Donald Trump und die Identität

Publiziert am 19. Januar 2024 von Matthias Zehnder

Diese Woche hat Donald Trump in den USA die ersten Vorwahlen für sich entschieden und zwar gleich mit 51 Prozent der Stimmen. Aus europäischer Sicht ist es rätselhaft, dass drei Gruppen zu Trump halten, die ihn als Person eigentlich verabscheuen sollten: 1. besonders religiöse Amerikaner und evangelikale Christen, 2. die «kleinen Leute», also Menschen, die sich nur mit Mühe über Wasser halten und kaum für ihr Alter vorsorgen können, und 3. besonders konservative Amerikaner. Warum halten diese drei Gruppen zu einem New Yorker Milliardär, der bekannt ist für einen, sagen wir mal, nicht immer besonders moralischen Lebenswandel, der als Bully auftritt und in Washington alles kurz und klein schlagen will? Was versprechen sich diese drei Gruppen von Trump? In den letzten Wochen habe ich hier über Identität nachgedacht. Das hat mich auf die Idee gebracht, die Wahl von Donald Trump nicht aus sachpolitischer Sicht anzuschauen, sondern aus der Sicht der Identität. Aus dieser Perspektive lassen sich einige spannende Erklärungen finden, auch und gerade für Entwicklungen hier bei uns in der Schweiz und in Deutschland. Ich glaube, die drei Gruppen wählen Trump nicht, weil sie sich von ihm eine bestimmte Sachpolitik erhoffen, sondern weil er verspricht, ihre Identität zu verteidigen und ihnen ihren Stolz zurückzugeben. Anders gesagt: Sie wählen Trump als den Anführer ihres Stamms, weil sie Angst davor haben, ihre Identität zu verlieren. In meinem Wochenkommentar sage ich Ihnen diese Woche, wo ich die Ursache dafür sehe und inwiefern sie auch in Europa Konsequenzen haben.

Am 28. August 1963 hielt Martin Luther King vor dem Lincoln Memorial in Washington, D.C. eine Rede. Es ist bis heute die berühmteste Rede, die er hielt: «I have a dream», wiederholte er immer wieder, «ich habe einen Traum». Wie eine Beschwörungsformel wiederholte er diesen Satz: «Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne ehemaliger Sklaven und die Söhne ehemaliger Sklavenbesitzer gemeinsam am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können», rief er. Und: «Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden.»

Martin Luther King träumt in der Rede davon, dass Afroamerikaner gleichberechtigt mit den weissen Amerikanern an einem Tisch sitzen. Dass es nicht mehr auf die Farbe der Haut ankommt. Dass sie also am grossen American Dream teilhaben können. Oder, wie Ronald Reagan es 1986 formulierte: «Wir wollen eine farbenblinde Gesellschaft.» Für Reagan war klar, dass Amerika das neue, heilige Land ist, das neue Jerusalem: Er sprach deshalb immer wieder von der «leuchtenden Stadt auf dem Hügel». Alle Amerikaner wollten am Traum dieses «heiligen Landes» teilhaben. Die Amerikaner waren sich einig, was ihr Land ausmacht.

Sie wollen ihren eigenen Tisch

Amy Chua, Professorin an der Yale University, hat schon 2018 ein Buch über Stammesidentität in der Politik geschrieben: «Political Triebs. Group Instinct and the Fate of Nations» heisst das Buch. Sie sagt, Amerika sei einmal eine Art Super-Stamm gewesen. Die Amerikanerinnen und Amerikaner waren sich einig, welche Werte in den USA wichtig sind und was es heisst, ein guter Amerikaner zu sein. Sie waren sich einig, wie der American Dream aussieht. Doch nicht alle Menschen in den USA konnten daran teilhaben. Afroamerikaner waren bis in die 70er Jahre weitgehend ausgeschlossen. Deshalb hat Martin Luther King dafür gekämpft, dass Afroamerikaner gleichberechtigt am grossen, amerikanischen Tisch sitzen dürfen.

Als Reaktion auf die Politik von Ronald Reagan entwickelte sich Ende der 1980er-Jahre eine ganz neue Bewegung. Amy Chua schreibt in ihrem Buch, es sei vielen Menschen bewusst geworden, dass die Konservativen dieses Konzept der Farbenblindheit dazu nutzten, ihre Privilegien und damit die Rassenungerechtigkeiten zu erhalten. Es fiel immer mehr auf, dass Amerika keineswegs farbenblind war und nicht alle Amerikaner die gleichen Chancen hatten. Amerika war mit anderen Worten nicht farbenblind, sondern weiterhin bloss weiss. Als Reaktion auf diese Erkenntnis änderte sich der Traum der Afroamerikaner in den USA: Sie wollten nicht mehr gleichberechtigt am Tisch der Weissen sitzen, sie wollten ihren eigenen Tisch.

Der «Super-Tribe» zerbricht

Oder, wie Amy Chua es formuliert: Das Bild der USA als «Super-Tribe», als ein einziger, grosser Stamm, zerbrach. Das Land teilte sich auf in einzelne Stämme mit einer je eigenen Identität. Arthur Landwehr, langjähriger Washington-Korrespondent der ARD, schreibt in seinem wirklich klugen Buch über die «zerrissenen Staaten von Amerika», es gehe den einzelnen Gruppen, den «Stämmen» in den USA, nicht mehr darum, einen Platz in der weissen Gesellschaft zugestanden zu bekommen. Diese Gruppen sagen, wie Landwehr schreibt: «Wir wollen keinen Platz, an dem eure Regeln gelten und eure Ideale, Traditionen und Konventionen von uns übernommen werden müssen. Wir haben unsere eigene Identität, die ihren eigenen Platz neben eurer bekommen muss. Wir wollen unsere Kultur pflegen und feiern, unsere Geschichte und unsere Geschichten erzählen, unsere Vorstellung von Schönheit und Wert hat die gleiche Bedeutung wie eure. Wir wollen nicht geduldet sein, wir wollen unseren Anteil, unseren eigenen Platz. Dafür müsst ihr euch ändern und Platz machen.»

Das gilt nicht nur für viele amerikanische Gruppen, also für Afroamerikaner und asiatischstämmige Amerikaner oder die verschiedenen Ausprägungen der LGBTQ-Community, es gilt auch für die Zuwanderer. Arthur Landwehr erzählt in seinem Buch von Begegnungen mit Menschen in den typischen Trump-Regionen. Zum Beispiel mit einer Familie im ländlichen Süden der USA, in einem kleinen Ort an der Grenze von Alabama zu Nordwest Florida. Grossmutter Vivian erklärt ihm: «Früher seien die Menschen ins Land gekommen, weil sie so werden und leben wollten wie die Amerikaner. Sie waren gekommen, um ihr altes Leben aufzugeben, ein neues zu beginnen. Sie lernten Englisch, übernahmen die amerikanische Lebensweise, die Feiertage, den Patriotismus, den Sinn für Familie. Manche änderten sogar ihren Namen, um sich besser in ihre neue Heimat zu integrieren. ‹Weisst du›, sagt Vivian im Interview, bei dem sie ein blau-rotes Trump-T-Shirt trägt, ‹früher kamen die Menschen hierher und sagten: ›Wie schön es hier ist, hier will ich leben und werden wie ihr!‹ Heute kommen sie und sagen: ›Wie schön es hier ist, hier will ich leben und so bleiben, wie ich bin!‹›»

Die Nation schafft keine Identität mehr

Die Menschen suchen in den USA zwar noch ihr Glück und ihre Zukunft, aber nicht mehr ihre Identität. Sie träumen nicht mehr den grossen, alle verbindenden American Dream. Sie identifizieren sich mit ihrer Gruppe, ihrer Ethnie, ihrer Religion – mit ihrem Stamm, wie Amy Chua schreibt. Und das ist nicht mehr der grosse Stamm der Amerikaner, es ist ihre eigene Gruppe. Sie fordern nicht mehr Inklusion in die (weisse) Mehrheitsgesellschaft, sondern Anerkennung als Gruppe, die sich von den Weissen unterscheidet. Sie fordern als Gruppe nicht mehr Gleichberechtigung mit den Weissen, sondern neben den Weissen. Barack Obama hat in seinem Wahlkampf noch gerufen, es gebe kein weisses und kein schwarzes Amerika, es gebe nur die vereinigten Staaten von Amerika. Dieser Traum ist vorbei: Es gibt keine universelle, gemeinsame nationale amerikanische Identität mehr. Amerika ist nur noch die Summe einer ganzen Gruppe von Stämmen mit je eigenen Identitäten.

Das ist nicht nur in den USA so. Auch bei uns ist Identität zum Zentrum der politischen Auseinandersetzung geworden. Auch bei uns geht es nicht mehr darum, dass die einzelnen Gruppen trotz ihrer Eigenschaften oder Andersartigkeit als Teil der Gesamtheit anerkennt werden. Die Forderung lautet, dass die Gruppen wegen ihrer Andersartigkeit als Gruppe anerkannt werden. Es geht nicht mehr darum, Frauen, Afroamerikaner oder Homosexuelle in die weisse, männliche Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Es geht darum, sie als Frauen, Afroamerikaner oder Homosexuelle daneben als gleichwertig zu akzeptieren. Der Fokus liegt also nicht mehr auf der Identität der ganzen USA, der ganzen Schweiz, von ganz Deutschland, der Fokus liegt auf der Identität der Gruppe und zwar der Gruppe in ihrer Unterschiedlichkeit. Diese Abgrenzung der «anderen» durch die Betonung der Unterschiedlichkeit, das ist das neue Stammesdenken. Es führt zu einem neuen, kleinteiligen «wir» und «die anderen».

Die Angst des Mittelstands

Bei den Wahlen in den USA (und auch bei uns) kommen erschwerend drei Faktoren dazu:

  1. die Abstiegsangst des Mittelstands
  2. die Polarisierung der Gesellschaft
  3. die Dynamik des Stammesdenkens

Beginnen wir mit der Angst des Mittelstands. Diese Angst wird oft kulturell als «White Anxiety» gelesen, weil die weissen Amerikaner in naher Zukunft in der Minderheit sein werden und damit auch die klassischen Werte der weissen Einwanderer in den Hintergrund rücken. Dieses diffuse kulturelle Unbehagen wird heute massiv verstärkt durch den klar bezifferbaren ökonomischen Abstieg der weissen Mittelschicht. Ausserhalb der grossen Städte an den Küsten reichen Arbeit und Fleiss nicht mehr aus, um für das eigene Alter vorzusorgen. Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass es den eigenen Kindern dereinst besser gehen wird. Das löst Existenzängste aus und verletzt die Menschen in ihrem Stolz. Kombiniert mit der kulturellen Bedrohung durch «die anderen» wird daraus die grosse Angst des Weissen Amerikas.

Der zweite Punkt: Die USA sind eine zutiefst polarisierte Gesellschaft. Das hat mit dem Zweiparteiensystem zu tun, in dem die Macht entweder den Roten oder den Blauen gehört, also den Republikanern oder den Demokraten. Es hat aber auch damit zu tun, dass es sich medial nicht mehr lohnt, eine vernünftige und pragmatische Politik zu machen. Auch die Medien sind zunehmend polarisiert und ergreifen lautstark für die Roten oder die Blauen Partei. Untersuchungen zeigen, dass die politische Mitte sich weitgehend geleert hat. Zwischen Republikanern und Demokraten gibt es kaum mehr Schnittmengen. Das verunmöglicht es in vielen Sachfragen, tragfähige Kompromisse zu schmieden und politische Lösungen zu finden.

Der Tribalismus in der Politik

Diese Unfähigkeit, mit dem politischen Gegner zusammenzuarbeiten, hat auch mit dem dritten Punkt zu tun, dem Einzug des Tribalismus in der Politik, wie ihn Amy Chua und auch Joshua Greene in ihren Büchern beschreiben. Der Wahlkampf ist keine Auseinandersetzung um Sachfragen mehr, er ist zum Kulturkampf um jene Themen geworden, die die Identität der Menschen ausmachen. Arthur Landwehr schreibt: «Über mehr Geld für Infrastruktur, neue Strassen oder selbst Krankenkassen kann man politisch diskutieren, über Abtreibung, Sexualität, was Freiheit bedeutet, Geschichtsschreibung in Schulbüchern, Religionsfreiheit oder soziale Gleichberechtigung nicht.» Die beiden grossen Stämme des Landes, die Republikaner und die Demokraten, definieren sich über jeweils ein Bündel von Werten und Haltungen, die sich gegenseitig ausschliessen.

Joshua Greene schreibt in seinem Buch, «Moral Tribes. Emotion, Reason and the Gap Between Us and Them», dass sich die Differenz zwischen den politischen «Tribes», den Stämmen, in der Öffentlichkeit an zwei Fragen entzünden: Sexualität und Tod. Bei der Sexualität geht es etwa um die gleichgeschlechtliche Ehe, Homosexuelle in der Armee oder die Aufklärung in der Schule, beim Tod geht es um Fragen zur Abtreibung, zum assistierten Suizid oder zur Forschung an Embryonen. Greene schreibt, es sei kein Zufall, dass die Haltung zu diesen Fragen die politischen Stämme definieren. Es seien die moralischen Kernfragen, die einen Stamm ausmachen. Jede Antwort, die von der Haltung des eigenen Stamms abweicht, wird als Verrat interpretiert. Als Verrat an der eigenen Identität.

Jetzt kombinieren wir diese Dynamik des Stammesdenkens mit der polaren amerikanischen Gesellschaft und ihren Medien und mit einem Mittelstand, der sich ohnehin verraten fühlt. Einer Bevölkerung in den ländlichen Gebieten der USA, die ihre Identität aus Religion und konservativen Werten schöpft. Die sie von den Medien, der Gesellschaft in den dynamischen Städten an den Küsten und der Technologiebranche verraten sieht. Und dann tritt ein Mann wie Donald Trump auf, der spricht wie sie und sich nicht an die Regeln der Intellektuellen in den Städten hält. Der es ihnen ermöglicht, wieder stolz zu sein. Kein Wunder, gewinnt der Mann in Iowa 51 % der Stimmen.

Was heisst das für uns hier in Europa?

Ich glaube, wir können drei Punkte aufnehmen daraus.

1. Auch bei uns sind die grossen «Stämme», also die Nationen, zerbrochen. Entscheidender ist heute das Milieu, in dem jemand lebt und arbeitet. Die Bauern in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich stehen sich näher als unterschiedliche Berufsgruppen innerhalb der Länder. Der Gegensatz zwischen Stadt und Land ist grösser als der Unterschied zwischen den Ländern. Und, das ist der Punkt, er ist mittlerweile auch identitätsstiftender.

2. Auch bei uns fordern einzelne Gruppen lautstark nicht mehr einen Platz am Tisch der Mächtigen, sondern einen eigenen Tisch. Sie fordern nicht mehr Akzeptanz trotz ihrer Andersartigkeit, sondern Akzeptanz in ihrer Andersartigkeit. Sozial schwächere Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft empfinden diese Forderung als Bedrohung.

3. Auch bei uns ist der Mittelstand ökonomisch unter Druck, wenn auch dank sozialer Auffangnetze und Absicherungen nie so stark wie in den USA. Auch wenn vor allem der untere Mittelstand deshalb weniger Existenzängste haben muss, so hat er doch, wie die Menschen in den USA, etwas wichtiges verloren: seinen Stolz.

Deshalb sprechen auch bei uns immer mehr Menschen an auf jene Politiker, die (oft wider besseres Wissen) versprechen, ihnen ihren Stolz zurückzugeben.

Ich glaube, auch bei uns geht es in vielen politischen Auseinandersetzungen viel weniger um die Sache als wir meinen. Es geht vielmehr um Identität, oder, wie Amy Chua und Joshua Greene schreiben, um Stammeszugehörigkeit und Stammesdenken.

Übrigens auch auf Seiten der so genannten urbanen Elite. Auch sie ist vereint in ihrem Stolz auf die urbane Lebensweise, ihre Werte und Haltungen, ihre  Toleranz gegenüber Minderheiten oder sexuellen Identitäten und zum Beispiel ihrem Stolz auf die Elektromobilität. Wenn in Deutschland heute E-Autos abgefackelt werden, geht es nicht um eine Diskussion um Antriebstechniken, sondern darum, diese urbane Elite in ihrem Stolz zutreffen.

Was können wir tun? Sachargumente nützen nichts. Es geht offensichtlich um Stolz und Identität, respektive um Scham und Angst vor Existenzverlust. Das lässt sich nicht in einer sachlichen Diskussion lösen. Das braucht mehr. Ich denke zum Beispiel an Anerkennung und Perspektiven.

Was meinen Sie?

Basel, 19. Januar 2024, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

PS: Nicht vergessen – Wochenkommentar abonnieren. Dann erhalten Sie jeden Freitag meinen Newsletter mit dem Hinweis auf den neuen Kommentar, einen Sachbuchtipp, einen Tipp für einen guten Roman und das aktuelle Fragebogeninterview. Einfach hier klicken. Und wenn Sie den Wochenkommentar unterstützen möchten, finden Sie hier die entsprechenden Möglichkeiten – digital und analog.

PPS: Wenn Sie den Wochenkommentar nur hören möchten, gibt es auch eine Audioversion. Hier der Link auf die Apple-Podcast Seite oder direkt auf die Episode:


Quellen

Bild: KEYSTONE/EPA/Michael Reynolds

Donald J. Trump während eines Wahlkampf-Auftritts in Portsmouth, New Hampshire, am 17. Januar 2024.

AP (1986): Reagan quotes King Speech in opposing minority quotas. In: The New York Times . [https://www.nytimes.com/1986/01/19/us/reagan-quotes-king-speech-in-opposing-minority-quotas.html; 19.1.2024].

Chua, Amy (2018): Political tribes. New York: Penguin.

Greene, Joshua (2014): Moral Tribes. New York: Atlantic Books Ltd.

Landwehr, Arthur (2024): Die zerrissenen Staaten von Amerika. München: Droemer Knaur.

Luther King, Martin (2023): «Ich habe einen Traum. In: US-Botschaft Und Konsulate In Deutschland. [https://de.usembassy.gov/de/ich-habe-einen-traum/; 19.1.2024].

Redaktion «Der Spiegel» (1996): Stadt Auf Dem Hügel. In: DER SPIEGEL. [https://www.spiegel.de/politik/stadt-auf-dem-huegel-a-fe5d2ecd-0002-0001-0000-000009081321; 19.1.2024].

Tobias, Haiko (2024): Zerstochene Reifen und Hackfleischattacken: Wie Elektroautofahrer in Deutschland gemobbt werden. In: DER SPIEGEL. [https://www.spiegel.de/auto/elektroauto-fahrer-werden-oft-gemobbt-was-steckt-hinter-der-wut-a-22efc214-9102-4426-a506-b130fbb70396?sara_ref=re-so-app-sh; 18.1.2024].

8 Kommentare zu "Donald Trump und die Identität"

  1. Welch eine hervorragende Auslegeordnung, Aufzeigung und Zusammenfassung der Vorgänge in USA und Europa.
    Auch ich träumte mal, auszuwandern. USA-Träume. Ich träumte vom kleinen Bungalow, grossen Wagen, Platz, Weite, amerikanischer Lebensart, Kultur, Musik, Small-Talk an der Ladenkasse, positive Oberflächlichkeit und schönem Wetter. Ich wollte mich neu erfinden und anpassen. So wie die Vorgänger es taten: Iren, Italiener, Portugiesen, Deutsche, Polen, Schweizer, Franzosen wurden erfolgreich. Ortsnamen wie Heidelberg (Texas), Paris (Lamar County,Texas), NewBern (NC), Detmold, Braunfels, Fulda, Paderborn, Rome (Georgia), London (Ohio), Dublin (California) usw. zeugen davon.
    Alles wurde im Wochenkommentar gesagt. Heute kommen Millionen mit dem Ziel, ohne Anpassung Geld zu machen. Parallelgesellschaften mit dem klaren Auftrag (z.B. Islamisten in Europa), ihre Kultur zu verbreiten, koste es was es wolle.
    Dann noch die Bilder der Migrantenkarawane Richtung USA. Der gesamte Süden; tausende Menschen z.B. aus Venezuela, Honduras, El Salvador, Guatemala, Nicaragua oder Haiti. Alles ist auf den Beinen nach Norden. Wie eine Riesendemo-Schlange. Gigantisch prägt sich dies in das Hirn ein / daneben das Bild eines alten, weissen, hageren und (anscheinend) vergesslichen Joe Biden (81). Das Hirn kombiniert: Massen, durchlässige Grenzen, alle wollen (meinen) Job, Haus, Auto, Reichtum egal wie. Konkurrenz, Verlustangst. Abwehr.
    Und dann kommt Trump. Alles andere erklärt sich von selbst.
    Ein Kollege aus den USA (eigentlich Demokrat) sagt selbst: Die uferlose Einwanderung ist ein echtes Problem.
    Natürlich gibt es in den USA auch Millionen, die das problemfrei sehen und Tür und Tor für jegliche Kulturen weiterhin öffnen möchten.
    Wer wird siegen am Fallbeispiel USA? Ich verstehe beide Seiten total.

    Auch in Europa: Uferlose Zuwanderung. Einige Länder riegeln schon ab; die Schweiz und Deutschland setzten weiterhin auf die Schengen-Regelung. Selbst wenn sie funktioniert, die EU vermehrt sich, trotz Geburtenflaute, rasant. Sprich die EU-Pässe: Clevere Südamerikaner trampeln nicht in der Karawane mit nach USA, sondern schauen, dass sie in Portugal oder Spanien an EU-Pässe gelangen. Mit Beziehung. Und von dort geht’s weiter in Hochlohnländer. Rumänien – das EU-Einfalltor von Südost. In Rumänien gibts EU-Pässe für Moldawier, Ukrainer, Kasachen. Und in Zypern für den Rest der Welt. Alle wollen ein Stück vom Kuchen, doch irgendwann ist das letzte Krümel weg. Für Einheimische und für Zuwanderer. Die AfD in D, RN in F usw. sind deswegen im Hoch. Überbauung der Landschaft, Überlastete Schienen (ÖV) und Strassen (6-Spur-Autobahn-Ausbau ein muss?!?) Wohnknappheit sind ebenfalls Folgen.
    Natürlich – auch hier – gibt es tausende welche es anders sehen. Allein in Nordrhein-Westfalen (D) z.Z. (Anti-AfD) Demos in Nettetal, Bielefeld (DGB, Bund, SPD, Linken), Bochum, Jülich, Minden, Detmold, Gummersbach, Münster, Iserlohn und Wuppertal.
    Dies im krassen Gegensatz zum Vorkommen an einer Schule in Neuss, wo Oberstufen-Schüler ultrastrenge Islam-Regeln durchsetzen wollen. Sie führen sich als «Scharia-Polizei» auf und drohen mit Steinigung als Strafe für Verstösse wenn keine Trennung im Schwimmunterricht, keine Bedeckung von Arme, Beine und Fussknöchel bei Mädchen. Schülerinnen sollen sich Verschleiern.
    Ideen welche es nicht gibt in Deutschen Schulen? Fürs Freitagsgebet schulfrei fordern = undenkbar? In der Schule wird schon beobachtet, wie die Zahl der streng gekleideten Mädchen zunahm.
    Mehrere Schüler folgten anscheinend aus Angst den Anweisungen, einige nicht muslimische Schüler konvertierten zum Islam. Damit nicht genug: „Während des Unterrichts konnte man beobachten, wie sich die Sitzordnung in den Klassen änderte“, so eine Schülerin. „Die Schüler setzten sich getrennt nach Geschlechtern, wobei die Jungen im vorderen Teil der Klasse sassen, die Mädchen nach hinten verbannt wurden. Beim Ansprechen schauten die Schülerinnen den männlichen Lehrern nicht mehr ins Gesicht.“ usw usw….

    Es ist so viel im Gange in diesem Bereich, dass alle radikaler werden. «AfD verbieten» schreien die einen radikal, was die anderen (AfD) natürlich auch wieder zornigradikaler macht.
    Und da gelingt M. Zehnder es, in Ruhe und Ausgeglichenheit darüber zu berichten. Eine Seltenheit. Die grosse Ausnahme. Eine Perle eines Artikels. Danach kann man in den Medien heute lange suchen. Doch sucht man nicht auch als Mensch sofort nach einer Lösung, einem Ausweg, nach innerem Frieden in den Ländern (und bei sich selbst). Mein (ich geb’s zu) wenig erbauendes Fazit: Es ist so oder so zu spät. So oder so.

    1. Sie haben aber schon mitbekommen, dass es in meinem Kommentar nicht um Zuwanderung geht, oder? Es geht um die Frage der Identifikation und das neue Stammesdenken, wie es Joshua Grenne und Amy Chua in ihren Büchern dargelegt haben. Das hat mit Zuwanderung primär gar nichts zu tun, sondern damit, dass sich die meisten Menschen heute stärker mit ihrem Milieu als mit ihrem Land identifizieren. Auch bei uns.
      Wir haben in der Schweiz KEINE uferlose Zuwandern, 2023 betrug die Nettozuwanderung in der Schweiz etwas mehr als 100’000 Menschen. Die meisten Einwanderer kamen 2023 aus den Nachbarländern Deutschland, Italien und Frankreich. Hauptgrund für den Zuzug in die Schweiz ist eine Arbeitsstelle. Das hat nichts mit einer Migrantenkarwane zu tun, nichts mit Muslimen, nichts mit Südamerika.
      Warum? Die geburtenstarken Jahrgänge werden pensioniert, viele Branchen suchen händeringend Personal, die Arbeitslosenquote ist um 2%, saisonbereinigt sind über 40’000 Stellen in der Schweiz offen.

      1. Natürlich habe ich den Inhalt Ihres, so empfinde ich, formidablen Wochenkommentars gelesen sowie vorgelesen bestens mitbekommen.
        Sie brachten mit Ihren Zeilen über Identifikation und neues Stammesdenken ganz neue Gedanken zu mir in Sachen – wenn wir es nicht Völkerwanderung nennen wollen – dann „Rumoren in den Länden“ wegen des Eindringen von „anderen Stämmen“ in langjährig „eingeborene Stämme“. Auf den Punkt. Direkt. Wenn ich dann auf Zuwanderungsproblematiken kam liegt das bei mir jedoch nahe. Genau das ist es, weshalb es überall „rumpelt“ – und niemanden kaltlässt. Kalt lässt mich auch nicht, dass vergangenes Jahr, Sie sagten es, (wieder) mehr als 100’000 Menschen in die CH einwanderten. Natürlich kommen dann gleich die Fakten: 40’000 Stellen in CH offen, Arbeitslosenquote 2% (ohne ausgesteuerte oft ältere CH-Menschen)… Klar punkten die CEO’s, die FDP’s und Unternehmerforen, die Business-Logen, die Wirtschaftskammern und Handelskammern mit klaren, nackten, kalten Zahlen.
        Doch Vielen geht es um anderes, um mehr (das ein Land ausmacht), um Leben und Gesellschaft, um Weite und Dichte, nur nicht um Ziffern und Zahlen unterm Strich…. Wochenkommentar = Inspiration pur….

  2. Ich danke ganz herzlich für die Analyse und Überlegungen zu „Trump und Identität“ .
    Es sind genau diese Überlegungen und Gedankengänge, die wir in unserer verwirrenden, von Aggressivität strotzenden Welt brauchen. Sie geben Hoffnung und ermöglichen das entdecken neuer Interventionsstrategien.

  3. Die Nation der USA scheint im Speziellen ebenso ein Auslaufmodell wie im Generellen eine „Zuvielisation“, die autoritär-bürokratisch-hierarchisch-totalitär und industriell-mechanistisch-militärisch-technokratisch begründet ist. Diese Zuvielisation (Link: https://www.manova.news/artikel/die-zuvielisation) gründet auf, und mündet in Konkurrenz oder gar Krieg. Eine Weltgemeinschaft und eine entsprechende Identität sind nur mit einem „Wir“ möglich, das andere nicht ausschliesst oder gar bekämpfen will: wie es für Parteien, Ideologien, Nationen und Religionen das Übliche sein kann.
    Hier dazu eine Meditation für Gemeinschaftsbildung und für eine andere Welt:
    Wir sind, die wir sind.
    Mögen wir in unseren Herzen wohnen.
    Mögen wir unseren inneren Frieden finden.
    Mögen wir uns selbst genügen und glücklich sein.
    Mögen wir uns ganz, heil und wohl geborgen fühlen.
    Mögen wir unbeschwert und friedvoll unterwegs sein.
    Mögen wir aus und in Liebe leben.
    Ich bin, der ich bin.
    Du bist, wer Du bist.
    Wir sind, die wir sind.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.