Die Demokratie hat den Wolf

Publiziert am 11. September 2020 von Matthias Zehnder

Der Wolf ist los. Könnte man meinen. In den Bergkantonen jedenfalls ist deswegen der Teufel los: Sie fordern die Städter schon fast ultimativ auf, das neue Jagdgesetz anzunehmen. Das würde es nämlich ermöglichen, Wölfen auf den Pelz zu rücken. Als Städter beschränkt sich meine Beziehung zu Wölfen auf die Märchen der Gebrüder Grimm. Ich kann mit dem neuen Jagdgesetz deshalb nicht warm werden. Aus der Abstimmung habe ich aber etwas über unsere Demokratie gelernt, das mir zu denken gibt.

Meine nachgeholten Sommerferien habe ich im Val Lumnezia verbracht, dem «Tal des Lichts». Das ist ein Seitental der Surselva von Ilanz aus südwärts, westlich und oberhalb des Valsertals. Das Schöne daran ist, dass es eigentlich kein Tal ist, sondern eine Talschulter: Man hat Weitblick und viel Licht. Im Val Lumnezia liegen Vella, Vattiz, Vignogn, Lumbrein und Vrin, kleine Dörfer, die in der Nachsaison sehr ruhig sind. Die Hänge im Tal schwingen sich sanft hoch zum Piz Sezner. Da stehen noch Hinweistafeln aus dem Winter: die Pisteninformationen des Skigebiets Obersaxen. Zuhinterst im Tal liegt das Maiensäss Puzzatsch, dahinter windet sich ein Wanderweg hoch zur Greinaebene.

Es ist eine wunderschöne Landschaft, die zudem in den 70er Jahren nicht durch klotzige Bauten verschandelt wurde. Aus Vrin stammt der bekannte Architekt Gion A. Caminada. Nicht nur in Vrin hat er seine Handschrift hinterlassen: sanft renovierte historische Gebäude und Neubauten, die sich nahtlos einfügen in die bestehende Bausubstanz und die sanfte Landschaft. Alles wunderbar und harmonisch also – würden nicht an jedem zweiten Heuschober Plakate hängen, die für das neue Jagdgesetz werben.

Eine Drohung an die Städter

«Sicherheit für Tiere, Landschaften und Menschen», steht da in grossen, schwarzen Buchstaben auf exakt demselben Grün, aus dem die Bio-Suisse-Tafeln an den Bio-Bauernhöfen sind. Darunter folgt die Parole: «Fortschrittliches Jagdgesetz Ja». In Grün. Nun ist mir schleierhaft, wie ein Jagdgesetz eine Landschaft sicher machen kann. Es wäre mir neu, dass sich Lawinen und Murgänge von einem Gesetz beeindrucken lassen. Um was es wirklich geht, wird mir mit einem anderen Plakat klar gemacht. Es ist eigentlich kein Plakat, sondern ein weisses Leintuch, das jemand eher ungelenk mit schwarzer Farbe beschriftet hat. Da steht: «Bleibt der Wolf, geht der Bauer, ohne Bauern stirbt die Stadt.» Verziert ist das ganze mit einem grossen schwarzen Kreuz, das zur Sicherheit noch mit einem Ausrufezeichen ergänzt worden ist.

Das Leintuch hängt an den Balken eines Stalls oder Heuschobers in typischer Strickbauweise oberhalb von Lumbrein. Anders als die Wischiwaschi-Werbebotschaft von «Sicherheit für Tiere, Landschaften und Menschen» bringt das Leintuch die Sache auf den Punkt: Die Bauern wollen mit dem neuen Jagdgesetz dem Wolf auf den Pelz rücken. Und sie drohen den Städtern: Wenn ihr uns das neue Jagdgesetz nicht gebt, dann ist es aus mit uns und ihr könnt selber schauen, wo ihr eure Nahrungsmittel herholt. Schliesslich wächst die Pastmilch nicht in der Migros.

Der Wolf ist doch viel cooler

Zuerst habe ich mich über die vielen Plakate und das Leintuch mit dem schwarzen Kreuz geärgert. Gerade das Kreuz zeigt doch, was das Problem ist. Der Bauer, der das Plakat gemalt hat, wusste nicht einmal, wie man «Stadt» schreibt. Den Fehler hat er dann mit einem dicken Kreuz übermalt. Und überhaupt. Wenn der Wolf nicht stirbt, dann stirbt die Stadt. Die Erpressung ist doch lächerlich. Wenn der Wolf weiter in unseren Bergen herumstreunt, gibt es vielleicht ein Pro-Montagna-Lämmchen weniger – aber deswegen stirbt doch nicht gleich die ganze Stadt. Im Gegenteil: der Wolf lebt. Das ist doch auch etwas.

Ich muss an dieser Stelle vielleicht einfügen, dass ich mein Wissen über Wölfe hauptsächlich den Gebrüdern Grimm und Jack London verdanke. Und ehrlich gesagt: Im «Wolf und die sieben Geisslein» fand ich die Geisslein immer etwas doof. Der Wolf muss sich nur Mehl an die Pfoten schmieren und Kreide fressen – schon öffnen ihm die Geisslein die Tür. Wie blöd kann man sein. Da fand ich den Wolf doch viel cooler, der sich das mit dem Mehl und der Kreide hat einfallen lassen. Bloss schade, schlägt er sich den Bauch so voll, dass er gleich einschläft und die Geissenmutter ihm die Geisslein aus dem Bauch schneiden kann. Und am Schluss fällt er mit all den Steinen im Bauch auch noch in den Brunnen. Naja.

Kein Wunder, sind die Bauern sauer

Die Plakate haben mich geärgert. Also ging ich der Sache etwas nach. Vereinfacht gesagt ist es so, dass die Städter auf der Seite des Wolfs stehen und die Bergler auf der Seite der Geisslein. Oder der Lämmlein. Das Jagdgesetz legt fest, welche Wildtierarten gejagt werden dürfen und wann die Jagd erlaubt ist. Als das Gesetz 1986 beschlossen würde, gab es in der Schweiz keine Wölfe (mehr). Mittlerweile sieht das anders aus: Heute leben laut Abstimmungsbüchlein des Bundes[1] in acht Rudeln rund 80 Wölfe in der Schweiz. Und die fressen nicht nur Gemsen und Rehe, sie verlustieren sich auch an Schafen und Ziegen. Laut Abstimmungsbüchlein haben die Wölfe in den letzten zehn Jahren jedes Jahr 300 bis 500 Schafe und Ziegen gerissen.

Kein Wunder, sind die Bauern im Val Lumnezia sauer. Das neue Jagdgesetz soll es den Kantonen erlauben, das Wachstum und die Verbreitung der Wolfsbestände zu kontrollieren. Sie können dabei Wölfe auch präventiv zum Abschuss freigeben, also noch bevor sie einen Schaden überhaupt angerichtet haben. Zudem regelt das Jagdgesetz, wie die Bäuerinnen und Bauern für den Verlust von Tieren entschädigt werden, die der Wolf gerissen hat. Kein Wunder, hängt an jedem zweiten Heuschober im Val Lumnezia ein Plakat, das für das neue Gesetz wirbt.

Lockruf der Wildnis

Der Wolf also frisst jedes Jahr 300 bis 500 Schäflein. Allerdings muss man dazu wissen, dass in der Schweiz 350’000 Schafe leben. Während der Sömmerung auf den Alpen gehen jedes Jahr 4700 Tiere verloren durch Krankheit, Stürze, Blitz- und Steinschlag. Die Schafe, die der Wolf reisst, machen also nicht einmal zehn Prozent der Schafe aus, die in so einem Sommer verloren gehen.[2] Wenn ich die wilde Entschlossenheit der Lumnezer Bauern in Betracht ziehe, dann dürfte das neue Jagdgesetz die Wölfe in der Schweiz deutlich stärker dezimieren. Das ist schade um den Wolf. Sagen wir Städter, die den Wolf vor allem aus «The call of the Wild» von Jack London kennen. Bis heute hallt er nach, der «Ruf der Wildnis». Und es wäre doch romantisch, wenn wir in den Schweizer Alpen auch noch etwas Wildnis bewahren könnten. Oder? Das denke ich mir wenigstens in meinem Lesestuhl in Basel. Und genau das ist das Problem.

Das Jagdgesetz ist letztlich eine dieser Schweizer Abstimmungen, die in der ganzen Schweiz entschieden wird, aber nur in wenigen Landesteilen Auswirkungen haben wird. Wenn wir Städter uns aus romantischen Gründen für den Wolf und gegen das Jagdgesetz entscheiden, ist das ein Entscheid ohne Risiko. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir in Basel ein Wolf begegnen wird, ist doch sehr klein (ich rede für einmal nicht von Wölfen in Menschengestalt). Wenn ich die Auseinandersetzung rund um das Jagdgesetz betrachte, könnte man auch sagen: Die Bergbevölkerung bittet die Städter um Solidarität. Und wir Städter sollten die Bitte ernst nehmen. Zumal am selben Abstimmungswochenende eine Initiative zur Abstimmung kommt, die in den Städten schlecht ankommt, aber in den Bergen wohl auf Zustimmung stossen könnte. Ich meine die Begrenzungsinitiative. Sie hätte auf das Leben in Basel oder in Genf verheerende Konsequenzen.

Liebe Bergler, machen wir doch einen Deal, seien wir solidarisch miteinander. Wir Städter nehmen das Jagdgesetz an, dafür lehnt Ihr die Begrenzungsinitiative ab. Was meint Ihr?

Die Plakate (und das Leintuch) für das Jagdgesetz haben mich noch etwas anderes gelehrt: etwas über die Schweizer Demokratie. Als guter Schweizer habe ich die Demokratie in der Schweiz immer für Selbstbestimmung gehalten. Denn das entspricht dem Schweizer Mythos: Die alten Eidgenossen haben die Fuchtel der fremden Fürsten abgeschüttelt und bestimmen seither selbst über ihr Schicksal. Die Abstimmung über das Jagdgesetz zeigt: So einfach ist es nicht. Die Schweizer können zwar selber bestimmen, das ist aber noch keine Selbstbestimmung. Es kann gut sein, dass das Jagdgesetz in den Städten abgelehnt und in den Bergen angenommen wird – und dass auf diese Weise die städtischen Gebiete der Schweiz darüber bestimmen, was in den Bergen passiert. Es wäre nicht das erste Mal. Auch die Zweitwohnungsinitiative wurde in den Städten angenommen, wo sie keine Konsequenzen hat – und in den betroffenen Gebieten abgelehnt.

Es ist also keineswegs so, dass Demokratie mit Selbstbestimmung gleichzusetzen ist. Demokratie heisst, dass die Mehrheit bestimmt. Problematisch ist das, wenn die Mehrheit vom Ausgang einer Abstimmung nicht betroffen ist und also über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheidet. Das passiert immer wieder. Jahrzehntelang haben die Männer zum Beispiel über die Frauen bestimmt. Die Alten bestimmen auf diese Weise über die Jungen. Und im Normalfall bestimmt die ländliche Schweiz über die städtische Schweiz. Schuld daran ist das Ständemehr: In Zürich, Genf und Basel können noch so viele Menschen wohnen – die ländlichen Kantone sind immer in der Mehrheit. Deshalb ist es in der Schweiz wie immer in der Politik: Die Mitte ist entscheidend. Es kommt darauf an, auf welche Seite sich das Mittelland schlägt, dieses undefinierbare Gebiet zwischen den grossen Städten und den grossen Bergen. Auf diese Weise enttarnt der Wolf die Demokratie in der Schweiz als Diktatur der Mitte. Das würde dann auch erklären, warum in unserer Politik so vieles so mittelmässig ist. Aber das ist ein anderes Thema.

Basel, 11. September 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Titelbild: © JimCumming / 500px – stock.adobe.com, weitere Bilder: mz

[1] Siehe Informationen des Bundesrats zur  Volksabstimmung vom 27. September 2020: Änderung des Jagdgesetzes; https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20200927/aenderung-des-jagdgesetzes.html

[2] Vgl. «Facts & Figures zu Wolf, Herdenschutz und neuem Jagdgesetz, August 2020» der Jagdgesetz-Nein-Kampagne: https://jagdgesetz-nein.ch/wp-content/uploads/2020/08/20200729_schafe_herdenschutz-und-wolfsrisse.pdf

8 Kommentare zu "Die Demokratie hat den Wolf"

  1. Wir, die Bevölkerung der Schweiz, sind trotz aller Vielfältigkeiten, der Viersprachigkeit, der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, lateinischen und alemannischen Ursprungs, EINE Willensnation und sind eine homogene Gesellschaft.
    Da braucht man keine Keile zwischen die Landbevölkerung und die Stadtbevölkerung zu spitzen!
    Der ländliche Raum darf doch die Begrenzungsinitative annehmen (weil die Landbevölkerung mit der eigenen Scholle und dem bisschen Restgrün, welches die Schweiz noch hat, mehr verbunden ist und auf ihre Weise retten möchte); die Städterin, der Städter soll doch die Begrenzungsinitative ablehnen, wenn ihm drum ist; weil sein (Lieblings-) Raum, die Stadt, eh schon verbaut ist, es auf den Strassen und Plätzen wirbelt, die Bars, Clubs und Cafes sich allesamt auf mehr und mehr freuen da so die Gewinne gesteigert werden können; allenfalls die baumbestückten Hinterhöfe könnten noch draufgehen mit Verdichtung im Bauen, mit Aufstockung bestehender Häuser könnte die Sonne ein bisschen weniger sichtbar sein.
    Zudem, „Land“ und „Stadt“ sind von Gestern – die Agglo, in welcher schon heute die meiste Bevölkerung der Schweiz zuhause ist, und welche sich, wenn man mit dem Herzen hinschaut, bereits von St. Gallen bis Genf rasend ausbreitet und bereits erstreckt, ist heute eh entscheidend.
    DER WOLF, besser unsere Probleme um ihn, um weiterhin auf den Wochenkommentar einzugehen, ist nicht das Problem. Sorry, auch wenn es wiederholend klingt, auch diese Probleme hängen mit unserem, dem uferlosen Bauen und erweitern der Infrastruktur in den Berggebieten zusammen. Bis ins hinterste Tal fressen sich Terrassenhäuser, fressen sich neue Wohngebiete und damit neue Erschliessungsstrassen, Trafostationen, neue Transportbahnen um die „Ware Mensch“ massig auf die Alpen zu hieven, aber auch Warenbahnen, Werkbahnen für Energieerzeugung, Stollenanlagen usw. sind in all unseren Regionen zu finden.
    Der Wolf ist somit nur das Signal „Stopp“ zu sagen zu immer mehr, mehr und noch mehr. Dem Indikator Wolf passt es natürlicherweise nicht, wenn pro Sekunde (!) in der Schweiz 1,1 m2 Land verbaut wird. Rund um die Uhr, Tag und Nacht, Werk- wie Feiertags. Und JA, das hat etwas mit der masslosen Einwanderung in den letzten Jahren zu tun. 1 Million mehr Einwanderer in den letzten Jahren ziehen nicht spurlos vorüber. Dies bedeutete nämlich in diesen letzten Jahren 541´000 mehr Personenwagen, 451 Mio. m2 Landverlust, die 454´000 zusäzlichen Wohnungen fressen sich zwangsläufig, da alles schon sehr verbaut und für den Normalbürger unbezahlbar teuer ist, bis ins hinterste Tal des Emmentals, des Entlebuchs, des Napfs. Mit rund 207 Menschen pro km2 (!) ist die Schweiz eines der dichtest besiedelten Länder, zieht man die unbewohnbaren Gletschergebiete, Geröllhalden usw noch ab, hocken wir locker zu 300 Menschen pro km2 zusammen. (Frankreich 103, China ca. 130 Menschen pro km2)….. Mit 25,1% Ausländeranteil (2018, tendenz steigend) ist die Schweiz auf den Spitzenplätzen der aufnahmefreudigen Nationen Europas.
    Um weiter bei der von uns Wolfs- und Naturfreunden geliebten Umwelt zu bleiben, bräuchte es um für diese masslose Bevölkerungsentwicklung saubere Energie zu produzieren 500 (!) zusätzliche Gross-Wind-Energieanlagen in unserem schon jetzt dicht an dicht verbautem Land. Der Wolf lässt grüssen. Dies alles sind die primären negativen Seiten. Die Sekundären sieht man nicht auf den ersten Blick, da gäbe es viele, deshalb pickt ETH-Agrar-Dipl. Ing. A. Thommen wahllos eines heraus und fügt bei, dass es sozial verständlich sei, das die Million Zugewanderten auch das Bedürfnis haben, alle sehr regelmässig und zuverlässig „nach Hause“ zu fliegen zu Freunden und Verwandten, was die Umwelt leider noch zusätzlich belastet – weiss er, ETH belegt notabene.
    Und ich als Praktiker füge bei, freitags ca. 16 Uhr am Kannenfeldplatz zu stehen und man kann beobachten, wie 100 Personen wie Bienen mit Rollkoffern in den (schon voll besetzten) Flughafenbus strömen um übers Week-End heim nach Berlin oder London oder Madird oder Prag zu jetten. Sie alle benutzen das Flugzeug wie unsereins das Tram um billiger (als das Tram) ihr Week-End-Leben in den Heimatstädten zu leben. Aus dem eigenen Umfeld kenne ich Kollegen türkischen Ursprungs, welche jetzt, hier und heute für 2 Tage nach Istambul jetten, um dort dem, ihre Worte, „umwerfenden, pulsierenden und für ihre Verhältnisse spottbilligen Nachtleben“ zu frönen. Suffisantes Lächeln, wenn ich montags von meinen Weissenstein-Ausfluglein berichte, inbegriffen. So was von büenzlig….
    Man könne in einer 10-Millionen-Schweiz leben, welche, wenn es so weitergeht (je nach Experte) in ca. 12 Jahren erreicht sei. Man könne auch in einer 20 Millionen Schweiz leben, halt mit sigapurianischen Verhältnissen.
    Doch was dann? Haben die Begrenzungsinitative-Gegner überhaupt einen Plan. Oder wird einfach so weitergewustelt wie bisher. Die Spirale dreht sich munter weiter. Und für die AHV-Finanzierung der 20 Millionen müssen weitere 10 Millionen geholt werden.
    Merkt man, dass dies überhaupt nichts mit Ausländervorurteilen zu tun hat.
    Gibt es so etwas wie Liebe zu einer Fläche auf unserer Erde, welche nicht kapputtgemacht werden soll und zufällig nun jetzt mal grade „Schweiz“ heisst?
    Ist es nicht langsam Zeit zum Stopp sagen? ! ?
    Mit den wirtschaftlichen Konsequenzen, welche je nach Befürworter klein (was ich sehr nachvollziehen kann – die EU ist auf eine Schweiz in allen Bereichen angewiesen) oder Gegner als Gross eingestuft werden?
    Was hinterlassen wir unseren Kinder und Kindeskinder? Eingesperrt in verdichteten Wohntürmen, Kinder in Käfighaltung, psychische Wracks, welche noch nie einen Regenwurm in den Hädnen hielten, nicht mehr rückgängig zu machen, eine Betonwüste von Chiasso bis Basel mit irreparablen Schädigung für Menschen und Natur und einem „Wohlstand“ – was für BR Keller (FDP) gleichzusetzen mit viel Geld auf dem Konto ist?
    Oder ein Lebensraum wo man noch atmen kann, die Sonne sehen kann, Planschbäche wie sie die Natur erschaffen hat gesunden Kindern zur Verfügung stehen, Weite, Luft und einfach ein Erbe welches auch unseren Kindeskindern noch Raum für Entfaltung und Ideen gibt.
    Dann – um ganz scharf die Schlusskurve hinzubekommen – wäre auch der Wolf (wie sehr viel, praktisch alles Andere) kein Problem mehr in unserem sehr dosierten Lebensraum, in unserem Mini-Land.
    Einverstanden?

    1. Lieber Herr Zweidler

      Dass die Schweiz zubetoniert wird, das liegt nicht an der Zuwanderung, sondern an der schlampigen Raumplanung. Es ist nach wie vor zu einfach möglich, irgendwo im Grünen zu bauen (und damit das Grüne zu verbauen). Und es sind auch gar nicht die bösen Ausländer, die da bauen, das sind Schweizer und Schweizer Firmen. Es wäre viel ökologischer, die Städte zu verdichten und da auch mehr in die Höhe zu bauen. Das müssen noch nicht einmal Hochhäuser sein. Klassische Blockrandbauten mit sechs Stockwerken und grossen, grünen Innenhöfen würden reichen.

      Ich weiss nicht, woher Sie die Illusion nehmen, die EU (800 Mio Einwohner) sei auf die Schweiz (8 Mio Einwohner) angewiesen. Auch im Verhältnis UK EU ist es so, dass zahlenmässig UK für die EU wichtiger ist als EU für UK. UK ist die zweit- oder drittgrösste Volkswirtschaft der EU. Dennoch wird die EU ihre Regeln rund um die vier Basisfreiheiten der EU anwenden – sie kann ja gar nicht anders. Das gilt erst recht gegenüber der Schweiz. Im Verhältnis zur EU darauf zu hoffen, dass die EU dann ihre eigenen Regeln schon nicht ernst nehme, ist entweder völlig blauäugig – oder böswillig irreführend.

    2. Und wer trägt die Schuld daran, dass in den letzten Jahren über eine Million Personen (Flüchtlinge und Fachkräfte mit ihren Familien) in unser Land eingewandert sind? Sind es bei den Fachkräften nicht diejenigen, die mit ihrer Sparwut verhindert haben, dass wir die benötigten Fachkräfte selbst ausgebildet haben? Sind es nicht die Ihnen nahestehenden rechtsnationalen Populisten und die herzlosen Neoliberalen?

  2. Die Wirtschaftswundertüten sind leer. Das Modell „Immer-noch-mehr-dank-immer-noch-mehr“ geht nicht mehr. Wachstum bei den Wölfen und bei der Zuwanderung in Frage zu stellen, sehe ich als eine Alibiübung. Und die Art und Weise zudem typisch für eine Ja-oder-Nein-Demokratie. Wo die Mehrheit recht bekommt … und das auch dann, wenn es nicht das Richtige ist. So sind kaum für alle nachhaltig zukunftsfähige Lösungen möglich. Um die Herausforderungen zu meistern, die mit den Krisen verbunden sind, die beispielsweise in den Bereichen Arbeit, Bildung, Finanzen, Gesundheit, Justiz, Klima, Verkehr und Wirtschaft auf den Schwellen zittern, braucht ein ganz anderes Gesellschaften und eine andere Politik. Solange das die Mehrheit nicht wissen will, und solange es die Politiker*innen nicht anders können und tun, bleiben wir bis zum Geht-nicht-mehr in den diversen Sackgassen stecken.

    1. Antwort:
      Sehr geehrter Herr Walter Graeser
      Es freut mich ausserordentlich, dass Sie verstehen, bemerken und spüren, wo Abertausenden in unserem Land der Schuh dückt: Es wird eng!
      Es freut mich, dass Sie bemerken, dass es mir keinenfalls um die „bösen Ausländer“ geht, denn wäre die Fläche der Schweiz grösser oder unbegrenzt, stellte die uferlose Zuwanderung kein Problem dar. Auch wenn in den letzten 13 Jährchen 1 Million Schweizer neu in unser Mini-Land eingewandert wären, würde es dieselben Probleme bereiten, es können einfach nicht unbeliebig viele Menschen in eine Fläche gedrückt werden, ohne dass es zu Dichtestress und negativen Auswüchsen kommt. Und wenn sogar während des Corona-Lockdowns 20‘000 Zuwanderer kamen, in einer Zeit, wo tausende Inländer kurzarbeiteten und viele Stellen gestrichen wurden, ist das der Anzeiger einer falschen Richtung!
      In der Region Basel bemerken viele junge Familien (auch begeisterte Matthäus-Quartier Bewohner, Innerstadtbewohner usw), wenn ihre Buben oder Mädchen so 4-5 Jahre alt sind, dass ein eigenes Haus ganz was tolles wäre. Sie bemerken, dass es so mühsam ist, immer „pssst“ und „sei still“ zu sagen. Sie bemerken, dass der Nachwuchs so gerne Draussen wäre und Bewegungsdrang hat. War vor der Elternzeit oder in der Kleinkinderzeit die Blockrandbebauungswohnung noch das A und O, ein kleines warmes Nest sozusagen mit guter Anbindung an die nächste Bar oder Club, wollen sie ihren Liebsten eine gute Kinder- und Jungendzeit gönnen. Sie träumen vom eigenen „Gärtli“, vom nach- Draussen-schicken, vom „Velöle“ auf dem Feldweg….
      Doch sie erfahren, dass es das nicht mehr gibt. Nicht mehr im näheren Umfeld der Stadt. Aus der Traum. Aus die Maus. Richtung Riehen kann man es vergessen, Richtung Leimental auch, aber auch in Rheinfelden, ja sogar in Möhlin, Frick sind die Preise unerschwinglich. Nichts läuft mehr unter einer Million.
      Die letzte Bastion ist noch das Oberbaselbiet in abgelegenen Gemeinden oder das Laufental/Schwarzbubenland. Hierher verschlägt es viele, was man anhand der regen Bautätigkeit in Nunningen, Brezwil, Zullwil usw. erkennen kann. Lange Wege, Pendeln wird in Kauf genommen, dafür ist der Lohn gesundes Kinderlachen , Rote Backen, ein eigenes Büsi das manchmal eine Maus nach Hause bringt, eine gute Schule wo vorwärts gemacht wird….
      Häuser wie z.B. jenes 5,5 Zimmer Haus in Pfeffingen für 1,6 Mio. gehen, so versicherte mir der Makler, oft an fremdsprachige Familien. In Pfeffingen meldeten sich nur englischsprachige Interessenten. In Oberwil werden zwei neue Wohnblöcke gebaut/geplant. Reserviert und Interesse kommt vor allem von Expats aus GB, Spain, Italy und neu wieder sehr aus D, erfährt man von der Verwaltung. Noch kein Backstein ist gesetzt, doch gesichert ist, dass jene schönen Luxus-Daheime so gut wie weg sind.
      Kann es das alles sein? Wo soll das alles noch hinführen? In Binningen kostet der Landpreis pro m2 um die 2600 Fr. Viel? Ja. – Doch für den neuen Besitzer eines geräumigen EFH’s auf dem Hölzli erschwinglich. Wichtig sei ihm die grosse Garage für die 4 SUV’s; …und Interessenten aus der Ferne sind heiss auf solche Immobilien. Sie beklagen oft, dass es in unserer Region keine guten anständig grossen Häuser mit viel Umschwung gäbe, wie sie das von ihrer Heimat her kennen, mit Pools, Lounge und eben grossem Parking-Gelände, verriet mir ein Makler bei einem Gesprächskontakt.
      Tja, andere Länder, andere Sitten. Leider auf unsere Kosten.
      Und von uns Inländern? Verzichtet da jemand auf das hart erarbeitete Reihen-Einfamilienhäuschen aus den 70er Jahren? Will da jemand sich den Sitzplatz, den Grillplatz wegnehmen lassen? Gibt da jemand die Hypotheken-belastete Eigentumswohnung mit Sonnenbalkon auf? Wer stellt freiwillig ein neues fremdes „Blöckli“ in seinen Garten, seine Terrasse mit Aussicht, sein Lieblingssonnenplatz? Der werfe den ersten Stein! Wohl niemand! In einer Demokatie kann dies auch (zu recht) nicht weggenommen werden. Selbst Genossenschaften belassen den älteren Mietern die grossen, gewohnten Wohungen, auch wenn der Nachwuchs schon längst ausgeflogen ist, damit sie sich wohlfühlen, glücklich sind und im gewohnten Umfeld in Würde altern können.
      Dieses Raumplanungs- und Verdichtungsgeschwatz ist nicht mehr zum anhören. Wer wirklich will, werfe den ersten Stein und zieht aus dem Wohlstandsquartier ins Klybeck, dort ist noch eine 2-Zimmer-Parterrwohung ohne Sonne frei; aber nicht mehr lange – bald ist auch dieses Loch dank der uferlosen Zuwanderung vermietet. Und genau da sind wir bei der unheiligen Allianz. FDP und weitere Bürgerliche, oft auch Hausbesitzer, gross-MFH-Besitzer usw. können so jedes Loch vermieten und der Rubel rollt in der Bude wie auf der Bank. Die Linken hingegen wollen die ganze Welt in die Schweiz holen (Sprüche wie „Keine Nationen, keine Grenzen“ – alles ja längst bekannt).
      Und da hat es die Begrezungsinitative schwer. Nur eine Partei stellt sich dahinter. Wenn man sich mal vom „Home-Office“ erheben würde und die Schweiz mit offenen, beobachtenden Augen anschaut, merkt man schnell, dass da alles aus dem Gleichgewicht geraten ist. Natur-Bau-Balance, aber auch die Strassenverkehrsbalance, die überfüllten Bahnhöfe, die unzähligen Kondensstreifen am Horizont der vielen „Flugis“, die Züge welche besten und ständig verstärkt, sprich doppelt geführt werden müssen.
      Einige Zeitgenossen merken, dass das keine Parteien-Frage ist, sondern wie z.B. der parteilose Ständerat Thomas Minder aus Schaffhausen einfach heraussagt, was er denkt: „Die Schweiz ist viel zu klein, um alle 13 Jahre eine Million zusätzlicher Bewohner aufzunehmen.“
      Als Natur-Fabrikant (Natur-Mundwasser Trybol) bemerkt er, das die Biodiversität in der Schweiz kaputt ist. Und als Ornithologe beobachtet er den Verlust von Tierarten: Als Kind sah er im Kanton Schaffhausen noch viele Feldhasen und Rebhühner. Heute sind sie auf der roten Liste. Die Fläche vom 57‘000 Fussballfeldern, welche in den letzten 13 Jahren verbaut wurden, machen die Sache nicht besser.
      Agrar-Dipl.-Ing ETH A. Thommen sorgt sich darum, dass das Verkehrsaufkommen in den letzten 13 Jahren um 2/3 auf Strasse und Schiene (!) zunahm. „Da diese Migration zu deutlich erhöhtem Konsum führt, wird dadurch auch die globale Umweltbelastung erhöht – auf Kosten von wem?“ fragt er sich.
      Sussanne Burch, Bäuerin aus Stalden (OW) ist traurig. In der Schweiz verschwinden im Schnitt 1,1 m2 Kulturland pro Sekunde!!! (Klatschen sie einmal 10-mal rhythmisch in die Hände, und schon sind wieder über 10m2 für immer verbaut.) „Land, das wir Bauern gerne pflegen und bewirtschaften würden zur Produktion von gesunden einheimischen Lebensmittel.“ Doch viel Getreide, bald wohl auch alle Zuckerrüben, kommen vom Ausland, bemerkt sie – die totale Abhängigkeit nimmt zu.
      Nicolas Rimondi, Journalist, Mitglied Jungfreisinnige (LU) checkts: „Die EU und ihre Handlanger schaden der Schweiz.“
      Erpressen uns mit Freizügikeit oder Strafe, scheren sich nicht um unsere direkte Demokatie, Volkes Stimme und begreifen auch nicht unsere Situation. Dieser edler Partner fällt uns da wahrlich in den Rücken.
      Und Zahlenmensch Prof. em. Dr. Martin Janssen, Uni Zürich, bemerkt: „Seit 1991 ist das Pro-Kopf- Einkommen um 0,6% gewachsen. Seit der negativen Auswirkungen dieser masslosen Zuwanderung ist das Einkommen des Mittelstandes nicht mehr gewachsen.“
      Und an alle „Super-Sozialen“ die Gewissens-Killer-Frage: Ist es wirklich sozial, dass die attraktive Schweiz den Rumänen, Bulgaren, Polen, ja den Deutschen, den Franzosen alle guten „Fachkräfte“ abjagt mit viel Lohn und in all diesen Ländern Mangel an Fachkräften herrscht? Leute, welche in Italien, in Spanien, in Portugal dringend gebraucht würden?
      So sieht die ganze Mär der grossartigen unbegenzten Zuwanderung aus.
      Herr Walter Graeser, wir haben es begriffen. Wir wissen, dass wir am 27. Sept. JA zur Begrenzungsinitiative stimmen. Für alle Inländer – ob Migrant oder Schweizer gut. Werden die andern auch bemerken? Wollen sie es wahrhaben, schaffen sie es über den eigenen Schatten zu springen?
      Oder bemerken sie es alle leider erst in 10 Jahren – dann, wenn es definitiv zu spät ist und ein unwiederbingbarer Verlust von Vielem, was unser Leben ausmachte, geschehen ist? fragt sich ein besorgter und trauriger Th. Zweidler.

  3. Reden wir einmal nicht (nur) vom Wolf, wie es – auch hier wieder – geschieht.
    Das Gesetz ermöglicht nämlich (menschlichen) Wölfen in Schafspelzen, alles und jedes mit vier Beinen oder zwei Beinen und zwei Flügeln, das irgenwann irgendjemandem lästig werden könnte, zu ‚regulieren‘. Und es verpasst den längst fälligen Schutz hoch gefährdeter Arten, die nach wie vor jagdbar sind. Ein wahrlich missratenes Konstrukt!

    1. Da haben Sie natürlich recht – aber mein Text ist kein Kommentar zum Jagdgesetz, sondern ein Kommentar über die Demokratie und das Verhältnis von Stadt und Land. Im Lumnez ist ausschliesslich vom bösen Wolf die Rede. Und von den lieben Lämmlein. Für uns Städter ist der Wolf aber ein romantischer Geselle aus den Büchern von Jack London. Dieser Gegensatz hat mich interessiert.

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