Der Kurzschluss der Bürgerlichen

Publiziert am 14. Februar 2020 von Matthias Zehnder

Am letzten Wochenende sind die bürgerlichen Parteien in Basel und Zürich mit Autovorlagen krachend gescheitert. In Basel haben sie geradezu eine Ohrfeige kassiert. Im Nachgang zu solchen Abstimmungen pflegt man dazu aufzufordern, die Ideologie beiseite zu lassen und sich pragmatischen Fragen zu widmen. Wir machen heute das Gegenteil: Wir schauen auf die Ideologie und fragen uns, warum die bürgerlichen Parteien so bedingungslos dem Auto verfallen sind. So viel sei verraten: Es hat mit einem Kurzschluss zu tun.

Die Abstimmung liess keine Zweifel offen: Mit 65,2 Prozent Nein-Stimmen lehnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Basel-Stadt die autofreundliche Volksinitiative «Zämme fahre mir besser» des Basler Gewerbeverbands ab. Zwei Drittel der Stimmenden gaben der Initiative eine Abfuhr, und dies, obwohl sich alle bürgerlichen Parteien geschlossen dahinter gestellt hatten.[1] Der Volksinitiative «Parkieren für alle Verkehrsteilnehmer» ging es mit 57,7 Prozent Nein-Stimmen nicht viel besser. «Das Vorhaben der Bürgerlichen, die rot-grüne Verkehrspolitik zu korrigieren, wird zum Bumerang», schrieb die «NZZ».[2] Christian Keller prophezeite in einem Kommentar auf «Prime News» deshalb den Bürgerlichen kommende Desaster: «Leider muss angesichts der aktuellen politischen Gemengelage davon ausgegangen werden, dass sich die linke Dominanz im Stadtkanton nochmals akzentuieren wird.»[3]

Das liest sich gut und schrecklich. Bloss: Es ist falsch. Basel ist keineswegs «rot-grün», wie die «NZZ» schreibt, und die «linke Dominanz», die Keller an die Wand malt, ist ein Märchen. SP und Grüne haben im Grossen Rat zusammen nur gerade 48 Sitze. Die bürgerlichen Parteien LDP, SVP, FDP, CVP/EVP und GLP haben mit 52 Sitzen die Mehrheit.[4] Und das ist nicht nur im Parlament so. Die Baslerinnen und Basler sind keineswegs einfach links. Ich würde sogar behaupten, sie seien eigentlich recht bürgerlich. Bloss decken sich die Anliegen vieler Menschen in der Stadt, auch von bürgerlichen Menschen, nicht mehr unbedingt mit der politischen Stossrichtung der bürgerlichen Parteien in der Schweiz. Anders gesagt: Dass die Linken Abstimmungen gewinnen und die Bürgerlichen verlieren, liegt an der Sache, nicht an der Ideologie dahinter.

Dem Auto verfallen

Das fällt vor allem in der Verkehrspolitik auf. Während die bürgerlichen Parteien (und mit ihnen der Gewerbeverband) weiterhin das Auto sehr hoch halten, verzichten immer mehr Menschen in der Stadt auf eine benzingetriebene Blechkarre. Auf tausend Einwohner kommen in Basel gerade einmal 334 Autos. Das ist der tiefste Wert aller Schweizer Städte. Seit 2010 ist dieser Wert um 5 Prozent zurückgegangen: Immer mehr Städtern ist das Auto egal.[5] Oder noch schlimmer: Autos werden als unangenehm empfunden. Sie stinken, sie sind laut, sie brauchen viel Platz. Trotzdem haben sich die bürgerlichen Parteien fast bedingungslos dem Auto verschrieben. Wie kommt das?

Dahinter steckt ein ideologischer Kurzschluss, der mit der Freiheit zu tun hat. Im Zentrum der bürgerlichen Politik steht die persönliche Freiheit. Sie sei «für einen offenen, fortschrittlichen und freiheitlichen Kanton», schreibt etwa die Basler FDP in ihrem Parteiprogramm.[6] Wesentlich präziser definiert die Basler LDP, was «liberal» heisst. Zusammenfassen lässt es sich wohl als individuelle Freiheit in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.[7] Die Schweizer Mutterpartei der beiden Basler Schwesterparteien, die FDP.Die Liberalen, schreibt, es gehe um «die freisinnigen und liberalen Werte Freiheit, Gemeinsinn und Fortschritt, an denen wir uns orientieren.»[8] Kurz: Es geht um die Freiheit.

Kurzschluss durch Werbung

Die Freiheit also. Genau dafür stand das Auto jahrzehntelang. Sogar für «absolute Freiheit. Spontan dorthin fahren, wo ich will.» So steht es (heute noch) auf einer Werbeseite der Branchenorganisation Auto Schweiz.[9] Dass das Auto für Freiheit steht, ist jedoch keineswegs ein Naturgesetz. Es ist das Resultat jahrzehntelanger Werbung der Autoindustrie. «Vermittelt über die stereotype Werbephrase der Produktüberlegenheit versprach die Werbung den Kunden einen individuellen Statuszuwachs und eine libidinöse Bereicherung ihres Alltags durch persönlichen Fahrspass und unbegrenzte automobile Freiheit», schreibt Ingo Köhler in seinem Buch über Auto-Werbung.[10] Köhler spricht von einer «symbolhaften Verknüpfung von Automobilität, Freiheit und Wohlstand».[11] Früh wurde dem Auto dabei eine ideologische Komponente beigemischt. Köhler schreibt von einem «stabilen Konsens von Politik und Konsumenten». Der «automobile Individualismus» sei zum «erstrangigen Bedeutungsträger für Freiheit und Selbstverantwortung» geworden. Mehr noch: «Das im Auto erfahrbare Lebensgefühl wurde zum Abwehrinstrument gegen die Gefahr totalitärer Gesellschaftsentwürfe stilisiert.»[12]

Das Auto wurde also zum Symbol für Freiheit schlechthin. Mercedes Benz, VW und BMW wurden zum Abwehrinstrument gegen den Kommunismus. Die automobile Werbeindustrie scheint diese Gleichsetzung so effektiv in den Köpfen verankert zu haben, dass der Umkehrschluss heute selbstverständlich ist: Wer gegen das Auto ist, ist Kommunist. Wenn dem Auto gesetzliche Grenzen gesteckt werden, droht der Sozialismus (siehe Kommentar von Christian Keller). Das ist natürlich absurd – aber so effektiv kann Werbung sein. Das Problem der Bürgerlichen ist also ein durch Werbung verursachter Kurzschluss. Jahrelang galt Auto = Freiheit und es galt und gilt Freiheit = bürgerlich. Daraus entstand der Kurzschluss Auto = bürgerlich. In den Städten stimmt diese Gleichung aber schon lange nicht mehr. Zunehmend wird die Gleichung im ganzen Land angezweifelt.

Das Auto ist nur noch Belastung

Der oberflächliche Grund dafür ist klar: Wer heute ins Auto sitzt, hat schon lange keine freie Fahrt mehr. Im Stau kommen keine Freiheitsgefühle auf. Wer auf der Autobahn eingezwängt in eine Blechlawine steht, fühlt sich im Gegenteil gefangen. Dazu kommt, dass das Auto am Zielort oft ein Klotz am Bein ist: Man muss einen Parkplatz finden (schwierig), dafür Gebühren zahlen (teuer) und immer zum Ausgangspunkt zurückkehren (mühsam). Wirkliche Freiheit verspricht der öffentliche Verkehr. Auf den Schienen hat die Bahn (meistens) freie Fahrt. Der Zielbahnhof befindet sich oft im Stadtzentrum. Man kann aussteigen und sofort mit Bummeln beginnen – und man kann ganz woanders wieder in den Zug einsteigen und nach Hause fahren. Unbelastet und entspannt. Dabei fühlt man sich viel freier als in einer Blechkarosse. In der Stadt kommt noch dazu, dass ihre Bewohner vor allem mit den negativen Seiten des Autoverkehrs konfrontiert sind: Autos stinken, sie sind laut, sie versperren viel Platz und sie sind gefährlich. Das Auto steht in der Stadt längst nicht mehr für Zukunft und Freiheit, sondern für Vergangenheit und Gefahr.

Die oberflächliche Freiheit ist das eine. Dazu kommt jedoch ein tiefer liegender Grund: Die Zeit des Besitzens ist vorbei. Das ist nun wahrlich keine mutige Aussage mehr. Bereits im Jahr 2000 hat der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin in seinem Buch «The Age of Access» geschrieben, das Industriezeitalter sei endgültig vorbei, der Kapitalismus ändere sich radikal (wohlgemerkt: er verändert sich, er wird nicht abgeschafft). Es komme künftig nicht mehr auf den Besitz, sondern auf den «Access» an, den raschen Zugang zu Ideen, Gütern und Dienstleistungen. In dieser «Zugangsgesellschaft» ist der flexible Zugang wichtiger als dauerhafter und schwerfälliger Besitz. Rifikin hat dieses Buch vor 20 Jahren veröffentlicht – mittlerweile hat ihm der Erfolg von Apple Music, Spotify, Netflix und vielen anderen Firmen recht gegeben. Es kommt nicht mehr darauf an, dass ich ein Buch, einen Film, ein Musikstück besitze, sondern dass ich Zugang dazu habe. Es nützt mir nichts, wenn ich ein Buch zu Hause besitze, es aber unterwegs brauche. Es ist viel nützlicher, wenn ich das Buch nicht besitze, aber digital jederzeit darauf zugreifen kann. Das gilt nicht nur für Bücher, Musik und Filme, sondern auch für Computerprogramme, Rechenleistung – und für Mobilität.

Wenn sich also die FDP wirklich Freiheit, Gemeinsinn und Fortschritt auf die Fahnen schreiben würde, müsste sie sich ganz schnell vom Fetisch Auto abwenden. Sie müsste die industrielle Besitzlogik hinter sich lassen und sich neuen ökonomischen Modellen zuwenden. Freiheit, Gemeinsinn und Fortschritt sind in der Stadt nun mal mit öffentlichem Verkehr, Sharingmodellen und der Freiheit zu flanieren verbunden. Vor allem aber sollten sich die Bürgerlichen im Allgemeinen und die FDP im Besonderen um unsere digitalen Freiheiten kümmern. Doch davon nächste Woche mehr.

Basel, 14. Februar 2020, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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Quellen

Bild: ©reznik_val – stock.adobe.com

[1] Vgl. SRF, 9. Februar 2020: «Basel will umweltfreundlichen Verkehr», https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen-oberrubrik/abstimmungen/kanton-basel-stadt-basel-will-umweltfreundlichen-verkehr

[2] «Neue Zürcher Zeitung», 10. Februar 2020, Seite: 13

[3] «Prime News», 9. Februar 2020, https://primenews.ch/articles/2020/02/fuer-die-buergerlichen-faengt-das-desaster-erst

[4] SP (35), Grünes Bündnis (13) haben zusammen 48 Sitze im Grossen Rat – LDP (15), SVP (15), FDP (11) CVP/EVP (8) und GLP (3) haben 52 Sitze. Siehe hier: http://www.grosserrat.bs.ch/de/mitglieder-gremien/kraefteverhaeltnis

[5] Statistisches Amt des Kantons Basel-Stadt: Städtische Mobilität im Vergleich https://www.statistik.bs.ch/nm/2017-staedtische-mobilitaet-im-vergleich-basel-zeichnet-sich-durch-umweltgerechte-mobilitaet-aus-bd.html

[6] FDP des Kantons Basel-Stadt, Parteiprogramm, https://www.fdp-bs.ch/positionen/parteiprogramm/

[7] LDP Basel-Stadt: «Liberale Politik. Eine Standortbestimmung» https://ldp.ch/wp-content/uploads/2019/04/Liberale-Politik-%E2%80%93-eine-Standortbestimmung.pdf

[8] FDP. Die Liberalen: https://www.fdp.ch/partei/portraet

[9] Mein Autogramm: Das Porträt über die individuelle Mobilität in der Schweiz. https://meinautogramm.auto.swiss/portraets/absolute-freiheit/

[10] Ingo Köhler: Auto-Identitäten. Marketing, Konsum und Produktbilder des Automobils nach dem Boom. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018; S. 390

[11] Ebenda. S. 111

[12] Ebenda S. 107

3 Kommentare zu "Der Kurzschluss der Bürgerlichen"

  1. Treffend beschreibt dieser Wochenkommentar den Unsinn der sogenannt bürgerlichen Auto-Politik. Wie sie vielerorts immer noch mehrheitsfähig ist. Zudem sei vermerkt: Der Umgang mit dem fahrenden, fliegenden und stehenden Verkehr ist nicht nur beim Freisinn frei von Sinn. Sogenannte Linke und Rechte generieren hier in der Regel – so auch beispielsweise in und um Basel – eine Mehrheit, die grundsätzlich in immer noch mehr Verkehr die Lösung, und nicht das Problem sieht. Und Mehrheiten bekommen und haben bekanntlich recht … auch dann, wenn es nicht das Richtige ist.

  2. Vorneweg: „Autos stinken“ (…sie stinken), diese Aussage trifft tatsächlich auf ein paar alte Benziner oder Diesel zu. Die neuen Autos, sei es mit E-Antrieb oder Wasserstoff, können, technisch bedingt, nicht mehr stinken wie ein Elektro-Velo oder Trotti.
    Doch ich will hier gar nicht als Verteidiger der Auto-Lobby auftreten. Doch merkt man dem Schreibenden des Wochenkommentares an, dass er wohl auf Basel-Städter Boden wohnen wird oder ganz eng an der angrenzenden Agglo. Dort, wo die Tramstation nicht weiter als 10 Minuten entfernt sind. Und Basel ohne Autos – das würde vielleicht jetzt und heute gehen (??), doch wer weiterdenkt, merkt, dass es unmöglich sein wird. Denn alle jungen und grünen sowie linken Wähler werden auch einmal älter und fahren nicht mehr mit dem E-Skate-Board zur Arbeit, sondern haben später auch andere Mobilitätsbedürfnisse. Wenn es regnet trocken zum Arzttermin, wenn es windet trocken zum Coiffeur, wenn es hudelt trotzdem sicher die neuen Stützstrümpfe im Fachgeschäft anprobieren. Oder einfach mal sicher ins Elsass zum Sauerkrautessen. Anmerken gilt auch noch, dass viele Migranten ihre Autos, meist Germanische Modelle der Oberklasse, nicht hergeben wollen. Sie sind Statussymbole wenn es in den Ferien nach Hause nach Mazedonien, Kroatien, Montenegro oder Albanien geht. Sie wohnen in Basel-Stadt und es ist wichtig zu wissen, wer Migration befürwortet muss auch deren Kultur mitbefürworten, welche diese Einwanderer mitbringen.
    Man konnte ja auch lesen, dass gerade der SP zugewandte, ausländische Gewerbetreibende nicht mit ihrer Partei einverstanden sind, was die Auto-Politik in BS betrifft. Sie leiden sehr unter den wenigen Parkplätzen, unter den Fahrverboten, unter den künstlichen Rotphasen. Denn sie sind Pizzakuriere, Spengler, Dachdecker, Fliesenleger usw. Natürlich zeigt ein Pizzakurier seine 50 Parkbussen ärgerlich in die TeleBasel-Kamera, welcher er nur die letzten 3 Monate erhielt. So lohnt sich das Geschäften bald nicht mehr, meinte er.
    Ich verstehe, dass gerade die neuen ausländischen Kleingewerbler, welche auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, sich somit lieber der Autolobby anschliessen. Denn sie sind die neuen Büezer, welche die Handarbeit in unserer Gesellschaft machen. Und die linken Autoverhinderer die fleissigen Pizzabesteller und Esser, welche sich hinter dem Computer verkrümeln und nicht weiter als zum Bildschirm denken. Woher die Pizza kommt, wie sie kommt – heiss und frisch – ist egal. Ob Regen oder Schnee, wahrscheinlich fällt sie vom Himmel.
    Und eine Stadt ohne individuelle Mobilität wird es kaum geben. Man stelle sich Paris, London oder Milano ohne Fahrzeuge vor. Gut – ich bin nicht so grössenwahnsinnig und vergleiche Basel mit Milano, aber trotzdem. Und wieso baut dann Roche ein privates Riesenparkhaus neben den Badischen Bahnhof für ihre Mitarbeitenden? Wohl dass die Deutschen und Elsässer mit der Bahn zum Badischen fahren und dann mit dem Auto zur Roche? Wohl kaum. Roche muss das den Angestellten bieten, sonst gucken beide in die Röhre. Roche und die Angestellten, welche mit dem Auto so nahe an den Arbeitsplatz fahren wollen. Das selbe bei Bell an der Schlachthofstrasse. Alle Elsässer (92% der Mitarbeitenden) kommen mit dem Auto ins neue RiesenBellParkhaus. Ohne Parkhaus keine Mitarbeitenden, ohne Mitarbeitende kein Sea-Food im Coop-Regal, keine „Belegten Brötli“, keine Frischpasta und keine Wurstwaren mehr.
    Und da sind wir wieder beim Punkt: Der Schreibende muss ein Baselstädter sein, welcher nicht Handwerker ist, nicht gross im Aussendienst arbeitet, nicht vor Wetter und Hitze und Kälte sich manchmal ins Auto zurückziehen will, welcher nicht seine Stullen in der Mittagspause im Lieferwagen essen muss, welcher nicht seine Pausen im LKW verbringen muss, die Beine wenigstens 5 Minuten aufs Armaturenbrett legen will weil sie so schwer sind vom ewigen körperlichen schuften.
    Der Schreibende muss eher in einem Büro arbeiten, vielleicht schattig im Sommer, vielleicht mit Klimaanlage, gut geheizt im Winter, vielleicht mit Luftbefeuchter. Er muss ein Arbeitsweg haben, welcher nicht lange dauert und welcher mit dem Velo zurücklegbar ist.
    DANN GEHT SEINE THESE AUF.
    Man muss wissen, das Basel kein eigener Planet ist. Keine Mauer aus Stein hochgezogen werden kann. Basel ist ein Teil der Regio, der Schweiz, Europas und der Welt.
    Gehen wir jetzt nur ein bisschen weiter raus, z.B. nach Arlesheim sieht man schon, dass dort das Auto unverzichtbar ist. Die Villenhügel bis hoch hinauf lehnten sogar einen Ortsbus mal ab. Sie wollen keinen ÖV vor ihrer Haustüre. Sie wollen ins Auto mit Standheizung einsteigen, sie wollen aus ihren Tiefgaragen aufbrechen in die Büros der Stadt, die Teppichetagen ohne ein ÖV-Bakterium abzukriegen, ohne ein Tröpfchen Regen auf ihren Jacketts zu entdecken.
    Oder Pfeffingen, es wäre das hinterletzte Ort, würden die Autos verboten. Die Hügel von Oberwil, alle Häuser mit Doppel- oder Dreifachgarage, denn ohne Auto kein Leben heisst die Devise nur ca. 6 km vom Marktplatz entfernt.
    Vom Oberbaselbiet ganz zu schweigen mit den entlegenen Dörfern wie Lauwil, Nusshof, Hemmiken oder Anwil
    Gehen wir weiter: Arth oder Ägeri, Pfäffikon oder Wollerau. Kilometerlange EFH-Quartiere, welche ohne Auto abgesägt wären. Nicht mal das Mineralwasser käme noch nach oben.
    Von den Bergtälern, dem ganzen Kanton Graubünden welcher ohne individuelle Mobilität zusammenbrechen würde. Die 100ten von Bergdörfern, welche keine Arbeit bieten und deren Bewohner ins Tal zur Arbeit müssen. Schicht, Sonntags, Nachts. Die Spitex, welche bei Wind und Wetter sauber pflegen muss.
    Gehen wir nach Ennetbürgen im Nidwaldischen: Terrassenhäuser bald bis auf den Bürgenstock rauf. Mit fantastischer Sicht auf den See. Aber ohne ÖV, gewollt – dafür mit Einstellhallen so gross wie Fussballfelder. Und es wird weitergebaut. Nicht nur für Nidwaldner. Oh nein, CS-Bosse, internationale CEO´s. Sie alle wollen weder mit Postauti oder mit Leihwagen fort. Sie wollen ihren Wagen mit der individuellen Ausstattung auf sie massgeschneidert. Mit der richtig eingestellten Sitzposition, mit ihrem Duftspender, mit ihrer Innenfarbbeleuchtung, mit ihrem Sound.
    Gehen wir weiter ins Elsass. Ohne Fahrzeug ist man dort verloren. Das ganze ländliche Frankreich will die individuelle Mobilität. Weil es sie braucht. Weil kein ÖV. Weil abgesägt. Als Macron den Benzinpreis erhöhen wollte, sah dies die Landbevölkerung als Geld-klauen der Regierung an. Weil sie fahren müssen. Zur Schicht, zur Schule, zum Einkauf, zum Kino, zum Heiraten usw. usw… Dies war auch der Start der Gelbwesten-Bewegung.
    Auch in D, in ganz Osteuropa, in Italien usw. sieht es nicht anders aus.
    Am Auto, egal ob Benzin oder E-Auto zu schräubeln ist gefährlich. Brandgefährlich. Es kann ganze Nationen zerstören (Gelbwesten, Osteuropa).
    Auch ich möchte die „Benzin-Schweiz“ abschaffen. Aber ein Ersatz für die individuelle Mobilität muss gefunden werden.

    1. Gemach. Nur weil ich die Gleichsetzung Bürgerlich=Freiheit=Auto kritisiere, heisst das nicht, dass ich den ganzen MIV abschaffen will. Und es heisst auch nicht, dass ich gegen die Elektroinstallateure, gegen die Kuriere und gegen alle Handwerker mit Auto bin. Warum auch. Es ist doch umgekehrt: Je mehr unnötiger Autoverkehr vermieden wird, desto besser geht es jenen, die aufs Auto angewiesen sind.
      Und wir reden hier von der Kleinstadt Basel, nicht vom ländlichen Elsass und nicht von Graubünden. Niemand redet davon, eine Mauer hochzuziehen. Aber es heisst auch nicht, dass wir in Basel im Kreis hüpfen vor Freude, wenn von Schönenbuch bis Ammel alle mit dem Auto nach Basel fahren.
      Ich kritisiere die bürgerlichen Parteien, die mit ihrer Auto-Haltung die städtischen Liberalen vergraulen, weil das Auto in der Stadt nun mal nicht gut ankommt.
      PS: Von Arlesheim ist man am schnellsten mit der S-Bahn in Basel…

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