der UBS wurde andererseits der niederländische CEO durch einen Tessiner ersetzt. Der sich nicht speziell durch schnelles Reden auf Deutsch auszeichnet, was auch als Leistungsausweis nicht so relevant ist. Schweizer müssen sich gegenüber Deutschen oder allgemeiner Nicht-Schweizern nicht verstecken, was Fähigkeiten angeht.

            Warum manche Schweizer gegenüber Deutschen einen Abwehrreflex zeigen, wurde am 27. Januar 2010 in der Sendung Club diskutiert. Von Markus Somm kam die Aussage ( https://www.youtube.com/watch?v=w8DoSPCFjp0 nach ca. 32 Minuten): „Schweizer sein, heisst nicht deutsch sein.“ Dies gelte seit den Schwabenkriegen. Also seit über 500 Jahren, lange vor dem „dritten Reich“. Ob ein lateinischer Schweizer sich auch dieser Definition anschliessen kann, wurde ignoriert (der deutschstämmige Christoph Blocher hat 2014 den Westschweizern jedoch ein schwächeres Bewusstsein für die Schweiz unterstellt). Die Deutschen gewissermassen als einseitiger „Erbfeind“ der (Deutsch-)Schweizer. Natürlich stört es dann auch, wenn die deutsche Hymne je nach Empfinden gesungen / gegrölt wird.

            Die Schweiz hat so viel Stärken (z.B. Wirtschaft, Wissenschaft, Innovationskraft, Kultur, Vielfalt, politisches System, Bildungssystem, Sozialsystem, Lebensstandard, Landschaft), dass wir uns nicht als „Anti-Deutsche“ definieren sollten.

            Damit will ich nicht sagen, dass Zuwanderung auch von gut Qualifizierten ohne Nebenwirkung ist. Auch nicht unterstellen, dass Sie die Ansichten von Markus Somm teilen. Den ersten Satz des Wochenkommentars hätte ich jedoch auch als etwas stossend empfunden, wenn es dort um die herausgehobene Hymne eines anderen Landes gegangen wäre. Ich hätte bevorzugt:
            „Wenn ein volles Fussballstadion die (…) Nationalhymne grölt, wird mir ganz anders. (…) Ich frage mich jedes Mal: Muss das wirklich sein? Die Fahnen und Flaggen, die Hymnen und das ganze Nationalgedöns?“
            Wäre neutraler gewesen und in der Aussage zum Thema im Titel nicht schwächer.

      1. Fussball und Parteienpolitik basieren emotional auf dem Kampfmodus und können ihn zudem auch noch für andere Zwecke leibhaftig und unbewusst wirksam verfestigen. Der Kampfmodus generiert sowohl beim Fussball als auch beispieklweise bei der Parteienpolitik Sieger und Verlierer. Und Krieg ist kein wahrhaftig und wirklich gutes Modell: Dies auch dann nicht, wenn er nach Regeln geführt wird.

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