Donald Trump, Fake News – und Fake Politik. Was nun?

Publiziert am 13. Januar 2017 von Matthias Zehnder

An seiner ersten Pressekonferenz gab der gewählte US-Präsident Donald Trump kaum Auskunft auf Fragen, dafür kanzelte er die Medien ab und erklärte sie zu «Fake News». Sind gefälschte Nachrichten wirklich das Problem? Auch bei uns? Oder sind es vielleicht nicht die Fake News, die uns in nächster Zeit beschäftigen werden, sondern die «Fake Politik» des egozentrischen Baulöwen, der jetzt den Präsidenten spielt? Eine kleine Handreichung für den Alltag.

Ich gebe Ihnen keine Frage. Ihre Organisation ist schrecklich. Sie sind Fake News. So kanzelte Donald Trump, Bald-Präsident der USA, nicht etwa eine extremistische Plattform oder ein Schmierenblatt ab, sondern den Nachrichtensender CNN und seinen Reporter Jim Acosta. Grund für die präsidiale Attacke: CNN hatte darüber berichtet, dass der President Elect von den Geheimdiensten über die Existenz eines 32-Seitigen Memos unterrichtet worden war. In diesem Memo warnt ein ehemaliger britischer Geheimdienstmitarbeiter, dass der russische Geheimdienst Donald Trump dank stark belastendem Material in der Hand habe. Hat CNN also Fake News verbreitet?

Die Vorgänge haben drei Ebenen. Da ist zunächst das Memo selbst. Der Bericht ist nicht verifizierbar. Ist das Memo Fake News? Die Medien haben darauf verzichtet, den Bericht zu veröffentlichen. Alle – ausser Buzzfeed. Die Onlineplattform hat den Bericht ins Web gestellt. Ist dieser Bericht über das Memo Fake News? Die New York Times und CNN haben darüber berichtet, dass die Geheimdienste Donald Trump über die Existenz des Memos informiert haben. Ist dieser Bericht über die Tätigkeit der Geheimdienste Fake News?

Was sind Fake News?

«Fake» bedeutet auf Deutsch «Fälschung». «Fake News» bezeichnet Nachrichten, die bewusst gefälscht worden sind. Meist handelt es sich dabei um Nachrichten, die in sozialen Medien kursieren. Sie sind so gestaltet, dass sie viel Aufmerksamkeit holen und Empörung auslösen – und deshalb rasch geteilt werden.

Beispiele für gefälschte Nachrichten waren im letzten Jahr die Nachricht, dass Papst Franziskus Donald Trump unterstütze oder dass der FBI-Agent, der den E-Mail-Skandal von Hillary Clinton untersucht habe, tot aufgefunden worden sei. Diese Nachricht war von Jestin Coler erfunden worden. Er ist Besitzer der Firma Disinfomedia.inc, die sich auf das Erfinden von Nachrichten spezialisiert hat. Denn das ist lukrativ: Solche empörenden Nachrichten können mehrere Tausend Dollar Werbeeinnahmen generieren – pro Tag!

Fake News als Kampfbegriff

Gefälschten Nachrichten sind nichts Neues. Früher nannte man sie Zeitungsenten oder Hoax-Nachrichten. Zu den berühmtesten Falschnachrichten gehört die Geschichte von George Turklebaum, der in New York fünf Tage lang tot an seinem Schreibtisch gesessen haben soll, ohne dass es seinen Kollegen auffiel. Diese Geschichte, ursprünglich eine Scherzmeldung in einem Satiremagazin, schaffte es sogar in die Londoner Times und den Guardian. Falschnachrichten kennen wir auch in Basel. Ein Beispiel ist die unter dem Stichwort «Schwedenreisli» bekannt gewordene Falschnachricht über eine angeblich üppige Reise des Baudepartementkaders nach Schweden. Journalisten sind darauf trainiert, solche Falschmeldungen zu erkennen – oder sie sollten es sein. Neu ist, dass Falschnachrichten über soziale Netzwerke von Menschen weiterverbreitet werden, die sich keine Gedanken darüber machen, ob die Nachricht stimmt oder nicht.

Wenn Donald Trump den Nachrichtensender CNN beschuldigt, Fake News zu sein, steckt aber etwas anderes dahinter. Für Donald Trump ist «Fake News» zu einem Kampfbegriff geworden, den er gegen Nachrichten einsetzt, die ihm nicht passen. In fünf von zehn seiner letzten Twittermeldungen wettert er über Fake News. Etwa: .@CNN is in a total meltdown with their FAKE NEWS because their ratings are tanking since election and their credibility will soon be gone! Also etwa: CNN ist im totalen Zusammenbruch begriffen mit ihren Fake News, weil ihre Quoten baden gehen seit den Wahlen und ihre Glaubwürdigkeit bald dahin ist. Donald Trump nutzt Fake News mittlerweile als Kampfbegriff à la Lügenpresse.

Nicht jede falsche Nachricht ist eine Fake News

Wer Trump darin folgt, macht zwei Fehler: Er verwechselt falsch und gefälscht und unzutreffend und unerwünscht. Nicht jede falsche Nachricht ist eine Fake News. Eine falsche Wetterprognose zum Beispiel ist keine Fake News. Wenn Donald Trump und seine Supporter im Wahlkampf meldeten, Barack Obama sei kein Amerikaner, sondern in Kenia geboren, dann war das eine gefälschte Nachricht (und damit eine Fake News), weil längst bewiesen ist, dass Obama auf Hawaii geboren wurde und Trump selbst das genau wusste. Es war also Desinformation mit politischen Zielen.

Wenn eine Nachricht unerwünscht ist, dann macht sie das nicht zur Fake News. Donald Trump mag sich über die Berichterstattung von CNN ärgern – ein Fake ist sie nicht. Fake News haben mit Erwünschtheit zu tun: Erfolgreiche Fake News zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie etwas melden, das besonders gut ins Weltbild der Zielgruppe passt – und aus deren Sicht von den klassischen Medien «verschwiegen» wird. Etwa, dass Flüchtlinge in Deutschland 16 Euro pro Mahlzeit erhalten, deutsche Sozialhilfeempfänger aber nur 4,72 Euro. Komplett falsch und völlig verdreht, wie Mimikama aufzeigt. Die Organisation informiert seit 2011 Internetnutzer über Falschmeldungen und Betrug im Internet.

So enttarnen Sie Fake News

Und wie findet man heraus, ob eine Nachricht ein Fake ist? Indem Sie mit Google nach Bestandteilen der Nachricht suchen. Geben Sie einfach die wichtigsten Angaben ins Suchfeld ein, also zum Beispiel Flüchtling 16 Euro pro Mahlzeit oder Obama Kenia Geburtsurkunde dann finden Sie meistens Hinweise darauf, wie es um den Wahrheitsgehalt der Nachricht bestellt ist. Viele Fake News drehen lange im Internet und tauchen immer wieder auf, deshalb finden sich auch rasch Hinweise auf deren Wahrheitsgehalt. Sie können mit Google übrigens nicht nur nach Text suchen, sondern auch nach Bildern. Dazu können Sie Googles umgekehrte Bildsuche nutzen: Sie laden das Bild hoch und Google sucht im Internet, ob ähnliche Bilder verfügbar sind. Fälschungen lassen sich auf diese Weise rasch enttarnen.

Im Fall der Geheimdienstreporte rund um Donald Trump hilft Ihnen die Google-Suche nichts, weil der Sachverhalt nicht klar ist. Es ist nicht bekannt, ob Donald Trump sich tatsächlich in Moskau mit Prostituierten im Hotel vergnügt hat, wie das Memo suggeriert. Man weiss nichts über allfällige Kontakte zu Russland. Es ist unbekannt, ob der russische Geheimdienst tatsächlich in der Lage ist, Trump zu erpressen. Es existiert aber ein Memo und die Geheimdienste haben Trump und Obama vor diesem Memo gewarnt. Trumps Verhältnis zu Russland ist quasi ein rosaroter Elefant, im Memo wird der rosarote Elefant beschrieben und der Bericht der Geheimdienste handelt vom Memo. Über all das zu berichten, hat nichts mit Fake News zu tun – so lange die Berichte klarmachen, dass die Existenz des rosaroten Elefanten alles andere als sicher ist. Die amerikanischen Medien (ausser Buzzfeed) haben denn auch erst über die Angelegenheit berichtet, als die Geheimdienste sich eingeschaltet hatten.

Eigentlich geht es um Fake Politik

An all den Nachrichten, sorry Mr. Trump, ist also nichts Fake, weil die Nachrichten den rosa Elefanten nicht behaupten. Donald Trump hat sich trotzdem fürchterlich aufgeregt und sich sogar mit einem CNN-Reporter angelegt. Warum macht er das? Vermutlich kam ihm der rosa Elefant gelegen. Er konnte damit von einem anderen Thema ablenken: Von der Scheinübergabe der Geschäfte an seine Söhne und von seiner Weigerung, eine Steuererklärung zu veröffentlichen. Die grosse Aufregung um Fake News sollte also schlicht von Trumps Fake Politik ablenken. Das ist denn auch das eigentliche Problem dahinter: Fake News befördern Fake Politik. Gefälschte Nachrichten machen gefälschte Politik möglich. Auch bei uns.

Wie können Sie sich dagegen wehren oder davor schützen? Mit drei Fragen:

  1. Stimmt das? Suchen Sie mit Google nach der Nachricht oder dem Bild wie oben beschrieben.
  2. Wem nützt das? Zweifel sind insbesondere dann angebracht, wenn die Nachricht demjenigen nützt, der sie überbringt.
  3. Ist die Quelle glaubwürdig? Da steckt das grösste Problem. Soziale Kommunikation im Internet wird heute von vielen Menschen als glaubwürdiger empfunden als professionelle Medien und Institutionen.

Und zum Schluss eine Bitte: Nehmen Sie das Thema Fake News (und Fake Politik) nicht auf die leichte Schulter. Es ist wie bei einem Medikament: Eine Fake Pille kann zu ganz realen Schmerzen führen.

Präsident Trump: Die Medien sind schuld

2 Kommentare zu "Donald Trump, Fake News – und Fake Politik. Was nun?"

  1. Wer faket und Blöd-, Gemein-, Irr-, Stumpf-, Un-, Wahn- oder Widersinn verzapft, sollte doch eigentlich gar nicht gewählt werden, bzw. nicht im Amt bleiben können? Oder lehren uns Trump und Konsorten, dass es gerade umgekehrt ist? So, wie wenn ein Schweizer Nationalrat sagt, das Burkaschreckgespenst auf dem Plakat der Sennenhund- und Volkstanz-Partei (SVP) solle uns „in die Köpfe chlöpfen“?

  2. Zur Ergänzung: Eine Kleinstadt in Mazedonien, genauer in Veles, lebt praktisch von „Fake-News“. Die ehemalige Stadt des Stahls und des Eisens liegt, wie so viele im Balkan, danieder. Auf dem Markt herrscht trostlose Stimmung. Ehemalige Stahlarbeiter trinken Kaffee und spielen Karten, die Frauen schleppen Essen heim und kochen und waschen; typische Balkan-Stimmung eben. Für die, welche keine Verwandten in der Schweiz haben, die sie mit Geld versorgen (oder wie viele direkt von Schweizer IV- und AHV-Renten in Veles leben), sah es bis unlängst düster aus.
    Doch mit „Fake-News-Produzieren“ kommt neuer Schwung in die Stadt. Es werden Häuser renoviert und schnellstmöglich Luxuswagen (allesamt germanische Modelle) erstanden. Es werden Märchengeschichten erfunden, dass dieser oder jener Star die Treppe runterstürzte, dass in Dallas eine Schiesserei stattfand, dass in Vancouver der Fernsehturm schrägsteht. Stimmt alles nicht – aber es taucht im Netz auf und bringt viele Klicks. Und je mehr Klick solche erschaffenen Netzseiten haben, je mehr Geld für unsere Mazedonischen Freunde aus Veles. Im STERN oder auch in der ZEIT stand: „Oma klickt mit!! – ja der ganze Ort ist im Klick-Fieber“. „Abends um 22 Uhr sind die Strassen wie ausgestorben, da dann in USA Nachmittagszeit ist und nun viele glaubwürdige Klicks abgesetzt werden müssen“. Und „überall schimmert aus den Fenstern bläulich-flackerndes Licht der Bildschirme“. Eine gespensterische Stille am Abend, dafür umso lauteres Feilschen morgens im Cafe Akvarius. Jeder erzählt lautstark, wieviel reicher er geworden ist. Und eben – besonders gut lief das Geschäft zur US-Wahlkampfzeit. Fast minütlich wurden Seiten aufgeschaltet, in dem „Trump mit einem Freudenmädchen gesichtet wurde“, „Trump in ein Radarblitz tappte“, „Trump einem Kellner Tomatensauce ins Genick goss“ usw usw… Märchen, Lügen welche gelesen wurden und Klicks/Geld generierten…..
    Ich hoffe, mit meinen Zeilen den lesenswerten Beitrag von M. Zehnder bereichert zu haben…
    Nur schade, wurde auch diesmal ausschliesslich auf Trump „getrampelt“… Das was er sagt, ist teilweise unschön. Doch soll man Menschen nicht danach bewerten, was sie SAGEN, sondern was sie TUN. Und da hat er das bessere Händchen. Eine US-Autofirma wollte in Mexiko eine neue Fabrik bauen, weil sie dort um die Hälfte billiger produzieren könnte. Dann kündigte Trump an, die Importzölle aus Mexiko stark anzuheben. Nun haben die Autobauer entschieden, die Fabrik im eigenen Land, in den USA zu bauen. Auf einen Schlag entstehen somit mindestens 10´000 neue Arbeitsplätze im Land anstelle x-Billiglohnjobs in Mexiko. Das Modelabel „American Apparel“ war das einzige, welches ihre Kleidung vollständig in den USA produzierte. Also Stoffherstellung, Nähen usw… Natürlich ist es z.Z. im Konkurs. Gegen die 2- Dollar-Konkurrenz aus China, welche unter bedenklichen Arbeitsbedingungen hergestellt wird, vom Umweltschutz schon gar nicht zu reden, kann kein US-Unternehmen bestehen. Im Zuge des neuen Trump-Schwungs, der neuen „America-First-Welle“ hat bereits der Amazon-Chef angekündigt, das identidätsstiftende (Hipster-)Label zu übernehmen und zu retten. Vielleicht werden auch die Ur-Ur-US-Schuhe „Converse“, mit denen schon die „Stones“ rockten und welche vor 3 Jahren zur Produktion nach China ausgelagert wurden, bald wieder in den USA produziert.
    Gestern las ich, dass er gegen die Pharma-Lobby angeht. Die Medikamentenpreise in den USA sind so hoch wie nirgens. Auch Roche, Novartis und Co zockten den US-Markt in den letzten Jahren (Obama-Jahren) kräftig ab. „Es wird schwer, bei so vielen Pharma-Lobbyisten in Washington“, trotzdem will er es tun. Die Pharma-Aktien tauchten schon, auch in der fetten Komfortzone Basel mäklet man darüber; doch ein Präsident, welcher sich so fürs Land einsetzt, hat die Masse der US-Bürger noch nie erlebt.
    Nicht die Medien bestimmen, nicht die Trump-lästernden Hollywood-Stars sind wichtig (die für nichts überstbezahlte Schauspiel-Elite), nicht der Trump-lamentierenden Schweizer Austauschschüler vom Zürichberg ist von Bedeutung, sondern diesmal geht es um den Arbeiter im Rostgürtel der USA, dem Burgerbrater um 3 Uhr morgens, dem Grilleur bei KFC, den FedEx-Fahrer im Dauerstress und der Näherin in Mississippi. Sie sind nicht Menschen grosser Worte, sie Machen. Und – Sie lasen es – an Taten soll man messen – nicht an Worten! Trump ist da das beste Beispiel.

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