Das wahre Problem der «fetten Kinder» in der Literatur
Ist es Kindern und Jugendlichen zumutbar, von «fetten Kindern» zu lesen? «Nein» fand der Londoner Verlag Puffin Books und überarbeitete die Kinderbücher von Roald Dahl. Vielleicht haben Sie davon gehört. Mir hat der Entscheid zu denken gegeben und zwar nicht nur, weil da schon wieder ein Kinderbuchklassiker umgeschrieben wird. Denn in der Realität haben wir ein immer grösseres Problem mit stark übergewichtigen Kindern. Experten reden von einer eigentlichen Adipositas-Epidemie. Besonders absurd: Bei einem der redigierten Bücher handelt es sich um «Matilda», eine Geschichte, die davon handelt, dass Kinder Superkräfte haben, wenn sie nur auf sich vertrauen. In meinem Wochenkommentar sage ich Ihnen, was das alles mit unserer Gesellschaft zu tun hat und warum es vielleicht kein Zufall ist, dass es Erwachsene gibt, die nichts mehr von «fetten» Kindern lesen wollen.
Die Aufregung war gross. Das «Magazin» des «Tages-Anzeigers» sprach von einem «Operationsfehler der Sprachchirurgie», die deutsche «Welt» von einem «Bereinigungsfuror» der «Spiegel» von «Zensur». Stein des Anstosses ist eine neue Ausgabe der Kindergeschichten von Roald Dahl: Puffin Books hat vermeintlich anstössige Formulierungen aus Werken wie «Matilda» oder «Charlie und die Schokoladenfabrik» entfernt. Der Verlag wollte die Geschichten so für ein modernes Publikum akzeptabler machen. Dabei ging es nicht nur um vermeintlich rassistische oder sexistische Beschreibungen. Zu diskutieren gab, dass in der neuen Ausgabe von «Charlie und die Schokoladenfabrik» Augustus Glupsch, der dicke Gegenspieler von Charlie, nicht mehr «enorm fett» ist, sondern nur noch «enorm» ist.
Nun kann man sich über solche Anpassungen natürlich trefflich aufregen. Das deutsche Feuilleton hat das auch hinlänglich gemacht, Protestnoten prominenter Schriftsteller inklusive. So hat zitiert der «Spiegel» zum Beispiel Salman Rushdie. Roald Dahl sei kein Engel gewesen, aber diese Veränderungen, das sei «absurde Zensur». Verlag und Dahl-Erben «sollten sich schämen.» Das «Magazin» spricht von «gravierenden Veränderungen», von «eigenmächtigen Säuberungen und, nennen wir die Sache ruhig beim Namen, bewusst vorgenommenen Verfälschungen.»
Badehosen für Michelangelos David
Ich persönlich kann mich dem nur anschliessen: Dieses nachträgliche, sagen wir mal, Redigieren von literarischen Werken ist etwa so, wie wenn man dem David von Michelangelo aus Sittlichkeitsgründen eine Badehose über das Gemächt ziehen würde. Das ist gar nicht so abwegig: In Florida hat gerade eine Schulleiterin ihre Stelle verloren, weil sie im Kunstunterricht ebendiesen nackten David zeigte. Der Vorsitzende der Schulbehörde hat die Lehrerin wegen der Verwendung «pornografischen Unterrichtsmaterials» belangt. Amerikanische Medien berichten, die Frau sei von Polizisten abgeführt worden. Hätte der David eine Badehose getragen, wäre das nicht passiert.
Wir können uns, wie gesagt, über solche Banausereien trefflich aufregen. Wir könnten uns aber auch fragen, wie es überhaupt dazu kommt. Dass viele Amerikaner sich an Nacktheit stören, lässt sich historisch erklären: Schliesslich haben wir im 17. und 18. Jahrhundert die Puritaner aus Europa verjagt. Sie sind mehrheitlich nach Nordamerika geflüchtet. Ihren Puritanismus haben sie mitgenommen. So weit, so klar. Aber warum dürfen Kinder in Büchern nicht «fett» sein?
Sensible Sprache mit Samthandschuhen
Jetzt kann man argumentieren, dass dicke Kinder von jeher ausgegrenzt worden seien. Dass sie verspottet und verschämt würden und dass es darum gehe, Kindern vorzuleben, dass alle Körpergrössen gleichberechtigt sind. Eine sensible Sprache verspottet deshalb weder sehr kleine, noch sehr gross gewachsene Kinder, weder rothaarige, noch andersfarbige und auch nicht Kinder, die besonders dick, ja fett sind.
Lassen wir das mal so stehen. Auch dann gibt es aber einen grossen Unterschied zwischen einem rothaarigen, einem andersfarbigen oder einem besonders grossen Kind einerseits und einem Kind, das besonders fett ist andererseits: Anders als Rothaarige und People of Color kommen dicke Kinder in aller Regel nicht schon dick zur Welt. Fettleibigkeit ist zudem in den meisten Fällen kein unausweichliches Schicksal. Es ist nur in ganz seltenen Fällen genetisch bedingt, etwa durch eine angeborene Stoffwechselerkrankung. Nein: Dicke Kinder sind dick, weil ihre Eltern und ihr Umfeld sie falsch ernährt haben.
Adipositaswelle bei Kindern
Und das ist leider keine Seltenheit. Im Gegenteil. Der Hamburger Ernährungsmediziner Matthias Riedl spricht von einer eigentlichen Adipositaswelle bei Kindern: In Deutschland sind bereits 16 Prozent der Kinder übergewichtig, sechs Prozent sind adipös. In der Schweiz sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig. Bei den Erwachsenen sind es in der Schweiz 42 Prozent, in Deutschland ist bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung übergewichtig. Weltweit ist die Zahl der Übergewichtigen mittlerweile grösser als die Zahl der Unterernährten. Ich weiss übrigens, wovon ich rede, ich kämpfe seit Jahren gegen mein Übergewicht.
Damit wir uns recht verstehen: Wir reden nicht von einem ästhetischen Problem oder einem Modediktat. Es geht nicht darum, dass man besser aussieht, wenn man schlanker ist. Es geht um eine medizinische Diagnose: Übergewicht führt in sehr vielen Fällen zum metabolischen Syndrom, also Bluthochdruck sowie Störungen des Zucker- und Fettstoffwechsels. Das ist gravierend. Eine Folge davon ist Diabetes 2. Ernährungsmediziner Riedl sagt, dass Diabetes 2 früher eine reine Alterserkrankung war. Heute konsumieren schon Kinder so übermässig Zucker, dass es bereits in den frühen Erwachsenenjahren zu Diabeteserkrankungen kommt. Und damit zu einer massiv erhöhten Gefahr von Herzkreislauferkrankungen, Hirnschlag und Demenz. Fettleibigkeit ist definitiv kein ästhetisches Problem. Es ist in erster Linie eine medizinische Diagnose.
Wir haben als Gesellschaft versagt
Wenn schon so viele Kinder so massiv übergewichtig sind, haben wir als Gesellschaft ein Problem. Es bedeutet, dass die Gesellschaft nicht in der Lage ist, die Kinder gesund zu ernähren. Riedl gibt der Lebensmittelindustrie die Schuld: Ein grosser Teil der Produkte in einem Supermarkt sind zu kalorienreich, zu salzig und sie enthalten vor allem viel zu viel Zucker. Am schlimmsten sind hoch verarbeitete Nahrungsmittelprodukte. Dazu gehören etwa Frühstücksflocken mit einem Zuckeranteil von 30 Prozent, süsse Snacks für Kinder, Fertiggerichte und Softdrinks. Die Evolution hat uns Menschen auf süsse Lebensmittel programmiert. Während Jahrtausenden waren süsse Früchte überlebenswichtig. Leider können wir unsere Instinkte nicht so rasch von Savanne auf Supermarkt umstellen. Zumal in den Regalen Produkte wie Ketchup oder Fruchtjoghurt stehen, denen man den hohen Zuckeranteil nicht ansieht. Auch nicht, wenn man das Kleingedruckte liest: Da kann Zucker nämlich auch als Glukose, Laktose oder Maltose deklariert sein.
Ein dramatisches Resultat dieser überzuckerten Lebensmittel sind die anschwellenden Bäuche bei Kindern. Ernährungsmediziner Riedl spricht von einer eigentlichen Adipositaswelle bei Kindern. Schwer übergewichtige Kinder haben Probleme mit Bluthochdruck, mit den Blutfettwerten und mit den Blutzuckerwerten. Es sind Probleme, die bisher nur bei wesentlich älteren Menschen aufgetreten sind. Früher sprach man von «Altersdiabetes», heute leidet bereits ein Prozent der übergewichtigen Kinder darunter.
Eine Zuckersteuer wäre wirksam
Wer ist dafür verantwortlich? Ich würde ganz allgemein sagen: Wir als Gesellschaft. Weil wir es zulassen, dass in Supermärkten dermassen schädliche Nahrungsmittelprodukte verkauft werden. Weil wir es zulassen, dass die Kinder im Fernsehen Werbung ausgerechnet für diese Produkte sehen. Weil wir es zulassen, dass sie in der Schule, in der Kita, nicht besser ernährt werden.
Grossbritannien hat reagiert und eine Zuckersteuer eingeführt: Getränke, die mehr als fünf Gramm Zucker pro hundert Milliliter enthalten, werden mit einer Sondersteuer belegt. Zweck der Steuer ist explizit die Bekämpfung der Fettleibigkeit bei Kindern. Seit Einführung der Steuer ist die Menge des mit zuckerhaltigen Getränken verkauften Zuckers in England fast um einen Drittel zurückgegangen. Einerseits haben die Kunden ihr Kaufverhalten verändert, andererseits haben die Unternehmen reagiert und die Zuckermenge in den Produkten angepasst.
Schweiz setzt auf Eigenverantwortung (was sonst)
In der Schweiz sieht man keinen Handlungsbedarf (respektive: man will den Zuckerrübenbauern das Geschäft nicht vermasseln). Die politische Rechte findet sowieso, der Staat solle sich aus dem Essen der Menschen raushalten. «Essen ist vor allem eins: Privatsache», schreibt die «NZZ». «Der Staat soll nur in Ausnahmefällen in die Freiheiten der Menschen eingreifen. Beim Entscheid über die Ernährung gibt es nur wenig Grund dafür.» Ganz abgesehen davon sei das Problem übertrieben: «Manche Menschen fühlen sich mit den überzähligen Kilos wohl.» Kurz: Die «NZZ» plädiert für Eigenverantwortung. Ein Wort, das in einem durchschnittlichen Kindergarten den wenigsten Kindern geläufig sein dürfte.
Mir scheint, wir als Gesellschaft sind verantwortlich für das Wohlergehen unserer Kinder. Sind sie zu dick, ist das unser aller Problem, weil sie über kurz oder lang schwer krank werden. Vor diesem Hintergrund scheint es mir geradezu zynisch, wenn ein Buchverlag aus Gründen der Sprachsensibilität das Wort «fett» aus seinen Büchern streicht. Das Problem ist nicht, dass wir Kinder verletzen könnten, wenn von fetten Kindern die Rede ist. Das Problem ist, dass wir es zulassen, dass so viele Kinder fett werden. Wenn wir nun nicht mehr von fetten Kindern reden, verhalten wir uns wie ein Kind, das die Hunde vor die Augen hält und sagt: «Gäll, du sehsch mi nit?»
Anpassung von Kinderbüchern aus Scham
Nun gehe ich davon aus, dass den meisten Menschen diese Zusammenhänge bewusst sind. Dass wir unsere Kinder mästen. Dass sie das krank macht. Warum also das Bedürfnis, die fetten Kinder aus den Büchern zu eliminieren? Vielleicht spricht daraus ein Schuldbewusstsein: Die Gesellschaft macht «fette Kinder» zum Tabu, weil sie nicht an ihre Schuld erinnert werden will.
Könnte es sein, dass das auch für andere Streichungen gilt? Könnte es also sein, dass unsere Gesellschaft dazu neigt, Indianer und Chinesen, Hexen und viele andere aus Kinderbüchern zu streichen, weil sie nicht an ihre Schuld im Umgang mit ihnen erinnert werden will? Kann es sein, dass das Redigieren von Kinderbüchern nicht aus Gründen der Sprachsensibilität erfolgt, sondern aus Scham, aus Furcht, der eigenen Vergangenheit ins Gesicht zu schauen? Es wäre ein Grund, auf all das Redigieren zu verzichten, die harten Wörter in den Geschichten zu lassen und sie zum Anlass zu nehmen, die verdrängten Themen mit den Kindern zu thematisieren. Auch und gerade die «fetten Kinder».
Basel, 17. März 2023, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
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Quellen
Bild: © KEYSTONE/UNITED ARCHIVES
Das Bild zeigt Philip Wiegratz als «enormen» Augustus Globb in Tim Burtons Verfilmung von «Charlie and the Chocolate Factory» (USA/UK 2005)
Becker, Tobias (2023): Roald Dahl und die Debatte über entschärfte Kinderbücher: Literatur Ist Ein Fitnessstudio Für Die Seele. In: DER SPIEGEL. [https://www.spiegel.de/kultur/literatur/roald-dahl-und-die-debatte-ueber-entschaerfte-kinderbuecher-literatur-ist-ein-fitnessstudio-fuer-die-seele-a-196439dd-fe12-4fd9-a3da-adba7b3960f7; 31.3.2023].
Benz, Matthias (2023): Essen ist Privatsache: Zur Rolle des Staats in der Ernährung. In: Neue Zürcher Zeitung. [https://www.nzz.ch/meinung/essen-ist-privatsache-zur-rolle-des-staats-in-der-ernaehrung-ld.1731821; 31.3.2023].
Der Spiegel (2022): Adipositas Zahl der Kinder mit krankhaftem Übergewicht nimmt stark zu. In: DER SPIEGEL. [https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/adipositas-zahl-der-kinder-mit-krankhaftem-uebergewicht-nimmt-stark-zu-a-98b0af15-5fdb-41f2-9de2-2b0c9445441d; 30.3.2023].
Grossrath, Jan (2013): Welternährungs-Bericht: Mehr Dicke als Unterernährte. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. [https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/welternaehrungs-bericht-mehr-dicke-als-unterernaehrte-12209297.html; 31.3.2023].
Jessen, Elisabeth (2023): Matthias Riedl: Kinder immer dicker: Wie man sie an gesundes Essen gewöhnt. In: Hamburger Abendblatt. [https://www.abendblatt.de/hamburg/article237812041/ernaehrungs-doc-matthias-riedl-wie-man-kinder-an-gesundes-essen-gewoehnt-podcast.html; 30.3.2023].
Kämmerlings, Richard (2023): Literatur: Roald Dahl und James Bond – Der große Bereinigungsfuror. In: DIE WELT. [https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/plus244126757/Literatur-Roald-Dahl-und-James-Bond-der-grosse-Bereinigungsfuror.html; 31.3.2023].
Latifi, Kaltërina (2023): Die Denkfehler der Sprachmoralisten. In: Tages-Anzeiger das Magazin. [https://www.tagesanzeiger.ch/die-denkfehler-der-sprachmoralisten-452505357250; 31.3.2023].
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Ribi, Thomas (2023): Niemand ist dick, und Frauen müssen nicht unbedingt weiblich sein: Die englischen Ausgaben von Roald Dahls Kinderbüchern werden dem politisch korrekten Zeitgeist angepasst. In: Neue Zürcher Zeitung. [https://www.nzz.ch/feuilleton/niemand-darf-dick-sein-roald-dahls-kinderbuecher-werden-zensiert-ld.1727092; 27.3.2023].
Spiegel (2023): Roald Dahl: »Fett«, »verrückt« und »Rudyard Kipling« aus Romanen gestrichen. In: DER SPIEGEL. [https://www.spiegel.de/kultur/literatur/roald-dahl-fett-verrueckt-und-rudyard-kipling-aus-romanen-gestrichen-a-3e14264e-b77f-45c8-a1ca-bf2cdedcb624; 31.3.2023].
Sweetnam, James (2023): Classic kids books have ‘fat’ and ‘ugly’ removed by publishers defending ‘small’ changes. In: Dailystar.co.uk. [https://www.dailystar.co.uk/news/weird-news/classic-kids-books-fat-ugly-29257306; 27.3.2023].
Wurmitzer, Michael (2023): Streit um Roald Dahl und J. K. Rowling: “Fett” und “hässlich” sagt man nicht. In: «Der Standard». [https://www.derstandard.at/story/2000143781688/streit-um-roald-dahl-und-j-k-rowling-fett-und; 27.3.2023].
Zips, Martin (2023): Kunst und Pornografie: Der nackte Wahnsinn. In: Basler Zeitung. [https://www.bazonline.ch/der-nackte-wahnsinn-949776285260; 31.3.2023].
2 Kommentare zu "Das wahre Problem der «fetten Kinder» in der Literatur"
„Eliminieren“ der harten Worte, der wahren und ehrlichen Worte: Heute Massendisziplin.
Ich sage dem auch bei allem Anderen, den Missständen in der Politik, das Versagen der Regierungen, das Elend ausblenden usw… = Schönreden.
Überall wird schöngeredet. Sei es in Zeitung, Funk und Fernseh. In der Politik, den Regierungen gibt es eigene Schönrede-Abteilungen, sie heissen einfach anders: PR-Abteilungen, Regierungssprecher oder Präsidialdepartement. Hauptzweck: Schön zu reden.
Real 2023. Gar nicht schön.
Im Weiteren:
„Unsere Kinder“ sind zu dick… – nicht gerade schöngeredet, aber ungenau: Leider sind gerade die ärmeren Kinder, die Migrations-Kinder zu dick. Deren Erziehungsberechtigten können sich nicht die normalpreisigen Lebensmittel (Coop z.B. Qualite&Prix) leisten, schon gar keine Bio-Lebensmittel (Coop z.T. unerschwinglich) sondern greifen auf die Billig-Linien unserer Grossverteiler zurück (Coop PrixGarantie). Mit einem kleinen Lohn 4 Kindermunde zu stopfen geht nicht mit Schweizer Bio-Produkten (1 Bio-Blumenkohl 6 Fr. / Familieneinkauf 3 Bio-Blumenkohle 18 Fr.)
Da muss Masse anstatt Klasse her – oder man fährt direkt zu Netto, Penny, Norma, Aldi oder Lidl nach Deutschland. Brötchen für 15 Cent das Stück, Nougat-Creme für 77 Cent, Chips und Süsswaren kilometerweise spottbillig.
Ich begreife dies. Zumal kommt bei obgenannten Familien noch die Bewegungsarmut dazu. Ja, ein Bauarbeiter mag nach Feierabend nicht noch stundenlang im Walde springen und hüpfen gehen mit der Jungmannschaft. Eine Reinemachefrau spielt nicht noch bis in die Nacht Federball mit den Kiddis.
Dies alles zusammen (und noch mehr) lässt sich belegen: Gehen sie mal hier in Basel im Coop Klybeck oder Volta einkaufen. Schauen sie auf die Kassenbänder, war getippt wird. Schauen sie auf die Statur der Kunden. Auf die Körpergrösse. Kleiner, dicker, schlechter zu Fuss.
Gehen Sie hier in Basel mal in den Coop auf dem Wohlstandshügel Bruderholz oder in den Coop z.B. des gutbetuchten Elitedorfes Oberwil BL. Wahre Bio-Gemüseorgien auf den Kassenbänder. Mehr und teurere (und gesündere) Artikel werden in diesen Filialen beworben. Die Menschen grossgewachsen, schlank und sportlich. Schnell und flink. Gattinnen von Ärzten, smarte Managertypen, sehnig-elegante Expats-Damen am Abend nach dem lukrativen Teppichetagentag….
Tja, dies alles fällt auf, wer als scharfsinniger Zeitgenosse und Beobachter durch unsere Welt schreitet.
Der Fall ist klar: Dick bei uns sind in erster Linie Migranten, Ärmere und körperlich Arbeitende Mitmenschen.
England macht es vor. Hier dürfte der Staat Hand anlegen. Auch bei uns. Natürlich brüsteten sich unsere Grossverteiler, wenn sie in den Eigenmarken-Joghurts den Zucker senkten. Auch Nestle schreibt „dick und fett“ auf die Packung, wenn mehr „Mager“ drin ist…
Doch das genügt nicht. In der bürgerlich geprägten Schweiz, deren politisches System und Kräfteverhältnis ich sehr schätze, welches sich durch Vernunft und mehr Masshalten (als in der Chaos-EU) auszeichnet, müsste man in diesem Bereich über den Schatten springen.
Und die regelnde Hand walten lassen. Das Gesundheitssystem und (ein Teil der Eltern) würden danken.
Doch wenn gar eine Vertreterin einer „CVPMitte“-Partei, die stets knappestgewählte (schweizweit) BL-NR Elisabeth Schneider-Schneiter beim Werbeverbot für Tabakwaren, insbesondere für Jugendliche schon dezidiert NEIN schrie (und das von einer „Familienpartei“!!!) und die Wirtschaft und die Wirtschaft und die Wirtschaft und das Geld und das Geld und das Geld über alles stellt, kann ich mir nicht vorstellen, das sich bei uns irgendjemand für ein Gramm Zucker weniger in der „Capri-Sonne“-Tüte einsetzt…..
Eine weitere himmeltraurige Seite unseres verluderten, undemokratisch werdender und immer abhängiger und aussenbeeinflussten – jedoch ehemals schönen Schweizerlandes….
Wohlstandsverwahrlosung: Die Lage scheint hoffnungslos, aber nicht ernst. Viel mehr. Und immer noch mehr. Bis zum finalen Geht-nicht-mehr … und dies nicht nur beim grossen (Fr)essen.