Die 100 besten Romane

Publiziert am 3. Mai 2019 von Matthias Zehnder

Meine Tochter (18) hat mich gefragt, ob ich ihr eine Liste von Romanen zusammenstellen kann, die sie (aus meiner Sicht) lesen sollte. Entstanden ist eine Liste mit 100 Buchtiteln, die mir persönlich wichtig sind. Es sind Romane und Erzählungen, grösstenteils aus der deutschen Literatur und meistens für Erwachsene. Gemeinsam ist ihnen, dass sie mir persönlich viel bedeuten – und ich sie deshalb zur Lektüre empfehle. Es sind Bücher, die im besten Sinn Vergnügen machen – und dabei zu denken geben.

Wenn ich bei jemandem zu Gast bin, interessiert mich das Büchergestell meist mehr als die Aussicht: Es sagt viel darüber aus, wer die Menschen sind, die da wohnen, und was ihnen wichtig ist. Erfahrung und Erleben sind wichtig – aber wir bestehen wohl genauso aus dem, was wir lesen, wie aus dem, was wir leben. Als mich deshalb meine Tochter kürzlich fragte, welche von den vielen Büchern, die in unserem Haus stehen (und liegen), sie lesen soll, habe ich mir gedacht, ich stelle ihr eine Leseliste zusammen mit jenen Romanen und Erzählungen, die ich für besonders wichtig halte. Und zwar nicht deshalb, weil sie in der Literaturgeschichte Meilensteine waren, sondern weil sie für mich persönlich wichtig sind, weil ich sie für besonders gelungen halte – oder weil ich sie besonders gern habe. Es ist also eine Liste aus meiner ganz persönlichen Sicht.

Die Auswahl ist alles andere als konsequent: Es ist keine Liste für das Studium der deutschen Literatur, es ist meine Herzensliste der Romane, die ich persönlich (und im Moment) als lesenswert erachte. Wenn Sie eine objektive Liste wichtiger Bücher suchen, finden sich im Internet zum Beispiel gute Anleitungen für die Literaturprüfungen im Germanistik-Studium[1] oder Leitfaden für die Maturlektüre.[2]

Keine Jugendbücher. Fast keine.

In der Regel sind es Bücher für Erwachsene. Reine Kinder- und Jugendbücher habe ich (zum Teil schweren Herzens) weggelassen, darunter etwa die Bücher von Astrid Lindgren, «Jim Knopf» von Michael Ende, Bücher von Johanna Spyri und viele mehr. Jugendbücher wären eine eigene Liste wert. Es finden sich dennoch einige Titel auf der Liste der Romane, die man in Buchhandlungen wohl in der Jugendabteilung findet. Es sind nicht einfach besonders wichtige Jugendbücher, es sind Titel, von denen ich denke, dass es wichtig ist, sie auch mit den Augen eines Erwachsenen zu lesen. Das gilt zum Beispiel für «Die schwarzen Brüder» von Lisa Tezner oder für «Das fliegende Klassenzimmer». Erich Kästner lässt darin Professor Kreuzkamm einen Satz sagen, der für mich einer der wichtigsten Sätze ist, den Kästner geschrieben hat: An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.

Grundsätzlich habe ich mich auf deutschsprachige Literatur beschränkt, mit Schweizerischer Schlagseite natürlich. Dennoch finden sich auch Autoren auf der Liste wie Jules Verne und Jack London, Tolstoi, Aldous Huxley und George Orwell. Das hat kein bestimmtes System, es sind einfach Bücher, die mir persönlich besonders wichtig sind. Vielleicht liegt Ihnen Dostojewski näher als Tolstoi und Truman Capote oder J.D. Salinger sind ihnen wichtiger als Huxley und Orwell. Ich kann Ihnen da nicht widersprechen – es gibt dafür kein objektives Argument.

Keine Biografien, keine Dramen, keine Gedichte

Mit Ausnahme der Autobiografien von Carl Zuckmayer, Elias Canetti und Marcel Reich-Ranicki und den biografisch gefärbten Romanen von Ulla Hahn habe ich auf Biografien verzichtet. Das ist mir schwer gefallen, weil ich sehr gerne Biografien lese. Auch das wäre vielleicht eine eigene Liste wert. Die genannten Autobiografien habe ich auf die Liste genommen, weil es sich dabei um saugute Literatur handelt – und weil ich diese Bücher besonders gerne habe.

Ich habe mich auf Romane und Erzählungen beschränkt. Notgedrungen fehlen deshalb die Theaterstücke von Schiller, Brecht, Frisch und Dürrenmatt – und viele andere. Auch sie wären eine eigene Liste wert. Und es fehlen Gedichte. Kein Georg Trakl, keine Else Lasker-Schüler, kein Hugo Ball. 100 Gedichte Zum Inwendig-Lernen und Auswendig-Sagen, wie die wunderbare Anthologie von Ulla Hahn heisst, fänden sich bestimmt mit Leichtigkeit.

Literatur muss Spass machen

Marcel Reich-Ranicki pflegte zu sagen: Literatur muss Spass machen.[3] Das ist in der deutschen Literatur nicht selbstverständlich. Viele wichtige Bücher sind zugleich recht sperrig. Solche Bücher an den Anfang einer Empfehlungsliste zu setzen, wäre vor allem für junge Leserinnen und Leser kontraproduktiv: Es wären unnötige Hürden. Dasselbe gilt für ältere Literatur. Weil viele Leselisten chronologisch vorgehen, machen sie den Einstieg in die Liste schwer.

Ich habe meine Leseliste deshalb nach Zugänglichkeit geordnet. Ich habe alle Titel in eine von fünf Gruppen eingeteilt:

  • 1: Kinderleicht lesbar
  • 2: Gut zugänglich
  • 3: Literarisch, aber gut lesbar
  • 4: Anspruchsvolle Lektüre
  • 5: Echte Knacknüsse

Innerhalb der einzelnen Gruppen habe ich die Titel chronologisch geordnet nach Erscheinungsdatum. Die Liste finden Sie unten und als PDF-Datei hier zum Herunterladen.

Jetzt bin ich gespannt, was Sie zu meiner Liste der 100 wichtigsten Romane und Erzählungen sagen: Welche Titel fehlen Ihnen? Welche Titel würden Sie streichen? Ich bin gespannt auf Ihre Reaktionen unten im Kommentarfeld oder direkt per Mail.

Basel, 3. Mai 2019, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Verweise

[1] Die Lektüreliste des Deutschen Seminars der Universität Zürich finden Sie hier: https://www.ds.uzh.ch/dam/jcr:cd30a692-1ea1-4273-93dd-0b6de0fb8a74/Liste_NDL_180_181.pdf und hier: https://www.ds.uzh.ch/dam/jcr:c3710486-6852-4daa-a4c4-61861dd0266c/12.pdf

[2] Empfehlenswert ist zum Beispiel der Leitfaden des Gymnasiums am Münsterplatz, Basel: https://www.gmbasel.ch/informationen/fachschaften/deutsch/maturpruefung/dokumente/anregungen-maturlekture-deutsch.pdf/download

[3] Vgl. «Der Spiegel», 18.6.2001: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-19438065.html

 

8 Kommentare zu "Die 100 besten Romane"

  1. Interessant. Etwa 80 dieser Bücher habe ich gelesen. Einige mehrmals. Nebenbei ist mir bewusst geworden, dass ich seit einigen Jahren nicht mehr so viele Deutsch sprachige bzw. Schweizer Autor*innen lese wie früher.

  2. Schön, wenn man so in Geschichten und Literatur eintauchen kann.
    Für mich gibt es nur Sachbücher, allenfalls Biographien und reale Texte. Und natürlich gute Zeitungen, welche es immer wie weniger gibt und welche man unterstüzen sollte.
    Bei allem anderen beschleicht mich das Gefühl, abgelenkt zu sein von Realen. Im mag das Reale. Und wie. Deshalb nehme ich keine „Drogen“ jeglicher Art, zu welcher ich auch Alkohol zähle. Die Realität, das Leben ist viel zu spannend, um vernebelt durch die Welt zu laufen.
    Das eine als gebildet, das andere als ungebildet abzutun, ist zu flach. Bücherwürmer sind wir dennoch allesamt. Abschliessend (ob so oder so) versöhnende, humoristische Zeilen an Bücherwürmer und Leseratten aller Genre…
    …Die LESERATTE war zufrieden, als Haus war ihr ein Turm geblieben. Hier wohnte sie schon lange Zeit, sie schätzte die Gemütlichkeit.
    Doch halt – ihr Lieblingsbuch war fort, sie suchte es an jedem Ort.
    Da sah sie an des Turmes Eck‘ das Buch mit einem Loch – o Schreck!
    Wer war der Kerl, schrie sie vor Wut, der Ratte ging es gar nicht gut.
    Sie suchte hin und her im Turm, da fand sie ihn – den BÜCHERWURM……
    Oder unüberhöht, einfach, selbstgetextet und (sehr) real gesagt: „Lesen macht keinen Lärm.“
    Wie gut mehr davon unserer Welt tut/täte….

  3. Sehr schön, dass Thomas Mann mit zwei Romanen drauf ist! Es fehlen angelsächsische Werke: The handmaid’s tale (Report der Magd)/Margaret Atwood; ein Band Kurzgeschichten von Alice Munroe; die „Old Filth“-Trilogie von Jane Gardam.

  4. Zwei Dinge sind mir bewusst geworden: Eine Liste mit 100 Werken tönt nach viel, ist aber doch recht überschaubar. Und: Eine solche – wunderbar ausgewählte – Liste ist unglaublich individuell geprägt. Der Gehülfe, Schlafes Bruder, Der Trafikant, Schlachthof 5 und mindestens ein Werk von Richard Ford wären bei mir noch drauf – neben Dutzenden, die keinen Platz mehr fänden.

  5. M. Zehnder ist überzeugt, dass häusliche Büchergestelle viel darüber aussagen, was den Bewohner/-innen wichtig ist, und veröffentlicht dann seine subjektive List der „100 besten Romane“ – darunter gerade mal 6 Titel von Frauen!
    Was muss ich jetzt aus dieser Empfehlung für seine Tochter schliessen?
    Vielleicht doch besser mal zum Fenster hinausschauen als ins Büchergestell?

    1. Sie haben absolut recht: Wenn nur 6 Titel von 100 von Frauen sind, dann ist das zu wenig. Aber ich habe im Kommentar ausführlich beschrieben, dass ich jene Bücher zusammengestellt habe, die mir persönlich wichtig waren. Und in meiner Lesebiographie hat es nun mal mehr Männer… Aber ich habe von anderen Leserinnen interessante Vorschläge erhalten, die ich gerne separat zusammenstelle. Was wären den die Titel von Autorinnen, die aus Ihrer Sicht auf einer solchen Liste nicht fehlen dürfen?

  6. Vielen Dank für die wunderbare Bücherliste, wovon auch ich das Meiste gelesen habe. Es tut gut, gleichgesinnten Lesern zu begegnen. Das ist sehr selten. Klar, Sie haben sich auf die deutschsprachige Literatur konzentriert, alles andere wäre endlos (Joyce, Proust, Dostojewsky, Hemingway, Paul Auster, John Steinbeck etc. etc.). Mir fehlen auf der deutschsprachigen Literaturliste noch J.P.Hebel, Theodor Fontane, Joseph Roth, Uwe Tellkamp.
    Ihrer Tochter speziell empfehlen möchte ich die Autorinnen Jane Austen, Siri Hustvedt, Luise Rinser, Christa Wolf. Auch hier gäbe es noch mehr zu nennen. Ich wollte, ich hätte alle diese Bücher schon mit 18/20 Jahren gelesen…!
    Ich habe Ihren Newsletter seit Beginn abonniert, drucke ihn jeweils aus für eine Freundin, die keinen PC hat, und habe nun auch endlich einen Einzahlungsschein ausgedruckt.
    Herzliche Grüsse! Doris Gassert

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